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Motorradgottesdienst Friedrichswalde 2019

Am 12. Mai 2019 fand der 24. Motorradgottesdienst in Friedrichswalde statt und ich war dort. Das mag verblüffen, weil ich alter Heide ja nicht an Gott glaube und vor ziemlich genau 30 Jahren aus der Kirche ausgetreten bin. Aber man hat mich mit Schokolade der Aussicht auf eine Probefahrt mit der neuen Suzuki Katana dorthin gelockt.

Und das Fazit schon mal vorneweg – es war eine tolle Veranstaltung.

Zum ersten Mal habe ich genau ein Jahr zuvor davon gehört, als ich mich bei einem Ausflug in Joachimsthal über hunderte von Motorrädern gewundert habe, die durch den Ort fuhren. Da wurde mir gesagt, dass das jedes Jahr so sei, weil im Nachbarort ein Motorradgottesdienst abgehalten wird. Der Pfarrer sei da sehr engagiert.

Vor der Dorfkirche

Vor der Dorfkirche

Die Gegend

Für die Nicht-Berliner: Friedrichswalde und Joachimsthal liegen ca. 70Km nördlich von Berlin im Biospärenreservat Schorfheide / Chorin. Das ist eine schöne, recht dünn besiedelte Landschaft mit viel Wald und einigen Seen. Berlin ist für Motorradfahrer nicht so spannend, weil die Stadt groß, der Verkehr dicht ist und die Straßen schnurgerade sind. Hier oben gibt es eine schöne Landschaft mit viel Wald, einigen Seen und ein paar Straßen, die sogar Kurven haben. Die Gegend wird also am Wochenende gerne von Berlinern auf zwei Rädern besucht – mit und ohne Motor.

Das Rahmenprogramm

Bereits an den beiden Tagen vor dem Motorradgottesdienst gibt es Gesangs- und Tanzveranstaltungen. Der Höhepunkt ist dann der Sonntag, an dem mindestens tausend Biker in die 750 Seelen-Gemeinde „einfallen“. Es gibt ein Rahmenprogramm mit Livemusik, Motorradtestfahrten von Suzuki (wozu ich eingeladen worden bin) und nach dem Gottesdienst eine gemeinsame Ausfahrt von hunderten Bikern.

Sammeln zur Ausfahrt

Sammeln zur Ausfahrt

Bei einer derartigen Menge von Maschinen ist fast alles vertreten: Cruiser, Tourer, Brot-und-Butter Maschinen, Dukes, Sportler. Ein- bis Sechszylinder, Zwei- und Viertakter und auch so manches historische Schätzchen. Auf dem Weg ins Dorf fuhr ich hinter einem Pärchen auf einer top restaurierten Jawa.

Hintereinander: EMW, BMW und DKW

Hintereinander: EMW, BMW und DKW

Die Suzuki Katana

Bevor ich zum eigentlichen Punkt komme, möchte ich noch kurz von meiner Probefahrt berichten.

Als Jugendlicher hatte ich mich bereits für Motorräder interessiert und war 1981 total begeistert von dem extremen Design der Suzuki Katana. Andere Hersteller bauten Motorräder, die alle einigermaßen praktisch und ähnlich waren, aber dieses Gefährt schien direkt aus dem Weltall zu kommen (Star Wars?). Das polarisierte. Man konnte die Maschine nur extrem hässlich oder extrem genial finden. Ich gehörte zu den letzteren.

Die Gerüchte über eine neue Katana habe ich in den letzten Jahren interessiert verfolgt. Es gab sehr viel Möglichkeiten, stilistisch etwas falsch zu machen. Das normale Motorraddesign hat sich in den letzten 40 Jahren so radikalisiert – wie sollte da das Erbe glaubwürdig in die Gegenwart gerettet werden ohne beliebig zu wirken?

In meinen Augen hat es Suzuki geschafft, die Essenz des Originals bei dem neuen Motorrad zu treffen. Nun war ich gespannt, wie es sich fährt. Ich hatte zunächst Bedenken, weil die Maschine doppelt so viel Zylinder und doppelt so viel Leistung, wie meine SV650 hat. Der 1000ccm Vierzylinder leistet ziemlich heftige 150PS.

Katana Black - das Motorrad von Darth Vader?

Katana Black – das Motorrad von Darth Vader?

