Am letzten Wochenende im November verschlug es mich in den südwestlichsten Zipfel Deutschlands – ins Breisgau. Anlass war die Eröffnung der Ausstellung zum 7. internationalen André-Evard Preises für konkret-konstruktive Kunst.
Die Ausstellung, die noch bis zum 23.02.2025 in den Räumen der Kunsthalle Messmer in Riegel am Kaiserstuhl zu sehen ist, zeigt Werke von 101 internationalen Künstlern. Ich habe nun bereits zum dritten Mal als Gast an der Eröffnung teilnehmen dürfen und fand die gezeigten Arbeiten auch in diesem Jahr wieder sehr ansprechend und hochwertig. Das betrifft sowohl Material, Farbe und handwerkliche Ausführung, als auch künstlerische Komposition.
Es kommt auch bei guten Ausstellungen nicht sehr häufig vor, dass ich jedes gezeigte Werk gut finde. Hier ist das der Fall. Jede Arbeit hätte in meinen Augen den Preis verdient. Keine leichte Aufgabe für die Jury.
Von der Eröffnung kann ich leider keine Fotos zeigen, da ich alle Personen und Künstler um die Erlaubnis zur Veröffentlichung hätte fragen müssen. Immerhin kann ich stellvertretend die Werke einiger Künstler zeigen, von denen mir eine Erlaubnis vorliegt:
Wenn ich schon mal in der Gegend bin um Kunst anzusehen, darf auch ein Abstecher in die Paul Ege Art Collection nicht fehlen. Auch hier konnte ich jedes Mal großartige Arbeiten bewundern. In diesem Jahr erfreute mich die Ausstellung Look Loop von Elodie Seguin. Leider habe ich keine Rechte, die raumfüllenden Arbeiten hier zu zeigen. Erwähnen wollte ich es aber auf jeden Fall.
Untergekommen war ich bei Freunden, die vor einigen Jahren aus Berlin nach Emmendingen gezogen sind. Wir haben viel geklönt und diskutiert. Es war alles: bequem, lecker, nachdenklich, anregend und vor allem sehr, sehr nett. Vielen Dank für Eure Gastfreundschaft!
Gute Kunst, gutes Essen, liebe Freunde – das versöhnt auch mit dem einzigen kleinen Wehrmutstropfen: Dem Wetter. Es war bemerkenswerte drei Tage durchgehend sehr nebelig bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Die Sonne kam lediglich für 15 Minuten zum Vorschein, als ich kurz den Markt am Freiburger Münster besucht habe, um eine Bratwurst zu essen und einen von den in der Gegend weltberühmten Käsekuchen zu kaufen.
Die An- und Abreise war ungefähr so, wie ich es erwartet hatte: Egal auf welcher Strecke – die 800km ziehen sich und die Fahrt ist laaaaaang! Premiere war für mich, die Langstecke elektrisch zurückzulegen – aber dazu schreibe ich noch mal einen eigenen Artikel.
In diesem Jahr habe ich wieder die Web Engineering Unconference besucht, die vom 20. bis zum 22. September in Palma de Mallorca stattfand. Mittlerweile eine lieb gewonnenen Gewohnheit und auch dieses Mal waren die Vorträge, Diskussionen und Gespräche interessant und anregend.
Das ist umso schöner, weil Anfang des Jahres durchaus dunkle Wolken am Veranstaltungshimmel zu sehen waren. Das eingespielte Orga Team der letzten Jahre hatte aufgehört. Das neue Team musste sich erst finden, weshalb die Ankündigung recht spät kam. Zwischenzeitlich waren Flug- und Hotelpreise ordentlich gestiegen und das alles in einem wirtschaftliche schwierigeren Umfeld.
Erfreulicherweise wurden trotz der halbierten Teilnehmerzahl auch dieses Mal wieder viele interessante Themen präsentiert. Die informellen Gespräche jenseits der eigentlichen Konferenz waren anregend und vielschichtig.
Das kommt sicherlich auch daher, dass dieses kleine, aber feine Branchentreffen keine herkömmliche Konferenz ist sondern eine Unkonferenz. Hier wird nicht zwischen Zuhörern und Vortragenden unterschieden, sondern jeder kann seine eigenen Themen mitbringen und vorstellen. Alle zusammen stimmen dann ab, welche Themen angenommen werden.
Das kann auch recht spontan sein. Einen eigenen Vortrag hatte ich dieses Mal nicht vorbereitet. Mir ging aber seit längerem ein Thema durch den Kopf, das ich nicht so recht zu fassen bekam. Am Vorabend habe ich das einigen Leuten gegenüber erwähnt und die Reaktion war immer “Mensch, das ist doch relevant und spannend – mach was dazu!”
Das Thema ist ständig steigende Komplexität.
Genauer die Frage, weshalb wir dazu tendieren, Systeme immer komplexer zu machen, bis sie nicht mehr richtig funktionieren oder aktualisert werden können. Konkreter Anlass war das Refactoring einer umfangreichen Software, aber das Problem ist nicht technisch, sondern eher universell.
Die üblichen Ansätze, steigende Komplexität in den Griff zu bekommen, laufen darauf hinaus, neue Werkzeuge und Verfahren zu etablieren, um die Komplexität zu managen. Leider wird das Problem dadurch nicht gelöst, sondern nur verschoben und die Gesamtkomplexität steigt duch die neuen Tools sogar noch weiter an.
Oft wäre es besser, stattdessen die Komplexität zu reduzieren, aber diese Weg wird fast nie gegangen. Mich interessierte die Frage, weshalb das so ist. Zumal das kein technisches Problem ist. Wir sehen dieselben Muster bei allen möglichen Organisation in der Wirtschaft und auf staatlicher Seite.
Ich hatte also Szenarien und Fragen mitgebracht. Passenderweise hatte Julia Dorandt (Beratung Judith Andresen) einen Vortrag vorbereitet, in dem sie Strategien vorstellte, die Individuen nutzen, um in einem komplexen System handlungsfähig zu bleiben. Stichwort “fight flight freeze fawn“. Wir haben also zusammen einen Slot genutzt, in dem ich einleitend die Fragestellung aufgeworfen habe und Julia anschließend die Theorien aus der Verhaltenspsychologie erläutert hat.
Für das Thema haben wir viel positives Feedback bekommen. Ich konnte jedoch leider keine konkreten Handlungsempfehlungen ableiten. Als ich in der darauf folgenden Woche in meiner Firma davon erzählte, wurde das Thema aufmerksam aufgenommen und ich bekam einige gute Hinweise auf Quellen zu dem Thema.
Weitere weiche Themen auf der WEUC waren Neurodiversität, “Talking to people” und Kommunikation in schwierigen Organisationsstrukturen.
Technische Vorträge gab es natürlich auch.
Alexander M. Turek hielt einen Vortrag zu “Strict PHP”. Was bedeutet das, wozu ist es gut und weshalb es nicht reicht, das einfach im Programm zu deklarieren.
Rainer Schuppe (Oberservability Heroes) stellte Open Telemetry vor – ein Framework zur Erfassung von Messdaten. Er demonstrierte Einsatzzwecke und Möglichkeiten zur Datenauswertung.
Und natürlich gab es auch in diesem Jahr wieder einige Slots zum Thema “Künstliche Intelligenz”. Während KI in den vergangenen zwei Jahren eher als enormes Potential gesehen wurde, nimmt nun die tatsächliche Nutzung sprunghaft zu. Beispiele:
Automatisierte Websiteanalyse
Suche in und Zusammenfassung von großen Dokumentensammlungen
Unterstützung beim Programmieren und Einsatz bei personaliserter Akquise.
Automatische Erstellung von “best of presentation” Videos. Der Teilnehmer kommentierte das so: “Das Ergebnis sind so eine Art TikTok Videoschnipsel von unseren Vorträgen.”
Bei generativer KI zur Erzeugung von Bildern und Videos sind die enormen Verbesserungen der letzten zwei Jahre augenfällig, aber es gibt noch immer zu viele eigentümlichen Artefakte. Dennoch wurde gerade die Zusammenarbeit von Runway (AI basierte generierung von Videos) mit der Filmproduktionsfirma Lionsgate bekanntgegeben.
Joschua Ziethen (Yet Another Agency) zeigte interessante Beispiele zum Einsatz von KI Toolchains mit Hilfe von make.com. Zudem hat mich der Bastian Hofmann (Qdrant) zum Thema Vektordatenbanken sehr angesprochen.
