Google ist keine Suchmaschine – Google ist viel, viel mehr.
Google hat extrem hochgesteckte Ziele, die einen frösteln lassen (Das Weltwissen im Zugriff).
Google hat verstanden, was der Begriff “Informationsgesellschaft” wirklich bedeutet und welche Macht in den Daten steckt.
Google hat einfach am besten verstanden, wie das Internet funktioniert. Sowohl technisch, als auch ökonomisch.
Google denkt ungeheuer strategisch und langfristig.
Google ist sensationell rationell und pedantisch. Das wurde mir vor Jahren klar, als ich einmal ein Papier der Firma in den Händen hielt, in dem ausgerechnet wurde, wieviel Stromkosten ein durchschnittliche Suchanfrage verbraucht.
Google steckt enorme Summen in scheinbar kostenlose Produkte und Dienste. Damit schaffen Sie die optimale Umgebung für ihr eigentliches Geschäft. Und genau deshalb wächst und gedeiht ihr Geschäft scheinbar unaufhörlich.
Daran musste ich gerade denken, als ich den sehr gelungenen Artikel “Das Google-Mißverständnis” bei “Die wunderbare Welt von Isotopp” gelesen habe. Lesetipp!
Dirk Ollmetzer | Sunday, 8 November 2009 |
Misc
Ich beabsichtige noch dieses Jahr wieder vollständig in Berlin zu sein. Die Pendelei nach Hamburg – so einträglich sie ist und so nett die Kollegen bei meinem Kunden auch sind – macht mich langsam porös. Ich zähle die Zeit rückwärts und freue mich darauf, dann auch endlich wieder ein Privatleben zu haben.
Freitag abend habe ich damit schon mal angefangen und war Gast auf der Party von jovoto (Marktplatz für kreative Konzepte). Nette Gespräche, viele schöne, optimistische junge Menschen. Hat mir sehr gut gefallen. Ich wünsche Bastian und seinen Mitstreitern von Herzen viel Erfolg!
Seit ich die Entscheidung getroffen habe, ist meine Stimmung auch gleich viertel Oktave höher. A propos Oktave: Musik ist mir momentan auch wieder sehr wichtig. Wobei ich mich immer wieder über mich selber wundere, welche Sachen ich mir anhöre – und in welcher Kombination.
Ich habe gerade Musik bei iTunes gekauft: Tony Christie, Middle of the Road, Tom Jones… Super pompöse Musik – ich liebe es. 3 mal hintereinander gehört und danach gleich “closer” von Nine Inch Nails. Ihr wisst schon – der Song mit dem etwas krassen Text. Mir geht’s gut.
Dirk Ollmetzer | Wednesday, 28 October 2009 |
Fundstücke
Wenn das Wetter draussen so besch… ist, daß man glatt zwei draus machen könnte, ist hier der Beweis, daß Wolken durchaus was tolles haben können. Dieses Hereinbrechen der Wolken über die Hügel nach San Francisco habe ich (etwas langsamer) ja auch schon live gesehen. Ist wirklich atemberaubend. Achtung: Fernwehalarm. ;-)
(gefunden bei Feingut)
Durch die Blogosphäre schwappt ja gerade die große Welle der Begeisterung (und bei einigen auch der Ablehnung) zum Thema Google Wave. Als vor einigen Wochen das Video im Netz die Runde machte, auf der Google sein neues Baby vorstellte, habe ich mir das Ganze natürlich auch angesehen. Allerdings hielt sich meine Begeisterung doch sehr im Rahmen. Möglich, daß es an der Überlänge der Präsentation lag, möglich, daß ich den Witz einfach noch nicht verstanden habe. Ging mir beim Thema Blogging ja am Anfang auch so. Damals dachte ich “Blogs sind doch nur kastrierte Content-Management-Systeme. Wo ist der Witz?” Manchmal braucht es eben ein bischen, ehe der Groschen fällt.
