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Weg vom Benzin (Teil 2) – Mit Gepäck und weiter weg

Weg vom Benzin. Bloss wie? In der letzten Woche hatte ich die Möglichkeit, zwei völlig unterschiedliche (teil-)eletrische Fahrzeuge auszuprobieren: Ein Elektromokick (siehe vorheriger Artikel) und einen Kombi mit Hybridantrieb.

So sinnvoll ein kleines praktisches Zweirad für die Stadt ist – manchmal benötigt man ja doch ein Auto. Ein reines Elektroauto kommt für mich zur Zeit noch nicht in Frage und einen normalen Verbrenner möchte ich mir nicht nochmal kaufen. Da bleibt eigentlich nur der Hybridantrieb übrig.

Meine erste Probefahrt mit einem Hybridauto liegt fast 10 Jahre zurück. Den Honda Insight fand ich 2009 nicht passend für mich und danach hatte ich das Thema erst einmal zur Seite gelegt. Aufgrund der aktuellen Abgasdiskussion wollte ich mich aber über den aktuellen Stand der Technik informieren und ein aktuelles Modell zur Probe fahren.

Das Angebot von bezahlbaren Hybridfahrzeugen in Deutschland ist ziemlich übersichtlich. Da seit längerem jedes zweite Taxi in Berlin ein Toyota Prius ist, gehe ich davon aus, dass die Technik langlebig und günstig im Unterhalt ist. Toyota baut den Prius sei nunmehr 20 Jahren – und genauso lange empfinge ich den Wagen als optische Beleidigung.

Toyota Auris Touring Hybrid – Der sparsame Raumgleiter

Toyota baut diesen Antrieb aber auch in zwei andere Fahrzeugtypen ein: In das Kompakt-SUV C-HR und in den normalen Auris. Ich habe mich dazu entschieden, das „normale“ Auto zur Probe zu fahren und bekam einen Auris Touring Hybrid zur Verfügung. Der Kombi ist mit seinen fast 4,60 Außenlänge eigentlich nicht mehr der Kompaktklasse zuzurechnen. Der Platz war absolut ausreichend – nur sollte man mit 1,90 nicht hinter einem anderen 1,90 Menschen sitzen.

Toyota Auris - Raumgleiter von vorne

Toyota Auris – Raumgleiter von vorne

Toyota Auris - Raumgleiter von hinten

Toyota Auris – Raumgleiter von hinten

Design und Platzangebot

Das Äußere des Wagens gefällt mir im Gegensatz zu anderen Fahrzeugen des Herstellers sogar recht gut. Es hat was von einem Raumgleiter ohne mit Extravaganzen zu nerven. Das passt auch zum Fahrgefühl, aber dazu später mehr. Der Innenraum ist sehr konservativ. Gut so, weil man nichts lange suchen muss. Einsteigen, Lenkrad, Sitz und Spiegel einstellen, Startknopf drücken (Keyless-Go) und los geht es. Man kann ganz normal fahren, ohne irgendwelche Besonderheiten beachten zu müssen. Die Ausstattung war gut. Alles was das Autofahren angenehm macht war an Bord: Von Lederlenkrad bis Rückfahrkamera. Der Preis des Testwagens lag bei ca. €28.000,-

Der erste Eindruck

Ungewöhnlich ist, dass es beim Starten kein Motorgeräusch gibt. Also den Fuß auf die Bremse, das niedliche Wählhebelchen auf „D“ stellen und sanft auf das Gaspedal treten. Lautlos rolle ich vom Hof und durch die Seitenstraße mit Tempo 30. Erst als ich auf die Hauptstraße einbiege und stärker beschleunigen muss, meldet sich Benzinmotor dezent zu Wort.

Die Materialien sind in Ordnung, die Verarbeitung gut. nichts wackelt oder klappert während der Fahrt. Alle Bedienelemente, die zum eigentlichen Fahren notwendig sind liegen dort wo man sie erwartet. Umso ärgerlicher ist der unnötige Ausrutscher in der Mittelkonsole: Das spiegelnde Touch-Display. Schlimm genug, dass Elemente, die man blind bedienen können muss, wie die Lautstärke der Musikwiedergabe zum Blick auf das Display nötigen – man erkennt dort ggf. nicht mal etwas, weil das Display höllisch spiegelt. Ein dicker Minuspunkt für dieses Sicherheitsrisiko.

