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Elektrisch unterwegs, Teil 3: Volvo EX30

Meine Suche nach einem passenden E-Auto geht in die dritte Runde. Nachdem ich in letzter Zeit den Jeep Avenger („Endlich mal elektrisch – mit dem Jeep Avenger„) und das neue Tesla Model 3 („Elektrisch unterwegs, Teil 2: Tesla Model 3„) zur Probe gefahren bin, konnte ich dieses Wochenende den neuen Volvo EX30 ausprobieren.

So viel sei schon vorneweg verraten: Ich würde den Volvo genau zwischen den beiden anderen Fahrzeugen einordnen. Was ich damit meine, erläutere ich im Fazit.

Mein Testfahrzeug hatte „nur“ Heckantrieb mit 200 kW (272 PS), den großen 64 kWh Akku und die höchste von drei Ausstattungslinien. Listenpreis: €47.730,00, wobei mir ein guter „Hauspreis“ für Barzahlung angeboten wurde, obwohl das Auto brandneu auf dem Markt ist.

Volvo, Strom, Schweden, China

Volvo hat bereits seit längerem mehrere Elektrofahrzeuge im Programm. Das sind umgebaute Verbrenner, die groß, kantig, teuer und „verbrauchsstark“ sind. Der neue EX30 ist deutlich kleiner, günstiger und das erste Modell, das von vornherein ausschließlich als Elektroauto konzipiert wurde. Die technische Basis stammt vom chinesichen Geely Konzern und wird auch für den Smart #1 und dem Zeekr X verwendet. Karosserie, Innenraum und Bedienung sind allerdings bei allen drei sehr unterschiedlich.

China? Geely?

Ja, die Volvo Car Corporation hat zwar ihren Sitz in Göteborg in Schweden, ist aber bereits seit längerem in chinesischem Besitz. Dem Konzern gehören ganz oder teilweise auch andere bei uns bekannte Marken wie Polestar, Lotus und Smart.

Karosserie und Innenraum

Für die Volvo Marketing Abteilung ist der EX30 ein Kompakt-SUV. Für mich ist das einzige SUV-mäßige an dem Fahrzeug das kantige Styling der Karosserie. Mit einer Länge von 4,23 m und einer Breite 1,83 m gehört der Wagen aber eindeutig in die Kompaktklasse, wie der Golf. Die Höhe von 1,55 m ist ebenfalls nicht übertrieben. Das Auto ist also ziemlich sozialverträglich und gefällt mir optisch gut.

Volvo EX30 – kantige Front
Bulliges Design, aber veträgliche Größe (rechts daneben: Citroen C3)

Die kompakten Außenmaße bedeuten andererseits natürlich auch, dass der Innenraum nicht allzu üppig ist. Auf den Vordersitzen hat man ausreichend Platz, aber in der zweiten Reihe kann es eng werden, wenn die Vordersitze weit zurückgeschoben werden.

Volvo EX30 – Platzverhältnisse vorne

Der Kofferraum reicht mit 318 l (904 l mit umgeklappten Rücksitzen) locker für den Wochenendeinkauf, aber nicht für das Reisegepäck einer vierköpfigen Familie. Immerhin gibt es unter dem Kofferraumboden noch etwas Raum für flache Dinge und das verschmutzte AC Ladekabel kann separat in einem kleinen Fach unter der Fronthaube untergebracht werden.

Volvo EX30 – Platzverhältnisse hinten

Die Materialien im Innenraum sind aus Recyclingmaterial. In der höchsten Ausstattungslinie „Ultra“ sind die Sitze hellgrau meliert und Teile des Armaturenbretts ebenfalls mit einem ähnlichen Stoff überzogen. Ich empfand die Qualität als angenehm. Andere Tester bemängelten die Haptik als „etwas billig“. Möglicherweise bezog sich das aber auch auf die unteren Ausstattungsvarianten, in denen auf dem Armaturenbrett ein Kunststoff verbaut wird, der mich an Bodenbelag von Turnhallen erinnert. Immerhin nerven nirgendwo „Klavierlack“-Oberflächen.

Die Verarbeitungsqualität ist auf jeden Fall hochwertig und solide. Alles ist stabil, nichts wackelt oder knarzt.

Bedienung

Wie heutzutage schon fast üblich, gibt es keinen Schlüssel mehr. Wenn man sich dem Fahrzeug mit dem Token oder dem Smartphone und der Volvo App nähert, blinkt er kurz und entriegelt automatisch die Türen.

Nachdem man hinter dem etwas eckigen Lenkrad Platz genommen hat, merkt man, wie aufgeräumt das Auto ist. Ähnlich wie im Tesla, gibt es nur einen zentralen Touchscreen, als Anzeige. Das „Tablet“ ist etwas kleiner als im Tesla, hochkant verbaut und läuft mit Android als Betriebssystem. Es ist übersichtlich, die Bedienung ist super flüssig und es gibt eine hervorragende Spracherkennung.

Anders als Tesla gibt es aber hier neben einigen Tasten auf dem Lenkrad noch zwei Lenkstockhebel für Blinker, Licht, Scheibenwischer und Gangwahl.