Der Dienst befindet sich zur Zeit noch in einer halb öffentlichen Beta-Phase, d.h. man braucht eine Einladung um ihn ausprobieren zu können. Letzte Woche bekam ich dann eine Einladung und ich konnte einen ersten Eindruck auf der Basis eigener Erfahrungen gewinnen. Mehr als ein erster Eindruck ist aber nicht drin, weil ich selber niemanden Einladen kann. Und ein Kommunikationstool, in dem man nur einen Kontakt hat, ist ziemlich witzlos. Klas (compuccino) hat das gestern in einem Tweet sehr schön auf den Punkt gebracht:
“#wave ist wie ein Club … keiner kommt rein, und drinnen ist auch nix los. Aber die Einrichtung ist echt stylisch.“

Gähnende Leere in der Kontaktliste
Dennoch: mein Eindruck entspricht so ungefähr dem, was ich nach dem Betrachten des Videos dachte: Momentan gehe ich nicht davon aus, daß dieser Dienst für mich wichtig wird. Google versucht, verschiedene Nachrichtendienste miteinander zu verzahnen, was ich im Prinzip als sinnvoll erachte. Daß die E-Mail dringend einen Nachfolger braucht, sehe ich genau so. Dennoch finde ich Google Wave eher uninteressant. Und zwar aus folgenden Gründen:
- Es werden zentrale Features eingebaut, die technisch spannend sind, die ich als User aber nicht benötige oder sogar bewusst nicht haben möchte.
- Dafür fehlen wichtige Dinge, die ich bei einem E-Mail Nachfolger unbedingt sehen will.
- Die Benutzeroberfläche ist zwar klar strukturiert, dennoch ist die ganze Usability eher verwirrend. Und das liegt am Prinzip.
Ein Feature, welches ich technisch spannend finde, aber eigentlich als Anwender gar nicht haben will ist, daß der angeschriebene sofort sieht, was ich schreibe. Und mit “sofort” meine ich, noch während ich schreibe. Es ist schon reichlich verwirrend, bereits eine Antwort zu bekommen, während man noch dabei ist, den Satz zu Ende zu schreiben. Man sieht jeden Tastendruck, jeden Tippfehler, jede Korrektur wenn das Gegenüber einen Satz nochmal löscht oder umformuliert.
Das mag ich nicht.
Ich möchte wenigstens die Möglichkeit haben, das Geschreibene noch mal Korrektur zu lesen, zu überdenken, umzuformulieren oder ggf. in den den virtuellen Mülleimer zu werfen. Wenn alle Mails und Postings, die ich in den letzten 15 Jahren geschrieben habe sofort gelesen worden wären, hätte ich heute vermutlich etliche Freunde weniger. ;-)
Was ich hingegen bei der E-Mail vermisse und bei Wave auch nicht sehe (vielleicht ist es da, aber ich sehe es nicht), ist die Sicherheit, wirklich von der richtigen Person angeschrieben worden zu sein – Stichwort Spam.
Vertraulichkeit ist bei einem Google-Dienst natürlicher völlig ausgeschlossen. Ein für berufliche Zwecke ernstzunehmender Dienst muss aber m.E. hohe Hürden gegen Abhören bieten.
Bei einem neuen Dienst ist es m.E. auch absolut notwendig, gleich auch ein Interface für mobile Endgeräte einzubauen. Ich kann aber nicht recht vorstellen, wie Wave auf einem Handy oder Smartphone funktionieren soll.
Zudem befürchte ich, daß bei längeren Diskussionen, mit mehreren Teilnehmern, File-Attachments usw. ein Wave so ausufert und unübersichtlich wird, daß man sich nicht mehr zurechtfindet. Das liegt natürlich am Prinzip.
Ich glaube, daß wir in nächster Zeit noch so einige neue Messaging-Lösungen sehen werden. Ich glaube auch, daß die Tage der E-Mail so langsam gezählt sind. Wave ist ein interessanter Ansatz – aber der große Wurf ist es noch nicht. Aber das sind natürlich nur meine Einwände. Wenn in drei Jahren alle bei Wave sind, werde ich es natürlich auch nutzen (müssen). Genauso, wie ich mich drei Jahre gegen Facebook gewehrt habe.
