tiny little gizmos

Feinste englische Ware aus Hinckley

Vor knapp 3 Monaten hatte ich mich auf den Berliner Motorrad Tagen (siehe mein Artikel) vom 09.02) zu einer Probefahrt bei Triumph angemeldet. Leider kam zunächst der Dauerregen dazwischen und als das Wetter warm und trocken wurde stoppte Corona alles. Jetzt ist der KFZ Verkauf wieder zugelassen, das Wetter gut und ich habe drei Tage Resturlaub. Ein Anruf am Dienstag und die Probefahrt konnte Tags darauf stattfinden.

So viele hübsche Maschinen – und es gab noch mehr

Also fuhr ich am Mittwoch zum Triumph Händler in Berlin Weißensee. Der Verkäufer fragte mich, für welches Modell ich mich interessiere und ich antwortete, dass ich eigentlich die komplette Modellpalette stilvoll und toll finde, aber noch keine der Maschinen gefahren bin. Bei der Street Triple interessiert mich der Dreizylinder Motor und die Klassik Linie sieht zum Niederknien schön aus. „Kein Problem“ meinte der Verkäufer, „fahr zur Probe, was Du willst“.

Ja gerne! Dann einmal die Street Triple RS und einmal die Speed Twin. ;-)

Street Triple RS und Speed Twin

Ich hätte auch noch eine Bobber, eine Tiger und eine Bonneville fahren können, aber wir wollen ja nicht gleich maßlos werden.
Tags zuvor hatte ich mir eine kleine Runde herausgesucht, die ich dann sowohl mit den beiden Triumph, als auch zum Vergleich noch einmal mit meiner Suzuki SV 650 gefahren bin. Außer Autobahn war alles dabei: Asphalt und Kopfsteinpflaster, normaler Stadtverkehr, Stop-and-Go durch ein Dorf und Landstraße. Leider mangelt es in Brandenburg an Kurven, aber für einen Eindruck reichte das allemal.

Triumph Street Triple RS

Die erste Runde fuhr ich mit der brandneuen Street Triple RS – dem Topmodell der Baureihe. Ursprünglich war die Baureihe „nur“ die Naked Variante des Sportmodells Daytona. Nach einigen Evolutionsstufen ist die Baureihe aber sehr eigenständig geworden. Die etwas insektenartige Frontansicht mit den Doppelscheinwerfern und dem „bösen Blick“ unter dem Mini-Windschild ist nicht jedermanns Sache, aber ich finde sie klasse.

Sitzposition und Bedienung

Der Verkäufer meinte, dass ich mit meinen knapp 190cm eigentlich etwas zu groß wäre, aber probieren geht über studieren. Für ein Naked Bike ist die Sitzposition recht sportlich: Etwas nach vorne gebeugt und der spitze Kniewinkel ist sicherlich auch nichts für lange Touren, aber ich habe mich sehr wohl gefühlt. Alles liegt gut im Griff, die Highriser Spiegel an den Lenkerenden sorgen für gute Sicht nach hinten und der Sitz ist bequem. Das hochauflösende TFT Display ist sowohl bei praller Sonne, als auch im Schatten super ablesbar. Dabei hilft die automatische Umschaltung: In der Sonne zeigt das Display schwarz auf weiß und im Schatten weiß auf schwarz. Ich liebe solche Details – insbesondere wenn sie perfekt funktionieren.

Triumph Street Triple RS

Bremsen und Fahrwerk

Die Street Triple RS hat als Spitzenmodell der Baureihe nicht nur hochwertige Bremsen von Brembo, die super dosierbar und kräftig sind, sondern auch noch ein Fahrwerk von Öhlins. Das ist spürbar straffer, als z.B. das von meiner SV650, aber man überlebt auch Kopfsteinpflaser ohne Bandscheibenvorfall. Man sagt, dass dieses Fahrwerk beim Kurvenräubern ganz fantastisch sein soll. Das glaube ich gerne. Nur fahre ich recht STVO konform und Kurven gibt es in ganz Berlin und Brandenburg nur eine Handvoll. Das Einlenkverhalten beim Abbiegen ist jedenfalls klasse.

Motor und Getriebe

Die Maschine ist bereits nach der ab 2021 vorgeschriebenen Euro 5 Norm zugelassen und erfüllt damit sehr hohe Anforderungen an Abgasreinigung und maximaler Lautstärke. Dennoch leistet der sportliche Dreizylinder mit 765ccm Hubraum satte 123PS und der Klang ist einzigartig und charakteristisch. Je nach Drehzahl irgendwo zwischen sonor, heiser und turbinenartig, aber nicht wirklich laut. Das erfreut den Fahrer und schont die Nerven der Anwohner.

