Dirk Ollmetzer | Tuesday, 22 April 2008 |
Misc
Im Umland um Berlin gibt es viele Siedlungen, die verhältnismäßig große Grundstücke mit Baumbestand haben. Wenn ich manchmal an solchen Orten bin, emfinde ich es stets als Respektlosigkeit, wenn ich sehe, wie schnell die Leute bereit sind, 2/3 der Bäume – oder sogar alle – zu fällen, um irgendeinen langweiligen, überdimensionierten Kasten hinzustellen.
Die traditionelle deutsche Sichtweise, Häuser müssten für die Ewigkeit gebaut sein, kann ich nur bedingt nachvollziehen. Ich bin von der Idee temporärer Gebäude fasziniert. Man verändert das vorgefundene Grundstück so wenig wie möglich, stellt ein Gebäude dort hin, daß ebenso schnell wieder entfernt werden kann, wenn es nicht mehr benötigt wird. Eine Möglichkeit besteht darin, temporäre Gebäude aus umgebauten Containern zu erstellen. Ein einfaches Schotter- oder Streifenfundament genügt. Conatiner aufstellen, befestigen, Anschluß für Wasser, Abwasser und Strom – fertig.
Solche Ideen beschäftigen nicht nur mich, sondern auch diverse Planer und Architekten rund um die Welt. Einen kurzen Einstieg in die Thematik kann man bei der englischen Wikipedia bekommen: Wikipedia – Shipping container architecture
Bereits hier wird deutlich, daß man nicht an primitive Unterkünfte für Bauarbeiter oder Asylanten denken sollte. Einen Überblick über verschiedene Bauprojekte findet man zum Beispiel hier: http://firmitas.org/.
Richtig tolle Entwürfe kann man bei Hybridseattle finden.
Interessant finde ich auch eine deutsche Initiative, die nicht nur einen tollen Prototyp erstellt hat, sondern auch ein soziales Anliegen verfolgt: Kölnbox.
Ich habe es leider nicht selber gehört, aber DIE Aktion ist einfach nur Klasse: Ein Radio Interview des Vorsitzenden des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy, zum neuen BKA-Gesetz war kurz, knapp und auf den Punkt. Ein journalistisches Highlight:
Schon in der Einleitung fragte der Moderator, ob Herr Edathy sich morgens nackt oder in Unterwäsche die Zähne putzt. Daraufhin fagte der “Was soll der Scheiss?” und legt auf.
Ob Herr Edathy irgendwas dabei gelernt hat?
Gefunden bei Netzpolitik: “Was soll der Scheiss?”
Das Interview gibt es bei RadioEins: Neues BKA-Gesetz sorgt für Streit
…oder im Podcast von “Der schöne Morgen“:
Wow – ein wirklich guter Artikel: “Wie man einen Staat zerstört” von Thilo Baum mit dem Thema “Zwanzig Punkte für einen Putsch für jedermann”. Nunja, nicht wirklich für jedermann. Das Ganze ist natürlich rein hypothetisch, oder kommt da jemandem irgendwas bekannt vor?
Ein kurzer, guter Beitrag zur “Nationale Initiative Printmedien”: http://don.antville.org/stories/1785273/
Dons Fazit:
Die Verlagswirtschaft und die Bundesregierung scheinen aber zu glauben, dass es Schuld der Leser sei, die den alten Medien untreu werden. Ganz so wie die Musikwirtschaft glaubt, die Käufer seinen einfach nicht dankbar genug.
Beim morgendlichen Handy-surfen auf Slashdot im Bus endeckt. Fand ich gut.
Daß der Begriff “geistiges Eigentum” ohnehin nur ein billiger Propagandatrick der Content-Industrie in ihrem Feldzug zur sinnlosen Verteidungung sterbender Geschäftsmodelle ist, habe ich ja bereits ausgeführt. Durch ständigen Gebrauch sachlich falscher, aber emotional besetzter Begriffe wird Stimmung gemacht, bis genügend politischer Handlungsdruck aufgebaut ist.
Daher finde ich dieses Umdrehen des einschlägigen Begriffs zu “imaginary property” extrem gelungen. Denn dieses angebliche “Eigentum” funktioniert nur, mit einem großen Repressionsapparat im Rücken. Kein sehr überzeugender Ansatz, irgendwie. “Eingebildetes Eigentum” ist da schon recht treffend.
Seit den Pisa-Studien wissen wir endlich ganz genau, daß unsere Jugend total doof ist. Schön, daß unsere Bundesregierung mit Nachdruck und geballter Kompetenz tätig wird – siehe z.B. hier: Staatsminister Bernd Neumann startet “Nationale Initiative Printmedien”.