Wir werden sehen.
Ich liebe alternative Sichtweisen auf Alltägliches. Darum habe ich damals natürlich (wie es sich für Tecchies gehört) die Bücher von Douglas Adams verschlungen. Gerade bin ich auf einen ganz netten Artikel auf Smashing Magazine zum Thema Brand/Interface Design/User Experience gestossen: “Brand = User Experience: The Interface of a Cheeseburger“.
Obwohl sie theoretisch aufeinander aufbauen sollten, sind Brand Design, User Interface Design und die tatsächliche User Expierence in der Praxis meist nur locker verbunden. Die genannten Beispiele Mc Donalds und Google sind jedoch ganzheitlich auf ein ganz ursprüngliches Verhaltensmuster ausgerichtet. Genauso wie beim Stillen eines Babys, geht es hier darum, ein momentanes Bedürfnis, ohne groß nachzudenken sofort zu befriedigen.
Das ist natürlich keine tiefschürfende Erkenntnis, aber gut, wenn man sich so etwas hin- und wieder bewusst macht. Es hilft, den Fokus in eigenen Projekten besser setzen zu können.
Achtung: Der folgende Eintrag enthält persönliche und emotionale Aussagen
Seit gestern bin ich für einen mehrtägigen Besuch in Hannover. Ich bin hier aufgewachsen, aber schon vor 25 Jahren weggezogen. Seit fast 20 Jahren komme ich nur noch sporadisch hierher. Meist in Eile schnell mal die Familie abklappern und wieder weg.
Die Stadt hat ‘nen schlechten Ruf, aber so ganz kann ich das eigentlich nicht nachvollziehen. Klar ist hier weniger los als zum Beispiel in Berlin oder Hamburg. Niemand kommt für einen kurzen Städtetrip hier her – ausser Messebesucher. Dafür ist man jederzeit in 5 Min. im Grünen, der Verkehr funktioniert und die Leute sind nicht so überdreht.
Ich übernachte bei meiner Schwester in Ricklingen. Nicht weit weg haben wir damals in den 80ern gewohnt. Ich gehe durch die Strassen. Die Häuser sind viel kleiner als daheim im Prenzlauer Berg. Die Seitenstrassen haben vier mehr grün. Die Läden und Kneipen sind überhaupt nicht hip und die Menschen sehen auch total normal aus. Nicht so fürchterliche “Junge, erfolgreiche deutsche Famile”-Klone, die einem einen Spaziergang durch den Friedrichshain zur Pest machen und das Gefühl geben, in einem weissen Mittelstandsghetto zu leben.
Stattdessen hier und da mal ein Harz4-Opfer, dort mal ein, zwei Ausländer aber dann auch wieder nette junge Familien. Irgendwie scheint mir das ‘ne gesundere Mischung zu sein.
Es hat sich hier nicht richtig viel verändert. Hier und da ein anderer Laden, ein neues Haus und neue Hochbahnsteige auf der Hauptstrasse. Ich irgendwie ‘nen Flashback, der Himmel ist grau und es nieselt.
BANG! Novembergefühl obwohl erst Oktober ist.
Mein Soundtrack dazu: Anne Clark. Passt von der Zeit und dem Gefühl perfekt.
Alles ist irgendwie so vertraut. Und trotzdem so weit weg. Ich habe das Gefühl, ich laufe durch meinen eigenen Film. Könnte ich hier leben? Keine Ahnung. Könnte ich es in Hamburg? Ich weiss nicht recht. Kann ich es noch in Berlin? Zweifel.
Da fällt mir ein Satz ein, der galube ich von Tom Wolfe stammt:
Man kann nie wieder zurück
Aber wohin dann? Und was tun? Und… noch viel mehr Fragen. Ich sollte mich freuen, liebe Menschen zu treffen, die ich viel zu selten sehe. Das tue ich auch und trotzdem bin ich so ratlos und schiebe gerade den Blues.
Der Herbst hat mich gerade so richtig fies erwischt.