Trotz des reduzierten Umfangs gab es also auch in diesem Jahr wieder reichlich spannenden fachlichen Austausch. Ein Teilnehmer meinte sogar, dass er es gut fand, dass wir in diesem Jahr nur zwei, anstelle von drei parallelen Tracks hatten, weil man so weniger verpasst.
Es gibt also viel Positives zu berichten. Dennoch haben mir aber viele von meinen Buddies aus der E-Commerce Szene gefehlt. Ohne Marco, Lars, Fabian oder Thomas ist es nicht so ganz dasselbe. Andererseits habe ich darum bei der Abendgestaltung nicht über die Stränge geschlagen. Das ist dann wiederum ganz gut für die Gesundheit des alten Mannes.
Hat die WEUC noch Zukunft?
Die Diskussion, ob wir die Veranstaltung im nächsten Jahr weiterführen sollen, wurde einstimmig bejaht. Wir waren uns auch einig, dass 50 Teilnehmer die Untergrenze sind und wir eher wieder auf 75 bis 90 kommen sollten.
Diese zusätzlichen Teilnehmer wollen wir vozugsweise in anderen Branchen als e-commerce und außerhalb von Deutschland finden, um die Diversität an Themen und Sichtweisen zu fördern. Denn trotz Englisch als Konferenzsprache wurde der Anspruch, eine internationale Konferenz zu sein, in diesem Jahr nur knapp erreicht.
Bei der Frage, ob es wieder Mallorca sein muss, gab es unterschiedliche Meinungen. Mir selbst ist das nicht so wichtig (“Meinetwegen Kassel oder Bielefeld”), so lange sich eine gute Mischung aus Teilnehmern und Themen findet. Die überwiegende Mehrheit fand jedoch, dass die entspannte Atmosphäre und das Ambiente zum Erfolg der Veranstaltung beiträgt.
Da ist etwas dran. Das Besondere, weshalb ich jedes Jahr gerne wieder teilnehme ist die Offenheit, mit der hier Herausforderungen und Lösungsansätze besprochen werden. Im Gegensatz zu anderen Konferenzen, steht hier nicht Verkauf und Selbstdarstellung im Vordergrund, sondern ehrlicher Gedankenaustausch.
Zum Ende der Veranstaltung ein Zeichen zu setzen, sagte eine Sponsorin bereits die Unterstützung für 2025 zu. Nun ist es an uns, den längeren zeitlichen Vorlauf für eine gute Organisation und Medienarbeit zu nutzen.
Auf dass die Web Engineering Unconference 2025 wieder interessant, spanned und lehrreich wird.
Seit einiger Zeit ist künstliche Intelligenz ein allgegenwärtiges Thema. Ich bin da selber stets skeptisch gewesen. Jahrzenhntelang was das Thema eher ein fahler Witz. Zudem – wie soll ich an künstliche Intelligenz glauben, wenn ich schon kaum an natürliche Intelligenz glaube? (siehe: Zustand der Welt)
Zynismus beiseite – letztlich ist KI nur “Statistik auf Speed”. Die Grundlagen sind mathematisch verblüffend banal. Das sollte jeder verstehen können, der sich durch das Abitur geboxt hat. Von neuronalen Netzen war auch bereits zu meiner Schulzeit in den 80ern die Rede. Der Grund, weshalb das Thema jetzt so abhebt, ist die Verfügbarkeit von früher unvorstellbarer Rechnpower und digitalen Datenbergen.
Man muss zugeben, dass das Feld gerade explodiert. Texte, Bilder und Videos werden nach allen Regeln der Kunst und Manipulation zurechtgelogen und -gebogen. Selbstfahrende Autos haben (in den USA) bereits Fähigkeiten, die sie durch normale Programmierung in den nächsten 50 Jahren nicht erreicht hätten. KI wird uns in den nächsten Jahren überrollen, wie es die Computer in den 80er und 90er Jahren gemacht haben. Millionen von Arbeitnehmern werden ihre Jobs verlieren – und zwar diesmal die hochqualifizierten Angestellten. Höchste Zeit also, sich das Ganze etwas näher anzusehen.
Erste Schritte zwischen “Wow” und “Was zum Geier…”???
Bisher habe ich nur hier und da etwas Theorie gelesen, aber selbst noch nichts aktiv genutzt. Aus gegebenem Anlass beschäftige ich mich jetzt selber mit diesem Thema. Mein Ziel war es, eine Serie von Bildern inhaltlich analysieren zu lassen, und die Erkenntnisse zu verschlagworten. Dabei sollten nicht nur Objekte in den Bildern erkannt werden, sondern auch bestimmte Situationen, dmit daraus Handlungsempfehlungen abgeleitet werden können.
Noch vor fünf Jahren hätte ich abgewunken und “unmöglich” gesagt. Nun stehen mir etliche Werkzeuge aus der Microsoft Azure Cloud und GPT4 zur Verfügung. Die Anwendung ist nicht schwer zu programmieren, weil die eigentlich anspruchsvolle Arbeit ja von den Cloudservern erledigt wird.
Ich musste nur dafür sorgen, dass die Bilder nacheinander zur KI hochgeladen werden, die Antwort entgegennehmen und verarbeiten. Ach ja, und der “Prompt” muss natürlich sinnvoll sein. Damit sagt man der KI, was sie machen soll – und zwar in natürlicher Sprache.
Erster Eindruck: Die Objekterkennung ist ziemlich gut. Man bekommt eine Liste von Dingen, die die KI auf dem Foto erkannt zu haben glaubt, zusammen mit einem “Confidence” Wert. Ein Eintrag wie “Hardhat (confidence: 0.93)” bedeutet sinngemäß: “Ich bin mir zu 93% sicher, dass dort ein Bauarbeiterhelm ist”. In diesem Fall war es zwar ein roter Ball unter einem Schreibtisch – aber da der Kontext “Baustelle” war, ist das völlig in Ordnung. Da muss man halt später noch mal mit einer Plausibilitätsprüfung drüber. Die anderen Dinge wurden verblüffend korrekt erkannt.
Aus den Objekten alleine kann man aber noch nicht viel ableiten. Die Beziehung untereinander und der Kontext ergibt eine Situationseinschätzung. Und auch die ist verblüffend gut gewesen.
So wurde gelobt, dass das Baugerüst ordentlich aufgestellt war und bemängelt, dass die Bauarbeiter keine ausreichende Schutzkleidung trugen. Selbst potentiell gefährlich Situationen wurden erkannt “Bauarbeiter unter schwebender Kranlast”. Sehr sehr beeindruckend.
Nun habe ich versucht die Analyseergebnisse selber weiter zu verarbeiten. Dazu müssen sie in einen standardisiertes Format gebracht werden. Das ist an und für sich kein großes Thema: Man analysiert den Rückgabetext und erzeugt daraus Schlagworte die mit dem Bild verbunden werden.
Dabei ist mir aber schnell einen Manko aufgefallen: Wenn ich der KI das identische Bild wieder und wieder vorlege, bekomme ich jedes mal andere Antworten. Das reicht von unterschiedlicher Wortwahl über unterschiedliche Reihenfolge und Gewichtung und tatsächlich sind auch die erkannten Sachverhalte nicht völlig identisch. Das ist ein Verhalten wie es Menschen in einer Diskussion zeigen würden. Leider ist es damit aber völlig ungeeignet um damit verlässliche Schlagwortlisten aufzubauen. Insbesondere wenn es um wirklich wichtige Themen wie Sicherheit geht und nicht nur um Smalltalk.
So bin ich gerade etwas hin- und hergerissen. Einerseits ist die Bildanalyse wirklich beeindruckend. Andererseits macht die mangelhafte Reproduzierbarkeit das vernünftige Arbeiten nahezu unmöglich.
Taugt das was? Ich weiss noch nicht so recht…
Neulich habe ich einmal irgendwo gelesen, KI sei nur ein stochastischer Papagei, der Intelligenz vorgaukelt. Man könnte natülich etwas bösartig sagen, dass das auch für 85% der Menschen zutrifft.