Aha – und wozu das Ganze? Zitat:
Der Initiative geht es darum, Kindern und Jugendlichen den Wert von Zeitungen und Zeitschriften als politische Leitmedien zu vermitteln und das Bewusstsein für die Bedeutung einer freiheitlichen Medienordnung für die Demokratie zu wecken.
Schön schön. Ein tolles Thema für den Geschichtsunterricht. Bereits dieser Absatz macht stutzig. Mein flaues Gefühl wird durch die anschließende Begründung vollends bestätigt:
“Die Nutzung von Printmedien ist gerade bei jungen Leuten seit Jahren stark rückläufig. Ich sehe dies in direktem Zusammenhang zu sinkender Lesefähigkeit und zurückgehendem Interesse an gesellschaftspolitischen Fragen.“
Zitat: Bernd Naumann
AUTSCH!
Ich denke, daß es an der Zeit wäre, unsere Politiker in zentralen Fragen von Gesellschaft und Wirtschaft nachzuschulen. Denkbar wäre zum Beispiel ein Crashkurs in das Thema “Wie und warum verändert das Internet das Kommunikationsverhalten und den Medienkonsum” oder “Wie ausufernde Anspruchshaltung im Bereich der Immaterialgüter Demokratie und Wirtschaft zersetzen.”
Das Ganze am besten im Zusammenhang mit einer verpflichtenden Teilnahme an einem Grundlagenseminar zum Thema “Zweck und Sicherstellung der Bürgerrechte in der Bundesrepublik Deutschland” – mit Abschluprüfung. Wer durchfällt muss sofort sein Mandat zurückgeben, darf nicht über Los und bekommt auch keine €4000,-.
Zu der Pressemitteilung hat übrigens auch Klaus Jarchow auf dem Blog Medienlese einen recht guten Artikel verfasst:
Nationale Initiative Printmedien: Schlechte Medizin. Er verweist z.B. auf die Gefahr, daß Konsensbildung in einer medial zersplitterten Gesellschaft immer schwieriger wird, was ja z.B. auch an den jüngsten Wahlergebnissen abzulesen ist.
Dirk Ollmetzer | Thursday, 17 April 2008 |
Fundstücke
Eine köstliche Episode von Southpark. Und soooo treffend. :-)
Southpark : Over Logging
Ausgerechnet diese Folge per Internet anzuschauen ist ja sowas von Meta…
Wer wirklich überall dabei sein will und alles ausprobieren muss, dem kann ich nur dringendst empfehlen, sich bei uselessaccount.com anzumelden. Auf der Site werden 5 gute Gründe dafür genannt:
- A Useless Account allows you unlimited account editing! You’re bound to use it at least once!
- You’re addicted to signing up to account-requiring websites the moment they’re released just so no one else takes your usual username.
- Get the hot blooded rush of waiting to see if submitting your email address lands you offers of $uper D!$c0unt Ci@li$ (it won’t)
- Upgrade your account creating ability to +20.
- Impress your friends with your ability to tab through form fields and arrow through saved field values!
Okay – wirklich wichtige Digerati sind da natürlich schon längst… ;-)
In den letzten Tagen hat Klein-Bloggersdorf ein zentrales Thema: Twitter. Mit dem üblichen Jahr Verspätung kommt der Trend aus dem Silicon Valley nun also auch bei uns mit voller Wucht an. Thomas Knüwer stellt in dem Artikel “Twitter vor dem Blasenplatzen – oder dem Durchbruch?” die Frage, ob der Dienst jetzt den Durchbruch schafft, oder den Hype-Höhepunkt erreicht hat und danach eingeht. Es ist schwer, Twitter zu erklären. Leute, die diesen Dienst zum ersten Mal sehen, halten ihn in der Regel für sinnlose Zeitverschwendung. “Das braucht doch niemand”.
Natürlich braucht das niemand. Nun sagt mir allerdings meine Erfahrung, daß vor 20 Jahren die Meisten meiner Freunde meine Beschäftigung mit Computer für Zeitverschwendung hielten. Vor 15 Jahren hatte ich mein erstes Handy und wurde für einen Wichtigtuer gehalten. Vor 12 Jahren verstand niemand, was ich im Internet will. Meine persönliche Fehleinschätzung war SMS: schwachsinniges, überflüssiges und umständliches Geschreibsel. SadoMasoSchreiben eben. Halte ich für total nervigen Mist – Millionen andere aber offensichtlich nicht.