Für mich selbst ist der Disput “Journalisten vs. Blogger” seit langem gegessen. Für Menschen, die sich mit dem Thema vielleicht noch nicht so intensiv auseinandergesetzt haben, hier eine kleine Einführung:
Der elektrische Reporter glänzt mal wieder mit einer gelungenen Ausgabe zum Thema “Zukunft des Journalismus”. In Kurzform und verständlich werden die Veränderungen im Bereich Journalismus sowohl auf der Seite der Nachrichtenproduktion, als auch auf der Rezeptionsseite erläutert. So wird deutlich, weshalb daraus ein völlig neues wirtschaftliches Umfeld und eine erhebliche Veränderung der Beeinflussung der öffentlichen Meinung resultieren.
Es ist erstaunlich, daß diese einfachen Erkenntnisse noch immer nicht bis zu allen Medienschaffenden durchgedrungen sind, wie das lautstarke aber sinnentleerte Lamentieren über “die Enteignungen der Zeitungen durch Google” durch einige Vertreter der alten Medienhäuser in den letzten Wochen und Monaten zeigen. Das Problem sind die Kollateralschäden im deutschen Rechtssystem, die durch die extreme Lobbyarbeit solcher “Interessenvertreter” bis dahin verursacht werden. Dadurch geht wertvolle Zeit für einen sinnvollen Umbau der Medienlandschaft verloren und ich befürchte, daß die meisten bisherigen Mitspieler mittelfristig verschwinden – selbstverschuldet.
Wer sich mit den Ursachen und Wirkungszusammenhängen der veränderten Medienlandschaft nicht ernsthaft auseinandersetzt, wird untergehen. Übrig bleiben dann eine handvoll Megaplayer, die die Strippen ziehen. Google ist nämlich nicht so groß geworden, weil sie böse sind, sondern weil sie brilliant verstanden haben, worauf es im Netz ankommt. Sie sorgen dafür, daß sinnvolle Dinge entwickelt werden und stellen diese gratis zur Verfügung. Die Menschen geben Google deshalb in großem Umfang ihre Daten, weil sie im Gegenzug nützliche Dienste bekommen. Unternehmen geben Google deshalb gerne ihre Daten, weil sie im Gegenzug Aufmerksamkeit und potentielle Kunden bekommen.
Ich habe irgendwann in den 90er Jahren die ersten Artikel zur heranziehenden Aufmerksamkeitsökonomie (z.B. hier: “Die Aufmerksamkeitsökonomie und das Netz“) gelesen und gedacht “was ist denn das für ein abgedrehtes Zeug?”. Mittlerweile ist mir das alles sonnenklar geworden.
Ein Markt ensteht immer dort, wo eine hohe Nachfrage auf knappe Ressourcen trifft.
Früher war die Nachfrage nach Information hoch und deren Beschaffung und Verteilung aufwändig. Also waren Menschen bereit, für Information zu bezahlen. Heute gibt es pro Sekunde mehr Informationen, als man in seinem ganzen Leben aufnehmen könnte. Das knappe Gut ist jetzt nicht mehr die Information, sondern die Aufmerksamkeit der Menschen. Nach bisherigem Modell müsste also eigentlich jeder Geld bekommen, wenn er bereit ist, eine Zeitung zu lesen. So wird es natürlich nicht kommen. Aber diejenigen, die ihre Aufmerksamkeit den Medien geben, werden im Normalfall nicht bereit sein, zusätzlich zu ihrer knappen Zeit auch noch echtes Geld zu geben. Im Gegenteil – sie werden einen spürbaren Gegenwert einfordern.
Medien, die bisher Informationen an Konsumenten verkauft haben, müssen also verstehen, daß sie jetzt mit der Aufmerksamkeit der Leser/Zuhörer/Zuschauer handeln. Der Marktmechanismus hat sich also im Prinzip “nur” um 180 Grad gedreht.
Letzte Woche war ich krankgeschrieben – eine richtige fiese Bindehautentzündung. Positiv daran ist, daß man zwar krank, aber nicht an das Bett gefesselt ist. Daher konnte ich letzte Woche die zwei Tage, an denen schönes Herbstwetter war auch so richtig bei Speziergängen genießen. Immerhin etwas.
