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Sounds good – IMSTA FESTA Berlin 2017

Am gestrigen Samstag besuchte ich das IMSTA FESTA Berlin 2017, das in den Räumen der SAE in Berlin Kreuzberg stattfand.

Hmm, „Bahnhof“?

Es drehte sich alles um Musikproduktion.

IMSTA Festa Berlin

IMSTA Festa Berlin

Das SAE Institute ist eine private Bildungseinrichtung, die seit 40 Jahren in vielen Ländern Kurse rund um Musik- und Medienproduktion anbietet. IMSTA ist die International Music Software Trade Association. Offensichtlich sind auch einige der Berliner Musiksoftwarehersteller dort Mitglied und so fand der Event nun auch in Berlin statt. Ich wusste nicht so genau, was mich erwartet, aber da man sich zwar registrieren musste, aber der Eintritt frei war machte ich mich auf den Weg nach Kreuzberg.

Zunächst wuselte ich wie die anderen Besucher durch die Räume der SAE und schaute mal hier und mal dort rein. Die Räumlichkeiten in dem ehemaligen Speicher in der Cuvrystr. auf zwei Geschossen sind noch neu. Alles ist modern. Interessant fand ich den Grundriss im Musikbereich im oberen Stockwerk. Dort gab es keine rechten Winkel und keine parallel laufenden Wände um Schallreflexionen zu minimieren. Es gab kleine und mittlere Übungsräume, in denen Workshops und Vorführungen stattfanden und natürlich auch ein vollwertiges Tonstudio.

Danach habe ich die Showrooms der Hersteller abgeklappert.

Hard- und Software

Akai hatte seine aktuelle MPC Hardware am Start. Mit dieser Art Instrument werde ich aber irgendwie nicht warm. Mir liegt die Bedienung und Arbeitsweise nicht.

Arturia hatte auch etwas Hardware aufgebaut. Das kompakte Keylab49 Masterkeyboard hat ein schönes Design, ist recht leicht und ziemlich preiswert. Da ich aber stolzer und zufiedener Besitzer eines Keylab88 mit gewichteter „Klavier“ Tastatur bin, habe ich dafür keinen Bedarf. Nachdem ich etwas an dem winzigen Analogsynthesizer MicroBrute und etwas länger an dem ebenfalls analogen Drumcomputer DrumBrute herumgeschraubt hatte, vertiefte ich mich für längere Zeit in den Soundsphären des großen Analogsynthesizers MatrixBrute. Im Gegensatz zu den anderen Instrumenten hing der an Lautsprechern. Da mich in der Zeit fünf Leute angesprochen haben und mich für einen Arturia Mitarbeiter hielten, kann mein Geklimper nicht so schlecht gewesen sein. Ein sehr schönes Instrument. Klingt gut, fühlt sich gut an und macht Spaß.

Neben Hardware gab es natürlich auch viel Software zu sehen. Die Berliner Szene war mit Native Instruments (die sitzen ungefähr drei Häuser weiter), U-HE und Bitwig gut vertreten. Ableton konnte ich hingegen nicht entdecken, obwohl sie auch IMSTA Mitglied sind. Steinberg aus Hamburg waren auch dabei, wie Hersteller aus anderen Ländern, wie z.B. Image Line mit FL Studio (A.K.A Fruity Loops).

Mein Interesse galt aber vornehmlich Bitwig. Diese Software nutze ich selber gerne und ich finde das Team nett. Am Stand wurde ich sogar wiedererkannt („Du warst doch auch auf der Party damals in Neukölln, oder?“). Nice! Leider hat mir das letzte Update auf 2.2 mein Audio Setup zerschossen und dazu hatte ich einen kleinen Schnack. Mal sehen, ob wir die Ursache finden.

Workshops

Den ganzen Nachmittag hindurch gab es Song Reviews und diverse Workshops. Die drei, die ich besucht habe, waren interessant.

Bitwig gab einen einstündigen Überblick in das User Interface ihrer Software. Obwohl ich das System seit zwei Jahren nutze, habe ich einige neue Dinge erfahren.

Im Mischraum des Tonstudios gab der Produzent Sonus030 einen Einblick in FL Studio. Ich habe ihm offen gesagt, dass das HipHop Genre nicht so meins ist, und ich Bitwig als Audio Workstation verwende, aber gerne mal sehen würde, wie er daran geht, einen Track zu bauen. Und so gab er mir Einblick in seine Arbeitsweise anhand eines Songs, den er mit anderen Musikern Tags zuvor aufgenommen hatte. Interessanterweise unterscheidet sich das gar nicht so sehr davon, wie ich arbeite, abgesehen davon, dass er mehr Audiomaterial verwendet und ich mehr über die Keys einspiele. Netter Kerl und der fertige Song hat mir dann übrigens sogar gut gefallen.

Im Studio

Im Studio

So richtig überrascht war ich dann von dem Vortrag über Modular Sythesizer. Ich bin völlig ahnungslos in den Raum, in dem Wohnzimmeratmosphäre herrschte. Ein Teil des Publikums saß auf Stühlen, der Rest fläzte entspannt auf 70er Jahre Sitzsäcken. Ich sitze in Reihe zwei. Vorne stand ein modulares Synthesizerrack von Doepfer und ein Keyboard und davor saß ein netter Herr aus den USA in seinen 60ern mit Karohemd und Ecco Schuhen, die Haare zum Zopf zusammengebunden. Er fing mit seinen Erklärungen ganz vorne an: Was ist ein Oszillator, wie klingt ein Sinus, wie sind die Obertöne einer Dreieckswelle usw.

Modular Synthesizer 101

Modular Synthesizer 101

Parallel zur Erklärung hat er immer alles sofort gezeigt, am Gerät zusammengesteckt und eingestellt. Als er dann zum Thema Rauschen und Filtertypen kam, musste er ein wenig am Rack suchen und einmal kam der Kommentar, dass etwas anders, als bei seinem Moog funktionieren würde. Er hat sich artig bei Döpfer bedankt, dass sie ihm das Rack zur Verfügung gestellt haben und gemeint, dass er noch nie vorher an einem Eurorack System gearbeitet hat. 10 Sekunden später hat er dann aber die Einstellung so geändert, dass es weitergehen konnte. Zweifellos ein Profi.

Und was für ein Profi er tatsächlich ist, dämmerte mir im zweiten Teil des Vortrags. Irgendwann fing er dann an so typische 80er Jahre Songs anzuspielen, unser geneigtes Ohr auf einen bestimmten Klang zu lenken und dann zu erzählen, wie der produziert wurde. Hier ein Oberheim OB-8, hier zwei gestackte Prophet 5, hier ein Moog Modular etc…

Okay – der kennt sich aus, dachte ich mir.

Dann spielte er den Anfang von Michael Jacksons „Bad“ und sagte, wir sollen auf diesen hohen Sound im 16tel Takt hören („tschackatschackatschackatschacka“). Dann erklärte er, wie er diesen Sound hinbekommen hat.

Ähm wie jetzt ???

Gleich danach dasselbe Spiel mit Linonel Ritchies „Hello“ und nochmal mit einem Song aus Flashdance. Und so ging das ’ne ganze Weile weiter.

Was zum… Wer ist dieser Kerl?

„Der Kerl“ war Michael Boddicker. Eine Sythesizer-Koryphäe aus der Musikszene von L.A., der nicht nur Filmmusik komponiert und produziert, sondern so ungefähr schon mit allen Stars zusammegearbeitet hat: Quincy Jones, Whitney Houston, Diana Ross, Neil Diamond,…

 

Und ich bin so ungefähr aus Versehen in den Vortrag gegangen. Wahnsinn!

Das sind dann so die Augenblicke, in denen ich total glücklich bin, in Berlin zu leben, obwohl mir die Stadt manchmal unfassbar auf die Senkel geht.

Instructions to a 6510 for Sound

Am Nachmittag des 02.07.2017 fand in der Toskanahalle in Berlin Weissensee die Finissage der Ausstellung „Computerbögen“ statt. Daran war ich mit meiner Installation „Instructions to a 6510 for Sound“ beteiligt.

