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Motorradführerschein – Herbst 2018

Noch einen Nachtrag zum letzten Vierteljahr: Warum ich im „hohen Alter“ von 50 Jahren noch einen Motorradführerschein gemacht habe.

Spontane Entscheidung…

Einerseits war das eine ziemlich spontane Entscheidung. Ich brauchte einen neuen Personalausweis. In Berlin ist das ein ziemlicher Aufwand, weil man sich dafür zwei Monate im Voraus einen Termin reservieren muss. Ernsthaft!

Während der am Sommeranfang vereinbarte Termin beim Bürgeramt so langsam näher rückte, hatte ich mir mein E-Moped zugelegt. Das Fahren machte total Spaß, aber die unsägliche Beschränkung auf 45Km/h ist im Berliner Stadtverkehr einfach nervig und gefährlich. Eine Woche vor dem Termin hatte ich also den Gedanken „Mach doch auch noch den Klasse A Führerschein. Den Termin beim Bürgeramt hast Du ja schon.“

Also schnell recherchiert, was man dafür benötigt, wo eine geeignete Fahrschule ist, wie teuer das ungefähr sein wird und los ging es…

…oder 40 Jahre Verspätung?

Es gibt natürlich auch noch eine etwas andere Sichtweise: Ich habe mich schon als Teenager für Leichtkrafträder und Motorräder interessiert, hatte aber nie genug Geld für eine 80er. Für den Motorradführerschein auch nicht (den Autoführerschein hat Oma gesponsert, aber unter der Bedingung, dass ich nicht auch noch Motorrad fahren lerne). Später hatte ich immer noch kein Geld – oder keine Zeit mehr. Und jetzt hat es gerade gepasst. Über 30 Jahre später…

Das Ergebnis: Erst mal genügend Führerscheinklassen...

Das Ergebnis: Erst mal genügend Führerscheinklassen…

Es lief wie erwartet

Mein Fahrlehrer meinte zu Beginn. „Glaub nicht, dass Du schon fahren kannst, nur weil Du seit Jahren Auto und 50er fährst.“

Nun – das hatte ich auch nicht erwartet. Der Vorteil, wenn man schon ewig Auto fährt ist, dass man geübt darin ist, Situationen und die anderen Verkehrsteilnehmer einzuschätzen. Der Nachteil ist, dass man sich 100 kleine Schlampereien angewöhnt hat, mit denen man gut durch den täglichen Verkehr kommt – aber nicht durch die Prüfung.

Zur Vorbereitung auf die Theoretische Prüfung kann ich übrigens die ADAC App auf wärmste empfehlen. Die ist wirklich gut und funktioniert fast genauso, wie die, die die DEKRA zur Prüfung verwendet.

Aber zurück zur Praxis: Zwei Räder sind natürlich etwas ganz anderes als vier Räder. Dazu kommt: Mein Moped wiegt 80Kg und hat 3PS. Die Fahrschulmaschine wiegt 200Kg und hat 75 PS. Zweieinhalb mal so viel Gewicht und 25 Mal so viel Leistung. Natürlich habe ich da erst mal ’nen Heidenrespekt. Und auch wenn man im Kopf schon weiß, wie die Technik funktioniert und was man tun muss – der Körper muss erst mal langsam lernen, mit der Kraft und Masse umzugehen. Aber das war mir klar.

Unerwartete Details

Trotzdem gab es natürlich ein paar Dinge, mit denen ich nicht so gerechnet hatte.

Lenken geht anders – rechts fahren, rechts drücken

Erst mal das „verkehrt herum lenken“. Bei langsamer Fahrt ist das Motorrad im instabilen Zustand und fährt sich wie ein extrem schweres Fahrrad: Etwas kippelig. Will man nach links, dann lenkt man auch nach links. Aber ab ca. 35Km/h funktioniert das anders rum. Das Motorrad will eigentlich nur geradeaus weiterfahren. Wenn man nun nach links will, muss man erst einen kurzen Lenkimpuls nach rechts geben, damit die Maschine nach links in die Kurve kippt. Das widerspricht völlig der Intuition und muss erst mal gelernt werden.

Motorradfahren ist Arbeit

Auch wie wichtig die richtige Körperhaltung in verschiedenen Fahrsituationen ist, war mir nicht sofort klar. Arme locker halten – aber bei einer Vollbremsung durchdrücken und mit den Knien am Tank abstützen. Bei Schrittgeschwindigkeit so weit wie möglich nach vorne setzen, beim Kreisfahren leicht nach innen. Fußballen auf die Rasten, aber bei Schrittgeschwindigkeit hinten leicht mitbremsen usw.

Passiv auch dem Bock sitzen ist nicht. Am Anfang ist das Fahren daher auch körperlich durchaus fordernd. Nach den ersten Fahrstunden war ich jedes mal derart nass geschwitzt, dass ich meine Unterwäsche hätte auswringen können. Das lag zum Teil aber auch am warmen Wetter und der ungewohnten Kleidung.