Negativ ist, daß man halb blind ist. Autofahren geht gar nicht und mein üblicher Zeitvertreib (Computer, Lesen, Zeichnen,…) war auch nur sehr eingeschränkt möglich. Von einer Krankschreibung hat man als Freiberufler eigentlich nichts. Aber da ich für meinen derzeitigen Kunden in Hamburg aus sicherheitstechnischen Gründen nur vor Ort arbeiten kann, bin ich gar nicht erst in Versuchung gekommen, doch den ganzen Tag vor dem Computer zu verbringen.
Ganz konnte ich es natürlich nicht sein lassen und habe mir nach Jahren nun doch mal Facebook angesehen. Ich habe das ja so lange es ging links liegengelassen, weil ich nichts von diesen “Walled Gardens” halte. Da hätten wir ja auch gleich BTX behalten können. Egal – jetzt habe ich mich halt dennoch angemeldet. So richtig vom Sockel haut mich das zwar nicht (tja – ist halt so’n Community-Dings. Nichts richtig Neues), aber es sind so ungefähr fast alle Leute dabei, mit denen ich in den letzten Jahren zu tun hatte. Und das ist ja letztlich auch der Witz dran.
Was mich aber bereits in der ersten Minute verblüfft hat, ist daß Facebook mich schon beim Registrieren recht gut einschätzt, obwohl ich dem System ja eigentlich noch völlig unbekannt sein müsste. Nachden ich meinen Namen eingegeben hatte, wurden mir 15 Leute vorgeschlagen, die ich ggf. kennen könnte – und bei 12 war das ein Volltreffer.
Respekt! Beängstigend gut gemacht. Erinnert mich natürlich an das Mantra, das uns Bernd Kolb vor 10 Jahren bei Cycosmos (falls das noch jemandem etwas sagt) eingehämmert hatte: “Profiling – Matchmaking – Channeling”. Das hatte er damals schon ganz gut erkannt – und die Amis machen es jetzt gut.
Passend dazu hat mein ehemaliger Kommilitone Robert “10 Tipps zum Schutz der Privatsphäre in Facebook” veröffentlicht. Ein guter Einstieg in das Thema. Lesetipp.
…nämlich zum Beispiel diese 21 Marketingideen. Sorry, ich habe irgendwie kein Interesse daran, nur noch als Datenlieferant für irgendwelche Firmen zu fungieren. Der ganze Spass geht mir mittlerweile deutlich zu weit.
Wenn die Marketingschwachmaten dafür sorgen, daß man als normaler Mensch ein Kommunikationstool nach dem anderen nicht mehr für sinnvoll nutzen kann, sollte man vielleicht Buzzgenerators entwerfen, die die ach so cleveren Firmen mit Schwachsinn zumüllen, bis sie ihre ‘ach-so-cleveren’ Tools nicht mehr benutzen können. Hmmm…
Seit langem befürchte ich, daß die Offenheit des Internets bald der Vergangenheit angehören wird. Das liegt vor allem daran, daß es heutzutage von anderen Menschen und für andere Zwecke genutzt wird, als es ursprünglich gedacht war. Den großen Boom vor der Öffnung für die Allgemeinheit Mitte der 90er hat das Internet als internationales Austauschmedium für Wissenschaftler erlebt.
Niemand hat bei der Entwicklung von E-Mail an das Problem Spam oder an Identitätsdiebstahl gedacht. Jeder konnte und durfte jedem beliebigen anderen eine Mail schicken. Jeder konnte per Usenet an allen beliebigen Diskussionen teilnehmen. Die Grundidee des WWW war, daß alle Beteiligten gleichberechtigt Forschungsergebnisse veröffentlichen konnten. Niemand hat an Copyrightprobleme oder auf den Kopf gestellte Verwertungsketten von Medienunternehmen gedacht – wozu auch? Alle Dienste basierten auf der Grundidee von Gleichheit, Offenheit und freiem Austausch.
