tiny little gizmos

Langes Nerd Weekend

Der Tag der Deutschen Einheit hat uns Anfang Oktober zu einem langen Wochenende verholfen, das Wetter schwenkte aber nun endgültig in Richtung Herbst.

In Berlin gab es für Nerds zwei Veranstaltungen, an denen man sich die Zeit vertreiben konnte: Die Maker Faire hatte ihre Publikumstage am Samstag und Sonntag und das Vintage Computing Festival am Sonntag und Montag.

Maker Faire Berlin 2016

Die Veranstaltung fand in der Station am Gleisdreieck statt. Ich besuchte sie zum ersten Mal und ich wusste im Vorfeld noch nicht so recht, was ich davon halten sollte, obwohl ich natürlich das Eine oder Andere im Vorfeld gelesen hatte.

Maker Faire in der Station Berlin

Maker Faire in der Station Berlin

Gut besucht

Gut besucht

In zwei Hallen ging es im Prinzip darum, Leute fürs Selbermachen zu interessieren, inspirieren und zum Kauf von entsprechenden Materialien und Werkzeugen zu bewegen. Es gab Stände, die handwerkliche Dinge zeigten, wie Bootsbau mit selbstgebogenen Hölzern, textiles Gestalten, Ringe schmieden usw. Der Schwerpunkt lag aber auf elektronischen Basteleien, 3D Druck, Lasercutter und Robotik.

R2-D2 in Aktion

R2-D2 in Aktion

Der R2-D2 Builders Club zeigte mehrere, sehr realistisch anmutende „Androiden“, teilweise in Aktion und in verschiedenen Montagestufen. Dennoch kann man hier eigentlich nicht von Robotern sprechen, da es sich am Ende doch „nur“ um ferngesteuerte Robotermodelle handelt.

Nao Roboter

Nao Roboter

Der knapp 60cm große Nao von Aldebaran Robotics ist hingegen ein echter autonomer, humanoider Roboter. Er war massenweise auf der Maker Faire vertreten, weil hier mehrere Mannschaften im Robo-Cup gegeneinander antraten.

Robocup

Robocup

Man konnte hier einen netten Nachmittag verbringen, wobei ich die eigenartige Kombination aus „wir zeigen mal, was wir tolles machen“, „probier mal selber“ und „hier kannst Du Werkzeug und Material kaufen“ immer noch seltsam finde. Da ich regelmäßig thematisch entsprechende Websites (Hackaday, Adafruit, Make:,…) besuche, hat mich allerdings inhaltlich nichts wirklich überrascht.

Familien, die ihre Kinder spielerisch an den Umgang mit Technik und vor allem an die Idee heranführen wollen, dass man Dinge auch selber bauen kann, anstatt sie fertig zu kaufen, sind hier richtig gewesen.

Vintage Computing Festival 2016

Wie auch schon in den letzten Jahren fand im Pergamon Palais der Humboldt Universität Berlin das Vintage Computing Festival statt. Es gab auch in diesem Jahr wieder Vortäge, viele interessante Exponate, einen Game Room, in dem Spiele auf diversen alten Videospielen und Computern gespielt werden konnten und eine Party mit Chiptunes.

Die gezeigte Hardware fand ich im Vergleich zu den Veranstaltungen in den letzten Jahren vom Umfang insgesamt etwas schwächer, obwohl auch wieder einige originelle Highlights gezeigt wurden. Beispielhaft sei ein selbstgebautes Vectordisplay genannt, auf dem man u.a. Mazewar (einem Multiplayer, First Person Shooter aus dem Jahr 1974!) und das Vectrex Spiel Minestorm bewundern konnte.

MazeWar auf selbstgebautem Vectordisplay

MazeWar auf selbstgebautem Vectordisplay

Die TU Berlin war ebenfalls wie in den letzten Jahren mit selbstgebauter Hardware vertreten: Diesmal mit dem Space Age II, einem 32-Bit-Computer, dessen CPU aus 490 TTL-Bausteinen aufgebaut ist und eine MIPS 1 kompatiblen Befehlssatz unterstützt.