Von solchen philosophischen Betrachtungen abgesehen, habe ich wahrscheinlich nur noch nicht die richtigen Schalter und Parameter gefunden. Ich bleibe erst mal am Thema dran…
Wenn man einem bekannten deutschen Nachrichtensender glauben möchte, ist es ein wahres Abenteuer, elektrisch von Stuttgart nach Colmar (222km!) und dann in den Schwarzwald in den Urlaub zu fahren. Die Story verlinke ich jetzt mal absichtlich nicht. Zudem halte ich halte diese Tour eher für einen etwas längeren Tagesausflug, als einen Urlaub.
Ich fahre meist zweimal pro Jahr für ein paar Tage in den Norden an die dänische Grenze (450km) um Freunde und Verwandte zu besuchen. Anfang August war es mal wieder so weit. Zum ersten Mal mit dem E-Auto und es gab noch eine Premiere:
Ich bin nach 22 Jahren endlich mal auf die andere Seite nach Dänemark rübergefahren und habe mich dort etwas umgesehen.
Wie habe ich mich auf mein Wagnis vorbereitet?
Ich habe die Karte in meiner Maingau App angesehen und danach noch die Karte von Tesla. Tatsächlich sind Schnelllader im Norden etwas dünner gesäät, aber entgegen landläufiger Meinung muss man ja nicht jede Stunde an die Steckdose.
Ich bin mit knapp 100% Ladung in Berlin losgefahren, genauso wie ich früher vor der Abfahrt vollgetankt habe. Dann habe ich dem Auto gesagt “Navigiere mich nach Flensburg”. Die angezeigte Strecke entspricht genau der, die ich seit Jahren fahre. Es wurde ein Ladestopp ungefähr auf der Hälfte der Strecke angezeigt – in Wittenburg, wo ich ebenfalls seit Jahren meinen Zwischenstopp mache. Als ich noch meinen kleinen Peugeot hatte, musste ich dort auf dem Autohof auch immer noch Zwischentanken. Der hatte die Strecke nämlich auch nicht in einem Rutsch geschafft.
Invasion der Wikinger an der Skipiste in Mecklenburg-Vorpommern?
Bis hierhin also überhaupt nichts Neues. Lediglich, dass ich nicht auf den Autohof gefahren bin, sondern 500m weiter zu den Superchargern an der Skihalle. Die 8 Ladesäulen waren auch gut besucht. Ich war der einzige mit deutschem Kennzeichen – der Rest Norweger, Schweden und Dänen.
Das Auto zeigte mir irgendwann an, dass die Ladung genügt, um das Ziel zu erreichen. Zur Vorsicht habe ich noch 5% draufgelegt und dann ging es weiter.
Da ich aufgrund des etwas dünneren Ladenetzes (und vor allem der unverschämten Roaming-Preise für Ladestrom) gerne mit genügend Kapazität im Akku am Urlaubsort ankommen wollte, habe ich das Auto noch einmal in der Nähe von Schleswig auf 95% geladen. Das sollte für die kleineren Touren in den nächsten Tage genügen.
Die ersten drei Tage habe ich mich auch nur im Umfeld von Glücksburg aufgehalten. Die Sonne schien und es war Strandwetter. Das ist hier selbst im Sommer nicht selbstverständlich und wurde daher ausgenutzt.
Was geht denn so in Dänemark?
In diesem Jahr hatte ich mir fest vorgenommen, endlich auch mal die Nordseite der Flensburger Förde zu besuchen. Morgens ging es zunächst zum Strand nach Dreiby. Die Landschaft ist genauso grün, hügelig und mit Wasserflächen durchzogen, wie auf der deutschen Seite. Trotzdem ist die Atmosphäre anders. Die Gegend ist dünner besiedelt, die Häuser ducken sich flacher hinter die Büsche und Bäume und der Strand war naturbelassen und sehr viel leerer, als in Holnis.
Mittags fuhr ich in die Altstadt von Sønderborg um dort einen ein leckeres Sandwich und köstlichen Kaffee zu mit zu nehmen. Sønderborg wird manchmal “die kleine Schwester von Flensburg” genannt und das trifft es auch recht gut.
Westlich von Sønderborg befindet sich die Dybbøl Banke (Düppeler Schanze). Hier verlor Dänemark im zweiten Deutsch-Dänischen Krieg1864 die Herzogtümer Schleswig und Holstein and Preußen und das aliierte Österreich. Die Anhöhen werden von Dänemark als historische Orte erhalten. Man kann die teilweise geschleiften Befestigungen noch sehen und es gibt ein Museum.
Danach bin ich in die Kleinstadt Broager gefahren. Die beiden charakteristischen weißen Kirchtürme habe ich jahrelang von Holnis aus gesehen. Nun habe ich mir den Ort und den ganzen Kirchberg endlich einmal aus der Nähe betrachtet. Sonst ist in dem verschlafenen 3.300 Seelen Ort nicht viel los und es zog mich wieder zurück nach Deutschland.
…und was ist jetzt mit aufladen?
Stimmt. Jetzt bin ich schon drei Tage durch die Gegend gefahren und der Akku ist immer noch nicht leer. Auf dem Weg habe ich einige 11KW Ladesäulen gesehen, aber in Klipev stehen Supercharger und dort kostet mich der Strom trotz Nachmittagszuschlag nur DKK 2,50 (€0,33) pr kWh. Der Ladepark liegt an der Autobahn E-45 (in Deutschland A7) und hat sagenhafte 48 Ladesäulen von Tesla und noch weitere von anderen Anbietern. Also mal eben wieder auf 90% und in der Zeit bei Mecces einen Kaffee ziehen.
Als ich an meiner Pension in Bockholm angekommen bin, war ich von dem unfassbar niedrigen Stromverbrauch fasziniert. Für die knapp 40km über Autobahn, Schnell- und Landstrassen habe ich nur etwas über 4kW benötigt. Zugegeben – ich bin gemütlich gerollt, aber nicht einmal €1,50 für die Strecke finde ich sensationell!
Ich habe ein paar Minuten nur gelacht, weil mir zum Vergleich einfiel, was ich im Jahr zuvor ausgerechnet hatte. Da war ich von derselben Pension aus abends noch mal kurz zur Tankstelle gefahren. Die liegt 5km entfernt in Glücksburg, also hin und zurück 10km. Der Mercedes benötigte auf Kurzstrecke gerne mal 12 Liter/100km oder mehr. Rechnen wir der Einfachheit halber mit 10. Für die Fahrt zur Tankstelle und zurück habe ich also einen Liter verbraucht – für damals €1,80.
Kein weiterer Kommentar mehr zu den Betriebskosten.
Obwohl doch – einen hab ich noch. Zwei Tage und etliche gefahrene Kilometer später fahre ich bei der Verwandschaft in Nordfriesland auf den Hof. Die haben schon vor Jahren ihr Scheunendach mit Photovoltaik voll und auch eine Wallbox in der Garage, obwohl noch kein E-Auto auf dem Hof steht (O-Ton: “…die hat damals zusammen mit der Anlage nur €150,- gekostet. Dann habe ich das gleich mitinstallieren lassen”). Ich frage, ob ich mal anstöpseln darf. Durfte ich. Wir waren alle interessiert, ob die Anlage richtig funktioniert. Das Auto meckert etwas, weil nur auf zwei von drei Phasen geladen wird, aber es geht. Mit gemütlichen 7kW. Aber der Nachmittag ist lang und sonnig und am Abend ist der Akku trotzdem voll.
Die nächsten 200km bin ich also völlig klimaneutral mit Solarstrom gefahren. Einfach klasse!
Nach 6 Tagen zurück nach Berlin
Leider war der Urlaub nur sehr kurz und ich musste am Sonntag zurück nach Berlin. Die Fahrt war eher zäh. Die Autobahnen waren sehr voll. Mehr als 120km/h selten möglich. Zwischenladen wieder in Wittenburg. Zwei längere Staus vor Berlin. Schlecht für die Durchschnittsgeschwindigkeit, gut für den Verbrauch. In Berlin mit 40% im Akku angekommen.
Und wo war jetzt das Drama?
Es gab keines. Und das, obwohl ich nur das Modell mit dem kleinen Akku habe (60kWh statt 80kWh). Ich hatte allerdings auch keine echten Probleme erwartet.
Ich bin insgesamt 1.350 km gefahren, habe 194kWh verbraucht (inkl. Ladeverluste etc.) und weniger als €75,- bezahlt.
