tiny little gizmos

Web Engineering Unconference 2023

Vom 22. bis zum 24. September fand die Web Engeneering Unconference in Palma de Mallorca statt. Bereits im letzten Jahr bin ich zu dieser Veranstaltung gereist, hatte damals eine ordentliche Portion Skepsis im Gepäck und wurde sehr positiv überrascht (siehe: „Web Engineering Unconference 2022„). Soviel vorneweg: Auch in diesem Jahr hat sich die Teilnahme für mich gelohnt.

Die Bucht von Palma de Mallorca

Natürlich ist Mallorca stets eine Reise wert aber das Besondere der WEUC liegt nicht nur am Ort, sondern vor allem an der Art der Veranstaltung. Die Teilnehmerzahl ist auf 100 begrenzt. Teilweise kennt man sich schon seit Jahren, es sind aber auch viele neue Gesichter dabei gewesen. Jeder kann ein Thema mitbringen und vorstellen. Daher weiss man im Vorfeld auch nicht, was für Vorträge oder Diskussionsrunden zu erwarten sind. In diesem Jahr hatte ich auch einen Vortrag vorbereitet, den ich erfolgreich gehalten habe – dazu weiter unten mehr.

Gemeinsames „Einschwingen“ am Vorabend in einer Bar in der City

Da der Teilnehmerkreis mittlerweile sehr international ist, galt das Motto „english only, please!“ – und zwar nicht nur für die Vorträge, sondern auch, beim gemeinsamen Essen und Trinken, damit jeder in interessante Gespräche einsteigen kann. Denn davon gab es reichlich.

Socializing

Diese Art Veranstaltung hat immer mehrere Ebenen:
Zunächst natürlich die formelle Ebene des Informationsaustauschs in Vorträgen und Diskussionen während des offiziellen Programms.

Raucherpause zwischen den Vorträgen

Und dann gibt es die informelle Ebene: Gespräche zwischen den Pausen, sowie beim gemeinsamen Essen und Trinken. Das ist dann irgendwas zwischen vertiefenden fachlichen Gesprächen, Kontaktpflege und auch purem Spass. Einige Teilnehmer sind zum Beispiel zwischendurch kurz in den Hotelpool gesprungen, bevor die Veranstaltung weiterging.

Gemeinsames Abendessen zum Ausklang des ersten Tages

Ein gemeinsames Abendessen, um den ersten Veranstaltungstag ausklingen zu lassen, gehört dazu. Und die Frage „Are we going to the Shamrock afterwards?“ ist schon fast ein Running Gag. Diese irische Kneipe mit Livemusik ist nicht weit entfernt und dafür berüchtigt, dass man super bis in die Morgenstunden feiern kann. Da kommt man schnell in die Zwickmühle zwischen Geselligkeit und dem Ruf der Vernunft. Man muss ja am nächsten Morgen einigermaßen fit sein.
Ich bin ja schließlich nicht mehr 20. Oder 30. Oder 40… (oh jeh…)

Irgendwann dann doch – Shamrock Irish Pub

Technische Themen

An zwei Tagen, in drei parallenen Tracks und 11 Timeslots gab es insgesamt 32 Vorträge und Diskussionen. Aus Platzgründen kann ich hier nur einige nennen:

Zu Beginn des ersten Tages: Sammlung der Themenvorschläge

Alexander M. Turek zeigte in seinem Vortrag „How much database abstraction do i need?“ die verschiedenen Ebenen von Datenbankabstraktion und wofür sie am besten einsetzbar sind, am Beispiel von Doctrine.

Ludovic Toison (NFQ Asia) sprach in „From DevOutch to DevOps“ darüber, wie man durch vereinfachtes GIT-Branching in Verbindung mit Feature Toggles von relativ langsamen Release Zyklen zu Continuous Deployment kommt.

Dennis Heidtmann (ScaleCommerce) präsentierte in „Smoxy – a new shortcut for better TTFB“ einen neuen Smart Proxy, der Load-Balancer, Page-Cache und Imageserver mit einer einfachen, übersichtlichen Nutzeroberfläche verbindet. Somit kann man einen Shop oder eine Symfony basierte Webapplikation sehr einfach erheblich beschleunigen – auch ohne Admin.

Es gab noch viele weitere interessante Themen (Sicherheit in Kubernetes Clustern, Data-Pipelines, was man aus Core-Dump aus gecrashten PHP Prozessen lernen kann etc.), die ich hier gar nicht ausführlich behandeln kann.

Das Top-Thema war natürlich Künstliche Intelligenz. Dazu gab es unter anderem eine Präsentation von Bertrand Lee (BrightRaven.ai) und mehrere Diskussionsrunden im Rahmen der Veranstaltung und in den informellen Treffen am Rande.

Im letzten Jahr gab es noch eine Vorführung der Bild-KIs Dall-E und Midjourney für die staunenden Teilnehmer. In diesem Jahr hatten die meisten bereits selbst mit KI herumprobiert. Die Frage war nicht mehr, ob die Technik genutzt werden wird, sondern nur noch darum wann und wofür sie bereits einsatzfähig ist. Relative Einigkeit herrschte in der Ansicht, dass wir Entwickler schon bald sehr viel anders arbeiten werden. Und der Zeithorizont ist sicher nicht 10 Jahre und vermutlich auch nicht mal 5, sondern eher noch kürzer.

Damit gehen interessante Fragen einher: Der Umgang mit „geistigem Eigentum“ (das schreibe ich bewusst in Anführungszeichen, weil ich das Konzept schon immer für dumm gehalten habe), natürlich die soziale Frage, denn frei nach Karl-Marx hat derjenige die Macht, der über die Produktionsmittel verfügt. Und während der Entwickler bisher der Produzent (von Code) ist, wird er im neuen Modell nur noch Nutzer von Wissen sein, das andere bereitstellen. Er wird also vom Produzenten zum Kunden degradiert. Weil das bereits viele verstanden haben, ist in der KI momentan enorm viel Bewegung im Open-Source Bereich, weil die Entwickler ihren Vorteil nicht einfach kampflos den Konzernen übergeben wollen.

Nicht-technische Themen

Für eine Entwicklerkonferenz gab es auch in diesem Jahr wieder viele nicht technische Beiträge.

Maria Adler (Yet another Agency) gab Anregungen, wie man besser und zufriedenstellender mit der weit verbreiteten Ticketsoftware Jira arbeiten kann.

Tobias Schlitt (commercetools) gab Beispiele, wie man Zusammenarbeit und Teamgeist fördern kann, wenn es keine Büro mehr gibt und nur noch remote gearbeitet wird. Denn das tun im e-commerce Bereich mittlerweile ziemlich viele Firmen.

Claudia Bender sprach über „Social Engineering, Cyber Security and Cyber Thread Intelligence“. Das Thema hat mich brennend interessiert, lag aber leider parallel zu einem anderen sehr interessantem Track.

Bei der Vorstellung der Themenvorschläge am ersten Tag sagten nämlich zwei Teilnehmer (die ich hier öffentlich nicht explizit nenne), dass sie gerne über Mental-Health-Probleme sprechen würden, falls das jemanden interessiert. Und darauf hoben sich fast von allen Teilnehmern die Hände. Am Ende wurden es sogar zwei Diskussionsrunden an Tag eins und zwei. Mein Eindruck ist, dass unter ITlern Probleme mit Depressionen und ähnlichem noch deutlich häufiger vorkommen als im Bevölkerungsdurchschnitt. Wir sind aber wohl jetzt an einem Punkt, an dem die Menschen zu verstehen beginnen, dass es sich um ernsthafte Krankheiten handelt, die man nicht einfach langfristig verstecken oder ignorieren kann.

