ReloadLand 2025
Am Pfingstwochenende fand in Berlin zum nunmehr dritten Mal das ReloadLand Festival für elektrische Motorräder statt. Dieses Mal nicht mehr im Craftwerk in Lichtenberg, sondern im Napoleon Komplex in Friedrichshain.
Bereits 2022 und 2023 hatte ich die Gelegenheit genutzt um einige interessante Probefahrten zu machen. Darunter waren sehr unterschiedliche Gefährte angefangen von Mopeds bis zu den bärenstarken Boliden von Zero und Energica. Und auch in diesem Jahr wollte ich mir die Gelegenheit, neue E-Motorräder zur Probe fahren, nicht entgehen lassen.

Wer war da und wer hat gefehlt?
Viele Hersteller, die in den vergangenen Jahren dabei waren, fehlten diesmal leider. Der niederländische Hersteller von schicken E-Mopeds Brekr war nicht dabei. Die etablierten chinesischen Hersteller günstiger E-Offroader Sur-Ron und Talaria habe ich genauso vermisst wie Zero, die zwei interessante neue günstige Maschinchen haben.
Cake, der schwedische Hersteller von leichten Designer E-Motorrädern ist mittlerweile leider ebenso Geschichte wie Energica aus Italien, die mit ihren Hochleistungsboliden in meinen Augen den Maßstab für das machbare gesetzt hatten.
BMW glänzte durch Abwesenheit, obwohl sie in Berlin Spandau Motorräder produzieren und mit der CE02 und der CE04 zwei spannende, futuristische Elektroroller im Angebot haben.

Immerhin waren auch in diesem Jahr wieder zwei kleine Hersteller vor Ort, denen ich eher wenig finanzielles Durchhaltevermögen unterstellt hätte: Black Tea Motorcycles aus München mit ihren hübschen A1 Maschinen im 70er Jahre Design und Verge aus Finnland, die ihre futuristische, brachial starke TS mit dem charakteristischen Felgenmotor im Hinterrad mitgebracht haben.

Erfreulicherweise waren zwei große Hersteller anwesend: Livewire und can-am. Deren Maschinen konnte ich auch fahren. Danach wurde leider das Wetter ziemlich unausstehlich und ich habe auf weitere Tests verzichtet.
Probefahrt Livewire S2
Livewire (Harley Davidson) hat sich in den letzten Jahren sehr mit Vorführmaschinen zurückgehalten. Angucken ja – ausprobieren nein. In diesem Jahr hatten die Amerikaner dafür aber gleich eine ganze Armada ihrer S2 mitgebracht. Die Livewire S2 war in drei unterschiedlichen Versionen vor Ort, die sich vor allem durch die Sitzposition und die Bereifung unterscheiden.
Ich fuhr die Variante “Alpinista” mit normaler 17 Zoll Bereifung. Der Motor leistet 84PS und hat 263Nm Drehmoment. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 155km/h. Von 0 auf 100 geht es in rasanten 3 Sekunden. Die Maschine ist kompakt und schmal gebaut. Die niedrige Sitzhöhe und der niedrige Schwerpunkt machen das Handling der 197kg leichten Maschine einfach. Ich saß bequem und auch wenn man die brachiale Beschleunigung nutzt, muss man sich nicht verkrampft festhalten. Das Fahrwerk hat mir auf den Berliner Hauptstraßen gut gefallen. Material- und Verarbeitungsqualität sind auf sehr hohem Niveau. Die Maschine wirkt durch den gerippten Akku auf den ersten Blick wie ein normales Motorrad. Bei der Probefahrt schauten Passanten daher manchmal etwas ungläubig, als sie sechs “Harleys” an der Ampel stehen sahen – und nichts hörten.