Es handelt sich um eine Installation aus 32 Blatt Tabellierpapier mit kommentiertem Assemblercode, Lautsprecher und einem Einplatinenrechner, der programmgesteuert im 5 Minuten Intervall drei Musikstücke abspielt.

Installation im Überblick

Installation im Überblick

Detail: Raspberry Pi und Erläuterung

Detail: Raspberry Pi und Erläuterung

Detail Ausdruck

Detail Ausdruck

Über das Werk:

Das Werk hat mehrere Interpretationsebenen.

Der Name der Installation weist auf die einfachsten Interpretationsebene hin. Es ist Musik zu hören, die mittels einer Software erzeugt wurde. Auf den 32 Blatt Papier sind Anweisungen für einen MOS6510 Prozessor zu sehen um diese Musik zu erzeugen.

Eine andere Interpretationsebene ist das Spiel mit Zeit. Artefakte aus den 80er Jahren, die im Jahr 2017 genutzt werden.

Die zugrunde liegende Software (Sound-Monitor von Chris Hülsbeck) stammt aus dem Jahr 1986. Sie ist für den Commodore 64 programmiert, einem Heimcomputer aus dem Jahr 1982.

Das verwendete Tabellierpapier erinnert aber an typische Computerausdrucke aus den 70er und 80er Jahren. Die Schrifttype stammt von einem Epson Nadeldrucker aus dem Jahr 1980.

Der Ausdruck zeigt eine kommentiert Interpretation des Assemblercodes von Dirk Ollmetzer aus dem Jahre 2017.

Die abgespielte Musik stammt von Dirk Ollmetzer aus dem Jahr 2014 und 2017.

Nicht zuletzt ist die Installation auch ein Spiel mit Authentizität.

Die Software, um die es in diesem Werk geht, ist in ihm selber nicht vorhanden. Der Ton kommt von einem kleinen Einplatinenrechner aus dem Jahr 2016, der drei vorgefertigte MP3 Sounddateien abspielt. Diese wurden zwar mit dem Soundmonitor erzeugt, jedoch nicht auf einem echten Commodore 64, sondern auf einer Softwareemulation des Commodore 64, die auf einem aktuellen PC lief.

Auf dem Ausdruck ist auch nicht der Maschinencode selbst zu sehen, sondern eine für den kundigen Menschen lesbare Form (6502 Assemblercode) mit Kommentaren und Sprungmarken, anhand der die Funktion der Software nachvollzogen werden kann.

Der scheinbar alte Computerausdruck wurde mittels einer Textverarbeitung und einer speziellen Schrifttype zunächst auf normales A4 Papier ausgedruckt und anschließend mit modernen Kopierern auf das Tabellierpapier vergrößert kopiert.

Nichts ist so, wie es zunächst scheint. Alles ist echt, aber nichts authentisch.

Venedig

Ich hatte Sehnsucht nach Sonne und Kultur – da liegt eine Reise nach Italien auf der Hand. Meine Wahl fiel auf Venedig. Irgendwie scheint jeder außer mir schon einmal dort gewesen zu sein und das wollte ich ändern. Ich war neugierig auf die Geschichte, Kultur, Architektur und den Städtebau. Andererseits hatte ich Bedenken wegen der Touristenmassen, Angst vor Nepp und stinkenden Kanälen. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

Wenn ich Folgenden von Venedig rede, meine ich den für Touristen interessanten historischen Teil in der Lagune (Stadtteile San Marco, San Polo, Cannaregio, Dorsoduro, Castello und Giudecca) und nicht die Industriestadt auf dem Festland mit der Petrochemie.

Ich hatte Glück und der kaum eineinhalb Stunden dauernde Flug verlief ruhig und wolkenfrei. Das ermöglichte mir tolle Blicke auf München, Innsbruck und die Alpen, sowie auf die Lagune und Venedig im Landeanflug. Auf dem Flughafen habe ich sofort ein 72 Stunden Ticket von ACTV mit Flughafentransfer gekauft (€ 46,-) und los ging es mit der Buslinie 5 über die 3,6 Km lange Brücke zum Piazzale Roma in der Lagune. Und dann steht man im Gewusel am Canal Grande und versucht herauszubekommen, wo denn nun Vaporetto (Quasi der Wasserbus) Line 1 anlegt.

Erster Eindruck: Blick vom Piazzale Roma auf den Canal Grande

Erster Eindruck: Blick vom Piazzale Roma auf den Canal Grande

Nur wenige Minuten später kommt das Boot und es geht los…

…ungefähr 200m weit. Dann gibt es die nächste Haltestelle auf der anderen Kanalseite. Und so geht es im Zickzack ungefähr 20 Minuten weiter, bis wir unter der Rialtobrücke durchfahren und ich am nächsten Anleger aussteige. Dann noch etwa 200m durch eine schmale Gasse zum Hotel und eingecheckt. Bis dahin wurde ich bereits mit den verschiedensten Eindrücken überflutet:

  • Mein Gott, das sieht ja wirklich alles genauso aus, wie im Film!
  • Die Kanäle riechen überhaupt nicht unangenehm.
  • 28 Grad Lufttemperatur, stechende Sonne und überall Wasser – das macht das Klima etwas anstrengend.
  • Herrjeh, ist das ein Gewusel auf dem Wasser!
  • Au weia! Ist das ein Gedränge in den Gassen!
Canal Grande von Dorsoduro aus gesehen

Canal Grande von Dorsoduro aus gesehen

Später fiel mir noch auf

  • Das Hotel ist gut, sehr sauber und es gibt zu meiner freudigen Überraschung ein anständiges Frühstück.
  • Die Zikaden in den Bäumen sind ganz schön laut.
  • Die Gondeln sind zwar unfassbar kitschig (und teuer). Aber es ist schon elegant, wie sie lautlos durch das Wasser gleiten.
Gondoliere in grandi quantità

Gondoliere in grandi quantità

Vom Gepäck befreit führt mich mein erster Weg direkt zum Markusplatz. Das sind nur 200m halbwegs geradeaus und das Hauptziel der meisten Besucher. Der Weg ist aber nicht nur kurz, sondern auch extrem schmal. An der breitesten Stelle vielleicht 2,5m und an der schmalsten kaum 1,5m. Trotzdem ist es einer der beiden Hauptwege zwischen Rialtobrücke und Markusplatz. Dementsprechend drängen die Menschen hier durch.

Wahnsinn!

Markusplatz am Abend

Markusplatz am Abend

Den Markusplatz hat vermutlich jeder schon einmal auf Bildern gesehen: Die langen Arkaden, Der große Campanile, die Basilika mit ihren unglaublichen Marmorverzierungen und natürlich der Dogenpalast. Obwohl der Platz mit 180m x 80m ziemlich groß (für venezianische Verhältnisse geradezu riesig) ist, erdrückt einen doch die schiere Masse an Touristen. Also schnell die üblichen Beweisbilder gemacht und weiter geht es (Ich bin abends noch einmal wiedergekommen – immer noch viele Menschen, aber man hat endlich etwas mehr Platz).

Ich lasse mich durch Gassen über Brücken und Plätze in Richtung Accademia treiben. Schnell merke ich: Man kann die Kamera in eine beliebige Richtung halten und abdrücken – das Fotomotiv ist immer malerisch bis zum geht nicht mehr. Das werde ich in den nächsten vier Tagen auch extrem häufig machen. Tatsächlich habe ich 860 Aufnahmen gemacht und nur ganz wenige sind Ausschuss.

Campo San Moisè

Campo San Moisè

Calle Dose da Ponte

Calle Dose da Ponte

Canal Grande von der Ponte dell' Accademia

Canal Grande von der Ponte dell‘ Accademia

Das frühe Aufstehen, die Anreise, das unglaubliche Gewusel in den Gassen und nicht zuletzt der Temperatursprung um 10 Grad fordern schnell ihren Tribut. Meine Kondition lässt zu wünschen übrig und ich beschließe, dass ich ich Venedig nicht gleich am ersten Tag komplett erkunden muss. Am Anleger Accademia nehme ich ohne großen Vorsatz das nächste Vaporetto. Es ist wieder die Nummer 1. Da ich gerade ganz bequem sitze, fahre ich bis zur Endhaltestelle Lido mit. Der Lido ist eine 12Km lange, schmale Insel, die die Lagune von der Adria trennt. Hier ist die Bebauung völlig anders. Der Hauptort hat sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu einem mondänen Badeort entwickelt. Hier geht es luftiger und ruhiger zu und ich bleibe bis zum frühen Abend am Strand sitzen, um auf die Adria zu gucken und mich auszuruhen.

