Vom Freitag, den 24. bis Sonntag, den 26. Juli fand in Berlin das Reload Electric Motorcycle Festival statt. Austragungsort war das Craftwerk in Berlin Lichtenberg; Eine Motorrad Selbthilfewerkstatt, ein Platz, an dem man seine zweiräderigen Schätzchen lagern kann, ein Coworkingspace und ein Treffpunkt von motorradinteressierten Menschen an dem man sich einfach mal auf einen leckeren Kaffe zum klönen treffen kann.
Reload – Industriehof am Craftwerk mit Ausstellerzelten und Besuchern
Dieser Ort ist nicht einfach irgendein Motorradclub von lauter bierbäuchigen alten Männer auf lauten Harleys. Die Mitglieder und Besucher sind wesentlich gemischter.
Zum einen sind hier verblüffend viele Frauen aktiv, die an ihren Maschinen schrauben. Das kommt sicher auch daher, dass u.a. Cäthe Pfläging vom Frauenmotorradclub The Curves zu den Betreibern zählt.
Zum Anderen handelt es sich bei aller Liebe zu alten Fahrzeugen nicht um eine Gruppe verbohrter Petrolheads. Das absehbare Ende des Benzinzeitalters und die Verkehrswende sind regelmäßig Thema in Gesprächen und die ersten Erfahrungen mit Stromantrieb haben hier auch bereits einige hinter sich (z.B. mit einem Umbau einer alten 50er Vespa auf Elektroantrieb oder indem trotz Skepsis, einfach mal ein E-Motorrad ausprobiert wird).
Hinter den Ständen der Aussteller: Eine Auswahl and Custombikes
Da ist es nur folgerichtig, hier das Reload Festival abzuhalten, bei dem es ausschließlich um elektrisch angetriebene Zweiräder ging – vom stylischen Pedelec bis zum Hochleistungsmotorrad. Die Gelegenheit, möglichst viele unterschiedliche elektrische Zweiräder auszuprobieren, konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Also warf ich mich trotz der schwülen Wärme in meine Kombi und fuhr mit meiner (benzingetriebenen) Suzuki zum Craftwerk. Der Tag verging zwischen BenzinStromgesprächen und diversen Probefahrten wie im Flug.
Kleine Stunteinlage
A propos Flug: Einen Abflug habe ich mir leider auch geleistet. Ich fuhr nach einer Probefahrt langsam auf den Hof (ca. 12 km/h), als mich jemand mit einem anderen Fahrzeug zu einer Vollbremsung zwang.
Split auf Pflaster, blockiertes Vorderrad – zack lag ich mit der Maschine auf dem Boden.
Ich wusste ja, daß der Untergrund etwas rutschig ist und hatte daher voll in die Hinterradbremse gelangt. Leider hatte das Fahrzeug statt ABS nur eine CBS Bremse, die auf Vorder- und Hinterrad gleichzeitig wirkt. Normalerweise wäre ich einfach mit blockiertem Hinterrad etwas gerutscht, aber nicht gestürzt. Das CBS bremst aber leider das Vorderrad mit und das rollte gerade über Split.
Shit!
Daher mein Rat, an alle, die sich ein Leichtkraftrad (125er) kaufen möchten:
Kauft NIEMALS eine Maschine ohne ABS! Die angebliche Alternative CBS ist das Schlimmste, was man überhaupt bauen kann!
Dank voller Schutzkleidung kam ich ohne Schramme davon und die Maschine hat auch keinen Schaden genommen. Aber so ein Stunt genau zwischen allen Besuchern hätte nicht sein müssen.
Ich schreibe aus Fairness nicht, welcher Hersteller das war. Ironischerweise hatten wir nämlich vor der Fahrt ein Gespräch über das fehlende ABS und mir wurde gesagt: „würden wir gerne einbauen, aber Bosch verkauft nicht an Kleinserienhersteller“.
Tja… :-(
Von diesem kleinen Zwischenfall abgesehen, war der Tag großartig. Ich beschreibe im Folgenden nicht chronologisch, sondern von klein nach groß.
E-Bikes / Pedelecs
Es waren zwei Hersteller von E-Bikes/Pedelecs auf der Reload: Urban Drivestyle aus Berlin und Super73 aus Kalifornien. Beide bauen E-Bikes mit fetten Rädern, die nach irgendwas zwischen 70er Jahre Bonanzarad und „Möchtegern-Motorrad“ aussehen.
