tiny little gizmos

Meine Musik aus 2017

Neulich haben wir in der Firma festgestellt, dass erstaunlich viele von uns musizieren. Ein Kollege spielt in einer Punkband, eine Kollegin spielt Ukulele, eine andere erzählte von ihrem Setup aus einem alten Synthesizer und eine Drummaschine. Mehrere Kollegen – einer davon ich – bauen ab und zu mal ein paar elektronische Tracks.

Immer war die Frage „…und wo kann man Deine Sachen hören?„.

Ich habe bisher einigen Freunden eine CD gebrannt oder einen USB-Stick kopiert. Nach einigen Überlegen habe ich mich nun dafür entschieden, meine Musik auf meiner eigenen Website zu veröffentlichen. Das mache ich in der traditionellen Form von „Alben“. Mein Rechner ist voll von musikalischen Fragmenten und Versatzstücken. Immer wenn eines dieser Teile die Form eines Songs annimmt, den ich auch mehrfach hintereinander hören mag, kommt der zum nächsten Album. Ich bilde mir ein, dass die Lieder von Album zu Album etwas besser werden, aber das muss jeder Hörer für sich entscheiden. Vier Alben gibt es bis jetzt:

Raw Fragments – 10 Stücke von 2009/2010. Meine ersten Gehversuche. Ich hatte nicht das Gefühl, dass es sich um „richtige Lieder“ handelt, sondern eher um kurze Soundschnipsel, daher der Name.

Furthermore – 5 Stücke von 2011/2012, die sich stilistisch an die ersten anlehnen, also immer noch eher experimentell sind.

Red Green – 11 Stücke aus dem Jahr 2016. Hier hatte ich das erste mal das Gefühl „richtige“ Lieder produziert zu haben.

Four Seventeen – 10 Stücke aus dem Jahr 2017. Hört sie Euch doch einfach mal an:

Sounds good – IMSTA FESTA Berlin 2017

Am gestrigen Samstag besuchte ich das IMSTA FESTA Berlin 2017, das in den Räumen der SAE in Berlin Kreuzberg stattfand.

Hmm, „Bahnhof“?

Es drehte sich alles um Musikproduktion.

IMSTA Festa Berlin

IMSTA Festa Berlin

Das SAE Institute ist eine private Bildungseinrichtung, die seit 40 Jahren in vielen Ländern Kurse rund um Musik- und Medienproduktion anbietet. IMSTA ist die International Music Software Trade Association. Offensichtlich sind auch einige der Berliner Musiksoftwarehersteller dort Mitglied und so fand der Event nun auch in Berlin statt. Ich wusste nicht so genau, was mich erwartet, aber da man sich zwar registrieren musste, aber der Eintritt frei war machte ich mich auf den Weg nach Kreuzberg.

Zunächst wuselte ich wie die anderen Besucher durch die Räume der SAE und schaute mal hier und mal dort rein. Die Räumlichkeiten in dem ehemaligen Speicher in der Cuvrystr. auf zwei Geschossen sind noch neu. Alles ist modern. Interessant fand ich den Grundriss im Musikbereich im oberen Stockwerk. Dort gab es keine rechten Winkel und keine parallel laufenden Wände um Schallreflexionen zu minimieren. Es gab kleine und mittlere Übungsräume, in denen Workshops und Vorführungen stattfanden und natürlich auch ein vollwertiges Tonstudio.

Danach habe ich die Showrooms der Hersteller abgeklappert.

Hard- und Software

Akai hatte seine aktuelle MPC Hardware am Start. Mit dieser Art Instrument werde ich aber irgendwie nicht warm. Mir liegt die Bedienung und Arbeitsweise nicht.

Arturia hatte auch etwas Hardware aufgebaut. Das kompakte Keylab49 Masterkeyboard hat ein schönes Design, ist recht leicht und ziemlich preiswert. Da ich aber stolzer und zufiedener Besitzer eines Keylab88 mit gewichteter „Klavier“ Tastatur bin, habe ich dafür keinen Bedarf. Nachdem ich etwas an dem winzigen Analogsynthesizer MicroBrute und etwas länger an dem ebenfalls analogen Drumcomputer DrumBrute herumgeschraubt hatte, vertiefte ich mich für längere Zeit in den Soundsphären des großen Analogsynthesizers MatrixBrute. Im Gegensatz zu den anderen Instrumenten hing der an Lautsprechern. Da mich in der Zeit fünf Leute angesprochen haben und mich für einen Arturia Mitarbeiter hielten, kann mein Geklimper nicht so schlecht gewesen sein. Ein sehr schönes Instrument. Klingt gut, fühlt sich gut an und macht Spaß.

