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Ostern am Stechlinsee

Okay, okay, ich gebe es zu. Ich habe den Roman „Der Stechlin“ von Theodor Fontane nicht gelesen. Aber in Brandenburg kommt man um Fontane einfach nicht herum. Der war ja scheinbar überall. Wir haben schon mal gescherzt, dass man der Einfachheit halber Gedenktafeln in den Orten anbringen sollte, die Fontane nicht besucht hat.

Man kann natürlich davon unbeeindruckt einfach die Landschaft genießen. Und das fällt im nördlichen Brandenburg sehr leicht, weil es dort einfach schön ist. Die Gegend südöstlich der Müritz besteht überwiegend aus Wald und Seen. Es gibt mehr Seen als Orte. Die Mischwälder aus Buchen und Kiefern sind nur extensiv bewirtschaftet und werden teils sogar völlig als Naturwald belassen. Die Gegend ist für deutsche Verhältnisse mit ca. 25 Einwohnern je km2 sehr dünn besiedelt. Sehr erholsam, wenn man gerade aus dem überfüllten und hysterischen Berlin kommt.

Ostern habe ich also in Neuglobsow am Großen Stechlinsee verbracht. Der See ist dafür bekannt einer der saubersten und tiefsten Seen in Brandenburg zu sein. Und das will bei der „Konkurrenz“ etwas heißen! Die Sauberkeit liegt daran, dass der See tief in den Wäldern liegt und keine Verschmutzung und Düngung durch die Landwirtschaft erleiden muss. Dennoch liegt ein Schatten über der Naturschönheit, aber dazu mehr weiter unten im Artikel.

Stechlinsee: glasklar, eiskalt und von Bäumen umgeben

Stechlinsee: glasklar, eiskalt und von Bäumen umgeben

Zunächst habe ich die Ruhe und die saubere Luft und den tollen See und den Wald und die gute Pension genossen, sowie den leckersten Orangenkuchen, den ich je probieren durfte. Um mich nicht völlig im Müßiggang zu verlieren, habe ich das geniale Wetter zudem für Abstecher nach Fürstenberg und zum Ziegeleipark Mildenberg genutzt.

Neben Rheinsberg ist Fürstenberg die nächstgelegene Stadt für Neuglobsow. Wobei man das Wort Stadt beinahe in Anführungszeichen setzen muss bei einer Einwohnerzahl von ca. 3.800. Aber dort ist die Verwaltung, der Bahnhof, der immerhin stündlich nach Berlin und nach Stralsund angefahren wird, und alles was man so zum Leben benötigt, z.B. Aldi und einen Baumarkt.

Für mich war interessant, dass es dort ein Schloss, eine schöne Kirche und natürlich die unvermeidlichen Seen gibt, durch die teilweise die Havel fließt. Die Altstadt mit den Kanälen und Schleusen und der kleine Hafen sind manierlich heraus geputzt, das Schloss wird gerade restauriert und alles in allem ist dort zwar etwas Leben auf der Straße, aber der Ort macht trotzdem einen recht verschlafenen Eindruck. Für einen extrem entspannten Vormittag hat es dennoch gereicht. Aber auch diese ruhige Schönheit hat eine dunkle Seite, auf die ich weiter unten eingehe.

Fürstenberg: Schloss und Schlosspark

Fürstenberg: Schloss und Schlosspark

Den Ziegeleipark Mildenberg hatte ich bereits vor fünf Jahren besucht. Damals allerdings im Rahmen des Chaos Communication Camp 2015. Nun wollte ich mir das Gelände ohne Zelte, Stromgeneratoren, Dekoration und vor allem ohne 5000 Nerds ansehen. Die Fläche wirkte dementsprechend etwas kahl, aber es waren nicht wenige Besucher angereist um sich über die Industriegeschichte zu informieren und mit der Lorenbahn zwischen Hafenbecken, Ringöfen und Tonaufbereitungsanlage umher kutschieren zu lassen. Auch auf dem Campinggelände standen diverse Wohnmobile und das Restaurant am alten Hafen war sehr gut besucht.

Ziegeleipark Mildenberg

Ziegeleipark Mildenberg

Das Osterwochenende habe ich also erholsam in schöner und ruhiger Umgebung verbracht und genossen.

Die Seele baumeln lassen

Die Seele baumeln lassen

Die dunkle Seite der schönen Gegend

Wie oben bereits angedeutet: obwohl man leicht den Eindruck haben kann, dass im nördlichen Brandenburg alles idyllisch und naturbelassen ist, gibt es doch ein paar dunkle Flecken. Die sehr dünne Besiedlung und relative Abgeschiedenheit der Gegend trotz der Nähe zu Berlin hat leider auch dazu geführt, dass man unschöne Dinge dort etwas „verstecken“ konnte.

Im verträumten Fürstenberg zeigt sich die dunkle Seite der Geschichte, wenn man etwas genauer hinsieht. Wenn man vom Schlosspark den Blick vorbei an den Hafenanlagen über den Schwedtsee schweifen lässt, hat man einen idyllischen Blick – bis einem klar wird, dass die Gebäude, die man am gegenüberliegenden Ufer sehen kann, Reste des ehemaligen Konzentrationslagers Ravensbrück sind.

Fürstenberg - Blick über den Schwedtsee zum ehem. KZ Ravensbrück

Fürstenberg – Blick über den Schwedtsee zum ehem. KZ Ravensbrück

Ein anderes Problem aus späterer Zeit zeigt sich am Stechlinsee. Von der Badestelle von Neuglobsow aus kann man am gegenüberliegen Ufer einen einzigen Schornstein in den Wäldern sehen. Dieser ist ca. 2km Luftline von Neuglobsow entfernt und hat es in sich. Das Wasser des Stechlinsees ist nicht nur sehr sauber, sondern aufgrund der großen Tiefe auch sehr kalt. Das hat man sich zu nutze gemacht, um das erste Kernkraftwerk der DDR zu kühlen. „Das Kühlwasser wurde aus dem Nehmitzsee entnommen und durch den Auslaufkanal des Kernkraftwerks in den Großen Stechlinsee eingeleitet. Beide Seen sind durch den Polzowkanal verbunden, so dass ein Kreislauf bestand.“ (Zitat Wikipedia „Kernkraftwerk Rheinsberg„)

Stechlinsee - Kühlwasserrücklauf

Stechlinsee – Kühlwasserrücklauf

Das Kernkraftwerk war zwischen 1966 und 1990 in Betrieb und wird seitdem zurückgebaut. Der Abriss der Gebäude ist für das Jahr 2069(!!!) vorgesehen.

Eine weitere dunkle Seite der schönen Naturlandschaft zeigt sich erst auf Satelitenfotos. Wenn man sich auf Google das Gebiet zwischen Müritz Nationalpark im Norden, Wittstock / Dosse im Westen und Schorfheide / Chorin im Südosten genau ansieht, fallen immer wieder seltsame Strukturen in den Wäldern auf. Diese zeigen eine militärische Nutzung: Flugplätze, Kasernen, Manöverflächen, Schießanlagen, Munitionsdepots und sonstiges. Zwar ist nach dem Abzug der russischen Truppen und den jahrzehntelangen Kürzungen im Deutschen Wehretat hier Ruhe eingekehrt, aber die Gegend dürfte erhebliche Verunreinigungen und Schädigungen erfahren haben.