Tag zwei fängt mit einem guten Frühstück an (holla!) und danach geht es gleich zum Arsenale um die Biennale anzusehen (davon berichte ich getrennt im Artikel „Venedig – Kunstbiennale 2017„). Nachdem ich Nachmittags das Ausstellungsgelände verlassen habe bin ich wiederum ziemlich geschafft und kann eine etwas längere Bootsfahrt gebrauchen. Ich beschließe, den Anleger an der kleinen Insel St. Pietro di Castello zu nehmen und lande in einer verschlafenen Ecke von Venedig. Keine Sehenswürdigkeiten, keine Touristen, dafür einige Einheimische. Schau an – das gibt es auch noch. Wie beruhigend!

Einfache Wohnhäuser in Castello

Einfache Wohnhäuser in Castello

Die Fahrt ging an der Nordseite Venedigs entlang. So konnte ich einen Blick auf die Friedhofsinsel San Michele werfen, mich davon überzeugen, dass es in dieser historischen Stadt ein sehr modernes Krankenhaus mit Hubschrauberlandeplatz und Notaufnahme (natürlich per Boot) gibt. Der Blick auf die Häuser des Stadtteils Cannaregio zeigt, dass auch dort „richtige Menschen“ leben. Gut zu wissen, dass es sich trotz der Touristenmassen doch noch um eine richtige Stadt handelt.

Fondamenta Cannaregio

Fondamenta Cannaregio

Am Anleger Tre Archi steige ich aus und laufe in glühender Sonne den Fondamenta Cannaregio hinunter. Mein Ziel ist das jüdische Viertel. Hätte ich nicht vor einiger Zeit einen längeren Bericht über die Historie des Ghetto gesehen, wäre ich vermutlich achtlos vorbeigegangen. Beim ersten Laden an dessen Türrahmen mir ein kleiner, zylinderförmiger, schief angebrachter Behälter auffiel, bog ich in den nächsten torartigen Durchgang links ab.

Und schon war ich mittendrin im Calle Ghetto Vecchio zwischen koscheren Lebensmittelläden und Synagogen, die man nur erkennt, wenn man weiß wo sie sind.

Campo del Ghetto Nuovo

Campo del Ghetto Nuovo

Zudem befindet sich hier einer der schönsten Plätze Venedigs: Der Campo del Ghetto Nuovo. Er ist groß und lebendig. Kaum Touristen, dafür viele einheimische und spielende Kinder. Leider scheint es auch nötig zu sein, hier ein Häuschen hinzustellen, in dem mehrere bewaffnete Polizisten die friedliche Szene bewachen. Das ist bei uns in Berlin an Stellen, die für das jüdische Leben wichtig sind ja auch nicht anders. Aber irgendwie empfinde ich es als Schande, dass so etwas heutzutage in Europa nötig ist.

Abends bin ich dann noch etwas am Rialto und in San Marco umher gelaufen und habe bei einem leckeren Eis die Szenerie genossen.

Canal Grande von der Rialto Brücke aus gesehen

Canal Grande von der Rialto Brücke aus gesehen

Nächtlicher Blick auf San Giorgio Maggiore

Nächtlicher Blick auf San Giorgio Maggiore

Am nächsten Tag habe ich mich wiederum zur Biennale begeben (diesmal in den Giardini) und am Nachmittag den Stadtteil St. Elena angesehen. Keine expliziten Sehenswürdigkeiten, dafür wieder normale Einwohner, breitere Strassen und sogar ein Park. Dort hinten kann man es aushalten.

Wohnstrasse für richtige Menschen

Wohnstrasse für richtige Menschen

Am letzten Tag bin im Stadtteil Dorsoduro, südlich der Accademia gewesen. Noch recht touristisch – unter anderem ist dort die Peggy Guggenheim Collection und diverse andere Palazzi mit Kunst, aber es ist nicht ganz so überlaufen wie San Marco. Hier bin ich den (das, die?) Fondamente Zattere al Ponto Lungo entlagflaniert. Der Blick schweifte über das Wasser in Richtung des Stadtteils Guidecca. Dort hinüber kommt man wirklich nur noch mit dem Boot, weil es keine Brücke über die breite Fahrrinne zum Hafen von Venedig gibt.

Zurück zum Flughafen ging es dann direkt mit dem Boot über die Lagune. Sobald das Boot von Alilaguna aus den Kanälen der Stadt heraus und in der offenen Lagune war, hieß es Vollgas. Ein bisschen Wellen muss man da schon vertragen. Aber ehrlich – wie geil ist des denn, mit dem Boot direkt in den Flughafen zu fahren?

Bootsanleger am Flughafen

Bootsanleger am Flughafen

Leider war mein Besuch damit bereits wieder beendet. Der Rückflug war ordentlich verspätet und ich bekam auf Facebook den Rat, ein Boot mitzubringen, weil in Berlin gerade die Strassen wegen Dauerregen überschwemmt sind.

Ich sehe es lieber so: Einige Dinge, die mich interessieren, habe ich noch nicht gesehen und somit einen Grund noch einmal wiederzukommen. Zum Abschluss noch ein paar Gedanken, die ich während des Besuchs hatte:

 

Größe und Entfernungen

Größe, Entfernung und Zeit nimmt man in Venedig einfach komplett anders wahr, als in normalen Städten. Die Lagunenstadt misst ca. 4,5 Km in Ost/West und 2,7 Km in Nord/Süd Richtung. Aber die Gassen sind selbst für südeuropäische Verhältnisse unfassbar eng und verwinkelt. Gassen von kaum 1,5m Breite sind nicht ungewöhnlich. Zudem sind zwar überall Kanäle aber längst nicht überall Brücken, wo man sie braucht. Das führt zu Situationen, in denen man für eine Entfernung von ein paar Hundert Metern Luftline lieber in das Vaporetto steigt, anstatt sich durch das enge und mit Touristen überfüllte Labyrinth zu drücken.

Tourismus – Fluch und Segen

Tatsächlich wird die Stadt von der Menge der Touristen schier erdrückt: Es sollen ca. 30 Millionen pro Jahr sein. In einer Stadt, die nur ca. 60.000 Einwohner hat. Im Gegensatz zu Rom, das ebenfalls von etlichen Millionen Besuchern jährlich heimgesucht wird, hat Venedig (in der Lagune) kaum noch andere wirtschaftliche Funktion, außer dem Tourismus.

Andererseits wäre diese historisch bedeutende Stadt ohne die Besucher vermutlich schon weitgehend zerfallen und verlassen. Das Leben dort ist erheblich anstrengender und teurer als auf dem Festland. Das fängt mit der Ver- und Entsorgung an und endet beim aufwändigen Erhalt der historischen Bausubstanz noch lange nicht. Es gibt nur sehr wenige Läden für den normalen Einkauf. Jede Lieferung muss zunächst auf ein Boot umgeladen werden, dann eventuell noch mal auf den Handkarren und durch die Gassen und über die Brücken mit ihren Stufen geschoben werden. Egal ob es das Päckchen von Amazon ist, die Lieferung für den Supermarkt oder die Müllabfuhr. Das dauert, und ist aufwändige und schwere Handarbeit.

Lieferboot von DHL

Lieferboot von DHL

Venedig – Kunstbiennale 2017

In der letzten Juniwoche habe ich die schöne Stadt Venedig besucht. Das hatte einen Grund und einen Anlass.

Der Grund: Ich war noch nie dort und war neugierig auf die Besonderheit der Stadt.

Der Anlass: Die Kunstbiennale (L’Esposizione Internazionale d’Arte, La Biennale di Venezia).