Zugegeben – die gute Infrastruktur von Tesla hilft, aber ich hätte auch stets woanders laden können. Allerdings zu höheren Kosten mit weiteren Stromverträgen. Und das ist meines Erachtens das eigentliche Problem der E-Mobilität: Die völlige Intransparenz an den Ladesäulen. Da muss die Politik dringend ran.
Der Schock über die Ergebnisse der Europawahl am letzten Wochenende sitzt bei vielen tief – auch bei mir.
Was mich aber fast noch sprachloser macht, sind die hilflosen und inhaltlich mangelhaften Erklärungsversuche auf die Frage:
Weshalb haben so viele junge Leute rechts gewählt?
Ich kontere mal mit einer provokannten Gegenfrage:
Ja, warum denn eigentlich nicht? Sie machen es, weil sie es können und weil sie es wollen.
Der Schock wäre eine gute Gelegenheit, die eigenen Vorurteile und Standpunkte zu hinterfragen. Ein Beispiel:
Jahrelang wurde propagiert, das Wahlalter auf 16 Jahre zu senken. Diese Forderung kam überwiegend aus der grünen und linken Ecke. Das unausgesprochene Kalkül dahinter ist die Stärkung der eigenen politischen Positionen. Konservativismus wurde als alt und männlich gesehen und die Jugend sei automatisch grün und links. Die offiziell ausgesprochene Begründung war bessere politische Beteiligung der Jugend, immer verbunden mit dem Hinweis, mit 16 sei man auf jeden Fall geistig reif genug.
Nichts davon hat mir jemals eingeleuchtet.
Das fängt schon mal damit an, daß hier das Prinzip der Volljährigkeit nicht verstanden wurde. Zugegeben ist 18 Jahre eine halbwegs willkürliche Grenze. Nur weshalb man einerseits mit 16 nicht voll verantwortlich für sein eigenes Handeln in Hinsicht auf Geschäfte, Sexualität und Straftaten sein soll, aber auf der anderen Seite genügend geistige Reife für politische Entscheidungen haben soll, erscheint mir einfach nur unlogisch und inkonsequent.
Jetzt, wo sich herausgestellt hat, dass das politische Kalkül “Jugend = links” nicht aufgegangen ist, wird die zuvor attestierte geistige Reife auch gleich wieder in Frage gestellt, indem über den verwerflichen Einfluss von Tik-Tok Videos geschwafelt wird. Spiegel titelt sogar “Vielen Jugendlichen ist gar nicht bewusst, wie extrem rechts die AfD ist“.
Also irgendwas stimmt hier im Weltbild nicht. Entweder sind junge Leute doch nicht so geistig reif, oder… oder…
Schon mal in Erwägung gezogen, dass sie es doch sind und genau das wollen, was sie wählen?
Es hat keinen Sinn, ständig von “Brandmauern gegen rechts” zu fantasieren, die es ehrlich gesagt niemals gab. Es ist völlig unlogisch, Jugendliche automatisch mit politisch links zu assoziieren.
Jugendliche machen sich zuerst mal sorgen, welchen Platz in der Gesellschaft sie einnehmen können.
Wenn sie, wie wir damals in den 80ern in Westdeutschland den Eindruck haben, der Staat ist stockkonservativ und versperrt ihnen alle Wege, werden sie sich eher nach links wenden und versuchen freiheitlicher zu werden.
Heutzutage ist die Ausgangslage aber eine völlig andere. Der Mainstream ist extrem liberal geworden. Jeder macht, was er will. Strukturen sind zwar noch vorhanden, funktionieren aber nicht mehr, während gleichzeitig jede Form von Autorität in Frage gestellt und herausgefordert wird. Kontrollverlust auf allen Ebenen.
Nicht nur Alte, sondern auch viele Jugendliche fühlen sich damit überfordert. Viele haben den Wunsch nach mehr Struktur und Sicherheit.
Das sind genau die Beweggründe, die meinem Großvater 1929 in die NSDAP haben eintreten lassen. Er sagte mir damals ehrlich “Ich wollte, dass das Chaos [der Weimarer Republik] aufhört und da waren Leute, die Struktur und Disziplin versprachen.”
Möglicherweise denken heute auch wieder viele so.
Ich habe die Wahrheit auch nicht, aber die akademische Innenstadtblase, aus der die meisten Medienschaffenden kommen, sollte mal die eigenen Moralvorstellungen und Hybris zurückstellen, um sich mit mal mit anderen Sichtweisen auseinanderzusetzen. Immer nur die eigenen Vorurteile widerzukäuen bringt keinen Erkenntnisgewinn.
Es hat sich seit längerem abgezeichnet und im März habe ich es endlich durchgezogen. Ich habe mein Verbrenner Auto gegen ein E-Auto eingetauscht.
Warum?
Ernsthaft? Ölkrise 1973, Ölkrise 1979, Unglücke mit Tankern und Bohrinseln, diverse Kriege und Unruhen, Klimakatastrophe um mal ein paar Stichpunkte zu nennen. Wenn man mal ehrlich ist, wissen wir seit 50 Jahren, dass wir vom Öl weg müssen. Und jetzt geht es bei Autos auch endlich – also los!
Warum jetzt?
Es war für mich nie die Frage, ob ich umsteigen möchte, sondern nur wann. Ich habe lange den schleppenden Aufbau der Ladeinfrastruktur verfolgt, den langsamen Rückgang der enorm hohen Kaufpreise und nun hat endlich beides für mich mich gepasst. Wo ich hinwill gibt es mittlerweile Strom und das Auto war zwar nicht gerade billig, aber preiswert und ich musste keine Niere verkaufen um die Anschaffung zu finanzieren.
Was ist es geworden?
Meine Hauptkriterien bei der Suche waren:
Berlin / Hannover (300km) muss in einem Rutsch möglich sein. Auch bei Tempo 120-130.
10-80% Laden in 30 Minuten.
Keine ernsthaften Kinderkrankheiten.
Keine Newcomer Marke. Ich möchte auch in sechs oder acht Jahren noch Ersatzteile bekommen.
Und natürlich – ich muss den Hobel bezahlen können.
Mittlerweile kommen da tatsächlich mehrere Modelle verschiedener Hersteller in Frage. Leider fielen aber ziemlich viele Kandidaten bei einem Punkt durch: Effizienz.
Was nützt mir denn ein großer (teurer, schwerer) Akku, wenn der genau so schnell leergenuckelt wird, wie ein kleinerer in einem effizienten Auto? Strom gibt es ja auch nicht gerade umsonst. Ich habe auch verblüfft festgestellt, dass große und stark motorisierte E-Autos z.T. deutlich weniger verbrauchen als viele elektrische Kleinwagen. Wer hätte das gedacht?
Am Ende bin ich dann beim Tesla Model 3 Basismodell mit Heckantrieb und kleinem Akku gelandet. Laut etlicher Vergleichstests ist das eines der effizientesten E-Autos. Der kommt mit seinem 60kw/h Akku nämlich fast genau so weit, wie andere Modelle mit 77kw/h. Außerdem ist das ein LFP Akku, der wirklich von 0-100% genutzt werden kann, kein Kobalt enthält, nicht brennt und doppelt so lange hält, wie normale NMC. Das Preis-Leistungsverhältnis ist super.
Und ich bin E-Auto Anfänger. Durch das Supercharger Netz ist das wie fahren lernen mit Stützrädern :-D
Und wie ist er?
Mein erstes Zwischenfazit nach 2.000 km (alles von Wochenendeinkauf über Kurzausflüge bis 300km Mittestrecken):
Ja geil! Macht total Spass.
OK, etwas differenzierter bitte. Der Tesla ist in vieler Hinsicht deutlich anders, als herkömmliche Auto. Einiges ist gut, einiges albern, manches einfach nur anders und manches auch eher doof.
Dinge, die ich gut finde
Das Fahrgefühl ist einfach nur großartig. Ruhig, kraftvoll, unaufgeregt, sehr entspannt.
Beim Blinken wird das Bild der Seitenkamera auf dem Display angezeigt. Kein toter Winkel mehr!
Zusätzlich zum echt großen Kofferraum gibt es vorne nachmal ein Gepäckfach.
One Pedal Driving. Ich habe auf den 2.000 km vielleicht 5x das Bremspedal benutzt.
Das Auto ist bis jetzt so sparsam, wie ich es erhofft hatte.
