Stehgehen, oder: Der Siegeszug des Slomo-Virus
Es wurde in den letzten Jahren viel von der fortgesetzten Beschleunigung der Gesellschaft geschrieben. Mein persönlicher Eindruck ist eher entgegengesetzt: Die Leute werden immer langsamer. Ein Trend, der mir seit Jahren im Straßenverkehr auffällt. Damals (“es war einmal vor langer Zeit…”) kurz nachdem ich den Führerschein gemacht hatte, war es üblich, im Stadtverkehr ca. 55 km/h zu fahren, was ja auch ganz sinnvoll ist. Zügig Gas geben und dann bei 55 im höchsten Gang rollen lassen. Das spart Nerven und Sprit.
Heutzutage sind die Autos im Schnitt doppelt so stark und die Fahrer kommen überhaupt nicht mehr aus dem Knick. Bei Grün zögerlich loshuscheln und bei 35 bis 40 km/h ist Schluss. Und das Ganze selbstverständlich bei einigermaßen freien Strassen. Leute, das nervt! Und zu allem Überfluss ist das ein teurer Spass. So muß man laufend im vierten Gang fahren und verbrät unnötig Sprit. Seit ich ein Auto mit Verbrauchsanzeige habe, fällt mir das rchtig auf. Tagsüber hinter den Schnachnasen herhuscheln: 8,5 – 9 Liter. Nachts zügig gefahren: 6,5 – 7 Liter.
Gestern ist mir das Ganze aber auch zu Fuß in der Ottenser Hauptstrasse in Hamburg Altona extrem aufgefallen: Es sieht so aus, als ob die Leute gehen (zumindest machen sie solche Bewegungen), aber keiner kommt wirklich vom Fleck. Ich bin selbst dann schneller, wenn ich stehenbleibe. Ich gebe zu, daß der dortige Weihnachtsmarkt zur Eskalation beigetragen hat, dennoch scheint das ein langfristiger Trend der Entschleunigung zu sein.
Was ist hier los? Haben wir es unbemerkt mit einer Slo(w)mo(tion)-Virus Epedemie zu tun? Oder ist das nur eine subversive Methode, sich dem gestiegenen Druck auf das Individuum zu widersetzen?