In diesem Artikel geht es nur um letzteres. Ich hatte mir am Dienstagmorgen ein 48 Stunden Ticket gekauft. Das ist mit €30,- nur unwesentlich teurer als das Tagesticket zu €25,- und bequemer, da man ausreichend Zeit für beide Teile der Biennale hat. Dienstag habe ich die Ausstellung im Arsenale angesehen und am Mittwoch die Pavillons in den Giardini.

Arsenale

Teile des Geländes der ehemaligen Marinewerft und Flottenbasis der Venezianischen Republik werden seit 1999 für die Biennale genutzt. Der Ort hat neben seiner geschichtlichen Bedeutung jede Menge Charme.

Wassertor Ingresso di Terra des Arsenale

Wassertor Ingresso di Terra des Arsenale (erbaut 1574)

Meine Tour begann am Eingang in der Campiello Tana und führte zunächst durch die hohen und langen Hallen am südlichen Ende des Geländes. Bald hatte ich meine ersten Eindrücke zusammen:

  • Was ist das denn? Eine Öko-Textil-Schamanenausstellung? Halt die Axt!
  • Generell zu viel Wolle, zu viel zerschnittene Bücher, zuviel Video.
  • lives and works in Berlin“ scheint eine wichtige Voraussetzung zur Teilnahme zu sein. Jedenfalls habe ich das gefühlt an jedem zweiten Werk über den jeweiligen Künstler gleich welcher Nationalität gelesen. Muss das so sein? Von den Berliner Künstlern, die ich kenne, war jedenfalls niemand dabei.
  • Der Ort ist trotzdem genial
Blick durch die Hallen am Südende des Arsenale

Hallen am Südende des Arsenale (Seilerei von 1443)

Schöne Deckenkonstruktion

Schöne Deckenkonstruktion

Zwischen den Gebäuden im Südosten des Geländes

Zwischen den Gebäuden im Südosten des Geländes

Ungefähr bis zur Mitte der Ausstellung war ich alles andere als begeistert von der Kunst. Ich sah dann allerdings doch noch Arbeiten, die mich richtig ansprachen:

Der türkische Beitrag von Cevdet Erek zeigte eine raumfüllende, begehbare Installation aus Gerüstteilen, Holzbohlen, Rampen und Maschendrahzäunen, auf deren höchstem Punkt aus einem Feld mehrerer Flachlautsprechen leise Geräusche und Sprachfetzen kommen. Die Wirkung ist beklemmend. Ein subtiler, aber sehr wirkungsvoller Hinweis auf die aktuelle Situation.

Der italienische Beitrag ist ebenfalls beklemmend, aber eher das Gegenteil von subtil. Man hat den Eindruck durch ein Biotechnologie Labor zu gehen, in dem Lebewesen hergestellt werden sollen. Die riesige Installation zeigt Tanks, Gussformen für Körper, Eine Anlage mit verschiedenen Brutzellen und eine Kryogene Anlage zum Einfrieren. Die Herstellung scheint aber nicht recht zu funktionieren, da überall defekte Körper und Teile von Körpern herumliegen.

Eine weitere Großinstallation belegte ebenfalls eine komplette Halle. Man ging in sehr schwachem Licht unter einer flachen, raumgroßen Gerüstinstallation hindurch um am Ende eine Treppe hinauf, die breit wie eine Tribüne ist. Von dort kann man auf das Gerüst von oben sehen. Jedoch alles was in dem beinahe dunklen Raum zu sehen ist, ist die Deckenkonstruktion und ihr Spiegelbild. Der Effekt ist verblüffend, weil das Gehirn den optischen Eindruck zunächst nicht mit dem erlebten Raum zusammenbringen kann.

Der Beitrag „Life in the folds“ von Carlos Amorales aus Mexiko war ebenfalls spannend. Es läuft ein Film, der in einer Art Scherenschnitt-Puppenspiel eine düstere, märchenartige Geschichte erzählt – die einer Flucht. Der Film hat teilweise Untertitel. Diese sind aber nicht lesbar, da sie in einer Art moderner Keilschrift verfasst sind. Zu der Ausstellung kann man eine Zeitung mitnehmen, die ebenfalls in dieser Schrift gedruckt ist. Im Raum stehen Tische, auf denen diese Schriftzeichen als Keramikstücke herumliegen. An der Wand sind Grafiken und „Keilschrift-Noten“ zu sehen. Alles ist in sterilem Schwarz/Weiß gehalten.

Arsenale Gaggiandre (1573)

Arsenale Gaggiandre (1573)

Den Abschluss des ersten Tages auf der Biennale war für mich dann ein Cappuccino im Giardini delle Vergini am Ende des Arsenale. Dort konnte ich der brennenden Sonne im Schatten der Bäume entgehen und entspannen.

 

Giardini

Vor 1999 wurde die Biennale ausschließlich in den Giardini ausgetragen. Den Gedanken, im Schatten von großen Bäumen zu wandeln, hatte bei 28 Grad und stechendem Sonnenschein etwas schönes. Das Ambiente in der Parkanlage, die in den Stadtteilen Castello und St. Elena liegt, unterscheidet sich erheblich von dem der Ausstellung im naheliegenden Arsenale.

Mitten zwischen den großen Bäumen stehen 28 feste Pavillions verschiedener Staaten. Diese sind in völlig unterschiedlichen Architekturstilen gehalten und stammen aus unterschiedliche Zeiten. Die ersten Pavillons wurden 1907 errichtet, der sehr schöne und schlichte Schweizer Pavillon stammt von 1952 und der extrem filigrane Skandinavische Pavillon aus dem Jahr 1962.

Eingang zu den Giardini

Eingang zu den Giardini

Viele Staaten, die keinen Pavillion auf dem Gelände erbaut haben, stellen in verschiedenen Räumlichkeiten im Stadtgebiet aus. So bin ich bereits am Montag Nachmittag bei einem ersten Stadtrundgang über die Ausstellung von Aserbaidschan am Campo Santo Stefano aufmerksam geworden.

Aserbaidschan "Pavillon"

Aserbaidschan „Pavillon“ in der Stadt

Das ist verständlich, weil der Platz in den Giardini nun mal begrenzt ist, aber leider auch etwas undankbar. Man läuft als Biennale-Besucher vermutlich nicht auch noch die komplette Stadt ab, um jeden Länderbeitrag zu sehen. Und die zigtausend „normalen“ Touristen wissen eventuell gar nicht, was das soll.

Aber zurück in die Gärten.

Biennale Zentralpavillon

Biennale Zentralpavillon

Wie bereits am Vortag fand ich die Architektur interessant, aber meine Begeisterung für die Kunst hielt sich in Grenzen. Gleich zu Beginn kam ich am Deutschen Pavillon vorbei und mich überkam sogar massives Unwohlsein.

Deutscher Pavillon

Deutscher Pavillon mit langer Warteschlange

Das Gebäude selbst wurde 1938 umgebaut – was man ihm deutlich ansieht. Als ob der Pavillon von Albert Speer persönlich verbrochen wäre (er war es tatsächlich nicht) steht auch noch „Germania“ (wie die geplante Hauptstadt des „1000 jährigen Reiches“) über allem. Vorne pa­t­rouil­lie­ren zwei massive Dobermann Weibchen. Aus dem inneren dröhnen schwere, depressive Töne, gegen die Wagners Ritt der Walküren wie leichtfüßiger Samba wirkt.

Mein erster Eindruck: Nazi-Geisterbahn – bloß weg.

Jedoch – nachdem ich den Rest der Ausstellung gesehen hatte, verstand ich, weshalb der Beitrag von Anne Imhoff den Hauptpreis für den besten Beitrag gewonnen hat; Eben genau weil er so starke Gefühle auslöst.

Russischer Pavillon

Russischer Pavillon

Im russischen Pavillon aus dem Jahr 1914 wurden verschiedene Werke gezeigt, die sich ebenfalls mit der Vergangenheit und der Gegenwart des Landes befassen. Eine rundum Video-Projektion und eine Installation spielten mit der ruhmreichen(?) Vergangenheit der UDSSR. Ein weitere Beitrag war dafür im hier und jetzt. Menschliche Körper, die in weissen Kuben feststeckten symbolisieren die automatische Kategorieiserung, die Computer anhand von Social Media Profilen. Den kompletten Körper konnte man nur sehen, wenn man ein Tablet mit einer entsprechenden Augumented Reality-App davor hielt.

