tiny little gizmos

Vintage Computing Festival Berlin 2017

Auch in diesem Jahr fand wieder das Vintage Computing Festival Berlin statt. Im Gegensatz zu dem vergangenen Jahren (siehe 2014, 2015 und 2016) wurde die Veranstaltung nicht mehr in der Humbuldt Universität, sondern im Deutschen Technikmuseum am Gleisdreieck abgehalten. Veranstaltugsort war nicht das Hauptgebäude, sondern die Räume am Ende der Ladestrasse auf dem Gelände des ehemaligen Anhalter Güterbahnhofs. Besucher des VCFB hatten auch freien Eintritt in der Dauerausstellung „Das Netz – Menschen, Kabel, Datenströme“. Den Wechsel halte ich für gelungen, weil die Ausstellung nunmehr räumlich luftiger und großzügiger ausfällt (1400qm statt 700qm).

Deutsches Technikmuseum – Ladestrasse

Die Veranstaltung in Zusammenarbeit von Humbold Universität, dem Berliner Hackerspace AFRA mit Unterstützung des CCC Berlin war war auch in den vergangenen Jahren bereits auf hohem Niveau. Da das Technikmuseum in diesem Jahr nicht nur die Räume stellt, sondern auch Personal – insbesondere Ordner – fühlt sich das ganze aber nun noch professioneller an.

Die Schwerpunkte der Veranstaltung waren auch diesmal wieder Vorträge, ein Games-Bereich und natürlich die oft recht besonderen Exponate der privaten Aussteller.

Besucher

Mit 2100 Besuchern ist das VCFB nochmals deutlich größer, als in den vergangenen Jahren. Zudem schien es mir so, dass die Besucher nun gezielt kommen, während in der HU manche Besucher eher „aus Versehen“ in die Ausstellung kamen, weil sie ohnehin gerade in Berlin Mitte spzieren gingen.

Zumindest bei den Besuchern war der Frauenanteil erfreulich hoch. Sehr schön fand ich die vielen Kinder, die sich unvoreigenommen an die teilweise über 30 Jahre alten Systeme gesetzt haben. Computerspiele funktionieren immer – auch mit Pixelgrafik. Selbst eine Pong-Konsole aus Mitte der 70er war fast durchgehend belegt. So lernt der Nachwuchs, dass Computer mehr bedeutet, als Windows und Apple.

Für die Kinder gab es neben den Bereich klassischer Videospiele auch zwei Möglichkeiten selbst aktiv zu werden: Einen Workshop um „Zahnbürstenroboter“ zu basteln und einen Lötworkshop.

Ausstellung

Die Ausstellung bot sowohl einen großen Umfang, als auch eine sehr interessante Spannbreite.

Es gab verschiedene Exponate an denen man mechanisches Rechnen erleben konnte – von klassischen Tischrechnern, über eine Curta bis zu einem für Lehrzwecke neu entwickelten elektromechanischen Mini-Rechner.

Mechanisches Rechnen - Curta

Mechanisches Rechnen – Curta

Selbstgebaute Rechner waren ebenfalls ein Thema: In der ehemaligen DDR war das häufig die einzige Möglichkeit überhaupt an einen Rechner zu kommen. Im Westen stand eher der Erkenntnisgewinn im Vordergrund. Zwei Brüder führten ihren im Jahr 1974 selbst entwickelten Rechner vor. Er nutzt keinen Microprozessor, sondern die 12-Bit CPU ist aus TTL Bausteinen selbst gebaut – mit selbst entwickeltem Befehlssatz. Sehr beeindruckend!

Selbstbaurechner von 1974

Selbstbaurechner von 1974

Daneben stand ein Exemplar des NDR-Klein Computers. Ein Modulares System aus den 80er Jahren, das mit unterschiedlichen Microprozessoren bestückt werden konnte. Einige verschiedene 70er Jahre Single Board Computer waren ebenfalls zu sehen.

Natürlich gab es auch wieder eine schöne Auswahl an Heimcomputern zu sehen, mit einem Schwerpunkt auf Atari Rechnern, aber auch Apple war gut vertreten. Daneben gab es weitere Klassiker, wie TRS-80 Model 1, diverse Spectrum Modelle, Amstrad/Schneider, MSX.