Der Akku hat eine Kapazität von 10,5 kW/h und lässt sich über einen Typ2 Anschluss aufladen. Die lästige Kettenpflege entfällt, denn die S2 hat Zahnriemenantrieb. Der Spaß kostet €19.000. Heftig – aber immerhin €10.000,- weniger, als die S1 bei ihrer Einführung gekostet hat.
Probefahrt can-am
Bei can-am musste ich kurz überlegen, woher ich den Namen kannte. Die Kanadische Firma ist Teil des Bombardier Konzerns (Züge und Flugzeuge) und baut recht ungewöhnliche Fahrzeuge: Sportliche Trikes, Quads für Ralleys oder für die Forstwirtschaft, Schneemobile und so weiter. Jetzt also auch Elektromotorräder. Und eines ist klar: Wenn die etwas machen, machen sie es richtig. Das zeigte bereits der riesige Pavillion, den sie aufgestellt hatten. Also meldete ich mich auch hier zur Probefahrt an.
Can-am hatte zwei Typen dabei: Erstens die Origin – ein hochbeiniges Adventurebike auf Speichenrädern mit grobstolliger Bereifung. Zweitens die Pulse – ein Naked Bike mit Leichtmetallrädern und Straßenbereifung. Beide Maschinen waren jeweils offen mit 34kW für A2 Führerscheininhaber und mit 11kW für A1 Führerscheininhaber vorhanden. Wir sind in Gruppe gefahren und haben unterwegs durchgetauscht. Der große Unterschied ergibt sich aus der unterschiedlichen Sitzposition und Bereifung von Adventurebike und Naked. Hingegen war zumindest in der Stadt kein nennenswerter Unterschied zwischen 11kW und 34kW Version zu spüren.


Im Gegensatz zur Livewire mögen manche die can-am als “Plastikbomber” einordnen, aber die Verarbeitungsqualität ist sehr gut. Zudem finde ich es gar nicht mal so schlecht, wenn alles verkleidet und gekapselt ist. Umso einfacher ist die Fahrzeugpflege. Den Vogel schießt can-am mit der gekapselten Einarmschwinge hinten ab, die sie von ihren Schneemobilen übernommen haben. Die Kette läuft im Ölbad und ist selbst nachstellend.
Der Akku hat 9,5 kW/h Kapazität und lässt sich per Typ2 Anschluss in 50 Minuten wieder aufladen. Dabei hilft das flüssigkeitsbasierte Thermomanagement. Ziemlich gute Technik also, die aber auch bezahlt werden will: Die Preise beginnen bei €16.000,-
Sonstiges
Es gab noch weitere interessante oder auch kuriose Fahrzeuge, die ich aber aufgrund des einsetzenden Regens nicht mehr Probe gefahren bin. Ein Top-Anwärter wäre die Maeving aus England gewesen – ein hübsches A1 Bike im Cafe Racer Stil. Die Maschinen sind technisch mit Radnabenmotor und herausnehmbare Akkus recht schlicht, aber dafür mit Preisen zwischen €6.300,- und €9.000,- bezahlbar.

Der Anbieter Coopop hatte lustige Fahrzeuge der AM Klasse (bis 45 km/h) dabei. Die kleine, eher an ein Kindermoped erinnernde GS Rugged reisst mit ihrem 1,2 kW Motor zwar keine Bäume aus, aber wiegt auch nur 40kg und ist mit €2.500,- ein Stück bezahlbare City-Mobilität.

Das zweite Fahrzeug war etwas größer und ein Zwischending aus einem Roller und einem Bobber. Dazu habe ich leider keine Daten.

Bereits zum dritten Mal dabei: Second Ride. Das Startup bietet Umrüstsätze an, um die Klassiker von Simson auf Elektroantrieb umzurüsten. Das ganze ist so clever gemacht, dass man erst auf den 2. Blick erkennt, dass kein stinkender und lärmender Zweitakter in dem historischen Fahrzeug steckt. Und da der alte Rahmen weiterverwendet wird, gilt auch weiterhin trotz Versicherungskennzeichen die Ausnahmeregelung für legale 60 km/h.