Der Pavillon von Griechenland wird mir schon deshalb in Erinnerung bleiben, weil er Zuflucht vor einem heftigen Gewitter bot, dass sich in dem extrem schwülen Klima am Mittwoch Nachmittag entlud. Deshalb bin ich auch leider nicht dazu gekommen, das Gebäude zu fotografieren.

Ich verbrachte eine gute dreiviertel Stunde in dem Gebäude. Das fiel umso leichter, weil es eine wirklich sehr gute Installation enthielt. Man geht eine Treppe nach oben und kann dort von einem Rundgang in ein dunkles Labyrinth sehen. Es sind in Abständen Monitore installiert, die die Vorbereitung eines offensichtlich wichtigen wissenschaftlichen Experimentes zeigen. Das Ambiente in den Filmen wirkt grau-bräunlich und erinnert im Stil an die späten 60er Jahre. Nach dem Rundgang geht es hinunter in das Labyrinth – das wohl die Durchführung des Experimentes selber symbolisieren soll. Hier kann man an einigen passende Soundschnipsel hören. Den Abschluss bildet eine Leinwand, auf der ein Komitee über den Ausgang des Experimentes berät. Offensichtlich hat es möglich gefährliche Nebenwirkungen gegeben und man diskutiert, wie damit umzugehen sei. An der Diskussion sind neben dem Professor und seinen Assistenten auch der Institutsleiter, der für die Finanzierung des Institutes und die von Charlotte Rampling gespielte graue Eminenz von außen (politisch?) beteiligt. Wenn man lange genug sitzenbleibt, bemerkt man, dass sich die Diskussion im Kreis dreht und nie aufhört.

Neben dem griechischen, dem russischen und dem deutschen Beitrag vor allem das Café im Gedächtnis. Als ich es betrat war ich spontan begeistert. Eine Einrichtung im konsequenten 80er Jahre Memphis-Stil, was zu einer Ausstellung über Ettore Sottsass passen würde, die gleichzeitig in Venedig stattfand. Später erfuhr ich dann, dass das Café von Tobias Rehberger zur Biennale 2009 gestaltet wurde und er von der Jury dafür mit einem goldenen Löwen als bester Künstler ausgezeichnet wurde.

 

80er Jahre Design Cafeteria

80er Jahre Design Cafeteria

 

Fazit

Dafür, dass die Biennale eine der wichtigsten Kunstausstellungen weltweit sein soll, fand ich sie in Gänze überraschend fade. Dennoch bereue ich den Besuch auf keinen Fall. Immerhin habe ich einige Werke gesehen, die ich interessant fand. Dass diese fast immer einen düsteren Aspekt hatten (sowohl in der Aussage als auch rein optisch) mag an mir liegen. Wäre ich ausschließlich für die Biennale nach Venedig gereist, dann wäre ich etwas enttäuscht. Das Gesamtpaket aus Venedig und der Biennale hat mich aber sehr angeregt und gefallen.

Warum nicht mal etwas Kunst machen?

Neulich bei einer Vernissage in der Toscanahalle in Berlin Weißensee wurde ich zufällig darauf aufmerksam, dass ich an einer der kommenden Kunstausstellungen teilnehmen sollte. Ich stand bereits auf der Teilnehmerliste.

Ähm – wie jetzt? Kunst? Ich?

Das letzte Mal, dass ich aktiv sowas wie Kunst gemacht habe war im letzten Jahrtausend kurz vor dem Abitur im Leistungkurs. Aber die Dame, die mich einfach so auf die Teilnehmerliste gesetzt hat (Susanne Knaack), hat sich schon etwas dabei gedacht. Für die Ausstellung mit dem Namen „COMPUTERBÖGEN“ wurde jeder der Teilnehmer mit einem Schwung Tabellierpapier ausgestattet um sich damit thematisch auseinanderzusetzen.

 

Ausstellung Computerbögen

Ausstellung Computerbögen

Nun gut. 80er Jahre, Retro, irgendwas mit Computern – das passt natürlich zu mir. Also habe ich mich des Themas angenommen und ein Werk geschaffen.

Es hat etwas mit Papier, Code, 80er Jahre Computern, Musik und Wahrheit zu tun. Einen kleinen akustischen Teaser gibt es hier:

Wer findet, dass das interessant klingt, ist herzlich eingeladen, die Ausstellung vom 17.06.2017 bis zum 02.07.2017 in der Neumagener Str. 25 in Berlin Weißensee anzusehen.

 

Klassiker der (Musik-)Elektronik

An diesem Wochenende habe ich mich mal wieder an die Grundlagen der Musikelektronik erinnert. Es fing damit an, dass ich viele Songs von Kraftwerk gehört habe. Die Gruppe war seinerzeit sensationell radikal – das kann man als junger Mensch heutzutage vermutlich gar nicht nachvollziehen. Aber die sanften Melodien von Autobahn, die drängenden Akkorde von Trans-Europa-Express, oder die Metropolis-artigen Rhytmen von Die Mensch Maschine sind auf jeden Fall immer noch richtige Ohrwürmer.

Leider habe ich es im November 2014 nicht geschafft Karten für die Konzerte in der Nationalgalerie zu bekommen, die Kraftwerk im Januar 2015 gespielt haben. Dafür konnte ich jetzt Konzertkarten für einen anderen Elektronik Pionier bekommen, der ebenso beeindruckend Werke geschaffen hat. Ich freue mich jetzt auf auf Jean Michel Jarre in der Zitadelle Spandau.

Und weil wir jetzt schon bei Klassikern der elektronischen Musik sind, habe ich meinem Verlangen nachgegeben und mir nach einiger Überlegung ein feines Stück Hardware angeschafft: Einen Analog Synthesizer von Moog.

Der Moog Mother 32 sieht neben meinem Keyboard eher niedlich aus und die Daten lesen sich zunächst überhaupt nicht beeindruckend: Ein einzelner Oszillator, der nur Sägezahn und Rechteckwellen erzeugen kann, ein LFO und eine Hüllkurve, die nicht mal vollständig ADSR bietet. Dafür scheinen die aufgerufenen €700,- zunächst etwas happig.

Mein Moog Mother 32

Mein Moog Mother 32

Aber der Eindruck täuscht. Man merkt deutlich, dass die Firma über 50 Jahre Erfahrung in Analogelektronik hat. Die Verarbeitung ist erstklassig. Das Gehäuse ist aus Metall und Holz. Nichts wackelt – alles sitzt bombenfest. Die Drehregler fühlen sich an, als ob sie in Honig gelagert sind, lassen sich sehr feinfühlig dosieren und decken einen erstaunlich breiten Regelbereich ab. Der Sound ist für einen Oszillator überraschend fett und mit dem Patchfeld lassen sich interessante Modulationen erzeugen.

Nach einigem Rumspielen stellte ich schnell fest, dass das Klangspektrum erheblich größer ist, als ich zunächst vermutet hatte. Zudem ist die Bedienung auch nicht allzu schwierig. Ich konnte auf dem eingebauten Sequenzer schnell die Eingangssequenz von Pink Floyds „on the run“ nachbauen und der Klang kam dem Original sehr nahe.

Die Arbeit mit analoger Elektronik unterscheidet sich aber doch erheblich von der an einer Audio Workstation, bei der man überwiegend mit Noten, Patterns und Presets arbeitet und die Arrangements regelrecht festklopft. Auf dem Moog ist nichts 100% exakt reproduzierbar, der ganze Arbeitsprozess ist ein einziges Ineinanderfließen von Sounds. Sehr meditativ! Wie ich diese beiden Welten zueinander bringen kann, weiß ich noch nicht, aber spannend finde ich das auf jeden Fall.

Ein Grund, weshalb ich mich für exakt dieses Gerät entschieden habe, ist, dass es sich hervorragend als Kernstück eines größeren Modularsystems eignet. Falls ich tiefer in diesen Bereich eintauchen möchte, habe ich somit schon einen sinnvollen Grundstock an Funktionen.

