tiny little gizmos

London, Oktober 2023

Wie schon im letzten Jahr, war ich auch in diesem Jahr wieder für ein paar Tage in London. Einer meiner Jugendfreunde lebt dort und sein Geburtstag war Anlass genug um sich in der Metropole mal wieder blicken zu lassen. Obwohl ich die Stadt bereits zum vierten Mal seit 2018 besucht habe, konnte ich wieder viele interessante Orte und Dinge entdecken.

London City Airport – spektakulär und empfehlenswert

Wie bereits 2022 bin ich mit British Airways zum London City Airport in den Docklands geflogen (London hat 5 Flughäfen, die man von Berlin auch alle erreicht). Diesmal bin ich auch von dort abgeflogen und kann es nur empfehlen. Der Flughafen ist klein, schnell und es gab nicht eine Minute Verspätung. Zudem sind die für die Strecke eingesetzten kleinen Embraer 190 sehr komfortabel.

Noch näher dran am Terminal geht nicht – London City Airport

Den spektakulären Anflug knapp vorbei an den Hochhäusern der City und der Docklands hatte ich im letztjährigen Artikel (London, Oktober 2022) bereits beschrieben.

Der Start ist auch sehr speziell: Die Startbahn, die zwischen zwei ehemaligen Hafenbecken liegt, ist mit 1500m extrem kurz. Der Flieger steht am letzten Ende, links und rechts Wasser. Die Bremsen sind fest angezogen, während die Triebwerke auf Vollast hochgefahren werden. Das ganze Flugzeug vibriert, die Tragflächen kommen schon ins schwingen und dann werden auf einmal die Bremsen gelöst. Wow – so schnell bin ich noch nie in der Luft gewesen! Fast ein Katapultstart.

Wetter

Laut Voraussage sollte es an allen Tagen stark und ständig Regnen. Freundlicherweise hielt sich das Wetter nicht ganz daran und wir hatten zwischendurch viel Sonne und konnten so ausgedehnte Spaziergänge machen. Trotzdem: Es hat jeden Tag geregnet und wir hatten immer um 90% Luftfeuchtigkeit. Alle meine Sachen waren stets klamm.

Der Goldbarren in meiner Hand

Im letzten Jahr hat mich der Besuch in der British Library begeistert, bei dem ich etliche historische Schätze im Original ansehen konnte. In diesem Jahr hatte ich ebenfalls eine besondere Erfahrung:

In der Bank of England einen echten Goldbarren anzufassen und sein verblüffend hohes Gewicht zu spüren!

Ihr wisst schon, diese Dinger, die als Währungsreseve in Fort Knox gestapelt werden, wie bei James Bond. Und eben in der Bank of England. Die haben angeblich über 400.000 Stück davon.

Bank of England

Natürlich kommt man dort nicht in die Tresorkammern. Aber die Bank hat ein Museum, in dem man einen(!) Goldbarren anfassen kann. Das Ding ist natürlich so gesichert, das man ihn nicht mitnehmen und auch nicht etwas davon abkratzen kann.

Einer von über 400.000 Goldbarren zum Anfassen

Der Barren aus 99.5% reinem Gold fühlt sich angenehm an und ist verblüffend schwer, selbst wenn man das eigentlich schon vorher weiß. Es sind satte 13Kg. Und nachdem ich das wusste, habe ich gleich mal den aktuellen Goldpreis gegoogelt. Ich hatte den Gegenwert eines guten Einfamilienhauses in der Hand: ca. €780.000. Puh…

Das Museum ist auch sonst sehr interessant: Alte Münzen, Geldscheine, Schecks und sogar die Gründungsurkunde der Bank of England von 1694. Passend dazu wurde erklärt, wie bis zum 17. Jahrhundert zunächst die Goldschmiede Währungshüter waren und nach einem Staatsbankrott die Zentralbank gegründet wurde. Aber auch die Verstrickung der Bank of England in den Sklavenhandel wurde ausfühlich thematisiert. Auf jeden Fall ein sehr lohnenswerter Besuch.

Freizeitvergnügen

Abends haben wir gerne mal zwei Bier im Black Lion Pub in der Kilburn High Road zu uns genommen. Der Pub sieht klasse aus, die Bedienung ist freundlich und aufmerksam, das Bier schmeckt gut und sowohl Sunday Roast (Rinderbraten mit Yorkshire Pudding) als auch der (die, das?) Cheesy Naan waren lecker.