Auf der Reload Land war auch die Europaprämiere des indischen Herstellers Ultraviolet. Dieses sportliche A1 Bike soll knapp unter €10.000,- kosten. Obwohl das ein neuer, unbekannter Hersteller ist, nehme ich ihn Ernst. Indien ist der weltgrößte Markt für Motorräder und hat einige Hersteller, die deshalb in enormen Stückzahlen produzieren. Zudem können wir in nächster Zeit vermutlich einige interessante indische Elektrozweiräder erwarten. Dort tritt bald ein Verkaufsverbot für kleinere Motorräder mit Verbrennungsmotor in Kraft. Ich freue mich schon auf die angekündigte Flying Flea von Royal Enfield…

Wann starten Elektromotorräder denn nun endlich durch?
Erst mal zu den schönen Seiten: Das Fahren an sich.
Kein dröhnender Auspuff, kein rappeliger, heißer Motor zwischen den Beinen. Stop-and-go ist geschmeidig ohne lästiges Kuppeln und schalten. Wenn die Bahn frei ist, extrem zügiges Beschleunigen. So macht sogar Stadtverkehr wieder Spaß.
Von daher ist doch alles super!
Ja, aber…
Drei wirklich lästige “Kleinigkeiten” stehen dem Erfolg noch (???) entgegen:
- Preis
- Reichweite
- Lademöglichkeiten
Elektrische Zweiräder sind häufig noch 2-3 mal so teuer, wie Verbrenner. Meine drei Testmaschinen lagen zwischen €16.000,- und €19.000,-. Die Zero SR/F, die ich vor zwei Jahren fuhr lag bei €25.000,- und die Energica sogar bei €28.000,-. Vergleichbare Verbrenner liegen zwischen €7.000,- und €15.000,-
Das muss man schon wirklich wollen.
Elektrische Motorräder kommen häufig nur auf 80 – 180km Reichweite. Noch schlimmer ist aber, dass man danach nicht schnell nachladen kann. Der Grund für beides ist das Gewicht. Beim Auto kommt es nicht so drauf an, ob da 250kg zusätzlich herum gefahren werden. Beim Motorrad zählt aber jedes Kilo.
Man kann nicht mal eben einen 50kW/h Akku einbauen. Ladegeräte wiegen, Ladekabel wiegen und ein vernünftiges Thermomanagement für das Schnellladen wiegt auch.
Und dann ist da noch das Thema Laden. Kein Problem, wenn man eine Garage mit Steckdose hat. Ohne wird es schwierig. Realistischerweise bleiben da zwei Optionen:
Man fährt ein Moped oder 45er Roller mit herausnehmbarem Akku. Dieser wiegt dann so ungefähr 12 kg und man kann ihn zum Aufladen mit in die Wohnung nehmen. Das ist o.k., wenn man nicht gerade 4. OG Altbau wohnt. Allerdings darf man dann eben nur 45km/h fahren, was auch auf städtischen Hauptstraßen gefährlich langsam ist und man kommt auch nicht weit. Mehr als 60km ist mit so wenig Strom (ca. 1,8kW/h) nicht drin.
Oder man nimmt eine der “großen” Maschinen mit Typ2 Anschluss. Die kann man dann an jeder AC Ladesäule für Autos aufladen. Nachteile: Man braucht ein schweres, sperriges Ladekabel, weil die AC Säulen in der Regel kein eigenes Ladekabel haben. Das Laden dauert immer noch deutlich länger, als mit einem Auto am DC Lader und der Strom ist unverschämt teuer. Und die entsprechenden Motorräder sind alle deutlich im 5 Stelligen Preisbereich. Richtige Touren kann man so nicht fahren.
So richtig sinnvoll sind im Moment eigentlich nur die kleinen A1 Maschinen als Pendlerfahrzeuge. Damit kommt man zügig durch die Stadt und auch mal über die Schnellstraße. Der Akku ist groß genug für die typischen Entfernungen. Aber die 15-20 kg schweren Brocken nimmt man nicht mal eben Abends zum Laden mit in die Wohnung. Man braucht einen trockenen Stellplatz mit Steckdose.
Aussicht
Das klingt erst mal alles nicht so positiv. Dennoch glaube ich, dass auch die Zweiräder bald elektrisch fahren. Es werden sich Lösungen finden. Infrastruktur ist kostengünstig machbar, wenn man will. Und man wird wollen. Die größten Zweiradmärkte der Welt (China und Indien) erlauben aufgrund der Luftverschmutzung nur noch elektrische Antriebe. Afrikanische Länder ebenfalls – weil sie keine wertvollen Devisen für Öl und Benzin verschwenden wollen.
Und wenn es nur noch so geht, wird das auch in Europa so sein.