Und jetzt ist eben Twitter überflüssig? Ich glaube nicht.
Twitter schließt nämlich eine Lücke im Kommunikationsangebot und bedient eine Nische, in der bis jetzt kein anderer einfacher Dienst zu finden ist. Ob es ihnen gelingen wird, das Bedürfnis nach ubiquitärer asynchrone Gruppenkommunikationzu monetarisieren, ist eine ganz andere Frage.
Ubiqui… – was für’ Dings?
In meiner Diplomarbeit (2006) hatte ich die heutzutage gebräuchlichsten medialen Kommunikationsformen für unterwegs mittels eines morphlogischen Kastens verglichen. Die Attribute waren dabei:
- Die räumliche Reichweite (lokal, regional, national, global)
- Das Sender-/Empfängermodell (one-to-one, on-to-many, many-to-many)
- Das Interaktionsmodell (synchron, asynchron)
- Nachrichtenübermittlung (push, pull)
- Archivierung (keine, userbasiert, communitybasiert)
Als Kommunikationskanäle habe ich Telefonie, SMS, E-Mail, Instant Messaging und WAP gegeneinander gehalten. Ich folgerte, daß noch kein einfacher Kommunikationskanal für eine zeitversetzte Kommunikation mit einer Gruppe für unterwegs bestand. Noch bevor ich die Arbeit abgab, erschien Twitter.
Die wirtschaftliche Zukunft von Twitter steht zwar in den Sternen, aber die Firma ist da mittlerweile recht gut aufgestellt, da es einen Mikrokosmos an Tools und Zusatzdiensten um sich herum aufgebaut hat, der nicht zu unterschätzen ist.
Ein Grund, warum ich so langsam ein Kartellverfahren gegen die Musikindustrie für angebracht halte, ist, daß gezielt die Neuausrichtung der Märkte behindert werden soll. Genau aus demselben Grund halte ich es auch für angebracht, den öffentlichen Rundfunk genau dort zu lassen, wo er jetzt ist: In der Glotze und im Radio. Von einem “Auftrag der Weiterentwicklung” kann überhaupt keine Rede sein.
Was allen Anbietern bisher etablierter Medien zu schaffen macht, ist daß der Medienmarkt nach der Etablierung des Internet für die Massen scheinbar neuen Gestzmäßigkeiten folgt.
Tatsächlich handelt es sich letztlich jedoch um wenige, sehr vertraute ökonomische Grundregeln. Die Marktmechanismen an sich bleiben intakt, aber die Ausformung verändert sich in kolossalen Ausmaßen. Maßgeblich dafür sind:
- Zugang zu den Produktionsmitteln für nahezu jedermann
- Zugang zu Vertriebskanälen für nahezu jedermann
- Produktions- und Vertriebskosten, die nahezu bei Null liegen.
Die Auswirkungen:
- Die Anzahl der Anbieter explodiert.
- Die Grenzen zwischen Profis, Semiprofis und Amateuren verschwimmt bin zur Unkenntlickeit.
- Der Konsument lernt, daß die “professionellen” Medien ebenfalls nur subjektive Ausschnitte aus dem Geschehen berichten. Das Versprechen der Objektivität wird nicht eingelöst.
- Der Aufmerksamkeitmarkt fragmentiert nahezu ins Unendliche
- Geschäftsmodelle, die auf Knappheit und Zugangskontrolle (“Gatekeeper”) setzen, funktionieren nicht mehr.
- Angebote im Netz können daher i.d.R. nicht direkt monetarisiert werden
Ein sehr deutliches Beispiel ist der Anzeigenservice Craigslist, der vor einigen Jahren viele Zeitungen in der San Francisco Bay Area in Bedrängnis brachte, weil er den lokalen Kleinanzeigenmarkt für Zeitungen schredderte. Interessant ist, daß der Gründer Craig Newmark diesen Dienst niemals verkaufte, keine Premiumdienste anbot und auch sonst kaum erkennbare Anstalten machte, richtig Geld verdienen zu wollen. Ein Interview kann man bei der FAZ nachlesen.
Kritiker warfen ihm kommunistisches Gedankengut vor – ein ziemlich dummer Anwurf. Letztlich verhält sich Newmark nämlich erzkapitalistisch: Die Kosten so weit wie möglich gegen Null drücken und damit die Konkurrenten aus dem Markt drängen. Auch wenn sich das Interview etwas anders liest ;-) .
In diesem Sinne möchte ich auch auf den Beitrag “Umsonstkultur im Internet zu großen Teilen systemimmanent” von Marcel Weiß hinweisen.
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