Black Lion Pub – tolles Ambiente, leckeres Essen, viele gute Biersorten

Am Geburtstag von meinem Freund sind wir Mittags zunächst wie in alten Zeiten eine Runde Billiard spielen gegangen. Wir waren zunächst etwas irritiert, weil sich die Billardsalons alle „Billardclub“ nannten. Tatsächlich sind es Clubs, bei denen man Mitglied sein kann. Aber auch als normaler Mensch bekommt man einen Tisch, wenn etwas frei ist. Als wir meinten, wir möchten für eine Stunden einen „Pool Table“ haben, wurden wir gleich wieder mit den kleinen, feinen kulturellen Unterschieden konfrontiert: „Ihr meint American Pool?“ Ähm – ja. Snooker muss nicht sein.

Wie in alten Zeiten – nur mit weniger Haaren

Ich hatte schon einige Wochen vor der Reise vorgeschlagen, wir könnten uns Livemusik anhören und recherchiert, was so geht. Irgendwas nettes, nicht zu teuer und so halbwegs in der Gegend wo mein Kumpel wohnt. Man will ja nicht nachts müde und evtl. etwas angetrunken durch die ganze Metropole zurückeiern. Ich bin dann auf Larkin Poe im Roundhouse in Camden aufmerksam geworden. Die Gruppe sagte mir nichts, aber zwei Frauen die amerikanischen Southern Rock spielen, fand ich passend.

Besser hätte ich es kaum treffen können. Der Veranstaltungsort ist ein ehemaliger alter Lokschuppen aus dem Jahr 1847(!) unweit des berühmten Camden Market. Tolle Location! Das Eröffnungskonzert haben 1966 übrigens Pink Floyd gegeben und seit dem haben so ungefähr alle hier gespielt: Stones, Bowie, Led Zeppelin, Doors, Motörhead, Kraftwerk, …

Passend zu Geschichte des Ortes habe ich mich bei der Vorgruppe The Sheepdogs spontan um 50 Jahre in die frühen 70er gebeamt gefühlt: Southern Blues Rock (obwohl sie aus Kanada sind) im Stile von Allman Brothers, Creedence Clearwater und so weiter. Und die Optik war ebenfalls im 70er Stil. Vor allem sind die Jungs gut! Und das Londoner Publikum hat das gewürdigt. Spätenstens beim zweiten Song waren alle gut dabei, wie das in Berlin häufig nur beim Hauptact der Fall ist.

Roundhouse Camden – The Sheepdogs

Larkin Poe waren eine Spur heftiger und moderner im Sound und haben den Saal ordentlich gerockt. Zwischendurch gab es auch einen rein akustischen Part zu dem sich alle vier Musiker um ein Mikro gruppiert haben um reinsten Südstaaten Blues zu spielen. Als das Publikum schon gut in Schwung war, lobte Sängerin Rebecca Lovell die britische Rockmusik um dann Elton Johns „Crocodile Rock“ zu spielen. So ungefähr der ganze Saal (ca. 1000 Besucher) hat laut und deutlich mitgesungen. Das nenne ich mal eine gelungene Hommage an die Gastgeber!

Larkin Poe in Action

Ich hatte eigentlich auch aufgrund des verträglichen Preises von ca. £32,- eher mit einem netten Abend in einem etwas größeren Club gerechnet. Bekommen haben wir ein großartiges Rockkonzert.
Klasse!

Überhaupt – Musik…

An den unmöglichsten Stellen stehen in der Stadt Klaviere herum: Im Bahnhof, im Einkaufszentrum und so weiter. Und wenn sich da jemand dransetzt, kann diese Person auch sehr gut spielen. Egal wo ich in London bisher jemanden habe musizieren hören (Pub, Bahnhof, Strassenmusikanten, …) – das Niveau ist stets exzellent gewesen. Und falls Ihr jemals an der Abbey Road seid: Lasst das Foto auf dem Fußgängerüberwegs bleiben. Ich bin da 20 mal mit dem Bus vorbei – immer dasselbe: Die Touristen verstopfen da andauernd die Strasse und ein gutes Foto wird es eh nicht.

Abbey Road Studios – aus dem fahrenden 139er Bus aufgenommen

Der Norden: Hampstead / Golders Green / Fortune Green

Den Sonnenschein am Dienstag haben wir genutzt, um den Norden Londons zu erwandern.
Wir sind zunächst von Süden nach Norden durch den riesigen, hügeligen und wilden Landschaftspark Hampstead Heath gelaufen. Dabei haben wir wieder den grandiosen Ausblick vom Parliament Hill über die Innenstadt genossen (Foto von letztem Jahr hier: London, Oktober 2022), sind an malerischen Teichen, knorrigen alte Bäumen vorbeigelaufen und sind von Ausblicken auf Teile Londons, die wie verträumte Kleinstädte in kleinen Tälern im Wald zu liegen scheinen, überrascht worden.