Optisch eindrucksvoller waren die Racks mit Rechnern von Digital Equipment. Die PDP-8/e auf der linken Seite war an ein VT-05 Videoterminal angeschlossen, die lab8/e auf der rechten Seite wurde über einen Teletype Model 33 Fernschreiber bedient.

Rechner von DEC

Rechner von DEC

Zum ersten Mal konnte ich ein Frontpanel einer IBM System/360 in Verbindung mit einer Kugekopfschreibmaschine in Aktion sehen. Der Originalrechner wurde leider verschrottet, aber auf der Rückseite des Panels steckte ein kleines FPGA Board, das den Rechner originalgetreu nachbildete.

IBM System/360 Model 30

IBM System/360 Model 30

Das teilweise oder komplette Ersetzen von originaler Hardware durch moderne Rechneremulationen oder FPGA Nachbauten scheint ein Trend zu werden, wie verschiedene Exponate zeigten. Angesichts des nun bereits mehrjährigen Versuchs, die PDP-11/34 des Hackerspaces AFRA wieder in Betrieb zu nehmen ist das ein verständlicher Weg.

Ebenso gab es aus heutiger Sicht exotische Bürocomputer (8Bit Commodore, 32 Bit Risc Workstation, HP-Grafikworkstations,…) und alternative Betriebssysteme (OS/2, BeOS, GEOS, …) zu sehen.

Interessant fand ich noch die Kollektion verschiedener Handheldsysteme, die die Evolution bis zu aktuellen Smartphones zeigte. Ich konnte neben einem mir unbekannten Z-80 basierten PDA von Amstrad auch das erste Mal einen Apple Newton ausprobieren. Mein Fazit: Die Handschrifterkennung des Amstrad ist langsam und unbrauchbar, die des Newton schneller und genauso unbrauchbar. Den Palmpilot brauchte ich nicht auszuprobieren, da ich selber einmal ein Modell III besessen habe.

Handhelds

Handhelds

Vorträge

Ich habe mir in diesem Jahr lediglich zwei Vorträge angehört, weil man dank des Videoteams des Chaos Computer Clubs alles auch nachträglich im Netz ansehen kann (https://media.ccc.de/c/vcfb2017).

Wolfgang Stief erweitertete auch dieses Jahr seine Vortragsreihe über Seymour Cray und seine Rolle im Supercomputing. Nach den Vorträgen „Wie das Supercomputing auf die Welt kam“ aus dem Jahr 2015 und „Defining Supercomputing — Seymour Cray und die CDC 6600“ aus dem Jahr 2016, ging es thematisch weiter in die 70er Jahre mit dem Thema „Cray-1, Ikone des Supercomputing – Wie die Maschine zur Welt kam, und was danach passierte„.

Eine kleine Anekdote: Als ich ihn nach dem Vortrag auf die CRAY-2 hinwies, die keine 30m von dem Vortragsraum entfernt steht, zeigte sich Wolfgang Stief überrascht. Ich hatte mich schon gewundert, weshalb er in seinem Vortrag darauf hingewiesen hatte.

Cray 2 im Deutschen Technikmuseum

Cray 2 im Deutschen Technikmuseum

Den anderen Vortrag, den ich mir angehört habe, hielt Rolf-Dieter Klein, der leider kurzfristig verhindert war, aber  per Skype hinzugeschaltet wurde. Er stellte die Entwicklung des bereits genannten NDR-Klein Computers vor, der Anfang der 80er Jahre in einer 26-teiligen Fernsehserie vorgestellt wurde um dem Publikum die Grundlagen des Computing nahezubringen.

Fazit

Das vierte Vintage Computing Festival Berlin war wieder sehr interessant und anregend. Der neue Veranstaltumgsort ermöglicht es, die Spannbreite historischer Rechentechnik einem breiteren Publikum nahezubringen. Zudem ist es eine hervorragende Ergänzung zu den anderen Artefakten des Museums, die in der Regel nicht operativ betrieben werden und so den Charakter der historischer Rechentechnik nicht so gut transportieren können. Insofern hoffe ich, dass sich das Deutsche Techniskmuseum dazu entschliessen kann, seine Räume auch für das VCFB 2018 zur Verfügung zu stellen.