In einschlägigen Foren wird übrigens mit einem deutlichen Augenzwinkern davor gewarnt, in den Bereich der analogen Modularsynthesizer einzusteigen. Man würde schnell einer schweren, ansteckenden Krankheit anheimfallen: Dem Gear Akquisition Syndrome (GAS), dessen Endstadium in dem unten stehenden Bild deutlich erkennen kann. ;-)

Enstadium GAS (Symbolbild)

Enstadium GAS (Symbolbild)

Bis dahin werde ich aber vor allem viel Zeit investieren um den Geräten auch einmal solch betörenden Klänge zu entlocken, wie in diesem Werbevideo von Moog.

Neukölln, Nerds und Club Sounds

Neukölln, Nerds und Club Sounds in einem alternativen Laden. Gestern Abend haben sich für mich mal wieder alle Berlin-Klischees erfüllt – im positiven Sinne. Anlass war das Bitwig Meetup im Common Ground in der Neuköllner Weisestrasse. Bitwig ist der Berliner Softwarehersteller der Digital Audio Workstation Bitwig Studio, die ich seit eineinhalb Jahren nutze.

Man feierte das Firmenjubiläum, den Release von Version 2.0 und den Start des Beta-Test-Programms von Version 2.1. und ich war neugierig auf die Menschen hinter der Software. Der Veranstaltungsort ist ein Ladengeschäft, dessen Sinn und Zweck sich nicht im Vorbeigehen erschließt, aber definitiv einen sehr hohen Nerd-Faktor hat. Common Ground ist ein Laden für etwas ungewöhnliche Musikelektronik, eine Bar und ein Hackerspace in einem.

Eingang Common Ground

Eingang Common Ground

Einrichtungstipp: Modulare Wandsynthesizer

Einrichtungstipp: Modulare Wandsynthesizer

Gleich neben dem Eingang war ein Tisch mit einiger Hardware aufgebaut: Zwei Rechner, auf denen Bitwig lief, ein analoger Drumsynthesizer, ein LinnStrument. Das Setup sorgte für den Sound und war stets umlagert. Eine Party, auf der der stundenlang durchlaufende Club-Track live von den Gästen gemacht wird, hat was. Es klang übrigens fast niemals irgendwas daneben, obwohl stets mehrere Leute gleichzeitig an den Reglern waren!

Aktive Gäste schrauben schräge Sounds

Aktive Gäste schrauben schräge Sounds

Ich habe mich erst mal ein Bier und eines von den unglaublich leckeren belegten Broten geschnappt und mich im Laden umgeschaut. Nach einiger Zeit kam ich dann auch mit den Leuten von Bitwig ins Gespräch. Sehr sympathische Menschen. Zu meiner nicht geringen Verblüffung habe ich erfahren, dass die ganze Firma zur Zeit nur aus neun(!) Leuten besteht. Da ziehe ich den Hut vor der Leistung, diese klasse Software zu entwickeln.

Einer der großen Vorzüge der Software ist für mich, dass sie auch auf Linux läuft. Nachdem ich die Bedienung auf einem Riesigen Microsoft Surface Touchscreen gesehen habe, komme ich allerdings etwas ins Grübeln. Das hat definitiv Charme. Weiterhin konnte ich mir ansehen, wie das Zusammenspiel der Software mit analogen Klangerzeugern funktioniert. Das interessierte mich brennend, weil ich mit der Anschaffung entsprechender Teile liebäugele.

Einziger kleiner Knackpunkt war die fast vollständige Abwesenheit weiblicher Gäste. Für Musikelektronik interessieren sich wohl leider immer noch fast ausschliesslich männliche, nerdartige Menschen. Dennoch war es ein sehr schöner Abend. Nette Leute, astreine Sounds und spannende Technik. Ich wünsche Bitwig weiterhin viel Erfolg mit ihrer feinen Software.

Recap 33C3

Das Jahr 2017 ist schon ein paar Tage alt und der 33. Chaos Communication Congress ist bereits seit einer Woche Geschichte. Mit etwas Abstand möchte ich meine Eindrücke zusammenfassen.

Entspanne und genieße

Im Gegensatz zu meinen letzten Besuchen bin ich dieses Mal etwas anders vorgegangen. Während des Kongresses habe ich so gut wie nichts veröffentlicht; Nicht auf meinem Blog und auch auf Facebook nur ein paar Bilder. Ich habe auch nicht so viele Veranstaltungen besucht, sondern mich eher entspannt treiben lassen. Der Kongress ist mit seinen 12.000 Besuchern derart groß und wuselig, dass man mit Gelassenheit viel weiter kommt, als wenn man ständig zwischen den Säälen hin und her rennt. Einige interessante Vorträge habe ich mir erst später in Ruhe zu Hause angesehen. So konnte ich in Ruhe das tolle, bunte, lustige, anregende Ambiente genießen.

33C3 Dekoration

33C3 Dekoration

33C3 Hackcenter

33C3 Hackcenter

33C3 - 3D Drucker en masse

33C3 – 3D Drucker en masse

33C3 Partyzone

33C3 Partyzone

Traditionsgemäß waren auch diesmal wieder die ganzen Zwischengeschosse und Aufenthaltsbereiche bunt und fantasievoll dekoriert. Mal im Stil eines englischen Salons, mal sind es Beduinenzelte, dann wiederum feinstes 70er Jahre Kunststoffblasen Ambiente á la Barbarella. Die Assemblies und das Hackcenter lagen wie immer im halbdunkel, was die ganzen Spielereien mit LEDs, Projektoren und Elektrolumineszentbändern richtig zur Geltung kommen ließ. In der großen Halle war wie in den Vorjahren wieder eine clubmäßige Partyzone. Die riesigen Installationen erinnerten diesmal an Tetris und Minecraft und es wurde bereits am frühen Abend feinster chilliger Elektrobeat gespielt.

33C3 Organisation

33C3 Organisation

Die Organisation ist mittlerweile unfassbar gut eingespielt. Es wurde an tausend Details gedacht, ein eigenes Telefonnetz installiert und das WLAN war immer gut. Das ist um so bemerkenswerter, weil die ganze Arbeit von Freiwilligen (Engeln) gemacht wird. In diesem Jahr hatten sich sage und schreibe 2.500 Leute dafür gemeldet – mehr als benötigt wurden.

Natürlich wimmelte es auch wieder von kleinen Späßchen: Am Eingang der Toiletten hingen Zettel, die den WLAN-Empfang mit 0-5 Sternen bewerteten, ich habe ein Wettrennen zwischen zwei Jungs auf einem rollenden grünen Cordsessel und einer Matekiste gesehen, eine Polonaise von 15 Leuten auf Hoverboards und noch viele andere lustige Sachen.

Vorsicht: CYBER!

Der Running-Gag der Veranstaltung war aber der Begriff Cyber. Ein Begriff, den seit Ende der 70er Jahre eigentlich keiner mehr benutzt, aber in letzter Zeit von Leuten, die überhaupt kein Fachwissen haben, für ihre politische Propaganda genutzt.
Folgerichtig wurde mit zwinkerndem Auge alles, was irgendwie „gefährlich“ war mit gelbem Cyber-Absperrband gekennzeichnet: Von fiktiven Tatorten über Laptops, bis zu den Besuchern selber, die sich die Bänder auf ihre Klamotten geklebt haben.

33C3 - Vorsicht: Cyber!

33C3 – Vorsicht: Cyber!

Auch diesmal gab es natürlich wieder sehr viele spannende Vorträge mit Themen irgendwo zwischen Politik, tollen Basteleien und Raumfahrt. Einige waren lustig (wie baue ich einen Flipper selber) und einige wiederum extrem ernst (wie tötet man Menschen aus tausenden Kilometer Entfernung mit einer Drohne, wenn man nur ihre Telefonnummer hat).

Für mich waren in diesem die folgenden Schwerpunkte wichtig:

  • Messenger
  • Vertrauenswürdige Hardware
  • Datenanalyse

Messenger

Messenger sind in den letzten Jahren ein großes Ding geworden. Ich habe so einen seltsamen Walled-Garden-Zwitter zwischen E-Mail und SMS zwar nie vermisst, aber zu meiner Verblüffung haben sich die breiten Massen auf WhatsApp und Co gestürzt und man wird mittlerweile dumm angeguckt, wenn man so etwas nicht hat. Also muss man sich wohl damit beschäftigen. Aus diversen Gründen halte ich zur Zeit keinen einzigen Messenger für gut, aber ich bin ja lernwillig. Also habe ich mir zwei Veranstaltungen angesehen.

