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Gegen den digitalen Strich gebürstet

Neulich traf ich mich mit zwei ehemaligen Kommilitonen mit denen ich eCommerce studiert hatte. Nachdem wir uns über dies und das unterhalten hatten, kamen wir auf das Thema Bitcoins zu sprechen. Mir selbst ist das System aus den verschiedensten Gründen ja noch immer etwas suspekt und H. hatte auch noch keine Erfahrung damit.

Von knappen digitalen Gütern

J. hat das System dagegen schon für kleine Dinge in Benutzung um Erfahrungen zu sammeln. Er hatte seinerzeit seine Diplomarbeit der Ökonomie knapper digitaler Güter gewidmet. Die Themenwahl fand ich damals ziemlich grotesk, da sich die digitale Ökonomie ja gerade dadurch von der stofflichen unterscheidet, dass die Güter NICHT knapp sind. Sie lassen sich ohne nennenswerten Aufwand beliebig häufig kopieren und alle Kopien sind identisch. Streng genommen gibt es in der digitalen Welt überhaupt nur Kopien und keine eigentlichen Originale.

Die ganzen Spannungen zwischen der alten stofflich gebundenen und der digitalen Wirtschaft kommt m.E. genau daher, dass diese Besonderheit nicht in ihren Konsequenzen verstanden und akzeptiert wird. Stattdessen werden mit zunehmendem Aufwand Mechanismen etabliert, um die Vorteile digitaler Güter kaputtzumachen. Beispiele dafür sind Kopierschutz, Regionalsperren, blockieren bestimmter Dienste in Mobilfunknetzen, künstlich beschnittener Funktionsumfang von Endgeräten und so weiter.

Anstatt eine neue Ökonomie um die neuen Eigenschaften herum zu etablieren, wird lieber der Grundcharakter der Digitalwirtschaft pervertiert und verdreht, damit die alten Denkmuster und Machtmechanismen weiter funktionieren. Ich konnte und wollte nicht verhehlen, dass ich das für reichlich schwachsinnig halte und denke, dass damit enorme Chancen verschenkt werden.

Aber nun kam unsere Diskussion richtig in Fahrt…

Von künstlicher Knappheit und anderem Schwachsinn

Wenn man also Produkte und Dienstleistungen darauf aufbauen kann, prinzipiell vorhandene Vorteile mutwillig zu zerstören, kann man das doch konsequent zu Ende denken. Möglicherweise findet ja auch demnächst eine Umkehrung der seit Jahren grassierenden „alle-alles-jederzeit-online-Euphorie“ statt – wer weiss…

Das besondere des Internets ist, dass man (theoretisch) jederzeit von überall auf alles zugreifen kann. Nach der obigen verqueren gegen-den-Strich-Logik müsste man also Dienste daraus generieren, die Internet-immanenten „24/7 everywhere“ Eigenschaft zu brechen und in ihr Gegenteil zu verkehren. Beispiele dafür wären:

  • Dienste nur zu bestimmten Uhrzeiten anbieten
  • Informationen nur dann herauszurücken, wenn der Nutzer physisch wirklich vor Ort ist.
  • Zugriff nur dann zu gewähren, wenn man NICHT online ist
  • Bestimmte Geräte oder Zugangswege von der Nutzung auszuschließen

Wie ich finde, ein sehr interessanter Ansatz, auf dem man sicherlich einige interessante neue Dienste entwickeln kann.

Spannenderweise bin ich heute auf einige Ansätze hierzu aufmerksam geworden, die auf dem 30C3 (30. Chaos Communication Congress) vorgestellt werden. Der Kongress findet vom 27.12 – 30.12 in Hamburg statt und neben einer 100GBit Anbindung, einem eigenen Telefon und GSM Mobilfunknetz soll nun erstmals auch ein pneumatisches Rohrpostsystem installiert werden.

Ich bin schon gespannt…