Supercharger sind so gut wie idiotensicher und günstig. Die meisten Standorte haben auch recht viele Lader. 8-20 Stück sind normal.
AC Lader (langsam – meist 11kw) von anderen Anbietern sind weniger günstig, aber funktionieren in Kombination mit 1-3h Parken auch gut.
Vorklimatisierung und Sitzlüftung – einfach genial! Wenn die Sonne das Auto auf 65 Grad aufgeheizt hat und die Kunstledersitze knallheiß sind, einfach in der Smartphone App eingeben, dass man in 5 min losfahren will. Beim Einsteigen hat das Auto dann nur noch 30 Grad, 30 Sekunden Sitzlüftung an und man klebt nicht am Sitz fest.
Die Soundanlage klingt gut.
Die Software ist stabil und die Bedienung auf dem Display schnell.
Unerwartet, aber klasse: Weil das Design sehr reduziert ist, bekommt man das Auto schnell sauber. 10 Minuten mit Lappen und Staubsauger und innen ist wieder alles schick. Mein Mercedes hatte tausend Schalter, war eng und zerklüftet und man musste elende Verrenkungen machen um in alle Ecken zu kommen.
Die Verarbeitung ist gut. Nur auf extremen Kopfsteinpflaster klötert die Gurtmechanik. Sonst ist Ruhe im Karton.
Dinge, die nett, lustig oder albern sind
Der Ton beim Verriegeln des Autos kann geändert werden. Das standardmässige “meep meep” klang mir zu sehr nach billiger 90er Jahre Nachrüst-Alarmanlage. Ich habe mir einen Sound zusammengebastelt, der irgendwo zwischen Laserschwert und elektrischer Funkenentladung klingt. Passt besser zu dem Auto :-D
Man kann den Tesla furzen lassen – und dann auch noch in unterschiedlichen Intensitäten. Ist OK, wenn man 5 jährige Kinder zum Lachen bringen will.
Eingebaute Lightshow mit Dancemoves (was ?!?). Habe selber schon etwas verwundert und amüsiert an so einem Event teilgenommen. Wer sich fragt, wovon ich rede, sucht am besten mal bei Youtube nach “Tesla Lightshow” oder guckt gleich das Video vom “Tesla Takeover 2024“.
Entertainment wie Spiele, Video- und Audiostreaming und sogar eine Software, mit der man mal eben Musikstücke zusammenbasteln kann.
Dinge die einfach nur anders sind
Die Philosophie, wenn möglich Mechanik durch Software zu ersetzen. Versteht nicht jeder. Für ITler seit ewigen Zeiten völlig normal.
Die Bedienung generell. Viel Touch und etwas Sprache, Kaum Knöpfe, kein Tacho direkt vor der Nase. Viele finden das doof, andere lieben den reduzierten und aufgeräumten Look.
Die Klima/Lüftung hat zwar keine mechanische Bedienung mehr, aber dafür kann man auf dem Display mit den Fingern die Luftströmung verschieben und teilen.
Die Materialauswahl im Innenraum. Anders, aber auch schön.
Das Lenkrad fasst sich sehr gut an, aber die Naht des Bezugs ist auf der Rückseite und nicht innen. Am Anfang etwas irritierend.
An einigen Stellen etwas seltsame Prioritäten. Beispiel: Die Hebel am Lenkrad einsparen, aber dafür ein Touchdisplay für den Fond und ein teures Glasdach.
Eher doof
Die ganzen besch… Assistenzsysteme, die Bevormundung, das ständige gepiepe. Hat mich am Anfang irre gemacht, aber das meiste bekommt man ausgeschaltet. Fairerweise muss man sagen, dass das weniger an Tesla liegt. Der ganze Müll ist mittlerweile von der EU für alle Neuwagen vorgeschrieben. Was für Drogen nehmen diese Leute in Brüssel eigentlich während der Arbeit?
Keine Blinkerhebel. Ich habe mich dran gewöhnt und kann jetzt sogar im Kreisverkehr richtig “rausblinken”, aber trotzdem – das war blöd. Minimalismus finde ich ich schick, aber das ist zuviel des Guten. Und ich glaube auch, dass viele das Model 3 genau deshalb nicht kaufen, obwohl es sonst ein tolles Auto ist.
Zwischenfazit
Zwei Monate und 2.000km ist noch nicht viel, aber bis jetzt macht das Auto sehr viel Spass und keine Probleme. Den Gedanken, dass ich einen schönen, gut erhaltenen Mercedes gegen ein amerikanisches Auto, das in China gebaut wurde eintausche und das auch noch klasse finde, hätte ich vor zehn Jahren noch für recht abwegig gehalten.
Laden statt tanken – man muss halt etwas umdenken. Man lädt nicht, wenn der Akku alle ist, sondern wenn man gerade eine gute Gelegenheit hat. Und schon hat man kaum Mehraufwand.
Ich will niemanden bekehren. E-Mobilität passt vielleicht noch nicht für jeden (mein Cousin reist gerne mit großem Wohnwagen) oder überall (In Nord/Ostdeutschland leider noch sehr wenige Schnellader), aber für mich passt es ganz hervorragend.
Dirk Ollmetzer | Thursday, 16 May 2024 | Unterwegs
Sonntag, 12. Mai. Als ich morgens das Haus verließ, traf ich einen Nachbarn. Ich grüßte und sagte, dass ich mich passend für den Gottesdienst angezogen habe. Er musterte meine Motorradkombi, lächelte und meinte nur “oh – ist schon wieder ein Jahr um?”. Ertappt!
Manche nennen sich Christen und gehen einmal im Jahr in die Kirche – zu Weihnachten.
Ich bin getaufter Atheist und gehe auch einmal im Jahr in die Kirche – zu Muttertag. So auch in diesem Jahr. Gemeint ist natürlich der nunmehr 29. Motorradgottesdienst in Friedrichswalde (hier meine Artikel von 2023 und 2022).
In diesem Jahr bin ich mit zwei Arbeitskollegen gefahren. Natürlich sind wir nicht einfach die 70 km Autobahn hoch nach Norden gebrettert, sondern fuhren die Strecke gemütlich über kleine Landstraßen. Der Weg ist zumindest ein wichtiger Teil vom Ziel. So konnte wir die eineinhalb Stunden dauernde Fahrt in die Schorfheide genießen. Das Wetter war perfekt: Sonnig und warm, aber nicht heiß. Die Landschaft stand in voller Blüte, sah bezaubernd aus, duftete gut und mein Antiallergikum hat gewirkt.
So eine kleine Tour ist Balsam für die Seele.
Wir kamen gegen 12 Uhr in Friedrichswalde an und konnten unsere Maschinen noch in der Nähe der Kirche abstellen. Etwas später war bereits das halbe Dorf zugeparkt. Ich gehe davon aus, dass es auch in diesem Jahr wieder an die 1.000 Motorräder waren.
Als erstes haben wir Pastor Schwieger und seine Frau begrüßt. Trotz des Trubels nahmen sie sich die Zeit für ein kurzes Gespräch. Danach machten wir uns auf ins Getümmel. Viele Menschen standen oder saßen in kleinen oder größeren Gruppen zusammenstanden schnackten miteinander. Dazu bot Dominic Mertens eine gelungenen Mischung aus Coversongs dar. Wir genossen die sehr nette, entspannte und angenehme Atmosphäre.
Nachdem wir uns hinreichend mit leckerem Grillgut, Getränken, Kaffee und Kuchen versorgt hatten, machten wir die obligatorische Runde durch das Dorf, um uns die Maschinen anzusehen. Auch diesmal waren wieder einige wunderschön restaurierte Oldtimer dabei. Und wie jedesmal bin ich auch diesmal verblüfft gewesen, wie etliche hunderte Motorräder zusammen stehen können und keine zwei Maschinen gleich sind.
Um 14:00 begann der Gottesdienst, den ich wie auch in den vergangenen Jahren vom “Balkon” aus verfolgt habe. Die musikalische Untermalung – kräftiger Bluesrock mit christlichen Texten – kam auch in diesem Jahr wieder von Fat Hat. Im Gegensatz zum letzten Jahr allerdings ohne Feuerbälle.
