tiny little gizmos

Ermordete Frauen und mein Unwohlsein mit Vorhängeschlössern.

Mal ein todernstes Thema zum Jahresanfang. Sorry.

Gerade habe ich in einer Spiegel Kolumne gelesen, dass in Deutschland alle zweieinhalb Wochen eine Frau von ihrem Partner oder Expartner getötet wird.

In Deutschland!

Ich hätte nicht gedacht, dass diese Tat bei uns so häufig ist. In dem Artikel wird gefordert, dass man das Problem erst einmal richtig benennen muss und aufhören soll, das ganze als „Familientragödie“, „Ehrenmord“ oder ähnliches zu verharmlosen.

Stimmt. Das ist absolut richtig, auch wenn ich das Wort „Femzid“ ebenfalls für ungeeignet halte. Ich habe aber gerade auch kein besseres parat, also lassen wir es dabei.

Weiterhin wird gefordert, dass es sowohl legislative, juristische, als auch konkrete Maßnahmen geben muss und als Beispiel wird Spanien hervorgehoben. Auch das ist richtig.

Ich möchte jetzt nicht den Artikel wiedergeben. Den könnt Ihr bei Spiegel selber lesen.

Mir geht es eher um die grundlegende Ursachen. Ich finde es nämlich befremdlich, wie erschreckend viele Menschen Beziehungen verstehen. Wie viel Besitz- und Anspruchshaltung häufig darin liegt.

Und ich denke, genau da müssen wir als Gesellschaft mal rangehen.

Besitz- und Anspruchsdenken

Es ist unfassbar toll, wenn ein Mensch bereit ist, das Leben mit einem anderen zu teilen, etwas für den anderen zu tun, auch wenn man selber vielleicht gerade andere Dinge im Kopf hat. Sich gegenseitig unterstützen und als Team, die Alltäglichkeiten und die Dramen des Lebens zu meistern.

Wow – das klingt groß und ich meine das auch so. Aber so wünschenswert das auch ist – man hat eben leider keinen Anspruch darauf.

Ich mache keinen Hehl daraus, dass mich das heutzutage so angesagte massive verändern an der Sprache ziemlich ankotzt. Aber Ausdrücke wie „meine Frau“ oder „mein Mann“ habe ich schon immer „irgendwie als falsch“ empfunden. Ich kann mit Fug und Recht von „meinem Auto“ reden, weil es mir gehört. Bei Menschen geht mir so etwas nicht leicht über die Lippen.

Ebenso irritiert mich ein Brauch, der sich in den letzten 20 Jahren verbreitet hat: Die Vorhängeschlösser mit Herzchen und Initialen oder Namen, die man häufig an Brückengeländern findet. Das ist wohl irgendwie romantisch gemeint, aber für mich ist das total gruselig.

„Andreas und Iris gehören einander“. Sie haben sich hier (symbolisch) zusammen an die Brücke gekettet und den Schlüssel weggeworfen. Falls sie sich wieder trennen wollen, geht das leider nur mit Gewalt (in Form eines Bolzenschneiders).

BOAH – NEE DANKE!

Es wundert mich, dass daraus noch niemand einen Horrorfilm gemacht hat.

Aber selbst, wenn man verstanden hat, dass einem die andere Person nicht gehört, mach einen das leider noch nicht frei von Anspruchsdenken. Nun kann man sich ja viele Dinge von seinem Partner wünschen, aber man hat eben keinen absoluten Anspruch darauf.

Nein, „Deine Frau“ gehört Dir nicht. Sie muss Dir nicht für Sex zur Verfügung stehen, nur weil Du gerade spitz bist. Sie muss nicht den Haushalt machen, sie muss sich nicht schick aufbretzeln und sie muss nicht bei Dir bleiben, wenn sie es nicht möchte.

Nein, „Dein Mann“ gehört Dir nicht. Er muss nicht bis zum Herzinfarkt ackern, damit Du im Einfamilienhaus wohnen kannst. Und auch er hat das Recht, keinen Bock auf Sex zu haben, er muss nicht das Auto reparieren und er muss nicht bei Dir bleiben, wenn er das nicht möchte.

Ich habe absichtlich die alten Rollenklischees bedient. Denkt Euch gerne neue dazu. Es ist mir wichtig, dass das Problem des Besitzdenkens sowohl bei Männern, als auch bei Frauen besteht, auch wenn sich das sehr unterschiedlich manifestiert.

Einige Männer neigen dazu, ihre vermeintlichen Ansprüche mit physischer Gewalt durchzusetzen und einige Frauen neigen zu Psychospielchen und emotionalen Erpressungen.

Um nicht missverstanden zu werden – ich relativiere ausdrücklich nicht physische Gewalt. Mir geht es um die Ursachen. Und die liegt eben häufig im Besitz- und Anspruchsdenken.

Anspruchshaltung – in alle Richtungen

Der Auslöser solcher Gewalttaten liegt häufig in dem Selbstbild dieser Männer, dass sie „die Kontrolle“ behalten müssen (ja, „müssen“ – nicht „wollen“). Weil ein „echter Kerl“ alles unter Kontrolle haben muss: Dinge, Zustände und andere Menschen.

Es sind eben nicht nur die Ansprüche an andere. Es geht nicht nur darum, dass „sie“ nicht selbstbestimmt handeln darf. Es geht genauso an die Ansprüche, sondern auch an sich selbst und dass man es nicht erträgt – nicht akzeptieren will – dass man diesen Ansprüchen nicht genügt. Dass man nach diesen Maßstäben versagt.

Warum sind die Kerle so?

Ich habe natürlich keine wirkliche Antwort darauf. Zumal ich glaube keine Männer zu kennen, die irgendwie gewalttätig sind.

Aber ich habe eine Anekdote:

Als ich in den 70er Jahren Kind war, gab es den Begriff „Mobbing“ noch nicht. Wenn man als Junge – sagen wir mal Michael* – zum x-ten Mal von anderen Jungs drangsaliert oder sogar verprügelt wurde, hielten sich die Erwachsenen in der Regel raus. Es hieß dann „Hat dich Sven* schon wieder geärgert?“

Geärgert!

Nicht etwa aufgelauert, den Ranzen geklaut und weggeworfen, mich mit seinem Kumpels durch die Straßen gejagt, sondern „geärgert“.

Und wenn so etwas häufiger vorkam, wurden nicht etwa Sven und seine Kumpels zur Rechenschaft gezogen, sondern Michael hörte Sätze wie „Warum wehrst Du Dich nicht endlich?“ oder „Du musst den Sven dann eben mal so richtig hauen“. Und das war es dann.

Was wurde den Jungs also beigebracht?

Sven hat gelernt, dass er gut damit durchkommt, sich mit Gewalt auf Kosten anderer durchzusetzen. Mit 16 hat er nach dem Sport unter der Dusche den anderen erklärt, „wie man die Mädels rumkriegt“

Michael hat gelernt, dass ihm niemand hilft, sondern er als Opfer auch noch mitschuldig wird, wenn er nicht mit Gewalt antwortet.

Michael und Sven sind heute Mitte 50. Und die Mädels, die Sven damals „rumgekriegt“ hat auch.

Und ich hoffe für uns alle, für die Frauen und auch für die Männer, dass die Jungs heute nicht mehr so Scheisse erzogen werden.

*) Natürlich hieß der Junge nicht Sven und Michael auch nicht Michael und es ist nicht genau so passiert, aber Ihr versteht hoffentlich, was ich meine.