Mein Vortrag

Wie eingangs erwähnt, hatte ich In diesem Jahr auch einen Vortrag vorbereitet. Zu Jahresbeginn fragte ich meinen Arbeitgeber, ob ich etwas zu unseren Erfahrungen der letzten Jahre erzählen darf/soll. Ich bekam grünes Licht und keine Vorgaben.

Herausgekommen ist ein Vortrag mit dem Titel „How to modernise a 12 years old web application – and the whole company“. Im Kern ging es darum, dass man ein für die Firma essentielles Softwareprodukt nicht modernisieren kann, ohne die Organisation drumherum und die Arbeitsweisen neu zu strukturieren.

Zu Beginn ist mir ein peinlicher technischer Fehler passiert, der für 5min Verspätung gesorgt hat und zudem habe ich noch nie einen öffentlichen Vortrag in englisch gehalten. Daher war ich ziemlich nervös. Mir wurde aber hinterher versichert, dass davon nichts zu spüren war und ich souverän rüberkam. Ich möchte mich hier nochmal ganz herzlich bei Alexander M. Turek für seine spontane technische Hilfe danken.

Endlich eine Stunde am Strand – nach dem Ende der Veranstaltung

Nach meinem Vortrag und dem Ende der Unconference hat die Zeit noch gereicht, um mit Freunden eine gute Stunde das Strandleben zu genießen, bevor wir später in einem hervorragenden Tapas-Restaurant in der Altstadt ein gemeinsames Abendessen zum Abschied genossen.

Abschiedsessen im La Taperia

An alle, die ich hier nicht explizit erwähnt habe:
Ich habe jedes einzene Gespräch genossen und mich während der ganzen vier Tage keine Minute gelangweilt. Es gab unheimlich viele, gute Anregungen. Und selbst wenn ich Themen bereits kannte, konnte ich mich doch bestätigt fühlen, dass wir diese Dinge bei uns in der Firma bereits erfolgreich einsetzen.

Web Engineering Unconference 2022

Vom 9.-11. September fand in Palma de Mallorca die Web Engineering Unconference statt. Das ist ein Treffen auf dem sich 100 Menschen, die im Bereich Webentwicklung tätig sind, zu diversen Themen austauschen.

Parc de la mar, Palma de Mallorca in der Abendsonne

Das klingt etwas vage, was daran liegt, dass es sich um eine Unkonferenz handelt. Bei solch einer Veranstaltung gibt es zu Beginn keine feststehenden Vorträge und es ist noch nicht einmal klar, wer überhaupt etwas erzählen oder vorführen wird. Die Idee ist, dass jeder Teilnehmer auch Vortragender sein kann. Jeder kann Themen vorschlagen, über die sie/er/es reden oder etwas erfahren möchte. In einer gemeinsamen Abstimmung wird dann festgelegt, welche Themen genommen werden.

Wie der Veranstalter zu den Teilnehmern zu Beginn sagte: „We provide the rooms, the internet and food. You provide the content“.

Web engineering unconference – Veranstaltungsplakat

Der harte Kern der Teilnehmer und Sponsoren stammt aus der deutschen PHP E-Commerce Szene. Im Gegensatz z.B. zum E-Commerce Camp Jena ist die Web Engineering Unconference jedoch internationaler. Es waren Teilnehmer aus ganz Europa anwesend – darunter auch einige aus Mallorca ;-) und eine Gruppe kam sogar aus Vietnam. Die Konferenzsprache war daher Englisch.

Socializing

Bei solch einer Veranstaltung ist das gegenseitige Kennenlernen und die Kontaktpflege natürlich ebenfalls sehr wichtig, zumal sich aus diesen Gesprächen auch Themen für Vorträge entwickeln können. Fast alle waren bereits am Vortag angekommen, weil am Freitag Abend das erste Zusammentreffen in lockerer Umgebung stattfand: Einer Cocktail Bar am Rande der Altstadt von Palma.

Kurz vor dem Ansturm – Ginbo Cocktail Bar in Palma

Trotz des gemeinsamen „Vorglühens“ startete die Veranstaltung am Samstag Morgen pünktlich um 9:00. Die Vorträge und Workshops begannen nach der Themenfindung um 12:15, wobei es stets drei parallele Tracks gab.

Der Beginn der Unkonferenz – Die Sammlung der Themen

Themen

Herkömmliche Konferenzen sind häufig verkappte Verkaufsveranstaltungen, auf denen die Sponsoren in Vorträgen für ihre Produkte werben. Hier war es anders, weil Techniker unter sich waren, um über interessante Herausforderungen zu reden.

Von denen sind viele gar nicht mal technischer Natur. Es ging zum Beispiel über kulturelle Stolperfallen in internationalen Teams und Herausforderungen, wenn man selbst in anderen Ländern arbeitet. Zu dem Thema konnten die Mitarbeiter von NFQ Asia aus Vietnam einiges erzählen. Methoden zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Arbeit in Zeiten von Homeoffice waren ebenfalls gefragt.

Moderation und Abstimmung zu den eingereichten Themen

Aber technische Themen kamen natürlich auch vor. Ich habe mir angesehen, wie sich das Headless CMS Storyblok in Shops und andere Websites oder Apps einbinden lässt.

Dass ein Vortrag zum Thema Zeit- und Datumsberechnungen mit viel Interesse aufgenommen wurde, können Nicht-Programmierer eventuell nicht ganz nachvollziehen. Jeder, der schon einmal damit zu tun hatte, weiß aber, dass es ein Thema mit kilometertiefen Abgründen ist. Stichworte wie Zeitzonen, Sommer-/Winterzeit, Schaltjahre, Julianischer und Gregorianischer Kalender können zu vorzeitig ergrauten Haaren beitragen.

Die Mitarbeiter von Shopware leiteten eine für mich sehr spannende Diskussion darüber, wie man komplexe Software automatisiert testet. Welche Arbeitstechniken und Tools sichern die Qualität bei vertretbarem Aufwand?

Mehrere Slots hatten die Grundlagen, wie Webhosting und Sicherheit in Containerarchitekturen zum Thema. Sie wurden u.a. von Mitarbeitern von Suse und Scale gehalten.

Mehrere Vorträge befassten sich im weiteren Sinne mit Künstlicher Intelligenz und Machine Learning. Es gab eine Live Vorführung der beiden viel besprochenen KI Bildgeneratoren Dall-E und Midjourney, die aus kurzen Textbeschreibungen Bilder generieren. Die Ergebnisse reichen von absurd über praktisch bis zu verblüffend. Schnell kam die Frage nach Einsatzszenarien, Zukunft von Grafikern und Anbietern von Stockfotos auf, aber auch inwieweit sich diese Technik mit dem Konzept des Urheberrechts verträgt.

Zwei Mitarbeiter von Scale führten den Stand ihrer Forschung vor, wie sie Machine Learning einsetzen wollen, um im Hosting möglichst in Echtzeit Schwachstellen (Sicherheitslücken, Angriffsszenarien, Performanceprobleme etc.) entdecken zu können.

Zwischendurch war für das leibliche Wohl gesorgt. Sowohl die Mittagessen am den beiden Konferentagen, als auch das Abendessen am Samstag fand im Restaurant des Konferenz Hotels INNSIDE Palma Bosque statt.

Innenhof des Hotels am Abend
Gemeinsames Abendessen als geschlossene Veranstaltung

Ein technisches und optische Highlight war die Vorführung des fotorealistischen 3D Konfigurators für Audi. Ursprünglich wurde die Technik entwickelt, um in den Showrooms per VR Brille jede mögliche Fahrzeugkonfiguration in 3D vorführen zu können. Dies wurde so weiter entwickelt, dass diese Echtzeitrenderings auch in jedem Webbrowser angesehen werden können. Grob zusammengefasst nimmt der Browser die Steuerbefehle entgegen, schickt sie per WebRTC an eine Renderengine in der Cloud, die das Ergebnis in Echtzeit berechnet und per Videostreaming an den Browser zurücksendet.

