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Handel im raschen Wandel

Mir schwirren gerade ein paar Gedanken zu dem wirtschaftlichen Wandel, den das Internet so ermöglicht und in dem wir gerade mitten drin stecken durch den Kopf. Ich schreibe mit Bedacht ermöglicht und nicht verursacht. Letztlich haben ja die Kunden das (Geld)Zepter in der Hand und weisen die Richtung. Nichtsdestotrotz findet dieser Wandel in mehreren Phasen statt und jedes Mal werden die Betroffenen irgendwie kalt erwischt.

Phase I: Immaterialgüter und die Aufmerksamkeitsökonomie

Die ersten Branchen, die seit ein paar Jahren mitten im Hurrican der Veränderungen hin- und hergeworfen wurden (mein Gott, schreibe ich heute schwülstig…) sind Medienunternehmen und jede Form von vermittelnden Berufen. Plattenfirmen mussten unter Schmerzen verstehen, dass sie nicht Schallplatten, sondern den Zugang zu Musik verkauften während einige Zeitungsverleger zum Teil immer noch glauben, dass sie Papierwarenhändler sind. Makler sind im Zeitalter von Immoscout und co. eigentlich ebenfalls überflüssig geworden. Das hat sehr viele kalt erwischt. Dabei ist die Einsicht, dass Immaterialgüter perfekt über das Internet zu vertreiben sind, vergleichsweise trivial. Da die Kosten und Einstiegshürden minimal sind, ergibt sich daraus zwangsläufig ein knallharter Verdrängungswettbewerb.

Phase II: Weg mit den Katalogen

Die nächste Branche, die es gerade heftig durcheinanderwirbelt sind Versandhändler. Quelle ist bereits Geschichte, Neckermann möglicherweise auch und selbst der Gigant Otto kommt schon etwas ins Stolpern. Das ist einerseits wenig überraschend, weil aus Kundesicht onlineshops auch „irgendwie sowas ähnliches wie Kataloge“ sind und man sich deshalb gar nicht gross umgewöhnen muss. Aus Händlersicht ist der Markt aber hammerhart und da passen die traditionellen Herangehensweisen der Versandhändler nicht. Anstatt gemütlich in Jahreskatalogen zu blättern, werden mindestens tagesaktuelle Angebote verglichen. Das erfordert ein vollkommen anderes Ansprechen der Zielgruppen, extrem hohe Ansprüche an Logistik und Service bei minimalen Margen.

Phase III: Der stationäre Handel

Seit kurzem bekommt auch der traditionelle Handel immer mehr Schwierigkeiten. Görtz hat gerade beschlossen, 30 Schuhgeschäfte zu schliessen und ob das die letzten waren, sei mal dahingestellt. Immer mehr Handelsvolumen wandert ins Internet zu Onlinehändlern. Und das sind im Gegensatz zu den meisten stationären Händlern nicht unbedingt Deutsche Unternehmen, wie Amazon, Asos und Konsorten zeigen.

Bei Veränderungen, die so gross sind, dass sie die komplette Immobilienbranche auf den Kopf stellen, wird es selbst hartgesottenen eCommerce Profis etwas Flau im Magen. Einige Kommentare auf der Branchenplattform Exciting Commerce warnen vor verödeten Innenstädten, in denen man nicht mehr flanieren mag.

Phase IV: Der Tod der City und die Ödnis des Netzes

Als alter Stadtplaner sage ich: Das ist allerdings ein Trend, den man schon recht lange beobachten kann. Möbelgeschäfte sind schon in den 70er Jahren an den Stadtrand gezogen. Kinos verschwanden, als sich alle in den 80ern einen Videorekorder ins Wohnzimmer stellten. Büroartikel und Schreibwaren? Wir haben doch seit den 90ern alle PCs. Heimelektronik wird entweder im Gewerbegebiet oder bei Amazon gekauft. Schallplatten und DVD? Wird alles über das Netz gestreamt. Bücherläden? Naja, noch gibt es ein paar…

Seien wir ehrlich: In den Innenstädten gibt es schon seit längerem eigentlich nur noch Schuhgeschäfte, Klamottenläden und Imbissbuden. Wie lange sich der Pizzastand aber noch halten kann, wenn auch Bekleidung aus der Stadt verschwunden ist? Tja…

Alles virtuell – und nun?

Im Internet ist aber auch nicht alles eitel Sonnenschein. Der Wettbewerb ist gnadenlos, weil niemand einen Standortvorteil hat. Alle sind nur einen Klick vom Kunden entfernt – jedefalls theoretisch. In letzter Konsequenz wird es nur drei Typen von Händlern geben:

  • Eine Handvoll Universalhändler mit hochoptimierter Kostenstruktur nutzen die Economies of Scale. Und Scale bedeutet international.
  • Daneben werden Marken den Vertrieb zunehmend selbst durchführen.
  • Am virtuellen Rand ist dann noch Platz für ein paar Nischenanbieter.

Aus die Maus. Ziemlich trübe Aussichten.

Allein – mir fehlt der Glaube. Wo ist das schlendern? Wo die Haptik? Wo lässt man sich inspirieren? Irgendwo da draussen liegen noch ganz neue Handelskonzepte. Im Real-Life. Und sie warten auf den richtigen Zeitpunkt!