Die Predigt war eine Metapher über Freiheit und Verantwortung, die vordergründig vom Motorradfahren handelt, aber eigentlich recht universell ist. Schön fand ich die Stelle in der aufgezählt wurde, was man während des Motorradfahrens alles tut. All die Schalter und Hebel mit beiden Händen und Füßen zu bedienen, Sitzhaltung, Gleichgewicht, Blickführung, usw. Das klingt für nicht-Biker nach harter Arbeit (die es auch ist) und macht dennoch so viel Vergnügen.
Natürlich gehörte auch wieder eine Schweigeminute dazu, während der wir den Verstorbenen und Kranken gedacht haben.
Nach dem Gottesdienst blieb noch etwas Zeit für ein Getränk, bevor auf der Dorfstraße für die gemeinsame Ausfahrt Aufstellung genommen wurde. Wie in den vergangenen Jahren wurde der Konvoi von der Motorradstaffel der Johanniter begleitet. Nicht so schön war allerdings, dass einige Autofahrer nicht verstanden haben, dass man nicht in einen geschlossenen Verband hereinfahren darf und versucht haben, sich einfach vorbei zu drängeln.
Da wir drei noch die 70km zurück nach Berlin vor uns hatten, haben wir die Karawane ziehen lassen. Wir stärkten uns noch mit einem letzten Stück Kuchen und machten uns dann auf den Weg. Am Werbellinsee legten wir noch einen kleinen Zwischenstopp ein, den einer meiner Kollegen für einen kurzen Sprung ins kühle Nass nutzte.
Diese Erfrischung erwies sich als als goldrichtig, weil wir bereit ein paar Kilometer später im Stau standen. Das Ende eines langen Wochenendes mit starkem Rückreisverkehr nach Berlin, eine zugestaute A11 und eine Baustelle in Eichwalde ergaben einen unerquicklich langen Stau entlang des Werbellinsees. Mit dem Auto hätten wir hier sicherlich 40-50 Minuten gestanden. Mit dem Motorrad fahre ich an so etwas vorsichtig und mit etwas schlechtem Gewissen vorbei, aber eine knappe Stunde mit Stop and Go und Geschwindigkeiten im einstelligen Km/h Bereich geht einfach nicht.
Trotz der etwas mühsamen Rückfahrt war der Motorradgottesdienst auch in diesem Jahr wieder sehr erfreulich. Den Kollegen hat es ebenfalls gefallen. Ich freue mich schon jetzt auf die 30. Ausgabe im nächsten Jahr.
Ein Geburtstag lieferte den Anlass zu einem zweitägigen Ausflug nach Rostock. Natürlich war ich schon etliche Male dort oben an der Küste: Von Kühlungsborn und Heiligendamm bis Fischland / Darß / Zingst. Immer links oder rechts an Rostock vorbei oder schnell durch bis nach Warnemünde, aber niemals in der Stadt selbst.
O.K., Warnemünde ist technisch gesehen ein Stadtteil von Rostock – fühlt sich aber nicht so an. Mein Eindruck war immer, dass die Stadt nur aus Schnellstrassen und DDR Plattenbauten entlang der Warnow besteht und tatsächlich stimmt das auch für große Teile der Stadt.
Aber das ist eben nicht alles und ich habe nun eine sehr schöne Seite kennengelernt.
Rostock ist im Jahr 1283 der Hanse beigetreten und war daher über Jahrhunderte eine blühende Handelsstadt. Zwar wurden während des zweiten Weltkriegs weite Teile der Stadt zerstört, aber die verblüffend große Altstadt hat immer noch viele schöne Ecken und historische Gebäude – teilweise sogar aus dem 14. Jahrhundert. Zudem sind noch Teile der Stadtmauer und mehrere Stadttore erhalten.
Ein Highlight für mich sind die beiden noch erhaltenen Bastionen vor der Stadtmauer an der südwestlichen Seite der Altstadt. Auf der Karte kann man noch die typischen, zackigen oder Rondellartigen Grundrisse der Wallanlagen erkennen. Sie sind auch noch immer von einem wassergefüllten Wallgraben umgeben. Im Gegensatz zum 17. Jahrhundert ist die Anlage aber mit großen Bäumen bewachsen und bildet so einen idyllischen Stadtpark. Trotz des Bewuchses kann man aber noch immer deutlich die enormen Höhenunterschiede von bis zu 20m sehen. Kaum vorstellbar, welch unglaublicher Kraftaufwand der Bau dieser Anlagen ohne Maschinen seinerzeit gewesen sein muss.
Heubastion und Wallgraben – früher Verteidungungsanlage, heute Park
Ich war ohnehin etwas erstaunt, daß es in der Altstadt im Gegensatz zum Umland ganz und gar nicht flach ist.
Und sehr schön ist, dass die Altstadt jenseits der Einkaufsstraße tatsächlich bewohnt wird. Es ist kein reines Shopping / Kneipen / Museums- / Touristenbespaßungs- / Eventdingens, sondern richtige Stadt mit einer Gebäudemischung aus jeder Epoche seit dem 14. Jahrhundert, die ich als sehr angenehm empfinde. Selbst den paar DDR Plattenbauten merkt man an, dass sie in Form und Proportion eingepasst wurden, was seinerzeit vermutlich mit harten Bandagen politisch erkämpft werden musste.
Es gibt in der Altstadt viele schöne und besondere Ecken. Die Nicolaikirche (ab 1230) fiel mir auf, weil es einen Gang gibt (Schwibbogen) , mit dem man quer unter dem Kirchenschiff hindurchgehen kann. Noch ungewöhlicher: Im Dachstuhl sind auf mehreren Etagen Wohnungen (für Kirchenmitarbeiter) untergebracht und im Turm sind Büros (der evangelisch Lutherischen Kirche). Am kuriosesten ist jedoch, dass der Umbau zu DDR-Zeiten in den 1980er Jahren durchgeführt wurde – und das Geld dafür aus Westdeutschland kam, aber das ist eine etwas längere Geschichte.
Zwei Tage sind kurz. Was fiel mir sonst auf?
Mir war nicht bekannt, dass das Kreuzfahrtunternehmen AIDA seinen Firmensitz in Rostock hat.
Die Tourismusabgabe der Stadt ist mit €3,70 pro Tag recht happig, zumal der An- und Abreisetag jeweils voll zählen (also 3 x €3,70 für die zwei Tage). Immerhin ist die ÖPNV Nutzung dabei eingeschlossen – nur habe ich das nicht gebraucht.
Und wenn ich schon mal beim Geld bin: Auf der Hinreise bin ich von Berlin zunächst nach Warnemünde und habe mich vom Navi meines Autos einlullen lassen. Das dumme Ding hat mich tatsächlich östlich der Warnow langfahren lassen. Und plötzlich stand ich ohne Wendemöglichkeit vor dem Warnowtunnel – der einzigen mautpflichtigen Strasse in Deutschland! Also erst mal auf den Standstreifen, Geld suchen und dann die völlig unnötigen €4,10 zu bezahlen.
Das Parkhaus am Rande der Altstadt, in dem ich mein Auto stehen ließ,war auch etwas hinterhältig. Bis 45 min darf man umsonst parken, danach kostet es Geld. Max. Tagessatz: €10,-. Eigenlich sehr fair – nur gibt es keine Schranke und somit auch keinen Parkschein. Man muss das einfach wissen und sich einen entsprechenden Ausweis besorgen, weil tatsächlich streng kontrolliert wird.
Und wenn ich schon mal beim Auto bin – in der Überschrift habe ich ein kleines Wortspiel versteckt. Ich bin nämlich nicht nur durch Rostock gestromert (= “ziellos geschlendert”), sondern auch die komplette Strecke hin- und zurück gestromert (= “elektrisch gefahren”). Meinen Benziner habe ich durch ein E-Auto ersetzt und das war die erste etwas längere Fahrt. Aber dazu schreibe ich separat.
Der Klimawandel ist real und seit einigen Jahren auch deutlich spürbar. Das 1,5 Grad Ziel haben wir bereits im letzten Jahr gerissen und die Zukunft sieht nicht gut aus. Ich muss leider zugeben, dass ich auch ein Gewohnheitstier bin und nicht mein ganzes Leben auf den Kopf stellen will. Ich möchte auch weiterhin Wurst auf meinem Brötchen haben und wegfahren können. Aber das ist natürlich keine Entschuldigung überhaupt nichts zu tun. Also versuche ich durchaus, Dinge zu ändern. Wie in den letzten Jahren auch schon.
