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Das Interview zu meinem neuen Album

Die Eine oder der Andere weiß, dass ich hin und wieder an etwas Musik bastele. Immer wenn ich einen Schwung Songs fertig habe, erkläre ich das zu einem „Album“, gebe dem Ganzen Namen und Cover und veröffentliche es hier auf meinem Blog. Und weil es jetzt wieder so weit ist, gebe ich mir selbst augenzwinkernd auch gleich noch ein „Interview“ dazu.

Viel Spass beim Lesen und Anhören.


Hallo Dirk, Wir sitzen hier heute zusammen, um über Dein neues virtuelles Album „Der Schritt zurück“ zu sprechen. Es ist das mittlerweile 7. Album von Dir seit 2009.

Es ist für mich tatsächlich ein sehr besonderes Album, darum freue ich mich, dass wir heute darüber sprechen. Ich bin ja kein ausgebildeter Musiker, sondern Softwareentwickler. Und bei diesem Album habe ich in mehrfacher Hinsicht echten Fortschritt erzielt.

„Der Schritt zurück“ Frontcover

Worin siehst Du die Weiterentwicklung?

Nun, zunächst sicherlich handwerklich. Als ich um 2005 meine ersten Songs aufgenommen habe, fehlte mir noch fast jedes Wissen im musikalischen Bereich. Ich habe weder Akkorde, noch Rythmik, Songstruktur, Arrangement oder Sounddesign verstanden. Es war alles trial and error.

Meine Songs waren damals zu 90% Schrott und 10% bestenfalls originelle Klangskizzen. Über die Jahre wurde das langsam besser und ab 2009 habe ich diese Klangfragmente gesammelt. Die ersten beiden Alben „Raw Fragments“ und „Furthermore“ zähle ich zu dieser Phase.

Du meintest Fortschritt in mehrfacher Hinsicht. Was ist Dir noch wichtig?

Normalerweise benötige ich mindestens 12 Monate um genügend brauchbare Songs zusammenzutragen. Diesmal war ich durchgehend inspiriert und habe die 11 Songs in nur knapp vier Monaten geschrieben und aufgenommen.

Neu für mich ist, dass ein gemeinsames Konzept hinter allen 11 Songs steht. Ich habe deshalb zielgrichtet gearbeitet und es gab auch weniger Ausschuss als sonst.

Welches Konzept hattest Du im Kopf und wie kamst Du darauf?

Eigentlich sind es sogar zwei Konzepte: Ein inhaltliches und ein technisches.

Vielleicht magst Du erst etwas zum technischen Konzept sagen?

Gerne. Das war auch tatsächlich der Ausgangspunkt. Mich faszinieren die Sythesizer der 80er Jahre. In diesem Jahrzehnt ist musikalisch und soundtechnisch so unfassbar viel passiert. Und es ist natürlich die Musik meiner Teenager Zeit die mich emotional berührt.

Diese mittlerweile klassischen Synthesizer haben jeweils einen eigenen, speziellen Charakter und sind daher bei Sammlern und Musikern immer noch heiss begehrt. Das bedeutet irre teure Gebrauchtpreise – falls man überhaupt jemanden findet, der ein Gerät verkauft.

Wobei – teuer waren sie damals ja auch. Ich hatte damals um 1985 einen Roland Jupiter 8 in einem Laden in Hannover gesehen, aber durfte ihn nicht anfassen, weil er sagenhafte 15.000 DM kostete. Die weniger teueren Geräte, wie den legendären Yamaha DX-7 durfte man für eine halbe Stunde ausprobieren, wenn man keinen „echten“ Kunden nervte.

Zum Vergelich: Für 15.000 DM hat man damals einen neuen Mittelklassewagen bekommen. Und dann gab es ja noch die absoluten High-End-Geräte wie Fairlight und Synclavier die mit 100.000 DM – 250.000 DM so viel kosteten, wie Einfamilienhäuser.

Und heute, nach 40 Jahren Computerrevolution besitze ich fast alle dieser Traumgeräte. Natürlich nicht im Original, sondern als Softwareemulation auf meinem Mac.

Auf Youtube habe einige Musiker eine sogenannte „One Sythesizer Challenge“ gemacht. Es geht dabei darum, einen kompletten Song ausschließlich mit einem einzigen klassischen oder sehr spziell klingenden Synthezizer aufzunehmen. Kein weiteres Instrument ist erlaubt. Die Herausforderung liegt natürlich in der klanglichen Beschränkung. Da ich die meisten meiner Traumgeräte mittlerweise besitze – wenn auch nur als Software – habe ich mir gedacht:

„Klingt lustig. Das probiere ich auch“.

Gleich der erste Versuch mit einem vergleichsweise unscheinbaren und günstigen Casio CZ-101 fand ich derart
überzeugend, dass ich nach und nach mit fast allen meiner Software Syntheziser Songs produziert habe.

Gab es dabei Problem oder Überraschungen?

Probleme nicht, aber Überraschungen durchaus. Die erste war, dass der einfache und günstige Casio super zum Songwriting taugt. Dagegen bin ich mit einem Gerät, von dem ich mir recht viel versprochen hatte – dem komplexen und seinerzeit recht teuren Oberheim Matrix 12 nicht gut zurecht gekommen. Es hat mich nicht genügend inspiriert. Ganz allgemein heben mich die Geräte häufig auch nicht in die stilistische Richtung gezogen, die naheliegend ist. Der Yamaha DX-7 ist berühmt für seine Glocken, Glass, E-Piano Sounds, wie sie in 100 Schnulzen und Baladen verwendet wurde, z.B. bei Whitney Houstens „The greatest love of all“. Mich hat das Herumspielen mit den Presets aber zu dem extrem düsteren Stück „Zwischen Elend und Sorge“ inspiriert. Das war unerwartet.