Neben Hardware gab es natürlich auch viel Software zu sehen. Die Berliner Szene war mit Native Instruments (die sitzen ungefähr drei Häuser weiter), U-HE und Bitwig gut vertreten. Ableton konnte ich hingegen nicht entdecken, obwohl sie auch IMSTA Mitglied sind. Steinberg aus Hamburg waren auch dabei, wie Hersteller aus anderen Ländern, wie z.B. Image Line mit FL Studio (A.K.A Fruity Loops).

Mein Interesse galt aber vornehmlich Bitwig. Diese Software nutze ich selber gerne und ich finde das Team nett. Am Stand wurde ich sogar wiedererkannt („Du warst doch auch auf der Party damals in Neukölln, oder?“). Nice! Leider hat mir das letzte Update auf 2.2 mein Audio Setup zerschossen und dazu hatte ich einen kleinen Schnack. Mal sehen, ob wir die Ursache finden.

Workshops

Den ganzen Nachmittag hindurch gab es Song Reviews und diverse Workshops. Die drei, die ich besucht habe, waren interessant.

Bitwig gab einen einstündigen Überblick in das User Interface ihrer Software. Obwohl ich das System seit zwei Jahren nutze, habe ich einige neue Dinge erfahren.

Im Mischraum des Tonstudios gab der Produzent Sonus030 einen Einblick in FL Studio. Ich habe ihm offen gesagt, dass das HipHop Genre nicht so meins ist, und ich Bitwig als Audio Workstation verwende, aber gerne mal sehen würde, wie er daran geht, einen Track zu bauen. Und so gab er mir Einblick in seine Arbeitsweise anhand eines Songs, den er mit anderen Musikern Tags zuvor aufgenommen hatte. Interessanterweise unterscheidet sich das gar nicht so sehr davon, wie ich arbeite, abgesehen davon, dass er mehr Audiomaterial verwendet und ich mehr über die Keys einspiele. Netter Kerl und der fertige Song hat mir dann übrigens sogar gut gefallen.

Im Studio

Im Studio

So richtig überrascht war ich dann von dem Vortrag über Modular Sythesizer. Ich bin völlig ahnungslos in den Raum, in dem Wohnzimmeratmosphäre herrschte. Ein Teil des Publikums saß auf Stühlen, der Rest fläzte entspannt auf 70er Jahre Sitzsäcken. Ich sitze in Reihe zwei. Vorne stand ein modulares Synthesizerrack von Doepfer und ein Keyboard und davor saß ein netter Herr aus den USA in seinen 60ern mit Karohemd und Ecco Schuhen, die Haare zum Zopf zusammengebunden. Er fing mit seinen Erklärungen ganz vorne an: Was ist ein Oszillator, wie klingt ein Sinus, wie sind die Obertöne einer Dreieckswelle usw.

Modular Synthesizer 101

Modular Synthesizer 101

Parallel zur Erklärung hat er immer alles sofort gezeigt, am Gerät zusammengesteckt und eingestellt. Als er dann zum Thema Rauschen und Filtertypen kam, musste er ein wenig am Rack suchen und einmal kam der Kommentar, dass etwas anders, als bei seinem Moog funktionieren würde. Er hat sich artig bei Döpfer bedankt, dass sie ihm das Rack zur Verfügung gestellt haben und gemeint, dass er noch nie vorher an einem Eurorack System gearbeitet hat. 10 Sekunden später hat er dann aber die Einstellung so geändert, dass es weitergehen konnte. Zweifellos ein Profi.

Und was für ein Profi er tatsächlich ist, dämmerte mir im zweiten Teil des Vortrags. Irgendwann fing er dann an so typische 80er Jahre Songs anzuspielen, unser geneigtes Ohr auf einen bestimmten Klang zu lenken und dann zu erzählen, wie der produziert wurde. Hier ein Oberheim OB-8, hier zwei gestackte Prophet 5, hier ein Moog Modular etc…

Okay – der kennt sich aus, dachte ich mir.

Dann spielte er den Anfang von Michael Jacksons „Bad“ und sagte, wir sollen auf diesen hohen Sound im 16tel Takt hören („tschackatschackatschackatschacka“). Dann erklärte er, wie er diesen Sound hinbekommen hat.

Ähm wie jetzt ???