Bringt das überhaupt etwas, wenn ich etwas ändere?
Um ein Gefühl dafür zu bekommen, ob meine Bemühungen überhaupt etwas bringen, nutze ich seit einigen Jahren den CO2 Rechner des Umweltbundesamtes um mir meine persönliche CO2 Bilanz zu erstellen. Dabei lag ich seit einige Jahren stets deutlich unter dem deutschen Durchschnitt und zudem gingen meine CO2 Emissionen auch stetig zurück. Von unglaublichen 21,56 t CO2 im Jahr 2000 (durch sehr viele berufsbedingte Flüge) über schon bessere 9,22 t 2019 bis auf 8,84 t für 2022. Die Hebel waren vor allem Einsparungen im Energierverbrauch im Haushalt und geändertes Mobilitätsverhalten durch Änderungen im Beruf.
2011 bin ich noch über 35.000 km mit dem Auto (Golf TDI) gefahren. In den letzten Jahren gab es teilweise Homeoffice und mein Büro lag im Nachbarbezirk – klarer Fall für das Fahrrad.
So weit, so schön – und wie geht es weiter?
Zwar habe ich es auch 2023 noch einmal geschafft, die Vorjahreszahl leicht zu unterbieten, aber so richtig viel Potential scheint da nicht mehr drin zu sein. Meine CO2 Bilanz für 2023 liegt bei 8,6 Tonnen – ca. 16% unter dem Deutschen Durchschnitt von 10,34t. Bei Wohnen und Energie liege ich extrem gut, bei Ernährung und sonstiger Konsum leicht besser, aber der Bereich Mobilität ist nicht gut. Das lag vor allem an drei Flugreisen – eine beruflich, eine privat und einmal Urlaub.
Für dieses Jahr sind auch wieder mindestens ein oder zwei Flugreisen fest eingeplant. Das restliche Mobilitätsbudget wird aus familiären Gründen auch nicht geringer ausfallen können. Vermutlich werde ich sogar wieder etwas mehr mit dem Auto fahren müssen. Mein Ziel ist es dennoch, für 2024 unter 8t zu kommen.
Wo ist der Hebel für weitere Reduktion?
Für dieses Jahr ist der Hebel ein technischer. Ich habe vor, meinen schönen (alten und durstigen) Mercedes bald durch ein Elektroauto zu ersetzen. Somit würde es auch Sinn machen, den Urlaubsflug durch einen kürzeren Urlaub mit dem Auto zu ersetzen.
Ich bin gespannt, wie sich das in meiner Gesamtbilanz auswirken wird.
So viel sei schon vorneweg verraten: Ich würde den Volvo genau zwischen den beiden anderen Fahrzeugen einordnen. Was ich damit meine, erläutere ich im Fazit.
Mein Testfahrzeug hatte “nur” Heckantrieb mit 200 kW (272 PS), den großen 64 kWh Akku und die höchste von drei Ausstattungslinien. Listenpreis: €47.730,00, wobei mir ein guter “Hauspreis” für Barzahlung angeboten wurde, obwohl das Auto brandneu auf dem Markt ist.
Volvo, Strom, Schweden, China
Volvo hat bereits seit längerem mehrere Elektrofahrzeuge im Programm. Das sind umgebaute Verbrenner, die groß, kantig, teuer und “verbrauchsstark” sind. Der neue EX30 ist deutlich kleiner, günstiger und das erste Modell, das von vornherein ausschließlich als Elektroauto konzipiert wurde. Die technische Basis stammt vom chinesichen Geely Konzern und wird auch für den Smart #1 und dem Zeekr X verwendet. Karosserie, Innenraum und Bedienung sind allerdings bei allen drei sehr unterschiedlich.
China? Geely?
Ja, die Volvo Car Corporation hat zwar ihren Sitz in Göteborg in Schweden, ist aber bereits seit längerem in chinesischem Besitz. Dem Konzern gehören ganz oder teilweise auch andere bei uns bekannte Marken wie Polestar, Lotus und Smart.
Karosserie und Innenraum
Für die Volvo Marketing Abteilung ist der EX30 ein Kompakt-SUV. Für mich ist das einzige SUV-mäßige an dem Fahrzeug das kantige Styling der Karosserie. Mit einer Länge von 4,23 m und einer Breite 1,83 m gehört der Wagen aber eindeutig in die Kompaktklasse, wie der Golf. Die Höhe von 1,55 m ist ebenfalls nicht übertrieben. Das Auto ist also ziemlich sozialverträglich und gefällt mir optisch gut.
Die kompakten Außenmaße bedeuten andererseits natürlich auch, dass der Innenraum nicht allzu üppig ist. Auf den Vordersitzen hat man ausreichend Platz, aber in der zweiten Reihe kann es eng werden, wenn die Vordersitze weit zurückgeschoben werden.
Der Kofferraum reicht mit 318 l (904 l mit umgeklappten Rücksitzen) locker für den Wochenendeinkauf, aber nicht für das Reisegepäck einer vierköpfigen Familie. Immerhin gibt es unter dem Kofferraumboden noch etwas Raum für flache Dinge und das verschmutzte AC Ladekabel kann separat in einem kleinen Fach unter der Fronthaube untergebracht werden.
Die Materialien im Innenraum sind aus Recyclingmaterial. In der höchsten Ausstattungslinie “Ultra” sind die Sitze hellgrau meliert und Teile des Armaturenbretts ebenfalls mit einem ähnlichen Stoff überzogen. Ich empfand die Qualität als angenehm. Andere Tester bemängelten die Haptik als “etwas billig”. Möglicherweise bezog sich das aber auch auf die unteren Ausstattungsvarianten, in denen auf dem Armaturenbrett ein Kunststoff verbaut wird, der mich an Bodenbelag von Turnhallen erinnert. Immerhin nerven nirgendwo “Klavierlack”-Oberflächen.
Die Verarbeitungsqualität ist auf jeden Fall hochwertig und solide. Alles ist stabil, nichts wackelt oder knarzt.
Bedienung
Wie heutzutage schon fast üblich, gibt es keinen Schlüssel mehr. Wenn man sich dem Fahrzeug mit dem Token oder dem Smartphone und der Volvo App nähert, blinkt er kurz und entriegelt automatisch die Türen.
Nachdem man hinter dem etwas eckigen Lenkrad Platz genommen hat, merkt man, wie aufgeräumt das Auto ist. Ähnlich wie im Tesla, gibt es nur einen zentralen Touchscreen, als Anzeige. Das “Tablet” ist etwas kleiner als im Tesla, hochkant verbaut und läuft mit Android als Betriebssystem. Es ist übersichtlich, die Bedienung ist super flüssig und es gibt eine hervorragende Spracherkennung.
Anders als Tesla gibt es aber hier neben einigen Tasten auf dem Lenkrad noch zwei Lenkstockhebel für Blinker, Licht, Scheibenwischer und Gangwahl.
Bei vielen Testern hat dieses aufgeräumte Cockpit reflexartig zu Kritik geführt: “Kein Fahrerdisplay, kein Head-Up Display, keine Knöpfe”.
Ich war froh, dass ich bereits den Tesla gefahren bin und das Grundkonzept verstanden hatte. Knöpfe für Sitz- und Lenkradheizung, Radio, Klimaanlage etc. habe ich gar nicht vermisst und auch nicht im Blindflug auf dem Tablet rumgewischt, sondern sofort alles über Sprachbefehle gesteuert. Das funktioniert – Google sei dank – sehr schnell und einwandfrei. Wenn man das einmal genutzt hat, fragt man sich, warum in anderen Autos eigenlich 1.000 Knöpfe und Regler verstreut sind. Mein Mercedes Baujahr 2013 kommt mir im Vergleich mittlerweile recht altbacken vor.
Die Sitze sind vielfach elektrisch einstellbar und bequem, haben aber nicht viel Seitenhalt. Das Lenkrad ist manuell einstellbar. Es ist zwar nicht völlig rund, aber es liegt gut in der Hand und fühlt sich angenehm an. Die Tasten auf dem Lenkrad sind leider – wie beim VW ID3 – nicht so gut gelöst. Der Blinkerhebel funktioniert nicht ganz so wie gewohnt. Er rastet nicht ein, sondern ist eigentlich nur ein Schalter.