Schutzkleidung – eine Wissenschaft für sich

Was mich aber Anfangs am meisten gestört hat, ist die Kleidung. Fahrstunden und Prüfung darf man nur in vollständiger, zertifizierter Schutzkleidung absolvieren: Helm, Handschuhe, Motorradstiefel und Kombi mit Protektoren (Textil oder Leder ist egal).

Die ersten beiden Fahrstunden habe ich schon dafür benötigt um überhaupt mit meiner Ausrüstung klar zukommen. Ehrlich gesagt fand ich schon das Anziehen der Klamotten anstrengend. Alles muss eng sitzen, damit nicht im Wind flattert und Unruhe in die Maschine bringt. Die Klamotten sind dick und schwer und haben überall Protektoren eingebaut. Die Stiefel sind schwer und sehr steif. Rumlaufen ist damit eigentlich nicht möglich. Im neuen, straff sitzenden Integralhelm musste ich zunächst etwas gegen meine Platzangst ankämpfen und der Ohrstöpfel des Funkgeräts hat auch gedrückt.

Und dann stand ich da und fühlte mich, als ob ich eine Ritterrüstung trage. Ich kann damit kaum laufen, höre meinen eigenen Atem laut im Helm und soll jetzt noch diese Höllenmaschine steuern? In der ersten Fahrstunde hatte ich Schwierigkeiten überhaupt den Schalthebel mit dem linken Fuß zu treffen und die Schalter an den Lenkgriffen sauber mit den Handschuhen zu bedienen schien mir auch fast unmöglich. Aber mit der Zeit gibt sich das.

Motorradfahrer brauchen Platz

Ich meine nicht unbedingt den Platz auf der Fahrbahn, obwohl es schon erstaunlich ist, dass man beim Fahren ungefähr gleich viel Platz wie ein Auto benötigt. Oder dass das Motorrad beim rückwärts Einparken fast denselben Lenkradius wie ein Auto hat. Ich rede auch nicht von dem Stellplatz – den habe ich zum Glück.

Ich meine den Platz, den man in der Wohnung benötigt – für die Ausrüstung. Der Helm ist genauso sperrig wie die Stiefel. Die Kleidung lässt sich wegen der ganzen Protektoren nicht zusammenlegen und nimmt daher viel Raum ein. Und das gleich mehrfach, weil man ja für unterschiedliches Wetter, unterschiedliche Kleidung braucht.

Sperrig - wohin mit der Kombi?

Sperrig – wohin mit der Kombi?

Was kostet der Spass?

Es kommt zunächst einiges an Kleinkram zusammen: Sehtest, Fotos, Gebühren und so weiter. Der größte Brocken sind natürlich die Fahrstunden: Grundfahrübungen, Pflichtfahrten (Autobahn, Überland, Nachtfahrt) und die Übungen in der Stadt, wo am Ende auch die Prüfung abgenommen wird. Die genaue Anzahl an Fahrstunden hängt etwas damit zusammen, wie man sich anstellt. Mich hat der Führerschein alles in allem ca. €1.800,- gekostet.

Aber das ist nur die Hälfte der Wahrheit. Was ich zunächst unterschätzt hatte, ist die Schutzkleidung. Ohne komplette Ausrüstung (Helm, Handschuhe, Motorradstiefel, Kombi mit Protektoren an Gelenken und Rücken) darf man nicht auf die Maschine. Macht ja auch Sinn. Das blöde ist aber, dass man am Anfang ja noch nicht weiß, worauf man achten muss. Daher habe ich leider viele Dinge zweimal gekauft. Eine richtige Herausforderung ist es, einen vernünftigen Helm zu finden. Im zweiten Anlauf habe ich mich für einen Shoei Air GT entschieden, der auf 400,- herabgesetzt war. Eine gute Wahl. Er sitzt fest, drückt nicht, ist bei schneller Fahrt leise, hat ein Pinlock Visier gegen beschlagen und eine integrierte Sonnenblende.

Dazu kam, dass ich zunächst Klamotten für den Hochsommer (30 Grad) benötigt habe und dann für den Herbst (12 Grad). So sind dann schnell nochmal €1.600,- dazugekommen. Natürlich hat man die Ausrüstung dann auch schon für das eigene Motorrad, aber die Ausgabe hat man trotzdem gleich.

Wie lang hat das gedauert?

Den Antrag zur Erweiterung meiner Fahrerlaubnis habe ich am 9. Juli abgegeben und die praktisch Prüfung am 31. Oktober bestanden.

Hat es gelohnt?

Es war etwas blöde, dass ich genau zum Saisonende (Fahrprüfung am 31.10) fertig geworden bin. Ich habe mich entschlossen, mir trotzdem sofort ein Motorrad zuzulegen, damit ich über den Winter nicht gleich wieder alles verlerne. So lange es das Wetter zulässt fahre ich. Auch wenn es grau ist und das Thermometer nur drei Grad anzeigt.

Meine hübsche Suzi...

Meine hübsche Suzi…

Mein Eindruck nach einem Monat Fahrpraxis: Es macht wirklich richtig Spaß. Also: JA – es hat sich gelohnt!