Die Wirkung ist verblüfend. Die Fahrzeuge lassen sich in jedem beliebigen Blickwinkel von außen und innen ansehen. Man kann jederzeit die Farbe, Räder und sonstige Ausstattung ändern, Türen und Kofferraum öffnen und schließen und sich das ganze in verschiedene Tag- und Nachtszenarien anzeigen lassen. Die Animationen sind butterweich, die Bildqualität extrem hochwertig, inklusive der Reflexionen der Umgebung.

Wie ich bereits schrieb, finden interessante Gespräche häufig abseits der Konferenzräume statt. So hatte ich mit einem Mitarbeiter von Innogames ein interessantes Gespräch über Personalführung und Karrierewege. Andere Gespräche hatten auch politische Dimensionen, wie Datenschutz, Mobilitätsverhalten und Umweltschutz auf individueller und struktureller Ebene. Und so schaffe ich die Überleitung zum Elefanten im Raum:

Denkt denn keiner an die Umwelt?

Wobei – die Umweltfrage ist eigentlich kein Elefant im Raum mehr, weil sie eben doch angesprochen wird.

Diese Web Engineering Unconference findet bereits seit einigen Jahren statt und natürlich wird die Frage diskutiert, ob es man überhaupt noch eine Veranstaltung abhalten sollte, bei der die meisten Teilnehmer mit dem Flugzeug anreisen.

In der Diskussion stand eine Verlegung an einen Ort, der zentraler liegt und per Bahn erreicht werden kann. Aufgrund der internationalen Teilnehmer ist es aber so, dass es diesen zentralen Ort nicht gibt und in beinahe
jedem Fall mindestens ein Drittel per Flugzeug kommen würde.

Diese etwas unbefriedigende Situation hat man damit etwas abgemildert, indem pro Teilnehmer Umweltzertifikate für die Flugkompensation bezahlt wurden. Manche kommen auch mit Partnern/Famile und kombinieren das mit einem Urlaub, den sie ohnehin gemacht hätten. Viele haben ihre alltägliche Zwangsmobilität durch Homeoffice auch so heruntergefahren, dass sie nur noch wenige, aber dafür inhaltlich effektivere Treffen zum persönlichen Austausch, wie diese Veranstaltung besuchen.

Immerhin gibt es das Problembewusstsein und viele versuchen damit konstruktiv umzugehen. Das war auch an der sehr anregenden Diskussion zu merken, deren Ausgangspunkt war, wie wir Entwickler dazu beitragen können, dass unsere Software weniger Strom verbraucht. Zu Beginn wurde die Frage gestellt, welche der Frameworks und Libraries, die wir verwenden, den wenigsten Rechenaufwand erfordern. Aber schnell wurde klar, dass das nur ein kleiner Teil des Problems ist.

Sicherlich ist die Frage, weshalb ein einfacher E-Mail Client heutzutage eigentlich hundert mal soviel Speicher verbraucht, wie ein komplettes Betriebssystem vor 25 Jahren richtig und wichtig. Andererseits sind die hier erreichbaren Reduzierungen wenig wert, solange Geschäftsmodelle wie Streaming und KI zu explodierenden Datenmengen sorgen. Das oben erwähnte technisch sehr beeindruckende 3D Konfigurator von Audi ist zumindest in dieser Hinsicht sicherlich ein sehr schlechtes Beispiel.

Fazit

Ich war mir trotz Neugier zu Beginn nicht sicher, ob es eine gute Idee ist, an dieser Konferenz teilzunehmen. Ich arbeite ja bereits seit einiger Zeit nicht mehr im Bereich E-Commerce und befürchtete, dass mich die Themen nicht ansprechen würden. Die Teilnahme habe ich aus eigener Tasche bezahlt und für nur vier Tage zu fliegen, möchte ich eigentlich mittlerweile auch vermeiden.

Nach der Veranstaltung, den Tag noch in kleinem Rahmen gemütlich ausklingen lassen.

Zum Schluss war ich aber doch froh, teilgenommen zu haben. Die Bandbreite der Themen war groß, die Anregungen, die ich mitgenommen habe, waren vielfältig und die Gespräche, die ich hatte waren angenehm und interessant. Zudem habe ich liebe und interessante Menschen wiedergesehen. Ich bin mir sicher beim nächsten Mal wieder dabei zu sein und dann auch ein interessantes Thema vorzubereiten.

Stellungnahme zur geplanten Paketabgabe für Innenstädte der CDU Bundestagsfraktion

Mich hat zwar unverständlicherweise mal wieder keiner gefragt, aber ich gebe trotzdem als Betroffener und Sachverständiger (s.u.) eine Stellungnahme zu dem CDU Vorschlag ab.

Die Unionsfraktion im Bundestag hatte vorgeschlagen, eine Steuer auf Pakete „zur Unterstützung der notleidenden Innenstädte“ zu erheben. Das Ganze wird dann als gerecht verkauft, „damit Amazon auch seinen Beitrag leistet“. Netter PR Trick!

Amazon endlich richtig zu besteuern wäre traumhaft und längst überfällig. Leider geht es darum hierbei genau nicht.

Hier sollen Immobilieninvestoren ohne Gegenleistung mit Geld der Allgemeinheit gefüttert werden.

Zunächst einmal gibt es keine „leidenden Innenstädte“ sondern einfach eine geänderte Realität. Die Menschen fahren weniger häufig in die Innenstadt um dort einzukaufen. Das sorgt für weniger Umsatz in den Geschäften, in der Folge Leerstand und nicht erfüllte Renditeerwartungen. Andererseits führt das zu Verkehrsentlastung.

Das klingt doch gar nicht mehr so dramatisch – außer natürlich für die Immobilienbesitzer.

Tatsächlich wäre eine solche Abgabe auf so vielen Ebenen falsch, dass man ganze Bücher damit füllen könnte.
Ich wage mal eine Prognose für den Fall, dass dieser Mist durchkommt:

  • Alle zahlen in europäischen Onlineshops mehr.
  • Amazon wird weiterhin über fragwürdige Firmenkonstrukte legal kaum Steuern bezahlen.
  • Im Endeffekt wird Amazon dadurch gegenüber der hiesigen Konkurrenz weiter gestärkt.
  • Es kaufen trotzdem immer weniger Menschen in der Innenstadt ein, weil sich dieses Geschäftsmodell einfach überholt hat.
  • Besitzer von Immobilen in zentralen Lagen werden für den Leerstand teilweise entschädigt und haben so überhaupt keinen Grund mehr, Mieten nach unten anzupassen oder über neue Nutzungen nachzudenken.
  • Der überfällige Umbau der Innenstädte wird daher um Jahre behindert.

Nein, ich denke, dass dieser Vorstoß eine totale Katastrophe ist. Wieder einmal hat die CDU gezeigt, dass sie den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel überhaupt nicht versteht und auch nichts gestalten will, außer den üblichen Verdächtigen die Fleischtöpfe zu sichern. Da dürfte der eine oder andere Interessenkonflikt eine Rolle spielen, vermute ich.

Gegenvorschlag

  • Keine neu Zusatzsteuer. Die werden nämlich wir alle bezahlen.
  • Stattdessen Schließung von Steuerschlupflöchern für internationale Konzerne. Kostet gar nichts, bringt Geld und verbessert die Wettbewerbsgleichheit der hiesigen Firmen.
  • Steuerliche Absetzbarkeit von Immobilienleerstand abschaffen. Das erhöht den Druck, überhöhte Renditevorstellungen zu korrigieren, neue Nutzungsformen zu ermöglichen und somit den überfälligen Umbau der Städte endlich in Gang zu bringen.
  • Den Immobilienmarkt für Auslandsinvestoren schließen. Massive Auslandsinvestitionen waren neben der EZB Politik ein Hauptgrund für die Preisexplosion auf dem Immobilienmarkt.