In einem kleineren Workshop Raum fanden sich ca. 100 Zuhörer ein, um einen Vergleich der folgenden Messenger zu hören: WhatsApp, Signal, Viber, Threema, Wire, Kontalk, Facebook Messenger, Telegram, Allo und Skype. Alleine die Vielfalt zeigt schon ein Grundproblem aller Angebote: Sie sind abgeschottet. Keiner kann mit dem anderen kommunizieren, wenn der ein anderes System nutzt.

In dem Vortrag ging es nur um einen kleinen, aber wichtigen Teilaspekt: Die Sicherheit. Der Laie hört nur „WhatsApp ist ja verschlüsselt“ und damit ist alles gut. Leider ist die Realität nicht so einfach. Um es kurz zu machen:
Es gab keine Lösung, die als wirklich sicher und vertrauenswürdig einzustufen ist. Skype ist bereits in der Vorrunde mangels End-to-end Verschlüsselung ausgeschieden, Threema konnte sich als „vermutlich sicher, aber nicht völlig vertrauenwürdig“ noch relativ gut behaupten.

Threema war auch Untersuchungsgegenstand der Vortrags „A look into the Mobile Messaging Black Box“ von Rolan Schilling, der hier zu sehen ist:

Hier wurde der Threema Messenger per reverse-Engeneering untersucht: Die Verschlüsselung selber, das Schlüssel Management und das Kommunikationsprotokoll. Das Fazit ist, dass alles handwerklich sauber zu sein scheint. Das letzte bestehende Problem ist die Vertrauenswürdigkeit des Programms selber. Die Vortragenden ermutigen Threema deshalb, den Source Code des Clients als Open Source freizugeben. Dazu haben sie bereits selber Code auf Github eingestellt, den sie qualitativ als „lediglich akademisch“ eingestuft haben: https://github.com/o3ma

Vertrauenswürdige Hardware

Eine der größten momentanen Herausforderung betreffs der Sicherheit ist aktuell aber, dass es prinzipiell unmöglich ist, sicher über eine Hardware zu kommunizieren, die auf unterster Ebene von Backdoors verseucht ist. Das gilt zur Zeit für alle PC, Router, Smartphones und sonstige Geräte.

Der Vortrag „Virtual Secure Boot“ von Gerd Hoffmann zielte darauf ab, wie man einen PC sicher bootet. Das ist erstaunlicherweise mit sehr viel Aufwand verbunden und kann nur bei sehr wenigen Modellen nachgerüstet werden.

Der Vortrag „Untrusting the CPU“ von Jaseg handelte davon, wie auf einem nicht vertrauenswürdigen Computer sicher und verschlüsselt kommuniziert werden könnte. Der Vorschlag ist im Prinzip ein Gerät, das zwischen die Ein- und Ausgabe gehängt wird. Der Computer bekäme von den verschlüsselten Nachrichten gar nichts mit.

Der Ansatz ist auf technischem Level sehr interessant, aber auf einer höheren Ebene ziemlich am Thema vorbei. Denn die eigentliche Frage ist:

„Wie stelle ich sicher, dass ich einen Rechner ohne Backdoors habe?“

Das kann mit den Standardcomputern, die heutzutage erhältlich sind prinzipiell nicht erreicht werden. Wenn man schon so ein technisch aufwendiges Zwischengerät, wie Jaseg es vorschlägt, herstellen würde – wieso baut man dann nicht stattdessen einen einfachen und sicheren Computer?

Komplexität nicht durch noch komplexere Ansätze ersetzen

Mir ist in letzter Zeit ohnehin aufgefallen, dass es generell eine Neigung gibt, Dinge die aufgrund übergroßer Komplexität unsicher oder unbedienbar werden, durch das Hinzufügen weiterer Elemente zu reparieren. Leider wird das zugrunde liegende Problem dadurch nicht gelöst und die Komplexität steigt weiter.

Als sinnvoller empfinde ich es, eine Sicherheitslücke mit einfachen Mitteln anzugehen. In ihrem Vortrag „Hochsicherheits-Generalschlüssel Marke Eigenbau“ erläutern Michael Weiner und RFGuy über eine Dreiviertelstunde lang, wie sie sich für ein bestimmtes mechanisches Schließsystem einen Generalschlüssel berechnet und angefertigt haben.

Verblüffenderweise weisen sie am Schluss darauf hin, dass das System gut sei, obwohl sie es knacken konnten. Man müsse nur aufpassen, dass die Schlüssel nicht fotografiert werden können und empfehlen daher, die Schlüssel stets in einem Mäppchen zu transportieren.

 

Datenanalyse

Der Satz „Ich habe doch nichts zu verbergen“ zeugte schon immer von naiver Unwissenheit. Ich habe dann häufig geantwortet „Das kannst Du nicht beurteilen, weil Du nicht weißt wer wann was aus Deinen Daten herausliest.“

Genau hierzu gab es einen wundervollen Beitrag von David Kriesel: „SpiegelMining – Reverse Engineering von Spiegel-Online“, in dem eine Datenanalyse der Veröffentlichungen von Spiegel Online vorgestellt wird. Interessant sind hier bei die Erkenntnisse, die quasi „um die Ecke“ gewonnen wurden. Das sind Dinge, die in den Rohdaten eigentlich gar nicht drinstecken, wie Inhaltepräferenzen der Leser, Kommentartätigkeiten, verändertes gesellschaftliches Bewusstsein und eine Abschätzung, welche Redakteure miteinander ein Verhältnis haben könnten. Absolut sehenswert!

Noch beklemmender, weil es jeden von uns angeht, ist die Datenanalyse im Vortrag „Build your own NSA“ von SVeckert und Andreas Dewes auf der Basis von Webtracking. Aus einem Datensample konnten Personen de-anonymisiert werden. Als die Politikerin Valerie Wilms (MdB, Die Grünen) über die Erkenntnisse zu ihrem Tagesablauf, den Bankverbindungen, Interessen und zur Struktur ihrer Einkommensteuererklärung informiert wurde, meinte sie „Is echt alles zu sehen, ne? Scheisse!“

Fazit

Auch der 33. Chaos Communication Congress hat wieder eine Gefühlsmischung aus Neugier, Ratlosigkeit und Niedergeschlagenheit – aber auch Faszination und einer Menge Spass bei mir hinterlassen. Es war auf jeden Fall eine großartige Veranstaltung.

In diesem Jahr muss sich der CCC jedoch nach einem anderen Veranstaltungsort umsehen, da das Congress Centrum Hamburg saniert und 2019 wiedereröffnet werden soll.

Old-Boys-Punk und Heimaturlaub

Hinter mir liegt ein verlängertes Wochenende in Hannover, das mir sehr viel Spaß gemacht hat. Ich möchte den Menschen danken, die dazu beigetragen haben (in chronologischer Reihenfolge):

Maike, Uwe, Melanie, Olaf und Bernd, den ich nach dem Konzert kennenlernen durfte.

Es gab nette und interessante Gespräche, lecker Kaffee und Kuchen in der Menagerie, ordentliche Mengen Newcastle Brown Ale im Jack the Ripper’s, erstaunlich leckere „zwischendurch Pizza“ in Oberricklingen, plötzlich richtig gutes Wetter, als wir auf der Driving Range in Gleidingen waren und natürlich den Anlass meiner kleinen Reise: Das rappelvolle Konzert der Dead Kennedys im Kulturzentrum Faust.

Obwohl es nicht mehr ganz die Originalbesetzung war und die Zuschauer (wie ich) so langsam aufs Seniorenalter zugehen, ging die Post ganz gut ab. Zum Abschluss gab es dann noch einen Absacker im Izarro.

Heute Morgen in der Markthalle noch ein paar regionale Spezialitäten geholt und danach ging es zurück nach Berlin.