Gleich danach dasselbe Spiel mit Linonel Ritchies „Hello“ und nochmal mit einem Song aus Flashdance. Und so ging das ’ne ganze Weile weiter.

Was zum… Wer ist dieser Kerl?

„Der Kerl“ war Michael Boddicker. Eine Sythesizer-Koryphäe aus der Musikszene von L.A., der nicht nur Filmmusik komponiert und produziert, sondern so ungefähr schon mit allen Stars zusammegearbeitet hat: Quincy Jones, Whitney Houston, Diana Ross, Neil Diamond,…

 

Und ich bin so ungefähr aus Versehen in den Vortrag gegangen. Wahnsinn!

Das sind dann so die Augenblicke, in denen ich total glücklich bin, in Berlin zu leben, obwohl mir die Stadt manchmal unfassbar auf die Senkel geht.

Instructions to a 6510 for Sound

Am Nachmittag des 02.07.2017 fand in der Toskanahalle in Berlin Weissensee die Finissage der Ausstellung „Computerbögen“ statt. Daran war ich mit meiner Installation „Instructions to a 6510 for Sound“ beteiligt.

Es handelt sich um eine Installation aus 32 Blatt Tabellierpapier mit kommentiertem Assemblercode, Lautsprecher und einem Einplatinenrechner, der programmgesteuert im 5 Minuten Intervall drei Musikstücke abspielt.

Installation im Überblick

Installation im Überblick

Detail: Raspberry Pi und Erläuterung

Detail: Raspberry Pi und Erläuterung

Detail Ausdruck

Detail Ausdruck

Über das Werk:

Das Werk hat mehrere Interpretationsebenen.

Der Name der Installation weist auf die einfachsten Interpretationsebene hin. Es ist Musik zu hören, die mittels einer Software erzeugt wurde. Auf den 32 Blatt Papier sind Anweisungen für einen MOS6510 Prozessor zu sehen um diese Musik zu erzeugen.

Eine andere Interpretationsebene ist das Spiel mit Zeit. Artefakte aus den 80er Jahren, die im Jahr 2017 genutzt werden.

Die zugrunde liegende Software (Sound-Monitor von Chris Hülsbeck) stammt aus dem Jahr 1986. Sie ist für den Commodore 64 programmiert, einem Heimcomputer aus dem Jahr 1982.

Das verwendete Tabellierpapier erinnert aber an typische Computerausdrucke aus den 70er und 80er Jahren. Die Schrifttype stammt von einem Epson Nadeldrucker aus dem Jahr 1980.

Der Ausdruck zeigt eine kommentiert Interpretation des Assemblercodes von Dirk Ollmetzer aus dem Jahre 2017.

Die abgespielte Musik stammt von Dirk Ollmetzer aus dem Jahr 2014 und 2017.

Nicht zuletzt ist die Installation auch ein Spiel mit Authentizität.

Die Software, um die es in diesem Werk geht, ist in ihm selber nicht vorhanden. Der Ton kommt von einem kleinen Einplatinenrechner aus dem Jahr 2016, der drei vorgefertigte MP3 Sounddateien abspielt. Diese wurden zwar mit dem Soundmonitor erzeugt, jedoch nicht auf einem echten Commodore 64, sondern auf einer Softwareemulation des Commodore 64, die auf einem aktuellen PC lief.

Auf dem Ausdruck ist auch nicht der Maschinencode selbst zu sehen, sondern eine für den kundigen Menschen lesbare Form (6502 Assemblercode) mit Kommentaren und Sprungmarken, anhand der die Funktion der Software nachvollzogen werden kann.

Der scheinbar alte Computerausdruck wurde mittels einer Textverarbeitung und einer speziellen Schrifttype zunächst auf normales A4 Papier ausgedruckt und anschließend mit modernen Kopierern auf das Tabellierpapier vergrößert kopiert.

Nichts ist so, wie es zunächst scheint. Alles ist echt, aber nichts authentisch.

Klassiker der (Musik-)Elektronik

An diesem Wochenende habe ich mich mal wieder an die Grundlagen der Musikelektronik erinnert. Es fing damit an, dass ich viele Songs von Kraftwerk gehört habe. Die Gruppe war seinerzeit sensationell radikal – das kann man als junger Mensch heutzutage vermutlich gar nicht nachvollziehen. Aber die sanften Melodien von Autobahn, die drängenden Akkorde von Trans-Europa-Express, oder die Metropolis-artigen Rhytmen von Die Mensch Maschine sind auf jeden Fall immer noch richtige Ohrwürmer.