Klingt wie ein linkes Pamphlet? Macht nichts. Dafür bin ich auf anderen Gebieten stockkonservativ.

Betroffener und Sachverständiger?

In der Einleitung habe ich mich als „Betroffener und Sachverständiger“ beschrieben. Das wollte ich im Nachgang noch kurz erläutern:

Betroffen bin ich (wie Ihr alle auch) als Konsument und Steuerzahler, dem mal wieder in die Tasche gegriffen werden soll.

Ich bin weiterhin als Bürger einer Stadt betroffen, die sich in den nächsten Jahren (mal wieder) massiv ändern wird. Ich habe starkes Interesse daran, dass das ausnahmsweise mal zu meinen Gunsten passiert, was in der Vergangenheit regelmäßig nicht der Fall war.

Sachverständig bin ich, weil ich durch mein Studium der Stadt- und Regionalplanung ein gewissen Grundverständnis in der Analyse der Zusammenhänge von wirtschaftlichen, sozialen, verkehrs- und standortpolitischen Fragen habe. Und zudem war ich als „Mitglied der großen IT-Familie“ mit mittlerweile über zwei Jahrzehnten Berufserfahrung in Bereich Onlinebanken, Onlineshopping und Onlinecommunities gleichzeitig Treiber der großen Umbrüche, die wir jetzt erfahren.

Homeoffice endlich entmystifiziert

Was in den letzten Jahren (oder Jahrzehnten?) von vielen Angestellten dringend gewünscht aber von den meisten Firmen ignoriert oder sogar blockiert wurde, ging plötzlich ganz schnell, als Corona akut wurde: Homeoffice.

Immer mehr Büroangestellte wünschten sich die Möglichkeit zu Homeoffice. Aber selbst Firmen, in denen das eigentlich recht einfach umsetzbar gewesen wäre, sperrten sich häufig dagegen. Die Gründe zur ausgeprägten Präsenzkultur sind vor allem unflexible Organisation und Misstrauen gegenüber den Angestellten.

Das hat auf beiden Seiten zu einer gewissen Mystifizierung geführt:
Viele Firmen sahen in Homeoffice eher eine dunkle Bedrohung.
Vielen Angestellten erschien darin eine Verheißung zu höherer Lebensqualität.

Beide Extreme haben bei mir nur Stirnrunzeln hervorgerufen, weil ich bereits seit 2006 Erfahrung mit Homeoffice habe. Diese Erfahrungen haben jetzt in Deutschland hunderttausende Angestellte und deren Firmen im Expresstempo nachgeholt. Gut so, dann das entmystifiziert das Thema endlich.

Stufe 1 der Entmystifizierung: Homeoffice ist bedrohlich / befreiend

Alle Beteiligten haben viel gelernt. Die Firmen haben gelernt:

  • Homeoffice ist möglich und schnell einsetzbar.
  • Die Organisation kann (und muss) durch Homeoffice effizienter werden.
  • Videokonferenzen sind besser als Telefonkonferenzen und können Präsenzmeetings häufig ersetzen.
  • Angestellten erledigen die Arbeit auch dann, wenn nicht alle 10min der Chef zur Tür reinkommt.
  • Zur Zeit wird sehr viel Miete für ungenutzte Bürofläche gezahlt, obwohl die Arbeit weiterhin erledigt wird.

Die Angestellten haben gelernt:

  • Für Homeoffice braucht man verlässliches Internet und einen geeigneten Arbeitsplatz. Der Laptop auf dem Küchentisch genügt nicht.
  • Homeoffice und gleichzeitig Kinder betreuen, ist sehr anstrengend.
  • Mal einige Tage zu Hause zu sein ist nett. Immer zu Hause zu arbeiten nervt aber.
  • Auf die Dauer fehlen einem die Sozialkontakte zu den Kollegen (jedenfalls, wenn man ein nettes Team hat)

Stufe 2 der Entmystifizierung: Homeoffice ist gut für die Umwelt – oder?

Zeit für Stufe 2 der Entmystifizierung: Viele Befürworter propagieren, dass durch Homeoffice unnötige Pendelei entfällt und es deshalb aus Umweltschutzgründen positiv ist.

Das stimmt natürlich zunächst – zumindest in einer Phase, in der Homeoffice noch etwas neu und ungewohnt für die Angestellten ist. Ob das langfristig auch noch zutrifft, ist aber nicht so klar.
Ich möchte meine Skepsis begründen. Zunächst der Blick zurück.

Unter Stadtplanern gab es bereits Ende der 80er / Anfang der 90er Jahre – also lange bevor das Internet für die Allgemeinheit zugänglich war – eine Diskussion darüber, wie der damals noch neue Einsatz von Computern und deren beginnende Vernetzung die Ansprüche an Raumnutzung, Verkehr und Energie verändern würde. Dabei wurden die heute sichtbaren Hauptfelder bereits richtig erkannt:

  • Onlinebanking ersetzt Bankfilialen
  • E-Commerce ersetzt Läden
  • Stark verändertes Kommunikationsverhalten durch neue Dienste wie Email und Videokonferenzen
  • Akten, Schriftverkehr und Transaktionen werden elektronisch verarbeitet und gespeichert. Ohne Papier sind sie nicht mehr ortsgebunden
  • Dadurch auch immer mehr Telearbeit

Aus damaliger Sicht erschien es logisch, dass die bevorstehende Welle der Entmaterialisierung die räumlichen Strukturen auflösen würde. Die überfüllten und teuren Innenstädte werden überflüssig und die Menschen ziehen sich in kleinere, überschaubare und naturnahe Orte zurück, zahlen weniger für das Wohnen. Städte werden aufgrund der abnehmenden Attraktivität und Funktion tendenziell leerer und gibt weniger Grund für Verkehr.

Die Menschen und der Rebound-Effekt

30 Jahre später wissen wir, dass genau das Gegenteil geschehen ist. Der Run auf die Metropolen hat erst recht eingesetzt. Die Zentralisierung und Verdichtung hat ständig zugenommen. Weite Landstriche haben so viel Abwanderung, dass dort die Grundversorgung nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. Der Verkehr ist explodiert.

Die damals vollkommen logisch erscheinenden Prognosen erwiesen sich also als völlig falsch. Daher meine Skepsis.

Meine Prognose

Nun, da die Angst bei vielen Firmen vor dieser „neuen“ (Neu wie Neuland) Arbeitsweise schwindet und die Einsparpotentiale sichtbar werden, wird die Telearbeit vermutlich stark zunehmen – evtl. auch gegen den Willen der Mitarbeiter.

In meinem Bekanntenkreis habe ich nun folgende Erfahrung gemacht: Diejenigen, die bereits seit längerem ständig remote arbeiten, haben erkannt, dass das nicht unbedingt zu Hause in Berlin oder Bielefeld sein muss. Wenn man schon woanders sein kann, warum dann nicht auf Gran Canaria, am Schwarzen Meer oder in Thailand?

Das klingt zwar verlockend, führt aber zu einem CO2 intensiven Reiseverhalten. Und das gilt nicht nur für Solo Freelancer.

Ich habe 2010 das erste Mal eine Firma besucht, die in ihrem Office in San Francisco fast keine Angestellten mehr hatte: Automattic – die Firma hinter WordPress. Die Mitarbeiter, Entwickler, Grafiker und sonstige Angestellen lebten rund um den Globus verstreut. Matt Mullenweg erklärte, dass er die besten Leute bekommen will und die möchten nun mal nicht alle im Silicon Valley leben. Um den Mitarbeitern dennoch ein Gemeinschaftsgefühl zu ermöglichen, gibt es regelmäßig Events in allen Erdteilen, auf denen sie sich treffen.

Zwar sparen sich die Mitarbeiter so den normalen Arbeitsweg, benötigen zunächst weniger Energie und erzeugen weniger Emissionen. Durch die Teilnahme an den Events werden diese Effekte jedoch überkompensiert.

