Superbooth 2025
Vor drei Jahren habe ich bereits über “Die wahrscheinlich lässigste Musikmesse der Welt” berichtet. Und auch in diesem Jahr traf sich in der Wuhlheide in Berlin vom 8. bis zu, 10. Mai das Who-is-who der elektronischen Musikszene zur Superbooth. Diese Mischung aus Messe, Festival, Szenetreff und Zeltlager im Wald ist international einzigartig. Es sind sowohl die großen, bekannten Marken (Moog, Korg, Yamaha) vertreten, aber auch viele kleinere und unabhängige Einmann-Firmen.

Cooles Ambiente, coole Besucher
Das Wetter spielte auch in diesem Jahr mit: sonnig, trocken, nicht zu warm und nicht zu kalt – nicht ganz unwichtig, wenn die Hälfte der Veranstaltung draußen und in Zelten stattfindet.
Das entspannte Ambiente trägt dazu bei, dass hier alle auf Augenhöhe miteinander agieren. Man ist gemeinsam an cooler Musik und spannend klingenden Dingen interessiert. Und so kann man auch bekanntere Leute mal eben in der Schlange vor dem Espresso Stand in eine kleine Fachsimpelei verstricken.

Oder man lässt sich in einem Zelt irgendein obskures Gadget, wie den Taschentracker M8 (s.u.) vorführen, während direkt daneben jemand um ein gemeinsames Foto gebeten wurde. In meinem Fall war das Lisa Bella Donna, eine US Amerikanische Komponistin, die für ihre Werke an Modularsythesizern bekannt ist. Ich sollte sie etwas später nochmals eher aus Versehen auf dem Stand von Moog sehen, als ich den neuen, kleinen Moog Messenger ausprobiert habe. Dort gab sie ein kleines aber sehr feines viertelstündiges Set zum Besten. Wunderbar!

Auch sonst sind mir viele – zumindest in der Szene – bekannte Gesichter aufgefallen. Natürlich Herr Schneider von Schneidersladen, der die Superbooth organisert hat, Dieter Döpfer, der mit der Erfindung des Eurorackformates die Renaissance analoger Modularsysnthesizer eingeleitet hat, diverse Blogger, wie BoBeats, True Cuckoo, Nick Batt von Sonicstate und Anthony Marinelli. Der hat als Studiomusiker bereits am Thriller Album von Michael Jackson mitgearbeitet. Er saß saß locker mit einem Getränk auf einer Bierbank unter ‘nem Baum und unterhielt sich mit mit zwei Kumpels – genauso wie irgendein Dude aus Kreuzberg. Witzigerweise ist das bereits der zweite Musiker, den ich aus der Nähe gesehen habe, der mit Michael Jackson gearbeitet hat. Vor Jahren saß ich in der SAE in Kreuzberg bei einem kleinen Workshop zu Modularsynthesizern und habe erst im Nachhinein erfahren, wer dieser nette, ältere Herr namens Michael Boddicker eigentlich ist. Schön zu sehen, dass das alles ganz normale, freundliche Menschen sind.

Cooles Spielzeug
Genug Namedropping – was für Spielzeug fand ich denn interessant? OMG – viel zuviel, als dass ich hier alles aufzählen könnte. Ich nehme einfach mal drei je Produkte aus den beiden Kategorien Tracker und Komplettsynthesizer.
Tracker und Grooveboxen
Tracker und Grooveboxen sind kompakte Geräte, mit denen man “Tracks zusammenbauen” kann. Also eher kleine Studios im Taschenformat, als “richtige” Instrumente, die man in zusammen mit anderen spielt. Manche lassen sich sogar unterwegs nutzen und können so als elektronisches Notizbuch für Songideen dienen. Von den kompakten Maßen soll man sich nicht täuschen lassen: Klangmäßig haben die es mächtig drauf.

Die schwedische Firma Teenage Engineering war im Außenbereich mit einem Campingbus und einem Partyzelt vertreten, unter dem auf einem Klapptisch diverse Geräte zum Ausprobieren lagen. Darunter war auch der OP-XY, der ein bischen an den Casio VL-1 Taschenrechner erinnert, den 1981 Trio bei ihrem Hit “Da da da” verwendet haben. Nur dass der OP-XY super klingt, extrem solide gebaut und mit ca. €2.300,- schweineteuer ist.