Space Age 2 TTL Computer

Space Age 2 TTL Computer

 

Für mich waren in diesem Jahr die Vorträge interessanter. An der „Kurztagung „Hello, I’m ELIZA.“ – Zum 50. Geburtstag eines Chatbots“ habe ich leider nicht teilgenommen. Das war insofern schade, als Chatbots ja momentan von den großen Treibern aus den USA (Google, Facebook, Amazon, Apple, Microsoft,…) zum „next big thing“ hochgepusht werden. Ich bleibe da eher etwas skeptisch.

Sehr beeindruckt hat mich der Vortrag „Spracherkennung mit dem Z9001„, in Volker Pohlers zeigte, wie in den 80er Jahren in der DDR mit unglaublich geringen Mitteln eine rudimentäre Sprachsteuerung (50 gesprochene Befehle) entwickelt wurde.

Wolfgang Stief führte seine interessante Vortragsreihe über den „Vater des Supercomputings“ unter dem Titel „Defining Supercomputing – Seymour Cray und die CDC 6600“ weiter. Zu der etwas desolaten Raumsituation der Großcomputersammlung Sammlung in München gab es leider nichts Neues. Die Halle ist noch immer gesperrt und der Ersatz nicht fertiggestellt.

Aber auch die robuste 8-Bit Technik der 70er Jahre wurde wieder ausführlich behandelt. Hans Franke referierte nach etwas holperigem Start über Vor- und Nachteile der Speicherorganisation typischer 8-Bit Computer.

Dr. Frederik Holst erzählte in seinem Vortrag „Die inneren Werte zählen – Perspektiven- und Paradigmenwechsel beim Übergang von Hoch- zu Maschinensprache“ von seinen Schwierigkeiten, Maschinensprache zu lernen. Hochsprachen sind problemnah (z.B. „Zeichne ein Kreis auf den Grafikbildschirm“), was sie zunächst verständlicher macht, obwohl es viele unterschiedliche Befehle gibt. Maschinensprache hat im Vergleich dazu nur sehr wenige Befehle (z.B. „Schreibe Wert X in Speicherstelle Y“). Allerdings muss man die Hardwarearchitektur des Rechners bis ins Detail verstehen und sich selber um jedes winzige Detail kümmern. Es ist also eine vollkommen andere Sicht auf das Problem und den Computer nötig.

Ich hatte noch eine Diskussion mit Wolfgang Stief zum Thema Software auf Großrechnern. Zwar ist es fantastisch, dass sich Menschen finden, die die alten Rechendinosaurier funktionsfähig halten, aber mir fehlen die Anwendungen. Wie will man den Sinn und Zweck der alten Technik demonstrieren?

Während es für die alten Heimcomputer massenhaft Spiele gibt, die katalogisiert und gesammelt werden, und die für die ersten PCs typischen Softwarepakete, wie Wordstar und Visicalc (trotz der rechtlich problematischen Situation) verfügbar sind habe ich noch keine Software für Grossrechner gesehen. Wo sind die Buchhaltungs- und Bankprogramme? Wo ist Software zur Wettervorhersage und zu Crashtests? Hier hat die Medienarchäologie noch ein weites Feld zu beackern.

Der VCFB hat für mich ein wenig den Charakter eines Klassentreffens. Einerseits, weil man mittlerweisle viele der Aktiven kennt, andererseits auch wegen dem robusten Do-it-yourself Charme der Veranstaltung. Dabei meine ich ausdrücklich nur das Ambiente, denn was der Fachbereichs Medienwissenschaften der HU Berlin zusammen mit dem Hackerspace AFRA und der technischen Unterstützung des Chaos Computer Clubs hier seit Jahren auf die Beine stellt ist bemerkenswert professionell organisiert. Leider fand das VFCB in diesem Jahr zum letzten Mal in den Räumen der Humboldt Universität statt. Im nächsten Jahr wird dafür das Technikmuseum Berlin Räumlichkeiten auf seinem Gelände am Gleisdreieck zur Verfügung stellen. Man darf gespannt sein.