Ein langfristig positiver Umwelteffekt tritt also möglicherweise auch nicht auf.

eCommerce Camp Jena 2018

Am 23. und 24. März fand in Jena das mittlerweile sechste eCommerce Camp statt. Auch bei meinem dritten Besuch, verlief die Veranstaltung im gewohnten Rahmen: Am Vorabend trafen sich viele der Teilnehmer nach der Anreise zum Plausch bei Bier und deftigem Thüringischen Essen in der Gaststätte zur Nöll in der Altstadt. Die eigentliche Veranstaltung fand am Freitag und Samstag Vormittag in der Ernst-Abbe Hochschule in Form einer Unconferenz statt.

Jena - Zeiss neben der Ernst Abbe Hochschule

Jena – Zeiss neben der Ernst Abbe Hochschule

Nach einem gemeinsamen Frühstück bildete sich die Schlange mit den Teilnehmern, die einen Vortrag oder einen Workshop vorbereitet hatten. Einer nach dem anderen trat auf die Bühne und stellte dem Saal sein Thema vor.

Die Einreichungen wurden thematisch sortiert und auf die Slots verteilt. Am Ende stand ein voller und interessanter Vortragsplan.

Unconference Programm

Unconference Programm

„Da muss der alte Mann jetzt mal selbst ran“

Im Vorjahr hatte mich der Mitveranstalter gefragt, ob ich nicht auch mal ein Thema vorbereiten möchte. In diesem Jahr nahm ich die Arbeit auf mich und habe einen Vortrag vorbereitet. Er ist betitelt „No KISS – we’re doing it wrong“ und handelt von Trends in der Softwareentwicklung, die ich für problematisch oder gar falsch halte.

Die Kernthese lautet, dass sich viele Trends etablieren, die Software sehr aufblähen, langsam und angreifbar machen und entgegen der Intention auch nicht für bessere Wartbarkeit und Wiederverwendbarkeit sorgen. Als Beispiele nannte ich u.a. fette Frameworks, unbedachter Einsatz von Libraries, Annotations, ORM, Metasprachen und zu viele Basistechnologien im Setup.

Da ich noch nie bei solch einer Veranstaltung vorne stand, war ich auch etwas nervös. Werde ich einen Hänger haben? Interessiert das Thema überhaupt jemanden? Da mein Vortrag etwas gegen den Entwickler-Mainstream gebürstet war war ich auch gespannt, ob meine Thesen in der Luft zerrissen würden. Zudem hatte ich kaum Zeit, mich seelisch vorzubereiten, weil ich gleich in den ersten Slot nach der Einführungsveranstaltung dran war.

Es stellte sich heraus, das meine Bedenken unbegründet waren. Mein Vortrag war flüssig, es waren ca. 20 Zuhörer im Raum, was für diese Veranstaltung gar nicht mal so wenig ist. Zum Ende des Vortrags kam es nochzu einer kurzen Diskussion über den einen oder anderen Punkt, aber alles in allem erntete ich viel Zuspruch, wie sich auch noch in einigen Gesprächen im Tagesverlauf zeigte.

Ein Teilnehmer meinte, dass er ähnliches in letzter Zeit häufiger gehört habe und die Kritik meist von älteren Entwicklern kämen und ob das Zufall sei. Meiner Meinung nach ist das kein Zufall, sondern es hängt damit zusammen, dass wir älteren Entwickler früher an Maschinen entwickelt habe, die sehr beschränke Ressourcen hatten. Der Rechner war immer zu langsam, hatte stets zu wenig Speicher und die Übertragungsgeschwindigkeit war immer langsam. Daher sind wir es gewohnt, auf Ressourcenverbrauch zu achten. Heutzutage spürt man zunächst keine Ressourcenknappheit. Daher ist es sehr einfach, eine Anwendung aus vorgefertigten Elementen „schnell zusammenzustöpseln“. Dass man ein Problem hat, merkt man erst, wenn unerwartet viel Traffic auf den Server einprasselt, aber dann liegt das Kind bereits im Brunnen.

Gutes Programm, spannende Gespräche

Das gute daran, den ersten Slot zu bekommen ist, dass man sich danach entspannt auf die Vorträge der anderen konzentrieren kann. Für mich aktuell einer der wertvollsten Vorträge war „MySQL Profiling“, den Andreas Ziethen von Scale hielt. Sein Vortrag setzte genau dort an, wo mein Wissen aufhörte. Nach einer Einführung in das Tool zur Auswertung von Datenbank Logfiles wurden einige Auswertungen von echten, aktuellen Problemfällen zusammen mit den Hörern vorgenommen – sozusagen Gruppendebugging.

Kontrovers diskutiert wurden die Vorschläge für eine neue Shoparchitektur, die Marcus Franke und Richard Burkhardt in der Session „E-Commerce Performance neu gedacht! Proof of Concept: Schnelle Webshops ohne Caching“. Der Wunsch, das Caching aus den Shops zu entfernen ist groß und Vorschläge dazu sehr willkommen, wie sich an recht vielen Hörern im Saal zeigte. Der präsentierte Prototyp, der eine Kategorieseite aus einem Datensatz von einer halben Million Artikeln in 0.4 Sekunden zeigte, basierte auf dem Konzept eines Application Servers, wie man ihn aus der Java Welt kennt. Aus dem Publikum kamen jedoch recht gewichtige Gegenargumente: Zweifel, ob PHP für lang laufende Prozesse stabil genug ist, hoher Ressourcenverbrauch und Fragen wie die Objektdaten  im Speicher aktuell gehalten werden. Nach meiner Ansicht das stichhaltigste Argument war, dass der Showcase deshalb so schnell sei, weil alles, was einen echten Shop ausbremst (Framework, ungenutzte Features, Konfigurationsmöglichkeiten,…) nicht implementiert ist. Wenn man dasselbe mit plain PHP baut, kommt man vermutlich auf ähnlich schnelle Zeiten.
Zwar ist es nicht schön, wenn einem die eigene Arbeit so zerpflückt wird, aber die Argumente waren plausibel und der Ton kollegial. Ich finde es auf jeden Fall sehr gut, dass die beiden sich nicht nur Gedanken gemacht haben, sondern auch noch viel Zeit in einen Showcase investiert und das Ergebnis zur Debatte gestellt haben.

 

Ein Herz für Nerds

Ein Herz für Nerds

Das abendliche Unterhaltungsprogramm im Paradies Cafe habe ich in diesem Jahr nicht so ausgekostet, wie 2017. Ich war nicht so richtig in Feierlaune und mir schienen auch die anderen Konferenzteilnehmer in diesem Jahre etwas zurückhaltender. Das war aber nicht unbedingt von Nachteil, weil es der Konzentration am Samstag Vormittag zu Gute kam.

Simon Pearce von SysEleven zeigte, wie man mit Hilfe von Kubernetes und einigen einfachen Konfigurationsdateien in wenigen Minuten ein MySQL Datenbankcluster mit einem Master und drei Slave Nodes bauen kann. Bereits am Vortag hatte er demonstriert, wie ein Setup aus NGINX Webservers so aufgesetzt werden kann, dass bei Bedarf automatisch weitere Serverinstanzen gestartet und bei abnehmender Last wieder gestoppt werden können.

Kurz vor bevor ich zurück nach Berlin fahren wollte, bekam ich in einem sehr interessanten Gespräch nebenbei eine Vorführung eines begeisterten Shopbetreibers in Echtzeitprofiling seines Shops mit Tideways und eine Diskussion über den Umgang mit der Datenschutzgrundverordnung. Zu meiner Verblüffung erfuhr ich von einem mir bekannten Shop, der mittlerweile völlig auf die Speicherung von personenbezogenen Daten verzichtet. Das Shopsystem selber ist „clean“, so wie ich es von Bankenanwendungen kenne. Ich bin gespannt, ob sich so etwas rumspricht und durchsetzt.