Deutlich günstiger (ca. €800,-), aber größer und ohne eingebauten Akku nicht mehr wirklich portabel nutzbar ist der Polyend Tracker +. Er hat ein weniger “musikalisches” Bedienkonzept, als der OP-XY: Es ist ein Tracker – ein Konzept, mit dem auf den frühen Heimcomputern wie C64 oder Amiga mit sehr begrenztem Speicher lange Musikstücke komponiert wurden. Diese sind eine Kette von Pattern mit Abspielinformationen (Spur, Tonhöhe- und Länge, verwendeter Klang usw.). Die Benutzeroberfläche ist quasi ein direkter Blick in die Speicherzellen des Gerätes. Das klingt zunächst weder intuitiv, noch sehr musikalisch, ist aber sehr mächtig, wenn man den Dreh erst mal raus hat.

Das selbe Prinzip nutzt auch der M8 von Dirtywave (ca. €600,-). Hier aber mit extrem reduzierter Benutzeroberfläche, und eingebautem Akku. Das Produkt, das über mehrere Jahre aus einem DIY Bastelprojekt weiterentwickelt wurde, besticht durch sehr solide Hardware. Das perfekte musikalische “Notizbuch”, wenn man unterwegs ist. Die Lernkurve ist aber recht steil.
Weitere ähnliche Geräte, die ich leider nicht ausprobiert habe sind Ableton Move (ca. €450,-) und der BENTO von 1010music (ca. €1.100,-) . Diese Geräte sind mir leider erst im Nachgang aufgefallen.
Komplettsynthesizer
Kommen wir nun zu “richtigen” instrumenten – den Komplettsynthesizern. Damit meine ich Instrumente, die nicht erst zusammengesteckt werden müssen und mit Klaviatur spielbar sind.
Als neues, günstiges Einsteigermodell besticht der monophone Moog Messenger mit dem fetten Sound, für den die Firma seit Jahrzehnten bekannt ist. Die Verarbeitungsqualität mit dem Metallgehäuse und den Moog-typischen Reglern ist gut. Bei einem Preis von gerade mal €850,- kann man nicht ganz, die seidenweiche Bedienung der größeren Moog erwarten, aber In dieser Preisklasse spielt der Messenger ganz vorne mit.

Eine andere, legendäre Synthesizerschmiede ist Oberheim. Der TEO-5 wurde zwar bereits letztes Jahr vorgestellt, aber ich habe ihn erst jetzt in die Finger bekommen. Das kompakte und leichte Gerät ist mit €1.600,- für einen Oberheim sehr günstig. Dafür bekommt man ein kompaktes und leichtes Gerät mit 3 1/2 Oktaven Klaviatur, jede Menge Knöpfe und Drehregler. Man muss auf solche Dinge, wie Holzpaneele und extrem hochwertige Regler verzichten, aber das bedeutet nicht, dass das hier eine billige Kiste wäre. Sieht gut aus, fühlt sich gut an und der Klang ist absolute Sahne – sowohl qualitativ, als auch vielseitig. Und das allerwichtigste: Ich finde ihn sehr zugänglich. Ich hatte einfach mal ein paar Presets genommen und dann daran ein bisschen rumgeschraubt. Irgendjemand nahm einfach mal den zweiten Köpfhörer und hat mir bei meinen Klangimprovisationen zugehört. Wir waren beide sehr angetan.

In einer deutlich höheren Preisklasse (€3.700,-) spielt der Arturia Polybrute 12. Wie der Moog und der Oberheim nutzt auch der Arturia Analogschaltkreise zur Klangerzeugung. Das Metallgehäuse mit Holzpaneelen ist absolut top verarbeitet. Ein echter Brocken – sowohl was Gewicht (23kg), als auch die Klänge angeht. Auch hier sind Klänge von kristallklar bis ultra-fett möglich. Das Besondere sind hier die ausgefeilten Möglichkeiten, die Klänge während des Spielens zu beeinflussen. Die 5 Oktaven Tastatur hat polyphonen Aftertouch. Zu den üblichen Pitch-Bend und Modulationsrädern kommen ein Sensorfeld auf der Holzleiste über den Tasten und die X/Y/Z Sensorfläche links von den Tasten dazu. Über das Matrixfeld kann man einstellen, welche Spielhilfe welchen Klangparameter steuern soll.
Somit ist ein unheimlich nuanciertes Spiel mit Soundmorphing möglich.

Diese Geräte zeigen eine unglaubliche Spannbreite. Man kann nicht einfach sagen “Je teurer, desto besser”, sondern je nach Vorlieben und Einsatzzweck kann auch das günstigste Gerät das beste sein. Gut klingen tun alle. Ich habe mich im Nachgang gefragt, welches Instrumente ich am liebsten mitgenommen hätte. Bei den Gadgets wäre es der M8 Tracker und bei den Instrumenten der Oberheim TEO-5.
Tatsächlich habe ich aber nichts gekauft, weil ich mit meinem kleinen digitalen “Studio” gerade sehr zufrieden bin. Dennoch war der Besuch der Superbooth mal wieder ein Fest.