Starke Interessengruppen gegen Offenheit und Gleichheit
Nun, da das Internet zum Massenmedium geworden ist, ist das zugrundeliegende Prinzip der Offenheit und Gleichheit sehr vielen einflussreichen Gruppen ein Dorn im Auge. Viele betrachten den Siegeszug des Internet sogar als gefährliche Fehlentwicklung – was im Grunde schon viel über der Zustand unserer Demokratie sagt.
Das Prinzip der Gleichheit bedroht beispielsweise Medienkonzerne in ihrer Existenz. Jeder, der möchte, kann heutzutage veröffentlichen. Sicher hat Spiegel Online wesentlich mehr Leser als Herr Ollmetzer und ist wirtschaftlich auch recht erfolgreich, aber der Nimbus des Qualitätsjournalismus ist flöten und es steht ein mediales Massensterben an. Die Einzigen die noch an “Qualitätsjournalismus” und Meinungsmacht glauben, sind ältere Herrschaften im Medienbereich, die sich selbst fälschlicherweise noch als eine Art Elite (in welcher Beziehung auch immer) wahrnehmen. Blöd bloss, daß das breite Teile der Bevölkerung mittlerweile anders beurteilen. Das Ergebnis ist schwindender Einfluss auf die öffentliche Meinung und das Wegbrechen der Einnahmen in erheblichem Ausmass.
Der Beispiele gibt es viele, man kann es aber auch kurz so zusammenfassen: Die bisherige Führungsschicht aus Politikern, Wirtschaftsleuten und Medienunternehmen sieht ihren Einfluss und damit ihre Existenzberechtigung in Frage gestellt. Genau aus diesem Grund wird auf allen erdenklichen Ebenen versucht, die Grundprinzipien des Internet zu diskreditieren (Berichterstattung zu “Kinderporno”, Terroristen etc.) aufzuweichen (u.a. Rechtsprechung zu Störerhaftung), zu demontieren (Netzsperren, Verletzung der Netzneutralität) oder schlicht zu illegalisieren (Radikalisierung des Urheberrechts).
Neu – Nutzer weniger an Offenheit und Gleichheit interessiert
Diese Tendenzen sind schädlich, demokratiefeindlich und nicht neu, obwohl die Schärfe der Angriffe immer mehr zunimmt. Neu ist in meinen Augen aber, daß sich auch immer mehr Nutzer freiwillig von den Vorzügen des offenen Netzes verabschieden. Und das gibt mir wirklich zu denken. Immer mehr Nutzer lassen sich freiwillig von den neuen großen Medienkonzernen einwickeln und geben freiwillig immer mehr Rechte ab. Die Gründe sind nach meiner Beobachtung Gedankenlosigkeit, Geiz und Bequemlichkeit.
Google Mail ist z.B. ein Dienst, der von vielen sehr gerne genutzt wird. Er ist kostenlos und sehr bequem zu nutzen. Leider behält sich Google das Recht vor, alle Briefe mitzulesen. In meine Augen ein K.O.-Kriterium – eon absolutes No-Go. Aber Millionen Menschen scheint das völlig schnuppe zu sein. Meine Mails auf meinem eigenen Server kann Google zumindest nicht mitlesen (die Telcos und Ermittlungsbehörden können es – aber das ist eine andere Baustelle).
Aber viele junge Leute nutzen Mails ohnehin nicht mehr. Entweder Chatten sie, oder sie schreiben sich Nachrichten nur noch innerhalb geschlossener Communities, wie Facebook.
Gleichzeitig kommen Entwicklungen, die dem engegenwirken sollen (offene Chatsysteme, wie Jabber, Mashups, OpenId, übertragbare Nutzerprofile, etc.) in der breiten Masse überhaupt nicht an, weil hier scheinbar gar kein Bedürfnis verspürt wird. Was man hier erlebt, ist ein Rollback – von geschlossenen Systemen, wie BTX und Compuserve über offenes Internet wieder zurück zu geschlossenen System, die die Kommunikation einfangen und kontrollieren können.
