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In Motorradklamotten auf dem Klapprad

Ich bin heute mit einem Klapprad gefahren – in Motorradklamotten!

So, jetzt kurz das schön alberne Bild setzen lassen, an das ihr gerade denkt, und dann erzähle ich, wie es dazu kam.

Kleine Motorradausfahrt am Samstag

Samstag Vormittag, zurück vom Einkauf. Draußen schönstes Motorradwetter. Ich bin dieses Jahr noch nicht viel gefahren und muß zusehen, nicht aus der Übung zu kommen. Also beschloß ich, meinen Mittagssnack im 45 über Null zu mir zu nehmen. Der Bikertreff für beide Sorten – Motorrad- und Fahrradfahrer – am Ende der nördlichen Startbahn des Flughafens BER in Selchow. Das ist so eine Art Biergarten, in dem man prima Planespotting machen kann. Es ist schon etwas Besonderes, wenn Ryanair im Landeanflug knapp über die Klappstühle hinwegfegt.

Okay, das erklärt die Motorradklamotten, aber noch nicht das Klapprad. Schließlich bin ich mit meiner „süßen Suzi“ dorthin gefahren und nicht mit dem Fahrrad.

Seit ewigen Zeiten wollte ich das Faltrad von Brompton ausprobieren. Ich komme gleich darauf, weshalb ich genau das interessant finde. Leider stellte sich das als verblüffend schwierig heraus. Es gibt zwar ein paar kleine Händler in Berlin, die das Brompton führen, aber die sind so gnadenlos überlastet, dass ich nie einen Beratungstermin bekommen konnte, wenn ich gerade Zeit hatte und bei Zweirad Stadler kaufe ich aus Prinzip kein Fahrrad.

Der besondere Fahrradladen

Es blieb noch ein Laden übrig, den ich noch nicht angefragt hatte: „The urban mobility store“ in der Kolonnenstraße in Berlin Schöneberg. Und genau der fiel mir ein, als ich gerade unterwegs war. Ohne große Hoffnung habe ich also einen Schlenker nach Schöneberg gemacht und zunächst dorthin gefahren.

Als ich an dem kleinen, aber feinen Laden angekommen bin, musste ich auch ein paar Minuten draußen warten, weil gerade alle Mitarbeiter zu tun hatten. Durch das Fenster konnte ich bereits sehen, dass sie nur zwei Fahrradmarken im Sortiment haben: Brompton und Moulton. Beides Falträder aus Großbritannien.

Nach kurzer Zeit kam ein Mitarbeiter (der sich später als Inhaber herausstellte) auf mich zu. Ich erzählte, dass ich schon länger ein Auge auf die Brompton Räder geworfen habe, wofür ich mir solch ein Rad vorstellen kann und was ich sonste so fahre. Mir wurde flott erklärt, welche Modellinien es gibt und wofür welche besonders gut geeignet ist. Und schon nach ein paar Minuten fiel dann der Satz, daß ich das Rad unbedingt ausprobieren müsse, getreu dem Motto:

‚You don’t get Brompton until you get a Brompton‘ – man begreift Brompton dann, wenn man sich eins greift.

Sehr gerne – aber ohne Helm, Handschuhe und Lederjacke Immerhin waren 20 Grad und die Sonne schien. Motorradhose und Stiefel konnte ich natürlich nicht ablegen, aber für eine kurze Probefahrt ging es auch so.

Zunächst fuhr ich ein Modell der ‚C‘-Linie mit 6 Gang Schaltung. Als ich wieder zurück kam, kam auch gerade ein anderer Kunde von einer Probefahrt zurück und mir wurde gesagt, ich solle das Modell auch noch einmal zum Vergleich fahren. Ein Modell der ‚P‘-Linie mit 4 Gang Schaltung. Was daran sonst noch anders ist, wollte er mit im Nachgang sagen.

An dieser Stelle muss ich mal kurz erklären, was an diesem Fahrrad das Besondere ist und weshalb ich mich dafür interessiere.

Das besondere Fahrrad

Generell mag ich schlichte, leichte Fahrräder ohne Gedöns, die leicht rollen. Ich habe mir im letzten Jahr das Ampler Curt E-Bike angeschafft, das ganz fantastisch ist. Ich fahre damit regelmäßig ins Büro und bin super zufrieden. Außer, dass ich es nicht gut mitnehmen kann, weil es ein ausgewachsenes 28″ Rad mit großem Diamantrahmen ist. In Bus und Bahn braucht man einen extra Fahrschein und an mein Auto kann ich keinen Fahrradträger anbauen, weil es ein Cabrio ist.

Für dieses Problem wurden in den 70er Jahren Klappräder erfunden. Die Räder waren sehr kompakt und ließen sich durch ein Scharnier am Rahmen relativ einfach zusammenklappen, um sie im Auto Kofferraum zu verstauen. Böse Zungen redeten allerdings von „Knickrädern“, weil sie so schlecht fuhren, dass man sie sich auch gleich knicken konnte.

Ich hatte als Kind auch mal so ein Ding. Selbst vom Sperrmüll gezogen und wieder flott gemacht. Nur war das Teil leider schwer wie Bleibarren, hatte keine Schaltung und lausige Bremsen. Damit zu fahren machte soviel Spaß, wie ein Klavier vor sich her zu schieben, nämlich gar keinen.