Blick auf London – gerade mal 6km von der City entfernt

Danach sind wir nach Westen zur Hampstead High Street gelaufen. Auch hier viel Grün und Kleinstadtfeeling. An den Läden merkt man, dass Geld hier absolut kein Problem für die Bevölkerung ist. Alles klein, fein, tippi-toppi. Das war genau richtig um ganz entspannt eine kleine Stärkung in einem schnuckeligen Cafe einzunehmen, bevor ich mir eine Besonderheit angesehen habe, die mich seit meinem ersten London Besuch 1980 interessiert hat: Die tiefste U-Bahn Station in London.

Die 1907 eröffnete Station Hampstead der Northern Line liegt fast 60m tief. Sie hat daher keine Rolltreppen sondern nur Aufzüge und eine Treppe für Notfälle. Während die Eingangshalle oben und der Tunnel unten immer noch fast im schicken Originalzustand und gut gepflegt sind, macht der Treppenschacht schon optisch sehr deutlich, dass man die 320 Stufen bitte nur im Notfall benutzt werden sollte: Keine Verkleidung der Metallwand und in der Mitte lärmt der Ventilationsschacht.

320 Stufen in die Tiefe – ich habe die „Umdrehungen“ nicht gezählt.

Von hier aus fuhren wir 1 1/2 Stationen in Richtung Norden nach Golders Green.

Ups – woher kommt die halbe Station?

Eigentlich sollte es zwischen Hampstead und Golders Green noch die Station Old Bull and Bush in fast 70m Tiefe unterhalb des Golders Hill geben. Aber weil die darüber geplante Siedlung nie gebaut wurde, gibt es die Station nur im Rohbau.

Am Auslauf des Golders Hill kommt die Northern Line ans Tageslicht. Und kurz hinter den drei(!) Tunnelportalen liegt die Station Golders Green und ein Betriebshof der Tube. Man merkt deutlich, dass dieser Stadtteil erst mit der U-Bahn kurz vor dem ersten Weltkrieg angelegt wurde. Die ehemalige Dorfstraße ist von dreigeschossigen Wohnhäusern gesäumt, die kleine Läden im Erdgeschoss haben und der Rest sind recht großzügige Doppelhäuser mit Garten. Nicht die sonst üblichen Reihenhäuser.

Hampstead Cemetery – perfekte Kulisse für Gruselgeschichten

Von hier aus sind wir mit dem Bus wieder nach Süden zum Fortune Green gefahren. Diese ehemalige Gemeindewiese sollte Ende des 19. Jahrhundert komplett bebaut werden, aber die Anwohner haben damals die Fortune Green Preservation Society gegründet und einen Teil gerettet. Da musste ich sofort an den kautzigen Song We Are The Village Green Preservation Society denken, mit dem Kinks 1968 die englischen Besonderheiten und Spleens auf die Schippe nahmen. Ich habe den Song auch dann nicht mehr aus dem Kopf bekommen, als wir über den daneben liegenden Hampstead Cemetery gelaufen sind. Sehr alt und wild. Nachts bei feuchtem, nebligen Wetter ist das die perfekte Kulisse für Horrorgeschichten.

Gondar Gardens – typische mitteldichte Bebauung in West Hampstead

Stadtumbau

London gehört zu den teuersten Städten der Welt. Ich finde es recht erstaunlich, dass immer noch der größte Teil des Stadtgebietes aus kleinen Reihenhäusern besteht. Weniger erstaunlich ist es hingegen, dass auch sehr viel Stadtumbau mit wirklich großen Hochhäusern durchgeführt wird. Nicht nur Bürogebäude in der City, sondern auch Wohnhochhäuser. Ich habe extrem schrecklich Gegenden gesehen (Docklands), ziemlich schreckliche (neben dem Millenium Dome) und schreckliche (Vauxhall, neben dem MI6) und rund um das ehemalige Kraftwerk Battersea.

Themseufer in Vauxhall – umso erträglicher, je weiter man weg ist.

Ein eher gelungenes Gebiet für Stadterneuerung liegt sehr zentral in Kings Cross. Drei der größten Bahnhöfe Londons liegen auf nicht einmal 700m nebeneinander an der Euston Road: Euston (hässlicher Zweckbau aus den 60ern), St. Pancras (unglaublich protziger „Barock“ in rotem Backstein) und Kings Cross (Schlichte Fassade aus gelbem Backstein mit zwei gigantischen Torbögen).