Welche Instrumente hast Du letztlich genutzt?

Insgesamt 10 Instrument in 11 Songs. Der MiniMoog war so großartig, dass er gleich in zwei Songs verwendet wird.
Casio CZ-101 und Yamaha DX-7 hatte ich bereits genannt, der ARP 2600, Roland Juno 60, Oberheim OB-Xa, Emulator II, NED Synclavier und Fairlight CMI. Und es hat sich ein Software Synth eingeschlichen, den es niemals als Hardware
gegeben hat:

Der FM-4 aus Bitwig Studio. Das ist auch die Audio Workstation, die ich zur Produktion verwendet habe. Die anderen Softwareinstrumente sind von Arturia.

Welches inhaltliche Konzept hast Du umsetzt?

Es stellte sich schnell heraus, dass sich die einzelnen Songs vom Klangcharakter sehr gut ergänzen. Ich hatte ursprünglich erwartet, klangliche Solitäre zu schaffen, da die verwendeten Instrumente doch recht unterschiedlich klingen. Stattdessen gab es plötzlich eine gemeinsame Linie. Was lag näher, als daraus auch eine inhaltlich Linie zu machen?

Beim Mastern und finalisieren der Musikdateien fühlte ich mich wie auf einem mentalen Road Trip. Reines Kopfkino.
Der Protagonist startet in einem Ibiza-Style Club bei lauschiger Cocktail-am-Pool-bei-Sonnenuntergang, aber irgendwas irritiert ihn. Er erkennt, dass ihn das Clubleben nicht erfüllt und macht sich auf den Weg zurück nach Deutschland. Aus der Jet-Set Umgebung verschlägt es ihn in die Berge. Er erreicht abgelegene Gegenden, in denen er keinen Party-Glitzer, sondern Armut findet, was ihn sehr unangenehm berührt.
Als er jedoch nachts durch den Wald geht fühlt er die Magie von Elementargeistern und verliert sich zunächst.
Zurück im Dorf bedankt er sich bei dem Bewohner, der ihn auf den Pfad geführt hat. Der Trip ist zu Ende.

Im allgemeinen, gebe ich meinen Songs englische Titel. Man könnte meinen, dass das bei instrumentaltiteln eigentlich egal ist, aber hier hat es einfach nicht gepasst. Ich hatte ein romantisierte Mitteleuropäische Gebirgslandschaft, wie den Harz vor Augen und das funktioniert einfach nicht auf englisch.

Mystische Begegnung : Waldsee im Nebel

Ist das Thema nicht ein bischen kitschig und platt?

Ja, sicher. Aber kein „Plüsch-um-den-Telefonhörer-Kitsch“. Dass wir alle den mentalen Kontakt zur Natur verloren haben, ist eine Binsenweisheit, die uns die Jugendlichen ja richtigerweise seit einiger Zeit ordentlich um die Ohren hauen. Leider haben aber auch die, die die Kritik am lautesten und heftigsten formulieren diesen Kontakt ebenfalls nicht. Können sie ja nicht, da sie ebenfalls Teil des Systems sind. Aber diese Diskussion sprengt den Rahmen dieses Interviews bei weitem, fürchte ich.

Sicher. Also zurück zu Deiner Musik. Ab wann und wo wird Deine Musik verfügbar sein?

Man kann sie ab sofort auf meiner Homepage unter https://www.ollmetzer.com/?page_id=4404 streamen.

Meine Musik steht unter der Creative Commons Lizenz cc-by-nc-nd. Das bedeutet, dass die Musik privat gehört und kopiert werden darf, solange der Copyright Inhaber korrekt und vollständig genannt wird. Eine Bearbeitung und kommerzielle Nutzung ist nicht gestattet.

Abschliessende Frage: Hast Du schon weitere musikalische Projekte?

Ich habe bereits einige interessante Songfragmente vorbereitet, die auch wieder inhaltlich untereinander Bezug haben, aber das ist ein Prozess, den ich vielleicht nicht beende, weil er aus politischem Ärger heraus entstanden ist. Und das trägt möglicherweise nicht langfristig.

Vielleicht ist es interessanter, dass ich mir gerade einen Modularsynthesizer zugelegt habe. Echte Hardware nach den ganzen Softwareemulationen.

Ich finde das Konzept super spannend. Ich liebe einfach diese technische Haptik, hundert Schalter und Drehregler, blinkende LED, ein Wald aus Kabeln. Aber es ist natürlich auch enorm herausfordernd, weil es kein fertiges Instrument ist.

Du musst Dir zu Beginn ein technisches Konzept überlegen, wie Dein Sound entstehen soll und baust Dir Das Instrument dazu durch die Verkabelung erst zusammen. Es ist wahnsinnig herausfordernd, aus den Maschinen etwas besseres, als schrillen, pulsierenden Lärm herauszuholen. Mal schauen, was der Sommer so bringt.

Ich danke Dir für das Gespräch.

Ich habe zu danken. Es war mir ein Vergnügen.