Fazit

Dieses spontane Gespräch am Rand zeigt auf, was diese Veranstaltung in meinen Augen so wertvoll macht: Der spontane, offene und ehrliche Austausch über Probleme und Lösungen. Ich hoffe sehr, dass diese Veranstaltung auch in den nächsten Jahren fortgeführt wird.

 

 

eCommerce ist Scheisse

Ich verdiene mein Geld seit 20 Jahren im Bereich eCommerce. Hauptsächlich dadurch, dass ich Onlineshops entwickele. Und jetzt kommt der Witz:

Ich kaufe selber fast nie online ein. Ich hasse es.

Dafür gibt es Gründe:

Einerseits die unfassbare Datenschnüffelei durch das Onlinemarketing und die totale Nachverfolgbarkeit meiner Interessen und Geldflüsse. Gut – damit oute ich mich als Dinosaurier aus dem letzten Jahrhundert, der noch an das Konzept von Privatsphäre glaubt. Ich verwirrter alter Mann. Aber lassen wir den Punkt einfach mal außen vor.

Das wirklich Killerkriterium gegen Onlineshopping ist für mich, dass es zu umständlich, nervenaufreibend und zeitfressend ist.

Nanu?

Soll nicht gerade der Vorteil von Onlineshopping sein, dass es so fürchterlich spontan, praktisch und zeitsparend ist?

Was die Shops selbst betrifft, stimmt das mittlerweile auch. Es haben sich bestimmte Standards durchgesetzt und die Benutzbarkeit ist in der Regel recht gut.

Das Problem ist die Logistik. Ich kann mir nichts nach Hause bestellen, weil ich in der Regel nicht zu Hause bin, wenn der Paketdienst kommt. Das bedeutet, dass ich mir Dinge ins Büro liefern lassen muss, was in den meisten Firmen aus gutem Grund nicht gerne gesehen wird.

Oder ich muss mir die Lieferung aus den verwegensten Teilen der Stadt zusammensuchen, weil irgendwo ein obskures Geschäft so freundlich war, die Lieferung anzunehmen. Leider haben diese Geschäfte meist recht eigenwillige Öffnungszeiten. Jetzt habe ich dasselbe Problem: Dieser Laden hat vermutlich nur dann geöffnet, wenn ich im Büro sitze.

Wenn ich Mittags ausnahmsweise mal in die DHL Filliale im nächsten Shopping Center gehe, steht da schon eine 50m lange Schlange von Frauen, die ihre Zalando Retouren abgeben wollen.

Im Moment kommt für mich der Online-Einkauf nur in folgenden Fällen in Frage:

  • Digitale Einkäufe. Auswählen, bezahlen, runterladen, fertig.
  • Flugtickets direkt bei der Airline
  • Spezialprodukte, die in der eigenen Gegend nicht zu haben sind.

Ein komplettes No-Go hingegen in folgenden Fällen:

  • Kleidung, Schuhe und andere Dinge, die ich mit hoher Wahrscheinlichkeit noch mal umtauschen muss.
  • Waren des täglichen Bedarf, die ich überall auf dem Heimweg bekomme – insbesondere Essen.
  • Komplette Reisen. Unfassbar schlechte Websites, totales Chaos bei Sortiment und Preisen.

Bevor ich es vergesse – bei den Reiseportalen kommt noch der Nagativpunkt „heftige Verarsche“ hinzu. Beispiele:

  • Ich sehe das selbe Hotel bei drei verschiedenen Anbietern für drei verschiedene Preise. Dann kehre ich zum ersten Anbieter zurück und der Preis ist um 100,- gestiegen – in zwei Minuten. Wie bitte?
  • Ich möchte mit einer Freundin verreisen. Sie surft bei sich zuhause auf ihrem Mac durch die Angebote, ich bei mir zu Hause auch und wir chatten derweil. Sie findet ein gutes Angebot, und schickt mir den Link und ich bekomme einen anderen Text und einen anderen Preis angezeigt. Ach so…?
  • Ich gebe im Filter genau an, in welchem Zeitraum die Reise liegen darf (7 Tage in der Zeitspanne von X bis y). Als Ergebnis eine Liste von 100 Angeboten,die zu 2/3 außerhalb dieses Zeitraums liegen. Hallo Mc Fly – irgendjemand zu Hause?
  • Ich finde ein passendes Angebot und will es buchen – plötzlich heißt es „Wir können nicht garantieren, dass das Angebot zum Angegebenen Zeitpunkt für den genannten Preis verfügbar ist. Zur verbindlichen Reservierung hier klicken“. Euch habe Sie doch wohl ins Gehirn…

Das letzte Mal habe ich 2011 versucht eine Reise online zu buchen und dabei sind mir alle o.g. Dinge passiert. Insgesamt habe ich zwei Abende ergebnislos am Rechner verbracht. Danach hatte ich die Nase voll und die Reise war in 30 min im Reisebüro gebucht. Sie war nicht teuer, das Hotel in Ordnung, die Lage super. Klasse Urlaub. Seitdem buche ich nur noch im Reisebüro.

Recap: code.talks commerce Berlin 2017

Eigentlich wollte ich ja diesmal gar nichts schreiben (*zwinker*), aber Lars Jankowfsky hat sich mit den aufmunternden Worten von mir verabschiedet „Du schreibst doch hoffentlich wieder etwas in Deinen Blog“. Na, dann will ich mich mal nicht so zieren… ;-)

Ich wollte nichts schreiben, weil ich in diesem Jahr nicht ganz bei der Sache war – wortwörtlich. Es war aus zeitlichen Gründen für mich bis zum Vorabend leider nicht ganz klar, ob ich überhaupt teilnehmen kann. Tatsächlich musste ich sowohl am Donnerstag, als auch Freitag für ein paar Stunden ins Büro. So habe ich leider nur zwei halbe Tage auf der Konferenz verbringen können.

Es hat sich trotzdem gelohnt.

Wie auch schon im letzten Jahr fand der auf eCommerce spezialisierte Ableger der großen Hamburger code.talks Konferenz im Kino in der Berliner Kulturbrauerei statt. Die angekündigten Themen lasen sich spannend. Mal abgesehen davon, dass ich ohnehin nur zwei halbe Tage zur Verfügung hatte, bestand hier wieder das Luxusproblem, dass stets mehrere interessante Vorträge parallel stattfanden. Die Vorträge, die ich sehen konnte waren durchwegs gut und informativ.

Kulturbrauerei Berlin

Unterhaltsam war der „Stellungskrieg“ in der Paneldiskussion zur Entwicklung von eCommerce Plattformen zwischen Kelly Goetsch von Commercetools und Pierluigi Meloni von Oxid eSales pro und contra Microservices. Obwohl ich den Dialog (die anderen Teilnehmer gingen dagegen fast unter) ganz amüsant fand, halte ich ihn inhaltlich nicht für sonderlich nahrhaft. Bereits von den Vorträgen des letzten Jahres habe ich für mich mitgenommen, dass Microservices eine tolle Sache sind – falls man riesige und komplexe Shops (Kategorie Otto, Zalando, Amazon) und sehr große Teams hat die man anders nicht weiter skalieren kann. Am Ende des Tages verlagert man lediglich die Komplexität aus dem Monolithen in die Architektur und fängt sich eine Menge Synchronisationsprobleme ein. Für kleine und mittlere Shop ist das sicherlich nicht geeignet.