Hinter dem Bahnhof Kings Cross liegt ein neues Stadtquartier

St. Pancras und Kings Cross liegen direkt nebeneinander und teilen sich den größten U-Bahnknotenpunkt der Stadt. Die Gleisanlagen laufen nach Norden ca. im 35 Grad Winkel auseinander. Das V-förmige Gebiet dazwischen wird vom Regents Kanal durchzogen und war früher Umschlagplatz für Kohle, Standort eines Gaswerkes, sowie für kleine Industriebetriebe. In dieser lauten schmutzigen Gegend wohnten auch noch viele arme Menschen, weshalb die 1906 eröffnete U-Bahnstation Yorck Road ab 1918 zunächst teilweise und ab 1932 komplett geschlossen wurde.

Man mochte die Herrschaften, die in die Vorort pendelten nicht unnötig den Kontakt mit armen und schmutzigen Menschen zumuten…

Wohnungen in alten Gasometern neben der Schleuse
Renovierte Industriebauten am Kanal – mit Hausboot Liegeplätzen

90 Jahre später ist hier ein neuer Stadtteil entstanden – und er funktioniert verblüffend gut. Das liegt vor allem an seinen Widersprüchen: Zentral und belebt, aber ruhig. Moderne Neubauten, aber die industrielle Vergangenheit nicht komplett abgeräumt. Dicht, aber mit genügend Freiflächen, Wasser und sogar etwas Grün. Sehr verkehrsgünstig, doch ohne Straßenverkehr.

Coal Drop Yard – angenehme Mischung aus alt und neu, Platz und Dichte

Zudem gibt es eine gute Nutzungsmischung: Sehr viel Bürofläche für so ‚unbedeutende‘ Firmen wie Google, Meta, Samsung diverse AI-Firmen usw.. Daneben ist ein sehr großes Gebäude mit Colleges für Kunst, Design und Theater. Es gibt sehr viele Wohnungen; Teilweise Apartements für etliche Millionen, aber auch 30% sozialer Wohnungsbau (was immer das in London bedeutet) und sogar Studentenwohnheime. Entlang des Regent Kanals gibt es auch etlich Liegeplätze für Hausboote. Auf dem Gelände findet sich viel Gastronomie und etwas Einzelhandel. Herausgekommen ist ein recht angenehmer Ort, der versucht, die Historie mit einzubeziehen. Der Ort ist recht belebt, aber ruhig.

Wasser, Hausboote, Cafes, etwas Grün, Supermarkt, mitteldichter Wohnungsbau

London wäre aber nicht London, wenn nicht ein paar Strassenblöcke weiter an einer Hauptstraße ein winziger Durchgang wäre, in der man sich plötzlich in das Jahr 1880 zurückversetzt fühlt.

Durchgang in Kings Cross
U-Bahn im offenen Einschnitt: Metropolitan, Circle, Hammersmith & City

Wir haben noch etliche andere Dinge gesehen. Zum Beispiel bin ich zum ersten Mal durch den Hyde Park gelaufen oder habe mir den Flohmarkt in der Portobello Road angesehen. Den halte ich übrigens für maßloß überbewertet. Ich meine, er ist ganz nett, wenn man gerade mal in der Gegend ist. Muss jetzt aber auch nicht sein. Da finde ich den Flohmarkt am Mauerpark in Berlin spannender.

Ich kann aber jetzt nicht jede Kleinigkeit aufzählen, die wir gemacht haben, sonst wird dieser Artikel ja nie fertig. Darum komme ich jetzt mal zum…

Fazit

Innerhalb von 5 Jahren war ich jetzt vier mal in London. Jedes mal für mehrere Tage mit straffem Programm. Ich halte mich meist etwas Abseits von den üblichen Sightseeing Routen, aber ich habe immer jede Menge interessanter, skurriler, historisch bemerkenswerter oder einfach nur unterhaltsamer Orte gefunden. Die Stadt wird einfach nicht langweilig. Und dabei habe ich noch nicht mal mit Kunst oder Theater angefangen…

Leider ist sie so unfassbar absurd teuer, dass man das eigentlich nur als Tourist genießen kann – oder man ist wirklich reich. Und ich meine REICH! Ein Jahreseinkommen von läppischen £100.000,- reicht jedenfalls nicht für eine einigermaßen akzeptable Wohnung.

Aber das wird mich nicht abhalten, dort auch im nächsten Jahr mit meinem Kumpel Geburtstag zu feiern. Ich komme wieder!