Leider habe ich es im November 2014 nicht geschafft Karten für die Konzerte in der Nationalgalerie zu bekommen, die Kraftwerk im Januar 2015 gespielt haben. Dafür konnte ich jetzt Konzertkarten für einen anderen Elektronik Pionier bekommen, der ebenso beeindruckend Werke geschaffen hat. Ich freue mich jetzt auf auf Jean Michel Jarre in der Zitadelle Spandau.

Und weil wir jetzt schon bei Klassikern der elektronischen Musik sind, habe ich meinem Verlangen nachgegeben und mir nach einiger Überlegung ein feines Stück Hardware angeschafft: Einen Analog Synthesizer von Moog.

Der Moog Mother 32 sieht neben meinem Keyboard eher niedlich aus und die Daten lesen sich zunächst überhaupt nicht beeindruckend: Ein einzelner Oszillator, der nur Sägezahn und Rechteckwellen erzeugen kann, ein LFO und eine Hüllkurve, die nicht mal vollständig ADSR bietet. Dafür scheinen die aufgerufenen €700,- zunächst etwas happig.

Mein Moog Mother 32

Mein Moog Mother 32

Aber der Eindruck täuscht. Man merkt deutlich, dass die Firma über 50 Jahre Erfahrung in Analogelektronik hat. Die Verarbeitung ist erstklassig. Das Gehäuse ist aus Metall und Holz. Nichts wackelt – alles sitzt bombenfest. Die Drehregler fühlen sich an, als ob sie in Honig gelagert sind, lassen sich sehr feinfühlig dosieren und decken einen erstaunlich breiten Regelbereich ab. Der Sound ist für einen Oszillator überraschend fett und mit dem Patchfeld lassen sich interessante Modulationen erzeugen.

Nach einigem Rumspielen stellte ich schnell fest, dass das Klangspektrum erheblich größer ist, als ich zunächst vermutet hatte. Zudem ist die Bedienung auch nicht allzu schwierig. Ich konnte auf dem eingebauten Sequenzer schnell die Eingangssequenz von Pink Floyds „on the run“ nachbauen und der Klang kam dem Original sehr nahe.

Die Arbeit mit analoger Elektronik unterscheidet sich aber doch erheblich von der an einer Audio Workstation, bei der man überwiegend mit Noten, Patterns und Presets arbeitet und die Arrangements regelrecht festklopft. Auf dem Moog ist nichts 100% exakt reproduzierbar, der ganze Arbeitsprozess ist ein einziges Ineinanderfließen von Sounds. Sehr meditativ! Wie ich diese beiden Welten zueinander bringen kann, weiß ich noch nicht, aber spannend finde ich das auf jeden Fall.

Ein Grund, weshalb ich mich für exakt dieses Gerät entschieden habe, ist, dass es sich hervorragend als Kernstück eines größeren Modularsystems eignet. Falls ich tiefer in diesen Bereich eintauchen möchte, habe ich somit schon einen sinnvollen Grundstock an Funktionen.

In einschlägigen Foren wird übrigens mit einem deutlichen Augenzwinkern davor gewarnt, in den Bereich der analogen Modularsynthesizer einzusteigen. Man würde schnell einer schweren, ansteckenden Krankheit anheimfallen: Dem Gear Akquisition Syndrome (GAS), dessen Endstadium in dem unten stehenden Bild deutlich erkennen kann. ;-)

Enstadium GAS (Symbolbild)

Enstadium GAS (Symbolbild)

Bis dahin werde ich aber vor allem viel Zeit investieren um den Geräten auch einmal solch betörenden Klänge zu entlocken, wie in diesem Werbevideo von Moog.

Old-Boys-Punk und Heimaturlaub

Hinter mir liegt ein verlängertes Wochenende in Hannover, das mir sehr viel Spaß gemacht hat. Ich möchte den Menschen danken, die dazu beigetragen haben (in chronologischer Reihenfolge):

Maike, Uwe, Melanie, Olaf und Bernd, den ich nach dem Konzert kennenlernen durfte.

Es gab nette und interessante Gespräche, lecker Kaffee und Kuchen in der Menagerie, ordentliche Mengen Newcastle Brown Ale im Jack the Ripper’s, erstaunlich leckere „zwischendurch Pizza“ in Oberricklingen, plötzlich richtig gutes Wetter, als wir auf der Driving Range in Gleidingen waren und natürlich den Anlass meiner kleinen Reise: Das rappelvolle Konzert der Dead Kennedys im Kulturzentrum Faust.

