tiny little gizmos

Weihnachten wie 1983 – fast…

In den letzten zwei Monaten des Jahres 2023 konnte ich auf Facebook mitlesen, wie sich ganze Horden von Männern um die 50, wie kleine Jungs benommen haben, die sich fragen, ob sie ihr heiß ersehntes Geschenk zu Weihnachten bekommen werden. Einer davon war ich selbst. Soviel vorneweg – sie haben es bekommen. Und es hat sich tatsächlich ein bisschen so angefühlt wie damals…

Wovon rede ich eigentlich?

Von einem Computer – aber einem sehr speziellen.

Wie die Eine oder der Andere weiß, ist eines meiner Hobbies Retrocomputing. Speziell die 8-Bit Ära der frühen 80er Jahre. Natürlich ist das zum großen Teil Nostalgie, aber auch die Faszination, wieviel man damals schon mit minimalstem technischen Aufwand machen konnte. Die drei ersten Computer, die ich hatte, haben mich nachträglich geprägt:

Zwischen dem Sinclair ZX-81, mit dem ich meine ersten Erfahrungen in Programmierung gemacht habe und meinem geliebten Commodore64, auf dem ich 6502 Assemblerprogrammierung gelernt habe, hatte ich den wunderbaren Sinclair ZX-Spectrum. Auf ihm habe ich mein ersten Computerspiel selbst programmiert. Ein einfaches Jump-and-Run in Basic. Immerhin wäre das fast in der „Happy Computer“ abgedruckt worden. Programme zum abtippen waren damals ein großes Ding.

2017 hat eine Gruppe Enthusiasten eine Kickstarter Kampagne aufgelegt, um einen würdigen Nachfolger des ZX Spectrum zu entwickeln. Das ganze Projekt wurde so professionell angegangen, dass sich sogar Rick Dickinson (leider gest. 2018) – der Designer der Original Spectrum Modelle – zur Mitarbeit gwonnen werden konnte. Als I-Tüpfelchen durfte das Projekt sogar den Original Sinclair Schriftzug verwenden.

Die erste Kampagne mit ca. 3.000 Rechnern hatte ich leider verpasst, aber 2020 wurde aufgrund der großen Nachfrage eine zweite Kampagne gestartet. Ca. 5.200 Projektunterstützer haben sich eingeschrieben und die ca. €400,- im Voraus überwiesen. Diesmal war ich dabei, in der irrigen Annahme, dass es diesmal schneller gehen müsste, weil der Rechner ja bereits fertigentwickelt ist.

Das wahr wohl nichts!

Erst kam Corona, dann die Chip-Krise, dann war ein zentrales Bauteil nicht mehr verfügbar und die Platine musste umdesignt werden. Alle paar Monate gab es Nachricht, warum es jetzt wieder zu Verzögerungen kommt. Aber in der zweiten Jahreshälfte 2023 wurde es endlich konkret: Die Gehäuse und Tastaturen wurden produziert, die Platinen hergestellt und getestet. Immerhin wurden wir Projektunterstützer über jeden Fortschritt zeitnah informiert. Jetzt stieg die Spannung: Bekommen wir die Rechner noch in diesem Jahr? Für die Unterstützer in der EU und in UK kamen die Rechner in der Adventszeit an. Nach so langer Wartezeit war die Vorfreude bei allen groß.

Und taugt die „Kiste“?

Ich bin zwar was Technik angeht eher der nüchterne Typ, aber das Auspacken des Rechners habe ich tatsächlich in Ruhe zelebriert. Dafür, dass das eigentlich ein Hobbyprojekt war, ist eine unglaubliche Menge an Feinschliff in scheinbar unwichtige Details geflossen – wie z.B. die Verpackung.

Bereits der Hinweis, dass man die graue Umverpackung vorsichtig öffnen soll, wurde im Stil einer Fehlermeldung in ZX Schrifttype aufgedruckt:
„R Tape cutting error, 0:1 Do not open with sharp instrument“.

Dann die eigentliche Verpackung: Tolle Produktfotografie, Sinclair Schriftzug, informative Rückseite, hochwertiger Karton.