Der 765ccm Dreizylinder ist ein Quell der Freude

Der Motor läuft sanft und ohne nennenswerte Vibrationen. Auch in niedrigen Drehzahlbereichen ist schon genügend Druck da. Im 6. Gang von 50 auf 80 geht ruckzuck und ohne Murren. Richtig Power hat er natürlich, wenn man ihn hochdreht, aber dazu bin ich auf meiner kleinen Runde nicht gekommen und die Maschine war mit knapp 600Km auf der Uhr auch noch nicht eingefahren. Das Getriebe ließ sich jederzeit präzise Schalten, die Kupplung ist leichtgängig. Den Quickshifter habe ich nicht ausprobiert, weil ich nicht daran gedacht habe. Ist nett, aber nicht notwendig. Die einzigen kleinen Kritikpunkte sind die etwas hohe Leerlaufdrehzahl nach dem Kaltstart und ein leichtes rasseln der Kupplung im Leerlauf. Davon abgesehen ist der Antrieb ein Träumchen und macht sehr viel Spass. Selbst wenn man gesittet fährt. Nach der Fahrt hatte ich das sprichwörtliche breite Grinsen im Gesicht. ;-)

Triumph Speed Twin

Triumph bietet eine sehr breite Auswahl an Modellen der Klassik Baureihe. Motorräder, die so aussehen, als könnten sie aus den 70er Jahren stammen, aber tatsächlich hochmoderne Technik verbaut haben. Auf die Spitze treiben es dabei die „Bonneville“ Modelle, an denen jede Schraube edel und durchgestylt ist. Die Speed Twin mischt jedoch die klassischen Designelemente wie Faltenbälge an der Gabel sehr gekonnt mit modernen Details, wie kurzem Schutzblech hinten, viel Aluminium und Highriser Spiegel an den Lenkerenden.

Triumph Speed Twin

Sitzposition und Bedienung

Auf der Speed Twin sitzt man sehr aufrecht mit entspanntem Kniewinkel auf der bequemen Sitzbank. Die wenigen Bedienelemente sind im doppelten Wortsinn schnell erfasst. Die Spiegel bieten einen guten Blick auf das Geschehen hinter einem. Auffallend sind die in einer Aluminiumplatte eingefassten Rundinstrumente. Die digitalen Zusatzanzeigen sind dezent und stören die klassische Linie nicht. Eine optisch sehr schöne Lösung.

Bremsen und Fahrwerk

Die klassische Grundform lässt zunächst ein behäbiges Fahrverhalten befürchten, aber davon kann keine Rede sein. Auch hier beisst die hochwertige Bremse von Brembo kraftvoll und gut dosierbar zu. Das Fahrwerk ist zwar weniger straff, als bei der Triple, aber dennoch sehr wendig (soweit ich das eben auf den Brandenburger Geraden herausfinden konnte). Von Träge keine Spur!

Motor und Getriebe

Im Gegensatz zum quirligen Dreizylinder der Street Triple hat dieser Motor einen Zylinder weniger, aber fast einen halben Liter Hubraum mehr. Der Reihenzweizylinder mit 1200ccm leistet 97PS. Er gehört zu den optisch schönsten auf dem Markt. Sieht aus, wie ein klassischer luftgekühlter Twin aus den 70ern, ohne die ganzen heutzutage üblichen Schläuche und Kabel. Dabei ist der Motor auf der Höhe der Zeit. Einspritzanlage, Kühler, Katalysator, Lambdasonde, Regelelektronik ist vorhanden, aber konstruktiv geschickt versteckt.

Ein Anblick, den man gerne sieht

Dieser Motor ist auf guten Durchzug bei niedrigen Drehzahlen ausgelegt. Flottes Anfahren mit leicht erhöhter Leerlaufdrehzahl ist kein Problem. Er kann schnell, aber der Charakter ist auf entspanntes Cruisen ausgelegt.

Beim Fahren in sehr niedrigen Drehzahlen erinnert der Sound ein klein wenig an eine Harley Davidson – allerdings in vergleichbar ziviler Lautstärke. Das Sonore Wummern der Maschine kam mit tatsächlich etwas lauter als die Triple vor. Ob das von den Messwerten auch so ist, weiß ich nicht. Die Kupplung ist auch hier sehr leichtgängig, das Getriebe wirkte etwas weniger präzise, als das der Triple. Den Leerlauf musste ich ein paar Mal konzentriert suchen.
Das ändert nichts daran, dass mir auch diese Maschine sehr gefallen hat.

Fazit

Die beiden Naked Bikes sind beide sehr schöne, angenehm zu fahrende Maschinen mit deutlich unterschiedlichem Charakter. Dem quirligen Triple merkt man seine Herkunft aus dem Sportbereich an, aber er ist Gentlemen-Sportler, den man auch sehr gut gemächlicher fahren kann.
Der Twin entzückt mit seiner Optik und dem kraftvollen, aber eher gemütlichen Charakter, der aber auch flott kann.
Beide sind mit mit sehr hochwertigen Teilen ausgestattet, bestechen durch tolles Finisch und sind bis ins Detail durchdacht. Sie sind preislich mit ca. €12.000,- auch fast identisch. Viel Geld, aber man bekommt auch tolle Maschinen dafür.

Und welche gefällt mir nun besser?

Schwierig. Wirklich schwierig. Beide sind auf ihre Art toll.
Optisch gefällt mir die klassiche Linie der Speed Twin besser. Auf der Landstrasse hatte man aufgrund der aufrechten Sitzposition auf der Twin mehr Winddruck. Auf der Triple saß man etwas gebeugter und der Mini-Windschild hält den gröbsten Sturm ab.
Vom Fahrverhalten und der Motorcharakteristik hat mich die Street Triple mehr gereizt.

Sehr sehr knapp, aber ich würde die Speed Triple bevorzugen.