Obwohl es nicht mehr ganz die Originalbesetzung war und die Zuschauer (wie ich) so langsam aufs Seniorenalter zugehen, ging die Post ganz gut ab. Zum Abschluss gab es dann noch einen Absacker im Izarro.

Heute Morgen in der Markthalle noch ein paar regionale Spezialitäten geholt und danach ging es zurück nach Berlin.

Und jetzt könnte ich gut ein Wochenende gebrauchen um auszuspannen…

Morgens in der List

Morgens in der List

Mittags auf dem Golfplatz

Mittags auf dem Golfplatz

Abends Old-Boys-Punk

Abends Old-Boys-Punk

Linux als Audio Workstation

Vor ungefähr einem Jahr bin ich endgültig von Apple Macintosh auf PC/Linux umgestiegen. Da ich seit 2004 fast ausschließlich freie Software nutze, die auf allen Betriebssystemen verfügbar ist, war der Umstieg unproblematisch. Es blieb nur ein Sorgenkind:

Die Musiksoftware.

Ich nutze die Audio Workstation Reason seit der Version 3.0 – damals noch unter Windows XP – bis zur Version 8.0 auf dem Mac. Für Linux sah es aber düster aus. Es ist fast keine kommerzielle Musiksoftware für das System verfügbar.

Vor einger Zeit hörte ich von einer neuen Firma, die eine Audio Workstation neu entwickelt, die nicht nur wie üblich auf Windows und Mac läuft, sondern auch auf Linux. Da diese Firma – die übrigens ganz bei mir in der Nähe im Prenzlauer Berg sitzt – zum Teil aus ehemaligen Mitarbeitern von Ableton besteht, hatte ich schon mal ein Grundvertrauen in deren professionalität. Vor einem Monat habe ich mir dann Bitwig Studio in der Version 1.3 gekauft und seitdem spiele ich damit rum.

Bitwig Studio 1.3

Bitwig Studio 1.3

Die Software ist schnell installiert, recht intuitiv bedienbar, läuft stabil und klingt gut. In diesem Artikel soll es aber um eine andere Frage gehen:

Wie geht professionelle Audio Verarbeitung unter Linux?

Im Gegensatz zu Windows oder Mac OS gibt es Linux in 1000 unterschiedlichen Geschmacksrichtungen und auf unterschiedlichster Hardware. Darum soll hier erstmal die Basis geklärt werden: Bitwig ist freigegeben für Ubuntu Linux auf normaler PC Architektur mit X86 Prozessoren.

Ich nutze ein Lenovo Thinkpad der T-Serie mit Intel i5 Prozessor und 8GB RAM. Als Betriebsystem kommt Linux Mint 17.2 zum Einsatz. Unter der Haube ist das im Wesentlichen Ubuntu was der breiten Hardwareunterstützung zugute kommt, und die Benutzeroberfläche Cinnamon ist in meinen Augen erheblich angenehmer als das bei Ubuntu eingesetzte Unity.

Musik Setup

Musik Setup

Alsa, Pulseaudio, Jack – WTF?

Die Standardinstallation von Ubuntu/Mint nutzt als Audiosystem ALSA und Pulseaudio und alles funktioniert out-of-the-box. Nachdem ich Bitwig Studio installiert und ALSA als Audiosystem eingestellt hatte, konnte ich auch sofort damit loslegen. Zum Ausprobieren und für die ersten Schritte ist das auch absolut in Ordnung, wenn man aber richtig loslegen will reicht das leider nicht. Es gibt zwei Probleme: Hohe Latenz (Also Zeitversatz zwischen dem Einspielen einer Note und dem Klang selber) und Aussetzer, wenn die Musik komplexer wird.

Professionelle Audiosysteme unterstützen mehrere Soundkarten mit jeweils mehrere Ein- und Ausgängen, wie man sie benötigt, wenn man auch mal ein Mikrofon, eine Gitarre oder sonstige Instrumente anschließen möchte. Sie bieten internes Audiorouting, geringe und zudem einstellbare Latenzzeit und gehen auch bei komplexen Arrangements nicht in die Knie.

Beim Mac ist sowas fest im Betriebssystem eingebaut, bei Windows muss man es nachrüsten (ASIO) und für Linux ist ebenfalls ein solches System verfügbar. Es nennt sich Jack (wie Stecker).

Welches Audiointerface?