Sinclair ZX Spectrum Next – hochwertig verpackt

Nach dem Öffnen musste ich eher an Apple als an Sinclair denken: Der Rechner und eine extra Pappschachtel für das Netzteil sind appetitlich arrangiert. Das Netzteil kommt mit Adaptern für alle möglichen Steckdosen und hat einen Ein/Ausschalter. Der Spectrum Next selbst hat nämlich keinen – wie das Original. Und wie beim Original liegt ein 300 Seiten dickes Handbuch dabei, das eine gute Einführung in die Programmiersprache Basic bietet.

Rechner, Netzteil, Quickguide, Handbuch

Ist das den jetzt ein richtiger Spectrum?

Ich könnte jetzt spitzfindig sagen: „Nein, denn der Rechner ist viel zu gut“. Das Gehäuse und die Tastatur sind hochwertig. Das kann man vom Original bei aller Liebe nicht behaupten. Außerdem hat der Rechner viel mehr Speicher, massig Schnittstellen, ein SD Karten Laufwerk eine Echtzeituhr und WiFi eingebaut. Ich habe ihn an einen kleinen 9″ HDMI Monitor mit Ton angeschlossen. Das harmoniert ganz hervorragend.

Das Wichtigste: Design und nicht zuletzt das Gefühl sind stimmig.

Es fühlt sich alles „richtig“ an. Nach dem Start ist der Rechner in zwei Sekunden einsatzbereit. Man landet zunächst in einem Menu, von dem man zum Dateibrowser, den Einstellungen oder direkt zu den verschiedenen Modi kommt – genannt „personalities“. Das sind neben den „Next“ natürlich die originalen Spectrum Modellen 48K, 128, +2 und +3. Aber auch die früheren Sinclair Rechner ZX80, ZX81 und sogar ein CP/M Modus ist vorhanden. Um sich komplett zurechtzufinden, braucht es durchaus etwas Zeit.

3D Monster Maze im ZX81 Modus

Ich habe mich daher erst einmal um den 48K Modus gekümmert, weil der meinem damaligen Spectrum entspricht. Die Spiele, die ich zunächst ausprobiert habe, laufen alle einwandfrei.

Problemlos: Castlevania im 48K Modus

Danach habe ich mich dem Basic zugewandt, weil ich schon von zwei Freunden gefragt wurde, ob ich mein Spiel von damals noch habe. Ich habe es nicht, aber es sollte nicht allzu aufwändig sein, dieses oder ein ähnliches neu zu schreiben.

Die Eingabe von Basic Programmen ist auf dem Spectrum schon sehr besonders. Man hat einen Zeileneditor in den unteren beiden Bildschirmzeilen (der Bildschirm zeigt 32 x 24 Zeichen). Ein einzelner Tastendruck bringt nicht unbedingt einen Buchstaben, sondern je nach Modus auch Sonderzeichen, Grafiksymbole oder ganze Befehle wie „PRINT“ auf den Bildschirm. Dementsprechend ist die Tastatur bis zu fünffach belegt und alles ist auf die Tasten aufgedrukt.

48K Spectrum Basic: Spaghetticode in Briefmarkenformat

Ich könnte jetzt stundenlang weiterschreiben, obwohl ich erst an der Oberfläche des ZX Spectrum Next gekratzt habe. Zum Beispiel über die Musikfähigkeiten, die Onlinedatenbank, den eingebauten Bildschirmtextartigen Onlinedienst. Aber in Kurzform:

Der ZX Spectrum Next ist ein faszinierendes Stück Technik mit einer spannenden Mischung aus historischer und aktueller Technik.

Er fühlt sich an, wie ein richtiger ZX Spectrum.

Im Moment versuche ich ein Spiel in Basic zu entwickeln. Vielleicht schreibe ich dazu eine kleine Artikelserie. Mal sehen.

Arbeit an einem kleinen Spiel in Basic

„Das klingt Klasse! Ich will auch so einen haben.“

Falls Du, geneigter Leser auch so einen schönen modernen Retrocomputer haben möchtest, muss ich Dich leider enttäuschen. Das ist leider kein normales Produkt, dass man bestellen kann. Entweder Du findest einen auf eBay oder wartest, ob es noch eine dritte Kampagne geben wird.

Wenn Du aber auf das tolle Gehäuse verzichten kannst, bleibt noch die Möglichkeit, die Software auf einem anderen FPGA Board laufen zu lassen. MISTer, X-Berry π(pi) und N-GO sind kompatibel, wobei letzterer sogar in ein Original Spectrum Gehäuse passt. Und die Gehäuse bekommt man problemlos als Ersatzteil.