Sehr aufgeräumtes Cockpit

Bei vielen Testern hat dieses aufgeräumte Cockpit reflexartig zu Kritik geführt: „Kein Fahrerdisplay, kein Head-Up Display, keine Knöpfe“.

Ich war froh, dass ich bereits den Tesla gefahren bin und das Grundkonzept verstanden hatte. Knöpfe für Sitz- und Lenkradheizung, Radio, Klimaanlage etc. habe ich gar nicht vermisst und auch nicht im Blindflug auf dem Tablet rumgewischt, sondern sofort alles über Sprachbefehle gesteuert. Das funktioniert – Google sei dank – sehr schnell und einwandfrei. Wenn man das einmal genutzt hat, fragt man sich, warum in anderen Autos eigenlich 1.000 Knöpfe und Regler verstreut sind. Mein Mercedes Baujahr 2013 kommt mir im Vergleich mittlerweile recht altbacken vor.

Die Sitze sind vielfach elektrisch einstellbar und bequem, haben aber nicht viel Seitenhalt. Das Lenkrad ist manuell einstellbar. Es ist zwar nicht völlig rund, aber es liegt gut in der Hand und fühlt sich angenehm an. Die Tasten auf dem Lenkrad sind leider – wie beim VW ID3 – nicht so gut gelöst. Der Blinkerhebel funktioniert nicht ganz so wie gewohnt. Er rastet nicht ein, sondern ist eigentlich nur ein Schalter.

Der Sound der im Armaturenbrett eingebauten Anlage von Harmann Kardon ist richtig gut. Leider spiegelt sich das Logo in der Windschutzscheibe.

Die Probefahrt
Es gibt keinen Anlasser oder Startknopf. Den Fuß auf die Bremse, mit dem Rechten Hebel „D“ oder „R“ wählen und schon kann es los gehen. Wie bei anderen E-Autos rollt der Wagen nahezu lautlos an. Ich bin per „One-Pedal-Driving“ gefahren – also nahezu ohne die Bremse zu nutzen, da die Rekuperation bis zum Stillstand reicht. Das lässt sich aber auch umstellen.

Meine Fahrt führte mich 50km über Stadt- und Landstrassen und ein Stück Autobahn. Die Fahrbahnqualität reichte von glattem Asphalt über Betonplatten bis zu Kopfsteinpflaster. Die Federung schluckt viel weg, ist für meinen Geschmack aber etwas zu weich, weil bei etwas(!) zügigerer Fahrt doch etwas Bewegung in die Karosserie kommt. Das Fahrgeräusch war stets sehr leise – egal ob Dorfstrasse mit Kopfsteinpflaster oder mit 185 km/h auf der Autobahn. Das ist übrigens auch die Höchstgeschwindigkeit, die man nur sehr kurz fahren sollte. Erstens konnte man zugucken, wie die kalkulierte Restreichweite „verdampfte“ und zudem wird das ansonsten angenehm komfortable Fahrwerk dann sehr unruhig und man muss viel korrigieren. Also schnell man an einer Kolonne vorbeiziehen ist möglich, aber das Auto fühlt sich bei 120 – 130 km/h am wohlsten.

A Propos Autobahn: Bei der Auffahrt habe ich das Strompedal einmal durchgetreten.

Jesus!

Man ist derart schnell von 50 auf 130, dass man kaum zum Luftholen kommt. Für das Grundmodell mit 272 PS ist die Beschleunig von 0-100 km/h 5,3 s. angegeben. Wozu es da noch eine Allradversion mit 428PS gibt, ist mir unklar. Eigentlich passt diese massive Beschleunigung nicht so recht zum ansonsten kreubraven, komfortablen Character des Fahrzeugs.

Im Alltag sind andere Dinge wichtiger. Die Schildererkennung liegt leider zu häufig daneben und hat mich nicht so ganz überzeugt. Beispiele von der 50 km Probefahrt:

  • Auf einer vierspurigen Ausfallstraße wurden 10 km/h angezeigt (anstatt 60 km/h).
  • Auf der Autobahn wurde die Aufhebung von 120 Km/h nicht angezeigt.
  • Bei einer Dorfdurchfahrt wurde die zeitliche Einschränkung einer 30 km/h Zone ignoriert.

Das ist aus zwei Gründen ärgerlich:

Erstens ist das Fahrzeug – typisch E-Autos – so leise, dass man die gefahrene Geschwindigkeit nicht mehr fühlt. Man muss also nach Tacho fahren und dann sollte die angezeigte Höchstgeschwindigkeit bitte auch stimmen.

Zweitens müssen neue Autos seit diesem Jahr ein deutlich hörbares Warngeräusch machen, sobald man auch nur knapp schneller fährt. Das ist zwar einerseits praktisch (siehe Grund eins), aber es nervt kolossal, wenn das Auto häufig nicht recht hat und rumbimmelt.