Der Sound der im Armaturenbrett eingebauten Anlage von Harmann Kardon ist richtig gut. Leider spiegelt sich das Logo in der Windschutzscheibe.
Die Probefahrt Es gibt keinen Anlasser oder Startknopf. Den Fuß auf die Bremse, mit dem Rechten Hebel “D” oder “R” wählen und schon kann es los gehen. Wie bei anderen E-Autos rollt der Wagen nahezu lautlos an. Ich bin per “One-Pedal-Driving” gefahren – also nahezu ohne die Bremse zu nutzen, da die Rekuperation bis zum Stillstand reicht. Das lässt sich aber auch umstellen.
Meine Fahrt führte mich 50km über Stadt- und Landstrassen und ein Stück Autobahn. Die Fahrbahnqualität reichte von glattem Asphalt über Betonplatten bis zu Kopfsteinpflaster. Die Federung schluckt viel weg, ist für meinen Geschmack aber etwas zu weich, weil bei etwas(!) zügigerer Fahrt doch etwas Bewegung in die Karosserie kommt. Das Fahrgeräusch war stets sehr leise – egal ob Dorfstrasse mit Kopfsteinpflaster oder mit 185 km/h auf der Autobahn. Das ist übrigens auch die Höchstgeschwindigkeit, die man nur sehr kurz fahren sollte. Erstens konnte man zugucken, wie die kalkulierte Restreichweite “verdampfte” und zudem wird das ansonsten angenehm komfortable Fahrwerk dann sehr unruhig und man muss viel korrigieren. Also schnell man an einer Kolonne vorbeiziehen ist möglich, aber das Auto fühlt sich bei 120 – 130 km/h am wohlsten.
A Propos Autobahn: Bei der Auffahrt habe ich das Strompedal einmal durchgetreten.
Jesus!
Man ist derart schnell von 50 auf 130, dass man kaum zum Luftholen kommt. Für das Grundmodell mit 272 PS ist die Beschleunig von 0-100 km/h 5,3 s. angegeben. Wozu es da noch eine Allradversion mit 428PS gibt, ist mir unklar. Eigentlich passt diese massive Beschleunigung nicht so recht zum ansonsten kreubraven, komfortablen Character des Fahrzeugs.
Im Alltag sind andere Dinge wichtiger. Die Schildererkennung liegt leider zu häufig daneben und hat mich nicht so ganz überzeugt. Beispiele von der 50 km Probefahrt:
Auf einer vierspurigen Ausfallstraße wurden 10 km/h angezeigt (anstatt 60 km/h).
Auf der Autobahn wurde die Aufhebung von 120 Km/h nicht angezeigt.
Bei einer Dorfdurchfahrt wurde die zeitliche Einschränkung einer 30 km/h Zone ignoriert.
Das ist aus zwei Gründen ärgerlich:
Erstens ist das Fahrzeug – typisch E-Autos – so leise, dass man die gefahrene Geschwindigkeit nicht mehr fühlt. Man muss also nach Tacho fahren und dann sollte die angezeigte Höchstgeschwindigkeit bitte auch stimmen.
Zweitens müssen neue Autos seit diesem Jahr ein deutlich hörbares Warngeräusch machen, sobald man auch nur knapp schneller fährt. Das ist zwar einerseits praktisch (siehe Grund eins), aber es nervt kolossal, wenn das Auto häufig nicht recht hat und rumbimmelt.
Mit der Aufmerksamkeitüberwachung hatte ich im Gegensatz zu einigen Testern kein Problem. Das mag daran liegen, dass ich während der Fahrt nichts auf dem Bildschirm gesucht habe (Sprachsteuerung FTW!!!) oder daran, dass die Funktion in der aktuellen Softwareversion entschärft wurde.
Rückwärts einparken funktioniert sowohl mit der Rückfahrtkamera, als auch konventionell gut.
Weitergehende Assistenzsysteme habe ich nicht ausprobiert.
Verbrauch, Laden, Reichweite
Die Probefahrt fand bei freundlichem Vorfrühlingswetter statt: 13 Grad, trocken, kaum Wind. Das sind ziemlich gute Voraussetzungen für akzeptable Verbrauchswerte. Während der Fahrt bin ich ruhig im Verkehr mitgeschwommen, habe wo es ging die erlaubte Höchstgeschwindigkeit ausgenutzt. Auf der Autobahn fuhr ich 120 -130 km/h und habe für zwei Minuten Vollstrom gegeben. Am Ende wurde mir für die 48km Fahrt ein Durchschnittsverbrauch von 20,3 kWh/100 km angezeigt. Das ist weder richtig gut, noch richtig schlecht. Die größeren E-Volvos benötigen deutlich mehr, aber das Tesla Model 3 hat neulich bei schlechterem Wetter 16,3 kWh/100 km angezeigt (was aber vermutlich etwas zu optimistisch ist).
Ich denke, dass der Unterschied hauptsächlich auf die unterschiedliche Karosserieform zurückzuführen ist. Der Volvo ist kurz und kantig, während das Model 3 flach, lang und windschlüpfrig ist. Beide Wagen haben Wärmepumpen.
Für das von mir gefahrene Modell mit Heckantrieb und 64 kWh Akku wird eine WLTP Reichweite von 476 km angegeben. Ich gehe von realistischen 300 bis 350 km aus. Zur Ladeplanung kann ich nichts sagen und verweise auf andere Tests. An Gleichstrom soll der Wagen mit maximal 130 kW von 10% auf 80% in 26 Minuten laden. Eine Besonderheit ist, dass man den EX30 anstelle des serienmäßigen 11 kW AC Laders auch mit einem 22 kW AC Lader bekommen kann.
Fazit
Kurzfassung; Der Volvo EX30 ist ein sehr angenehmes, praxistaugliches Auto, das es mit kleinem 51 kW/h Akku bereit ab €37.000,- gibt.
Jeep vs. Volvo
Ich hatte eingangs geschrieben, dass er für mich zwischen dem Jeep Avenger und dem Tesla Model 3 liegt. Damit meine ich, dass der Jeep und der Volvo vom Charakter kreuzbrave, komfortable Kompaktautos sind, die im SUV-Kleid daherkommen und im Grundpreis von ca. €37.000 vergleichbar sind. Beide kann ich mir gut als typisches Kurzstrecken und Pendlerfahrzeug vorstellen.
Beide haben einen 51 kWh Akku. Der Jeep ist von der Bedienung (Knöpfe!) und der überschaubaren 156 PS Motorisierung her noch ein “normales” Auto. Der Volvo hat dagegen einen absurd starken 272 PS Motor und ist mit seinem Tablet- und sprachbasierten Bedienkonzept näher an Tesla. Die Autobahn ist für beide aufgrund der kleinen Akkus nicht so das Metier. Der Jeep wird sogar bereits bei 150 km/h abgeriegelt.
Volvo vs. Tesla
Der Volvo mit dem größeren Akku ist hingegen, wie aus der Tesla voll autobahntauglich. Beide kommen weit, laden zügig und können bei Bedarf auch mal kurzfristig schnell fahren. Die Höchstgeschwindigkeit vom Tesla ist 200 km/h, die vom Volvo ist 180 km/h.
Auch diese Fahrzeuge sind preislich vergleichbar: Der Volvo ab €42.000,- und der Tesla ab €43.000,-. Der Volvo hat einen etwas größeren Akku (64 kWh) als der Tesla (60 kWh), aber der Tesla verbraucht weniger und lädt noch etwas schneller. Bei hohem Autobahnanteil würde ich den Tesla bevorzugen, weil der deutlich ruhiger auf der Strasse liegt. Bei hohem Stadtanteil eher den Volvo, weil der kompakter, wendiger und übersichtlicher ist.
Nachtrag
Standardargument: “…aber das ist vieeel teurer, als ein Verbrenner!“
Ähm – nein. Nur noch etwas teurer. Ich habe eben mal zum Spass einen vergleichbaren VW Golf konfiguriert. 150 PS Benziner mit Automatik (bzw. 7 Gang DSG), alle Zusatzfunktionen rein, die der Volvo serienmäßig hat. Ergebnis: € 38.785,00! Und dabei fehlen immer noch so wichtiges Komfortfeature, wie Vorklimatisierung. Wenn wir jetzt den erheblich höheren Wartungsaufwand für Verbrenner berücksichtigen haben wir den Mehrpreis nach 36 Monaten locker drin.