Himmelfahrt aufs Land
Das verlängerte Himmelfahrt-Wochenende habe ich genutzt um dem stickigen Berlin zu enfliehen. Es zog mich auf das Land – genauer gesagt ins südliche Niedersachsen.
Als “Basislager” hatte ich ein kleines Apartement in Northeim angemietet um von dort aus Verwandte und Freunde zu besuchen. Dazu fuhr ich nach Immensen, Sebexen, Lagershausen und Bockenem. Zudem wollte ich endlich die Oldtimer-Ausstellung im PS-Speicher in Einbeck ansehen.
Alles in allem ein straffes Programm für vier Tage. Trotzdem kam keine Hektik auf. Jeder Besuch war schön und die Gespräche sehr nett und interessant.
Northeim
Northeim ist eine Kreisstadt, die im Leinetal knapp 80km südlich von Hannover und 20km nördlich von Göttingen liegt. Die Altstadt mit vielen gut erhaltenen Fachwerkhäusern ist hübsch, teilt aber leider das Schicksal vieler Klein- und Mittelstädte: Ein sehr großer Teil der Läden und Geschäfte steht leer oder weist geringwertige Nutzung auf. Immerhin gibt es noch Verwaltung etwas Gastronomie und sogar ein Kino, aber der Gesamteindruck ist trotz der schönen Gebäude leider recht traurig.
Schön ist hingegen die Lage der Stadt. Bei einem Spaziergang im Wald ging immerhin 200m hinauf auf den Wieter (326m ü. NN), wo ein Aussichtsturm und ein Ausflugsrestaurant stehen. Leider waren beide geschlossen, aber der Ausblick nach Nordwesten über Northeim und das Leinetal bis zum Solling war auch so schön. Der Buchenwald schien mir in recht gutem Zustand zu sein und an vielen Stellen roch es gut nach Waldmeister oder Lauch.
Einbeck
Einbeck liegt 15km norwestlich von Northeim. Die beiden Städte haben viel gemeinsam: Beide sind Mittelzentren von jeweils ungefähr 30.000 Einwohnern mit gut erhaltener Altstadt und vielen Fachwerkhäusern. Trotz der räumlichen Nähe und den genannten Gemeinsamkeiten hatte ich den Eindruck, dass Einbeck deutlich lebhafter ist. Es gibt dort viel weniger Leerstand, der Markt war gut besucht, der PS Speicher zog sehr viele Besucher an und ich war sogar in zwei Galerien.
Vom PS Speicher hatte ich schon mehrfach gehört und bin nun endlich dazu gekommen, ihn zu besuchen. Es ist eine beeindruckende Sammlung von Fahrzeugen vom späten 19. Jahrhundert bis heute. Nicht nur die Masse und der Zustand der Fahrzeuge ist bemerkenswert, sondern die Präsentation ist sehr gelungen. Auch eine Freundin, die sich eigentlich nicht sehr für Fahrzeuge interessiert hat den Besuch empfohlen.
Die Hauptausstellung ist chronologisch aufgebaut, gibt auch Einblicke in den jeweiligen historischen Kontext. Dazu gibt es weitere Sonderausstellungen von “Kleinstwagen” bis zur LKW-Sammlung. Auf jeden Fall sollte man genügend Zeit mitbringen, denn selbst für die Hauptausstellung sind 4 Stunden eher knapp bemessen, wenn man die Fahrzeuge nicht nur eines flüchtigen Blickes würdigen möchte. Vermutlich werde ich dazu noch einen eigenen Artikel schreiben. Alleine schon wegen der schönen Fotos… ;-)
Bockenem
Bockenem ist eine Kleinstadt im Landkreis Hildesheim, die mit nur 10.000 Einwohnern deutlich kleiner ist, als Northeim und Einbeck. Das Zentrum besteht ebenfalls überwiegend aus Fachwerkhäusern, die fast alle aus der Zeit nach dem großen Stadtbrand von 1847 stammen. Die Stadt leidet deutlich unter dem demographischen Wandel und der Abwanderung jüngerer Personen. Die Kernstadt hatte im Jahr 2000 noch 5100 Einnwohner und 2015 bereits nur noch 4300. Bilder habe ich nicht, weil ich mich dort auf das Fachwerkhaus konzentriert habe, das mein Cousin seit einigen Jahren erfolgreich restauriert. Unsere Gespräche drehten sich viel um bauliche Details, Finanzierungsfragen und den teils irrwitzigen Kampf mit dem Amt für Denkmalschutz.
Die Dörfer
Bis jetzt habe ich nur von Kleinstädten berichtet, aber ich war auch richtig auf dem Land. Verwandte und Freunde wohnen in den Dörfern Immensen, Sülbeck, Edemissen, Lagershausen, Eboldshausen und Sebexen. Für die ganz große Runde hat die Zeit nicht gereicht. Aber dort, wo ich war hatten wir genügend Zeit um in Ruhe über viele kleine und große Dinge zu reden. Schöne Erinnerungen und auch die weniger angenehmen Seiten, die zum Leben dazugehören. Auch ein kurzer Besuch auf dem Friedhof am Grab meines Großonkels und seiner Frau war dabei.
Abgesehen von Familiengeschichten haben wir uns über Themen wie Landwirtschaft, Umweltschutz, Strukturwandel, Flüchtlinge (nach dem 2. Weltkrieg und heute) unterhalten.
Es ist recht erholsam, solche Themen auch mal mit geerdeten Menschen zu diskutieren, die jenseits der Medienblasen der Großstädte leben. Denn meine Verwandten mögen zwar auf dem Dorf wohnen, aber ganz sicher nicht hinter dem Mond.
Jemandem, der jahrzehntelang in der Landwirtschaft tätig war, muss kein Akademiker (m/w/d) aus der Großstadt die Probleme der industriellen Landwirtschaft erklären. Da bin ich lieber still und höre den Fachleuten zu.
Zwar sah der Buchenwald bei Northeim auf den ersten (Laien)Blick recht gesund aus. Aber die Hügel oberhalb von Sebexen waren weitestgehend kahl, wo früher Fichtenwald stand. Jemand in dem Dorf, der selbst Waldanteile besitzt und sein Haus mit Holz heizt (mit einer rafinierten elektronisch gesteuerten Mischung aus Kaminofen und Warmwasserheizung) ist sich sehr genau über den Klimawandel im klaren. Erst Trockenheit, dann Borkenkäfer und für den Rest hat ein Sturm gesorgt, der in wenigen Minuten den 70 Jahre alten Forst komplett gefällt hat.
Und wenn in einem Dorf von 300 Einwohnern immerhin 30 Geflüchtete Personen aus der Ukraine untergekommen sind, finde ich das schon bemerkenswert. Insbesondere, weil die meisten schon einigermaßen ins Dorfleben integriert sind.
Aber ich glaube, dass ich zu den großen Themen auch noch einen gesonderten Artikel schreiben werde.
Der Ausflug ist hier zu Ende. Es hat mir sehr viel Spass gemacht. Gerne komme ich wieder in diese nette Gegend.