Und jetzt könnte ich gut ein Wochenende gebrauchen um auszuspannen…

Morgens in der List

Morgens in der List

Mittags auf dem Golfplatz

Mittags auf dem Golfplatz

Abends Old-Boys-Punk

Abends Old-Boys-Punk

Langes Nerd Weekend

Der Tag der Deutschen Einheit hat uns Anfang Oktober zu einem langen Wochenende verholfen, das Wetter schwenkte aber nun endgültig in Richtung Herbst.

In Berlin gab es für Nerds zwei Veranstaltungen, an denen man sich die Zeit vertreiben konnte: Die Maker Faire hatte ihre Publikumstage am Samstag und Sonntag und das Vintage Computing Festival am Sonntag und Montag.

Maker Faire Berlin 2016

Die Veranstaltung fand in der Station am Gleisdreieck statt. Ich besuchte sie zum ersten Mal und ich wusste im Vorfeld noch nicht so recht, was ich davon halten sollte, obwohl ich natürlich das Eine oder Andere im Vorfeld gelesen hatte.

Maker Faire in der Station Berlin

Maker Faire in der Station Berlin

Gut besucht

Gut besucht

In zwei Hallen ging es im Prinzip darum, Leute fürs Selbermachen zu interessieren, inspirieren und zum Kauf von entsprechenden Materialien und Werkzeugen zu bewegen. Es gab Stände, die handwerkliche Dinge zeigten, wie Bootsbau mit selbstgebogenen Hölzern, textiles Gestalten, Ringe schmieden usw. Der Schwerpunkt lag aber auf elektronischen Basteleien, 3D Druck, Lasercutter und Robotik.

R2-D2 in Aktion

R2-D2 in Aktion

Der R2-D2 Builders Club zeigte mehrere, sehr realistisch anmutende „Androiden“, teilweise in Aktion und in verschiedenen Montagestufen. Dennoch kann man hier eigentlich nicht von Robotern sprechen, da es sich am Ende doch „nur“ um ferngesteuerte Robotermodelle handelt.

Nao Roboter

Nao Roboter

Der knapp 60cm große Nao von Aldebaran Robotics ist hingegen ein echter autonomer, humanoider Roboter. Er war massenweise auf der Maker Faire vertreten, weil hier mehrere Mannschaften im Robo-Cup gegeneinander antraten.

Robocup

Robocup

Man konnte hier einen netten Nachmittag verbringen, wobei ich die eigenartige Kombination aus „wir zeigen mal, was wir tolles machen“, „probier mal selber“ und „hier kannst Du Werkzeug und Material kaufen“ immer noch seltsam finde. Da ich regelmäßig thematisch entsprechende Websites (Hackaday, Adafruit, Make:,…) besuche, hat mich allerdings inhaltlich nichts wirklich überrascht.

Familien, die ihre Kinder spielerisch an den Umgang mit Technik und vor allem an die Idee heranführen wollen, dass man Dinge auch selber bauen kann, anstatt sie fertig zu kaufen, sind hier richtig gewesen.

Vintage Computing Festival 2016

Wie auch schon in den letzten Jahren fand im Pergamon Palais der Humboldt Universität Berlin das Vintage Computing Festival statt. Es gab auch in diesem Jahr wieder Vortäge, viele interessante Exponate, einen Game Room, in dem Spiele auf diversen alten Videospielen und Computern gespielt werden konnten und eine Party mit Chiptunes.

Die gezeigte Hardware fand ich im Vergleich zu den Veranstaltungen in den letzten Jahren vom Umfang insgesamt etwas schwächer, obwohl auch wieder einige originelle Highlights gezeigt wurden. Beispielhaft sei ein selbstgebautes Vectordisplay genannt, auf dem man u.a. Mazewar (einem Multiplayer, First Person Shooter aus dem Jahr 1974!) und das Vectrex Spiel Minestorm bewundern konnte.

MazeWar auf selbstgebautem Vectordisplay

MazeWar auf selbstgebautem Vectordisplay

Die TU Berlin war ebenfalls wie in den letzten Jahren mit selbstgebauter Hardware vertreten: Diesmal mit dem Space Age II, einem 32-Bit-Computer, dessen CPU aus 490 TTL-Bausteinen aufgebaut ist und eine MIPS 1 kompatiblen Befehlssatz unterstützt.

Space Age 2 TTL Computer

Space Age 2 TTL Computer

 

Für mich waren in diesem Jahr die Vorträge interessanter. An der „Kurztagung „Hello, I’m ELIZA.“ – Zum 50. Geburtstag eines Chatbots“ habe ich leider nicht teilgenommen. Das war insofern schade, als Chatbots ja momentan von den großen Treibern aus den USA (Google, Facebook, Amazon, Apple, Microsoft,…) zum „next big thing“ hochgepusht werden. Ich bleibe da eher etwas skeptisch.

Sehr beeindruckt hat mich der Vortrag „Spracherkennung mit dem Z9001„, in Volker Pohlers zeigte, wie in den 80er Jahren in der DDR mit unglaublich geringen Mitteln eine rudimentäre Sprachsteuerung (50 gesprochene Befehle) entwickelt wurde.

Wolfgang Stief führte seine interessante Vortragsreihe über den „Vater des Supercomputings“ unter dem Titel „Defining Supercomputing – Seymour Cray und die CDC 6600“ weiter. Zu der etwas desolaten Raumsituation der Großcomputersammlung Sammlung in München gab es leider nichts Neues. Die Halle ist noch immer gesperrt und der Ersatz nicht fertiggestellt.

Aber auch die robuste 8-Bit Technik der 70er Jahre wurde wieder ausführlich behandelt. Hans Franke referierte nach etwas holperigem Start über Vor- und Nachteile der Speicherorganisation typischer 8-Bit Computer.

Dr. Frederik Holst erzählte in seinem Vortrag „Die inneren Werte zählen – Perspektiven- und Paradigmenwechsel beim Übergang von Hoch- zu Maschinensprache“ von seinen Schwierigkeiten, Maschinensprache zu lernen. Hochsprachen sind problemnah (z.B. „Zeichne ein Kreis auf den Grafikbildschirm“), was sie zunächst verständlicher macht, obwohl es viele unterschiedliche Befehle gibt. Maschinensprache hat im Vergleich dazu nur sehr wenige Befehle (z.B. „Schreibe Wert X in Speicherstelle Y“). Allerdings muss man die Hardwarearchitektur des Rechners bis ins Detail verstehen und sich selber um jedes winzige Detail kümmern. Es ist also eine vollkommen andere Sicht auf das Problem und den Computer nötig.

Ich hatte noch eine Diskussion mit Wolfgang Stief zum Thema Software auf Großrechnern. Zwar ist es fantastisch, dass sich Menschen finden, die die alten Rechendinosaurier funktionsfähig halten, aber mir fehlen die Anwendungen. Wie will man den Sinn und Zweck der alten Technik demonstrieren?

Während es für die alten Heimcomputer massenhaft Spiele gibt, die katalogisiert und gesammelt werden, und die für die ersten PCs typischen Softwarepakete, wie Wordstar und Visicalc (trotz der rechtlich problematischen Situation) verfügbar sind habe ich noch keine Software für Grossrechner gesehen. Wo sind die Buchhaltungs- und Bankprogramme? Wo ist Software zur Wettervorhersage und zu Crashtests? Hier hat die Medienarchäologie noch ein weites Feld zu beackern.

Der VCFB hat für mich ein wenig den Charakter eines Klassentreffens. Einerseits, weil man mittlerweisle viele der Aktiven kennt, andererseits auch wegen dem robusten Do-it-yourself Charme der Veranstaltung. Dabei meine ich ausdrücklich nur das Ambiente, denn was der Fachbereichs Medienwissenschaften der HU Berlin zusammen mit dem Hackerspace AFRA und der technischen Unterstützung des Chaos Computer Clubs hier seit Jahren auf die Beine stellt ist bemerkenswert professionell organisiert. Leider fand das VFCB in diesem Jahr zum letzten Mal in den Räumen der Humboldt Universität statt. Im nächsten Jahr wird dafür das Technikmuseum Berlin Räumlichkeiten auf seinem Gelände am Gleisdreieck zur Verfügung stellen. Man darf gespannt sein.

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