Reger Austausch am Abend

Ein richtiges Highlight war der Vortrag „Decrease your conversions – common ways to lock people out“ von Stefan Judis. Er navigierte das Publikum durch ein Meer von Fehler, die man bei der Frontendentwicklung machen kann um Leser/Kunden zu verlieren. Angefangen bei dem unverständlicherweise sehr häufigen Fehler völlig fettleibiger mobiler Website (30MB für eine unnütze Startseite), die nicht nur langsam sind, sondern auch das teuer bezahlten Datenvolumen der Kunden in Rekordzeit aurauchen. Massgeblich sind hier neben dem Einsatz von Libraries vor allem nicht optimierte Bilder. Weiter ging es mit nicht mehr ganz so offensichtlichen Fehlern kleiner Schriften, zu geringem Kontrast und Farbwahl, die Farbenblinden die Benutzung unmöglich machen. Den letzten Teil nahmen Gestaltungshinweise ein, die die Nutzung von Seiten mit Screenreadern ermöglichen.

Weniger detailiert war der Vortrag „Learnings from building a marketing data pipeline using Hadoop, Spark, and Airflow“ von Tamara Mendt (HelloFresh). Dafür bekam ich hier einen soliden Überblick über die Möglichkeit, Business Intelligence Infrastruktur aufzubauen. Ein Thema, in dem ich mich nicht auskenne, dessen Bedeutung aber sehr schnell steigt. Gerne hätte ich hier noch mehr gehört, aber das war leider schon der letzte Track am Freitag Nachmittag.

Vortrag zu Business Intelligence

Am wertvollsten waren für mich aber die Gespräche, die ich am Rande der Veranstaltungen und am Donnerstag Abend auf der After Party im Kesselhaus führen konnte. Ich möchte mich an der Stelle bei meinen Gesprächspartnern bedanken (in willkürlicher Reihenfolge: Norbert, Sascha, Markus, Alexander, Thomas, Joscha, Jeremy, Lars, das Team von Spryker u.a.).

Gerne nächstes Jahr wieder.

Recap eCommerce Camp Jena 2017

Mitte März fand zum mittlerweile fünften Mal das eCommerce Camp in Jena statt. Eine Veranstaltung, die ich sehr mag, weil man sich dort im beinahe familiären Rahmen offen über Tücken und Fallstricke des eCommerce-Alltags austauschen kann. Die Vorträge sind techniklastig, ehrlich und in der Regel frei von Marketing-Geschwurbel.

Jenaer Türme

Jenaer Türme

Jena ist eine sehr charmante kleine Universitätsstadt, die ich immer gerne besuche. Auf die diesjährige Veranstaltung schaue ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge zurück. Daher habe ich mir mit diesem Artikel auch eine Woche Zeit gelassen.

Etwas Schatten

Weniger schön war, dass ich das Socialising etwas übertrieben habe und am Samstagmorgen erst um 6:30 im Hotel ankam. Der Rest des Tages blieb daher im Rückblick etwas nebulös. Ich habe deshalb einen Vortrag über das alternative Shop Frontend Lizard & Pumpkins verpasst, auf den ich mit Spannung gewartet hatte und eine eigene Umfrage zu Tools, die ich vorbereitet hatte, fiel ebenfalls aus.

Zwei Vorträge, die ich am Freitag gehört hatte, waren ebenfalls eher mau, weil mir des Sinn der vorgestellten Projekte eher zweifelhaft erschien. Da hätte ich aus dem reichhaltigen Angebot besser andere Vorträge wählen sollen.

Viel Licht

Ganz hervorragend waren aber wieder die Gespräche, die ich führen konnte. Das fing bereits am Donnerstag Abend an, als sich die Teilnehmer zum Warm-up in der Gaststätte zur Noll in der Altstadt trafen und ging am Freitag während der Veranstaltung und später im Paradiescafe nahtlos weiter.

Jena - Zur Noll

Jena – Zur Noll

Natürlich gab es auch wieder spannende und lustige Vorträge, bei denen man lernen konnte. Das unausgesprochene Motto könnte lauten:

„Scheitern – aber so richtig“.

Den Auftakt machte Thomas Lohner mit dem Vortrag „Dein Shop wurde gehackt und Du hast es nicht gemerkt„. Er erzählte von einem Projekt, bei dem im Rahmen einer Performanceoptimierung zunächst nur eine kleine Ungereimtheit auffiel. Das Ergebnis nach einer umfangreichen Analyse war:

Der Shop enthielt 500 infizierte PHP Dateien auf dem Server, über 20 unterschiedliche PHP-Shells und Windows Trojaner, die in Produktbildern versteckt waren. Anhand der Backups wurde klar, dass der ursprüngliche Einbruch mehr als drei Monate zurück lag und niemandem aufgefallen war.

Im weiteren Verlauf des Vortrags widmete sich Thomas der Frage, wie man so eine Infizierung erkennt, was zu tun ist, wenn der Fall eingetreten ist, wie man sein System besser absichert und überwacht. Nach den Vortrag hatten viele Teilnehmer ein etwas flaues Gefühl im Magen, sind aber sicherlich sehr viel aufmerksamer geworden. Ich selbst habe in der folgenden Woche bei zwei Projekten potentielle Schwachstellen gefunden und behoben.

Vortrag - Shop Security

Vortrag – Shop Security

Der Vortrag von Fabian Blechschmidt hatte einen etwas universelleren Ansatz: „Fucking up Projects„. Er zählte gefühlte hundert Möglichkeiten auf, wie man ein Projekt in Grund und Boden reiten kann. Bei Stichworten wie „das ist final“, „wir brauchen nur einen Konfigurator“ oder „customer driven development“ gab es viel Heiterkeit im Raum.

Mein Eindruck, war, dass die Teilnehmer von den vielen aufgezählten Möglichkeiten etwas grundlegend falsch zu machen ca. 1/3 bereits selber ausprobiert haben, 1/3 bekannt und 1/3 neu war. Viele Teilnehmer hatten auch weitere Vorschläge. Mein Beitrag „drei Tage vor Livegang die Domainstrategie wechseln“ wurde mit einem anerkennenden „Sehr gut! Was da alles dranhängt…“ goutiert.

Fuckup - "gute" Tipps en Masse

Fuckup – „gute“ Tipps en Masse

Der Vortrag „Github is from Venus, Excel is from Mars“ von Roman Zenner hatte kommunikative Missverständnisse zwischen Anforderern und Entwicklern, die auf unterschiedlichen Sichtweisen beruhen, zum Thema. Als ein Grundproblem identifizierte er, dass Entwickler nach Konvergenz und generischen Lösungen suchen und typische Anforderer nach Divergenz und Individualisierung streben. Im Verlauf glitt der Vortrag immer mehr in eine Diskussion mit Fallbeispielen aus der Praxis ab. Das macht deutlich, wie wichtig dieses Thema die Anwesenden war.

Architektur nicht mehr im Fokus

Jenseits der Vorträge hatte ich den Eindruck, dass Architekturthemen wieder etwas in den Hintergrund gerückt sind. Während 2015 Frameworks ein heisses Thema waren und 2016 Microservices diskutiert wurden, hörte ich in dieses Jahr nur in den privaten Gesprächen den Wunsch nach modularen Systemen. Die Unzufriedenheit mit Monolithen ist immer noch da, aber die Komplexität der großen Würfe möchte man sich auch nicht antun.

Mein Fazit

Abgesehen von meinem selbstverschuldeten Ausfall war das eCommerce Camp Jena auch in diesem Jahr wieder anregend. Man kommt mit neuen Ideen und Sichtweisen nach Hause und hat sich wieder mit der Entwicklercommunity synchronisiert. Ich komme gerne wieder zum „Klassentreffen“.

Welche Shopsoftware würdest Du jetzt nehmen?

Die Frage „Welche Shopsoftware würdest Du jetzt nehmen?“ stellte mir Lars Jankowfsky bei seinem Vortrag „E-Commerce was wirklich zählt. Die Developer Edition“ auf der code.talks eCommerce Konferenz. Zuvor hatte ich bereits erzählt, dass ich 2010 für die Shops der CBR eCommerce GmbH (siehe meine Referenzen) OXID Enterprise Edition ausgewählt hatte. Die wesentlichen Gründe waren damals, dass der Quellcode einsehbar war, die Verfügbarkeit von PHP Entwicklern und die bessere out-of-the-box Performance im Gegensatz zu Magento.