Noch neuer – selbst ich denke über geschlossene Systeme nach
Aber selbst mir wird das mit der Offenheit mittlerweile zu viel. Obwohl ich ja scheinbar ein gewisses Sendungsbedürfnis habe (sonst würde ich nicht bloggen), möchte ich nicht, daß jeder alles von mir mitbekommt oder mich einfach ungefragt jeder kontaktieren kann.
Problemfall E-Mail: Ich hatte vor einiger Zeit eine kleine Statistik erstellt. 97,5% aller E-Mails die ich bekomme sind Spam. Selbst mit Filtern kommt noch so viel Müll durch, daß ich pro Tag mindestens 10-20 Minuten Mails ausmisten muss. Das offene System E-Mail ist daher in meinen Augen zunehmend unbrauchbar. Allein – ich habe noch keine echte Alternative dazu.
Problemfall Twitter: Twitter fand ich eine Zeit lang recht lustig – solange man unter normalen Menschen war. Findet man jemanden interessant, hört man dessen Gezwitscher zu, ansonsten eben nicht.
In letzter Zeit nutzen aber immer mehr Firmen twitter. Die Ungeschickteren versuchen Zuhörer für ihre Werbebotschaften zu finden. Das kann man leicht ignorieren. Die Geschickteren haben aber erkannt, daß man bei Twitter vor allem zuhören muss – und das tun sie. Kaum habe ich eine Nachricht geschrieben, schon habe ich neue Follower, weil sie auf ein bestimmtes Schlüsselwort reagieren. Das Paradebeispiel von heute: Ich schreibe (für meine handvoll echter Follower), daß ich beim Augenarzt war, schon habe ich einen Kontaktlinsenversand als Follower. Andere Beispiel dafür sind: Otto, Kaufland, Discount24, Welt Online, und etliche zwielichtige Accounts. Klar kann ich die Blocken, aber ich will das einfach nicht mehr. Es nervt!
Twitter steht daher bei mir schon wieder auf der Abschussliste.
Gesucht: Kontrollierte Offenheit bzw. Microcommunities
Was ich vermisse sind Dienste, die vor allem mir und meinen Freunden (Geschäftspartnern, Vereinsmitgliedern, oder sonstigen Kontakten) offen stehen – Microcommunities sozusagen. Leider hat sich gezeigt, daß diese i.d.R. nicht lange überlebensfähig, weil die Masse eben zu klein ist und der Austausch irgendwann stagniert. Zudem ergibt sich ein Problem mit der Abgrenzung. Nehmen wir an, man ist in mehereren Communities Mitglied (z.B. Ehemalige Absolventen, der Ruderverein, eine Elterncommunity und zwei- oder drei Berufs- und fachspezifische Dienste). Dann müsste man sich regelmäßig in 5 oder 6 verschiedene Syteme einloggen und nach Neuigkeiten suchen. Zudem wäre kein direkter Austausch zwischen Mitgliedern verschiedener Communities möglich.
Diese beiden Nachteile von Microcommunities sind die Vorteile für Facebook und co. Es ist ja ohnehin schon fast jeder dort – also meldet man sich auch schnell an, sucht seine Kontakte zusammen und gut ists. Bloß füttert man damit leider wieder den Datenkraken.
Mögliche Lösungsansätze
Seit einiger Zeit spukt mir die Idee von vernetzten Microcommunities im Kopf herum. Jede kleine Interessengruppe sollte selbst ein solches System aufsetzen können. Das muss so leicht gehen, wie einen Blog einzurichten. Also entweder eine Websoftware á la WordPress auf einen Standardaccount aufsetzen oder bei einem Dienstleister á la blogger.com oder wordpress.com anmelden.
Der entscheidende Erfolgsfaktor wäre dann, daß man mit demselben Account auch andere entsprechende Microcommunities nutzen kann. Das Ganze ist also primär eine Frage der Schnittstellen und einer schmucken, einfachen Webanwendung.
Feedback dazu ist natürlich ausdrücklich erwünscht ;-)
« Previous Page — Next Page »