Die geführte, halbstündige Tour kann selbstverständlich nur einen ersten Eindruck vermitteln. Man sitzt ziemlich aufrecht – gar nicht mal so viel anders, als auf der SV, aber es ist deutlich zu spüren, dass man es hier mit einem ganz anderen Kaliber zu tun hat. Der Vierzylinder ist breiter und der nicht allzu laute, aber etwas heisere Klang im Leerlauf lässt einen schon das Inferno erahnen, dass einen erwartet, wenn man mal richtig aufdreht. Aber von aufdrehen konnte keine Rede sein. Ich fuhr das Modell in klassischem Silber mit jungfräulichen 300km auf dem Tacho. Die Drehzahl blieb also meist unter 4000 U/min. Der Motor ist ein Sahneschnittchen. zieht sanft, aber kräftig von unten heraus und hat dabei einen wirklich schönen Klang ohne laut zu werden. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was für ein Feuerwerk abgeht, wenn man den hochdreht. Das Fahrwerk strahlt ruhe aus. Die Katana lässt sich nicht ganz so leicht einlenken, wie die SV, aber die Tour ging zum Teil recht flott um die Ecken und die Maschine liegt ruhig und stabil in der Kurve.

Wirklich nett!

Der Gottesdienst

Wie erwartet, passten bei weitem nicht alle angereisten in die kleine Dorfkirche. Ich habe noch einen Stehplatz auf dem Balkon (oder Empore oder wie sagt man dazu?) in der dritten Reihe erwischt. Der Gottesdienst selbst war erfrischend originell und kurzweilig. Anstelle von Orgelmusik gab es eine Rockband, die Soundtechnisch etwas in Richtung AC/DC ging – aber natürlich mit religiösen Texten und einen Chor, der u.a. Gospel sang („Down to the river to pray“). Pfarrer Schwieger stand in Ledekutte vor der Gemeinde. Seine Ansprache handelte natürlich von Themen, die Motorradfahrer interessieren, aber die Botschaft war, wie sich jeder um Ausgleich und Toleranz bemühen kann und soll. Die eigenen Schwächen ließ er dabei nicht unter den Tisch fallen („Es kann sein, dass meine Auspuffanlage auch etwas zu laut ist, aber fahre ich eben ruhig durch die Orte“).

Gottesdienst mit Rockmusik

Gottesdienst mit Rockmusik

An diesem Tag wurde mir wieder deutlich, dass es bei der ganzen Kirchen-Geschichte nicht ausschließlich um den Glauben an Gott geht (damit kann ich nichts anfangen), sondern auch um das kulturelle und soziale Miteinander. Und genau bei diesen beiden Punkten hat die Gesellschaft zunehmend arge Probleme. Ich komme da schon ins Grübeln. Und genau das ist es ja, was so eine Ansprache bezweckt.

 

Mein Fazit

Es war ein schöner Ausflug, eine tolle Veranstaltung und ein interessanter Gottesdienst. In einer Zeit, in der sich Leute über jeden Kram aufregen, Streckensperrungen für Motorräder und sogar komplette Innenstadtsperrungen in der Diskussion sind, fand ich es sehr erfrischend, wie die Bewohner von Friedrichswalde und den umliegenden Orten mit der Veranstaltung umgehen.

Immerhin führt die enorme Menge an Motorrädern nicht nur zu kurzfristigen Sperrungen für den Durchgangsverkehr, sondern auch zu einem gewissen Lärmpegel. Da aber die absolute Mehrheit der Biker (also eigentlich alle) ruhig und zivilisiert fuhren und niemand durch lautes, hochtouriges Fahren, Wheelies oder ähnliches Rumgeprolle gestört hat, nahmen es die Bewohner als willkommene Abwechselung in der sonst extrem ruhigen Gegend.

Die Jugendlichen mischten sich in das Getümmel, im Dorf haben es sich viele vor ihren Häusern mit Gartenstühlen, Grill oder Kaffeegedeck gemütlich gemacht um dem Treiben zuzusehen. Auf dem Rückweg standen in den nächsten Orten Familien am Wegesrand und die Kinder haben den Motorradfahrern zugewunken.

Ich hoffe, dass diese sympathische Haltung nicht an den nächsten Wochenenden durch lautstarke Möchtegern-Valentino-Rossis gestört wird.