Seinerzeit ist das eine richtige Entscheidung gewesen. Aber was würde ich heute wählen?

Da kam ich ins schwimmen und sagte etwas lahm „Vielleicht eher Shopware“, aber die Antwort war nicht gut. Im Gegensatz zu 2010 ist die verfügbare Technik heute deutlich breiter aufgestellt, wie ja gerade auf dieser Konferenz deutlich wurde. Ehrlicherweise hätte ich sagen sollen, dass ich das neu evaluieren müsste.

Die eCommerce Technik wird immer differenzierter

Interessanterweise schien selbst Alexander Graf, der mit Spryker einer der Hauptsponsoren des Events war, etwas überrascht gewesen zu sein, welch breiten Raum das Thema Microservices auf der Konferenz einnahm. In seinem Artikel „Microservices & Einradfahren“ stellte er zunächst etwas verblüfft fest, dass es auch in der Welt der Techies so etwas wie Modetrends gibt, denen viele einfach hinterherlaufen. Er schrieb unter anderem:

„Zu meiner großen Enttäuschung muss ich nun feststellen, dass die Leute in der IT, bzw. Developer wie sie heute genannt werden, mit den gleichen Denkmustern arbeiten wie die Business Kasper [zu denen er sich selber zählt]. Es gibt eine extrem hohe Neigung Trends hinterherzulaufen und grundlegende technische Probleme nicht ausreichend bzw. nicht ehrlich genug zu analysieren.“

Für mich als Entwickler ist das natürlich überhaupt nichts Neues. Sehr viele Techies sind Diven mit aufgeblähtem Ego, die das Rad lieber zum 100. Mal neu erfinden – weil Ihr Rad natürlich viel viel schöner ist…

Der Rest des Artikels befasst sich damit, dass der Microservice-Ansatz gerade so ein angesagtes Ding ist, dass nicht ausreichend hinterfragt wird. Das Gefühl hatte ich allerdings nicht unbedingt. Für die vorgestellten Projekte gab es jede Menge gute Gründe, genau auf diese Architektur zu setzen – nur treffen die Gründe eben für die meisten „normalen“ Shops bei weitem nicht zu.

Orientierung zwischen Standard-Cloud und Microservices

Doch wie findet man die passende Technik in dem scheinbaren Wirrwar aus Cloudanbietern, Self Hosting, Out-of-the-box Software, Frameworks, Microservices usw?

Das hängt natürlich vom konkreten Projekt ab. Zwei wesentliche Kriterien zur Einordnung von eCommerce Projekten wurden bei der Konferenz für mich deutlich: Das Umsatzvolumen und der Grad der Individualisierung des Geschäftes. Ich habe mal für mich selber aus diesen beiden Kriterien eine Entscheidungsmatrix mit neun Feldern aufgezogen.

Kriterium 1: Das Umsatzvolumen

Bei geringem Umsatzvolumen ist eine einfachere technische Architektur ausreichend, dafür ist hier die Preissensibilität hoch. Bei sehr großen Umsätzen kann und muss man größere Ressourcen in die technische Skalierung stecken, hat aber dafür auch einen größeren Investitionsspielraum.

Kriterium 2: Grad der Individualisierung

Wer ein überschaubares Sortiment mit (datentechnisch) einfachen Produkten anbietet, kommt bereits mit Standardtechnik sehr weit. Je mehr Besonderheiten gefordert sind, desto mehr Aufwand muss in die Anpassung gesteckt werden. Beispiele sind konfigurierbare Produkte, Regionallager und Multichannel. Besondere Geschäftsmodelle, wie z.B. Shoppingclubs, zeitlich begrenztes Angebot, Auktionen etc. lassen sich eigentlich nur noch mit Individualentwicklungen umsetzen.

Die Entscheidungsmatrix

Das Ergebnis meiner Überlegungen ist diese Matrix, deren neun Felder ich kurz erläutere.

Entscheidungsmatrix

Entscheidungsmatrix

  1. Bei wenig Umsatz und Traffic können für Standardprozesse mit einem einfachen Sortiment bereits einfache und günstige Cloudlösungen gut geeignet sein.
    Kandidaten wären hier ePages, Prestashop u.ä.
  2. Eine Anpassung an viele Besonderheiten kann bereits mit Standard Plugins für die üblichen Shopsysteme abgedeckt werden. Hier sollte aber ggf. bereits ein separates Hosting geplant werden, um in das System eingreifen zu können.
    Geeignete Kandidaten sind u.a. Shopware, Oxid, Magento.
  3. Eine weiterreichende Individualisierung lässt sich bei geringem Umsatz eigentlich nur über Standardsoftware mit individuell erstellten Plugins realisieren, wenn man den Kostenrahmen nicht sprengen will.
    Basistechnik entsprechend 2.
  4. Bei mittlerem Umsatz und Traffic sind für ein einfaches Sortiment und Standardprozesse leistungsfähige Cloudlösungen, wie Demandware gut geeignet.
  5. Bei mittlerer Komplexität und mittlerem Umsatz kann Standardsoftware (siehe 2.) mit Plugins und einem Full Page Cache eine solide Lösung sein.
  6. Bei mittlerem Umsatz und hoher Individualität ist eine Frameworkgestützte Individualentwicklung sicherlich nicht die schlechteste Wahl. Kandidaten wären hier Commercetools, Ongr. oder sogar Spryker, falls der Kostenrahmen das hergibt. Falls es zum Geschätsmodell passt sollte man auch NewStore auf die Shortlist nehmen.
  7. Standardanforderungen bei hohen Umsätzen kann man m.E. mit gut skalierbaren Systemen, wie Intershop oder Hybris in sorgfältig gebauten Systemsetups erfüllen
  8. Mittlere Komplexität bei hohen Umsätzen könnte mit leistungsfähiger Standardsoftware und einem individuellem Hochlastfrontend abbildbar sein, oder man greift gleich zu einer kompletten, frameworkgestützten Eigenentwicklung
  9. Und schließlich die Königsklasse: Hoher Umsatz, hohe Komplexität. Hier kommt man nicht mehr um eine Eigenentwicklung mit optimiertem Setup herum. Das ist genau das Feld, in sich dem Otto, Metro und Zalando tummeln (um jetzt mal nicht die rosa Elefanten Amazon und Alibaba zu nennen). Für diese Gewichtsklasse sind Microservice Architekturen sinnvoll. Für alle anderen Felder wären technische Komplexität und Kosten aber einfach zu hoch.

Mal kann jetzt natürlich zurecht fragen „was heißt denn klein, mittel und groß; Standard und komplex?“ Wo sind die Grenzen zwischen den aufgemalten Feldern? Zugegebenermaßen sind die Grenzen da fließend und man kann trefflich diskutieren. Trotzdem denke ich, dass man hier erst mal eine Idee und erste Struktur bekommt.

Aber um auf die Eingangsfrage von Lars zurückzukommen:

Heutzutage würde ich für das Projekt von 2010 vermutlich den Ansatz einer Standardsoftware mit vorgeschaltetem individuellem Hochlastfrontend wählen. So kann man schnell starten, das Geschäft gut hochskalieren und gleichzeitig individuelle Features umsetzen.

 

Die IT im eCommerce

Neulich bei der Diskussion über eCommerce Technologie. Hin- und hergerissen zwischem dem Ehrgeiz der Entwickler stets die coole neue Technik einzusetzen und dem Wunsch des Kunden, bewährte, solide und günstige Technik einzusetzen.

Dabei kam mir das folgende Gleichnis in den Sinn:

„Die IT für eCommerce sitzt im Elfenbeinturm – allerdings unten im Maschinenraum.“

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