Mit der Aufmerksamkeitüberwachung hatte ich im Gegensatz zu einigen Testern kein Problem. Das mag daran liegen, dass ich während der Fahrt nichts auf dem Bildschirm gesucht habe (Sprachsteuerung FTW!!!) oder daran, dass die Funktion in der aktuellen Softwareversion entschärft wurde.

Rückwärts einparken funktioniert sowohl mit der Rückfahrtkamera, als auch konventionell gut.

Weitergehende Assistenzsysteme habe ich nicht ausprobiert.

Verbrauch, Laden, Reichweite

Die Probefahrt fand bei freundlichem Vorfrühlingswetter statt: 13 Grad, trocken, kaum Wind. Das sind ziemlich gute Voraussetzungen für akzeptable Verbrauchswerte. Während der Fahrt bin ich ruhig im Verkehr mitgeschwommen, habe wo es ging die erlaubte Höchstgeschwindigkeit ausgenutzt. Auf der Autobahn fuhr ich 120 -130 km/h und habe für zwei Minuten Vollstrom gegeben. Am Ende wurde mir für die 48km Fahrt ein Durchschnittsverbrauch von 20,3 kWh/100 km angezeigt. Das ist weder richtig gut, noch richtig schlecht. Die größeren E-Volvos benötigen deutlich mehr, aber das Tesla Model 3 hat neulich bei schlechterem Wetter 16,3 kWh/100 km angezeigt (was aber vermutlich etwas zu optimistisch ist).

Ich denke, dass der Unterschied hauptsächlich auf die unterschiedliche Karosserieform zurückzuführen ist. Der Volvo ist kurz und kantig, während das Model 3 flach, lang und windschlüpfrig ist. Beide Wagen haben Wärmepumpen.

Verbrauch bei der 48 km Testfahrt: 20,3 kWh/100 km

Für das von mir gefahrene Modell mit Heckantrieb und 64 kWh Akku wird eine WLTP Reichweite von 476 km angegeben. Ich gehe von realistischen 300 bis 350 km aus. Zur Ladeplanung kann ich nichts sagen und verweise auf andere Tests. An Gleichstrom soll der Wagen mit maximal 130 kW von 10% auf 80% in 26 Minuten laden. Eine Besonderheit ist, dass man den EX30 anstelle des serienmäßigen 11 kW AC Laders auch mit einem 22 kW AC Lader bekommen kann.

Fazit

Kurzfassung; Der Volvo EX30 ist ein sehr angenehmes, praxistaugliches Auto, das es mit kleinem 51 kW/h Akku bereit ab €37.000,- gibt.

Jeep vs. Volvo

Ich hatte eingangs geschrieben, dass er für mich zwischen dem Jeep Avenger und dem Tesla Model 3 liegt. Damit meine ich, dass der Jeep und der Volvo vom Charakter kreuzbrave, komfortable Kompaktautos sind, die im SUV-Kleid daherkommen und im Grundpreis von ca. €37.000 vergleichbar sind. Beide kann ich mir gut als typisches Kurzstrecken und Pendlerfahrzeug vorstellen.

Beide haben einen 51 kWh Akku. Der Jeep ist von der Bedienung (Knöpfe!) und der überschaubaren 156 PS Motorisierung her noch ein „normales“ Auto. Der Volvo hat dagegen einen absurd starken 272 PS Motor und ist mit seinem Tablet- und sprachbasierten Bedienkonzept näher an Tesla. Die Autobahn ist für beide aufgrund der kleinen Akkus nicht so das Metier. Der Jeep wird sogar bereits bei 150 km/h abgeriegelt.

Volvo vs. Tesla

Der Volvo mit dem größeren Akku ist hingegen, wie aus der Tesla voll autobahntauglich. Beide kommen weit, laden zügig und können bei Bedarf auch mal kurzfristig schnell fahren. Die Höchstgeschwindigkeit vom Tesla ist 200 km/h, die vom Volvo ist 180 km/h.

Auch diese Fahrzeuge sind preislich vergleichbar: Der Volvo ab €42.000,- und der Tesla ab €43.000,-. Der Volvo hat einen etwas größeren Akku (64 kWh) als der Tesla (60 kWh), aber der Tesla verbraucht weniger und lädt noch etwas schneller. Bei hohem Autobahnanteil würde ich den Tesla bevorzugen, weil der deutlich ruhiger auf der Strasse liegt. Bei hohem Stadtanteil eher den Volvo, weil der kompakter, wendiger und übersichtlicher ist.

Nachtrag

Standardargument: „…aber das ist vieeel teurer, als ein Verbrenner!

Ähm – nein. Nur noch etwas teurer. Ich habe eben mal zum Spass einen vergleichbaren VW Golf konfiguriert. 150 PS Benziner mit Automatik (bzw. 7 Gang DSG), alle Zusatzfunktionen rein, die der Volvo serienmäßig hat. Ergebnis: € 38.785,00!
Und dabei fehlen immer noch so wichtiges Komfortfeature, wie Vorklimatisierung. Wenn wir jetzt den erheblich höheren Wartungsaufwand für Verbrenner berücksichtigen haben wir den Mehrpreis nach 36 Monaten locker drin.