Murks in der Mittelkonsole

Murks in der Mittelkonsole

 

Die Fahrtstrecke

Meine Probefahrt ging durch den Berliner Stadtverkehr, über die Landstraße zum Berliner Autobahnring und ein paar Ausfahrten weiter wieder zurück in die City. Insgesamt waren das ca. 50Km, die ich mit einem kleinen Zwischenstop bei einem Drive-In in zwei Etappen fuhr. Die erste Hälfte der Fahrt war mit einem Kaltstart. Die zweite Hälfte der Strecke startete ich mit warmen Motor. Das ist insofern wichtig, weil der Verbrauchszähler nach jedem Start zurückgesetzt wird.

Der Verbrauch

Toyota gibt den Verbrauch mit 3,5 bis 4 Liter an. Ich denke bei mir so „Lächerlich! So ein großes Auto. Wir liegen bestimmt mindestens zwischen 5 und 6 Liter und das wäre noch gut“. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass diese Werte realistisch sein könnten. Als ich mit kaltem Motor losgefahren bin, lag der Verbrauch bis kurz vor der Autobahn bei 4,8 bis 5 Litern trotz teilweise etwas zähem Verkehr. Auf der Rückfahrt mit warmen Motor lagen wir kurzzeitig sogar bei nur 3,3 Liter(!). Als ich wieder beim Händler angekommen bin, zeigte der Durchschnittsverbrauch 3,7 Liter an. Bei durchgängig laufender Klimaanlage!

Das sind fast 10 Liter weniger, als bei meinem angeblich „Blue Efficiency“ Mercedes.

Okay – ich bin beeindruckt!

Bestwert 3,3L. Am Ende blieb es unter 4

Bestwert 3,3l. Am Ende blieb es unter 4l

 

Das Fahrgefühl

Der Wagen lässt sich sehr angenehm fahren. Die Lenkung ist recht leichtgängig, aber präzise. Das Fahrwerk straff aber dennoch komfortabel. Dank Automatik gleitet man entspannt durch Stop-and-go. Der Charakter des Wagens beruhigt und verführt zu ruhigem mitschwimmen im städtischen Gewusel. Das trägt sicher seinen Anteil zu dem extrem geringen Verbrauch bei. Der Auris ist gut verarbeitet, komfortabel und meist so leise, dass man nur Wind und Abrollgeräusche hört – außer man muss mal stärker beschleunigen.

Der Motor ist mit einem stufenlosen Getriebe gekoppelt. Sobald man Leistung abruft, dreht der Motor hoch und das Geräusch passt einfach nicht zur gefühlten Beschleunigung. Das ist zwar Gewöhnungssache, aber es irritiert. Schlimmer ist jedoch, dass dann nicht allzuviel passiert.

Der Antrieb ist mit 136 PS angegeben, was für ein Fahrzeug dieser Größe knapp ausreichen würde, aber das ist nicht die ganze Wahrheit. Der Verbrennungsmotor alleine hat nämlich nur 99 PS. In der Stadt und bis Landstraßentempo schiebt der Elektromotor ordentlich mit und spielt seinen Drehmomentvorteil aus, aber auf der Autobahn geht dem Wagen schnell die Puste aus.

Er kommt zwar maximal auf 175Km/h, aber ab 120 passiert nicht mehr viel. Auf dem fast leeren Berliner Ring kam ich bis 160, aber das war sehr zäh. Wenn man viel auf der Autobahn im Berufsverkehr unterwegs ist und nur die Wahl hat mit 90 hinter Lastwagen zu hängen oder mit 160 von Kleintransportern gejagt zu werden, ist das sehr unangenehm. Zudem steigt dort natürlich auch der Benzinverbrauch rapide an.

Das Fazit

Der Auris Hybrid ist ein richtig gutes Auto – solange man nur selten Autobahn fährt. Er ist das genaue Gegenteil von meinem aktuellen Auto. Der Mercedes ist chic, aber unpraktisch und in der Stadt ein absoluter Säufer. Dafür fühlt er sich aber auf der Autobahn pudelwohl. Entspanntes Schnellfahren zu relativ moderatem Verbrauch ist sein Ding.

Der Toyota ist das totale Vernunftauto, dass sich angenehm fährt. Die Verbrauchswerte empfinde ich als sensationell. Nur die Autobahnfahrt ist weder lustig noch günstig.

Ich plädiere dafür, in Deutschland endlich flächendeckend Tempo 120 auf Autobahnen einzuführen – aus Gründen der Verkehrssicherheit und damit man sich endlich guten Gewissens solch ein tolles Vernunftauto zulegen kann.

Da solch ein Tempolimit in Deutschland genausowenig zu erwarten ist, wie sinnvolle Waffengesetze in den USA kann ich nur warten, bis Toyota in der nächsten Version dem Benzinmotor etwas mehr Rumms spendiert.