Das von dem Briten Andrew Ritchie Ende der 70er Jahre entwickelte Faltrad fährt sich dagegen leicht wie ein normales Fahrrad, gehört aber aufgrund einiger technischer Besonderheiten zusammengefaltet zu den kleinsten Fahrrädern überhaupt. Es ist daher hervorrgend dafür geeignet, in Bus und Bahn als kostenloses Handgepäck mitgenommen zu werden. In den Kofferraum passt es sowieso locker.

Kleiner als so manche Handtasche – allerdings 12 kg schwer


Der Grund für die Kompaktheit liegt in den 16″ kleinen Rädern und dem ungewöhnlichen Faltmechanismus. Das sieht auf den ersten Blick kompliziert aus, aber mit etwas Übung kann man das Fahrrad in weniger als 30 Sekunden zusammen- und gleich wieder auseinanderfalten. Sehr verblüffend, wenn man das zum ersten Mal sieht.

Die Probefahrten

Meine erste Fahrt war mit einem Modell der ‚C‘-Linie. Das ist „die gute Mitte“. Stahlrahmen, mittelhoher Lenker, 6 Gang Schaltung, 12 kg. Nach kurzer Einweisung ging es los – mitten in das Schöneberger Fahrradgetümmel.

Obwohl der Rahmen gefühlt auf Knöchelhöhe ist, sind Lenker, Sitz und Pedale dort, wo man sie erwartet. Die Sitzposition ist tatsächlich wie auf einem normalen Touren- oder Stadtrad. Und es fährt sich auf fast so: Leichtgängig und die Übersetzungen sind für die Stadt mit leichten Hügeln mehr als ausreichend. Ich bin auch in der Motorradhose nicht ins Schwitzen gekommen.

Brompton ‚C‘-Line. Das Stadt-/Tourenrad

Die Schaltung ist jedoch etwas erklärungsbedürftig. Es handelt sich um eine 3 Gang Nabenschaltung (Schalter rechts) in Kombination mit einer 2 Gang Kettenschaltung (Schalter links), deren Gänge mit ‚+‘ und ‚-‚ bezeichnet sind. Anstatt die Gänge 1-6 schaltet man so: 1-, 1+, 2-, 2+,3-, 3+.

Aufgrund der winzigen Räder ist der Geradeauslauf recht nervös, aber daran hat man sich nach ein paar hundert Metern gewöhnt. Ich bin auch über mittelschlimmes Kopfsteinpflaster gefahren und das Rad schlug sich verblüffend gut: Nicht klapperte, nichts hat sich verwunden oder geknirscht und als Highlight ist das Heck sogar leicht gefedert.

Ich kann mir gut vorstellen, auf dem Bromton weiter, als nur Kurzstrecke zu fahren. Vermutlich etwas langsamer, als auf meinem Ampler, aber entspannt.

Die zweite Fahrt habe ich auf einem Modell der ‚P‘-Linie gemacht. Tiefer Lenker, 4 Gang Kettenschaltung (einfach 1-4), nur 10 kg Gewicht. Im Kern das selbe Fahrrad, aber mit sportlicher Sitzposition, es schien noch etwas leichter zu rollen, die Schaltung ist gut abgestuft, aber möglicherweise fehlt ein Gang für richtige Steigungen. Dafür hatte ich das Gefühl etwas zügiger unterwegs zu sein. Die fehlenden zwei Kilo gegenüber der ‚C‘-Linie sind beim Tragen deutlich spürbar.

Brompton ‚P‘-Line. Der flotte Stadtflitzer

Aber wie bei jedem Fahrzeug: Leichtbau kostet Geld. Die Gewichtsersparnis kommt zum guten Teil daher, dass Gabel und Heckrahmen aus Titan hergestellt sind und das macht sich deutlich im Preis bemerkbar. Während der Preis bei der ‚C‘-Line je nach Ausstattung bei ca. €1.800,- liegt, sind es bei der ‚P‘-Line bereis ca. €2.700,-. Wer mag, kann aber natürlich noch deutlich mehr Geld ausgeben. Es gibt noch ein E-Bike von Brompton und ein Modell, dessen Rahmen vollständig aus Titan hergestellt ist und das nur 7,5 kg wiegt.

Mein Fazit

Das Brompton Faltrad ist nicht ohne Grund Kult und seit über 40 Jahren auf dem Markt erfolgreich. Es fährt sehr gut, und lässt sich sensationell klein zusammenfalten. Das ist nicht einfach nur ein interessantes technisches Detail, sondern sorgt dafür, dass es hervorragend als Ergänzung zum ÖPNV genutzt werden kann. Die Räder sind zwar recht filigran, aber haltbar. Mehr als 20 Jahre Nutzung sind eher die Regel, als die Ausnahme.

Es gibt aufgrund der ungewöhnlichen Konstruktion ein paar Besonderheiten, auf die man nicht sofort kommt („Warum hat das Rad keinen Ständer?“, „Warum hat das Rad keinen Gepäckträger“), und auch ein paar Einsatzszenarios, die sich vielleicht erst im Laufe der Zeit erschliessen.

Wer sich in Berlin für das Brompton interessiert, dem kann ich einen Besuch beim „The urban mobility store“ in der Kolonnenstraße in Berlin Schöneberg empfehlen. Die Jungs sind super freundlich, echte Überzeugungstäter und mit dem Herz bei der Sache. Obwohl recht viel in dem kleinen Laden los war, wurde ich ausführlich und ohne Hektik beraten – inklusive kleiner Annekdoten und trotzdem musste niemand lange warten.