Professionelle Audiointerfaces gibt es wie Sand am Meer. Von RME, Roland, Tascam, Focusrite, M-Audio und etlichen anderen Anbietern. Mit Firewire, USB oder Lightning Anschluss. Mit wenigen oder vielen Audioanschlüssen, von günstig bis sehr teuer.

Allerdings nicht für Linux – zumindest nicht offiziell unterstützt.

Nachdem ich mich lange in den entsprechenden Foren herumgetrieben habe, fiel meine Wahl auf das Focusrite Scarlett 2i2. Ein kleines USB Audio Interface mit Ausgängen für Monitore und Kopfhörer sowie zwei Eingängen, die wahlweise als Line/Instrumen oder Microfoneingang mit Phantomspeisung geschaltet werden können. Es kostet ca. 140,- und funktioniert tatsächlich ohne weitere Treiberinstallation mit Jack.

focusrite Scarlett 2i2

focusrite Scarlett 2i2

Get Jack

Jack lässt sich einfach per Synaptic oder apt-get nachinstallieren. Herauszufinden welche Pakete das sind, hat mich allerdings einen kompletten Abend und meine gute Laune gekostet. Man benötigt eigentlich nur:

jackd2 – Jack Audio Verbindungs-Kit
libjack-jackd2-0 – Die Libraries
qjackctl – Benutzerschnittstelle zur Kontrolle des Jack Soundservers

Damit nun ein richtig knackiges Timing der Audiosignale hinbekommt, muss man dem Betriebssystem mitteilen, dass Jack bitte auch entsprechend Rechenzeit und eine hohe Priorität beim Multitasking bekommt. Früher brauchte man dafür einen speziell kompilierten Kernel, aber jetzt genügt ein richtige Konfiguration. Dazu bearbeitet man mit Rootrechten die Datei /etc/security/limits.conf. Dazu gibt man im Terminal ein:

sudo gedit /etc/security/limits.conf

Am Ende der Datei, aber noch vor der Zeile # End of file gibt man folgende Zeilen ein:

# Settings for real time audio
dirk             -       rtprio          99
dirk             -       memlock         unlimited
dirk             -       nice            -10

Mein Unix Benutzername ist – wenig originell – dirk. Hier muss natürlich jeder seinen eigenen Account verwenden und dabei auf Groß/Kleinschreibung achten. Man kann die Rechte auch Gruppen zuweisen (z.B. mit @audio).

Jetzt den Rechner neu starten und es kann losgehen. Man startet das Kontrollinterface von Jack und wählt in den Einstellungen die neue Soundkarte für Ein- und Ausgabe. Bevor man nun auf Start klickt, sollte man zumindest beim erstan Mal das Fenster für die Meldungen öffnen. Falls Jack nicht startet ist meist die Ursache, dass versucht wird, die Soundkarte zu verwenden, die bereit von ALSA belegt ist.

jack_settings

Wenn bis hierher alles gut gegangen ist, kann man Bitwig Studio auf Jack umschalten und sich über ein professionelles Setup freuen. Toll ist, dass die herkömmliche Soundausgabe für Systemsounds oder den MP3 Player Banshee weiter auf der eingebauten Soundkarte läuft.

…irgendwas ist ja immer

Ein Wehmutstropfen bleibt jedoch: Youtube Videos und alles, was normalerweise sonst noch aus dem Browser heraus tönt, bleibt stumm. Irgendwie verhaken sich dabei ALSA, Jack und Pulseaudio. Der Versuch, dem Rechner das nun auch noch beizubringen hat mich den gesammten Sonntag gekostet. Ich habe 10 verschiedene Tutorials durchgearbeitet, die angeblich das Problem lösen, dabei die Benutzeroberfläche zerschossen, so dass ich den Cinnamon Desktop neu installieren musste und letztlich habe ich aufgegeben.

Das Problem habe ich nicht gelöst, aber einen Workaround gefunden: Ich schaue Youtube Videos jetzt einfach über den VLC Player. Der funktioniert nämlich weiterhin einwandfrei… ;-)

Nachtrag [24.12.2015]

Das Youtube Problem lässt sich ganz einfach lösen: Durch das Deinstallieren des Flash-Plugins.
Wenn der Browser kein Flash unterstützt, liefert Youtube die Videos nämlich im MP4 Format aus, was von allen modernen Browsern direkt abgespielt werden kann.

Wer Flash nicht gleich völlig deinstallieren will, kann auch erst einmal zum Zweibrowser greifen (bei mir war das Chromium) und Flash dort deaktivieren.

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