Verschiedene Modelle von Urban Drivestyle
Je nach persönlichem Stilempfinden irgendwo zwischen total witzig bis völlig unmöglich. Als normales Fahrrad wären sie wegen des hohen Gewichts und der Körperhaltung extrem schwer zu fahren. Man bekommt aufgrund der Sitzposition nämlich kaum Kraft auf die Pedale. Dieser Style funktioniert nur, wenn der Motor kräftig mitschiebt. Neugierig war ich aber natürlich schon. Also machte ich mich zum Horst und fuhr zwei Modelle von Super73 in voller Motorradmontur zur Probe:
Eines aus der Z-Serie (Starrahmen, 30Kg „leicht“, ca. €2.700,-) und eines aus der R-Serie (Vollfederung, 36kg, ca. €4.600,-). Beide mit kräftigem Motor in der Hinterradnabe und Kettenschaltung, damit man kein Problem mit der Trittfrequenz bekommt.
Eine kleine Auswahl bei Super73
Mein Fazit: Das ist das genaue Gegenteil von meinem E-Bike ( „Neuzugang im Fuhrpark: Ampler Curt“ ). Ein extrem lässiger Cruiser zum entspannten Dahingleiten. Witzig sind die Dinger schon, aber meins ist das nicht. Man kann das tatsächlich fahren, aber nur mit Strom, sonst tritt man sich halb tot. Auch das weniger schwere Modell möchte ich nicht in den Keller tragen müssen. Müsste man aber auch nicht, weil der Akku bei allen Modellen entnehmbar ist.
Bei solch speziellen Gefährten ist aber auch klar, dass sich eine blühende customizing Szene gebildet hat. Beide Hersteller haben daher auch teil sehr lustige Umbauten gezeigt – zum Beispiel ein Super73 mit Surfbrett und eingebautem Sound-System.
Mopeds
Mit elektrischen Mopeds (also die Klasse bis 45km/h, die man mit dem Autoführerschein fahren darf), habe ich ja bereits etwas Erfahrung. Ich hatte ein Jahr lang eine Super Soco („Weg vom Benzin (Teil 3) – Ich fange jetzt mal klein an„) und bin im letzten Jahr eine Sur-Ron Firefly zur Probe gefahren („Der Ritt auf dem Glühwürmchen„). Eigentlich hatte ich nicht so viel Lust, solche Modelle zu fahren, aber die Brekr Model B (B für Bromfiets – also Moped) aus den Niederlanden sah so ganz nett anders aus, also gab ich ihr eine Chance.
Schickes, flottes Strom Moped
Das kleine, leichte Maschinchen (79kg incl. Akku) fuhr sehr munter. Mir wurde gesagt, dass bei der Abstimmung alles was in der EU erlaubt ist, bis zum Maximum ausgereizt wurde (Der Nabenmotor leistet 4kW Peak, bei 2,5kW Nennleistung). Das war zu merken. Sie fuhr deutlich spritziger, als die Super Soco und dürfte mit ihrem 2kW/h Akku nach meiner Schätzung realistische 50-60km weit kommen. Ein Zweitakku ist auch möglich.
Interessant: Trotz Nabenmotor war ein deutliches Fahrgeräusch zu vernehmen – bis ungefähr 45km/h laut Tacho. Bei Höchstgeschwindigkeit war sie dann völlig lautlos. Der Preis ist mit €4.750,- nicht gerade ein Schnäppchen, aber die Maschine wird in den Niederlanden per Hand gebaut und ist wirklich toll abgestimmt. Wenn Moped – dann so.
Kleine Motorräder
Mit „klein“ meine ich eigentlich, dass sie mit dem „kleinen“ A1 Führerschein ab 16 Jahren gefahren werden dürfen. Die drei Modelle des taiwanesischen Herstellers Ovaobike sind alle A1 Modelle. Und sie sind alle klein – und damit meine ich diesmal die Größe. Sie sehen aus, wie normale, moderne Motorräder, aber in 2/3 Größe. Niedlich und irgendwie zwischen „richtigem Motorrad“ und Honda Monkey. Aber ich konnte mit meinen 1,85 gut sitzen. Klein bedeutet übrigens nicht unbedingt leicht: 184 kg!
Die MCR-S von Ovaobike
Ich habe das Spitzenmodell MCR-S ausprobiert, das mit 10,5kW Nennleistung und 22kW Spitzenleistung die A1-Klasse maximal ausnutzt. Es gibt da nämlich eine kleine Gesetzeslücke.
Die Klasse A1 bedeutet max. 125ccm Hubraum (hat ein Elektromotor nicht) und max. 11kW Nennleistung. Verbrenner haben eben diese 11kW (15PS) und fertig. Einige E-Motorräder haben 11kW (Dauer)Nennleistung – aber eine deutlich höhere kurzfristige Peakleistung, z.B. zum Überholen.
Mir ist das egal, weil ich die „offene“ Klasse A habe und jede beliebige Waffe auf 2 Rädern fahren darf, aber für Anfänger ist das ein netter Trick legal schneller zu fahren. Allerdings dürften 16 Jährige i.d.R. nicht über das notwendige Budget von ca. €15.000,- verfügen.
Dafür bekommt man neben der Leistung, 2 Batterien mit zusammen 9,6kW/h Leistung, was in der Stadt angeblich für max. 210km gut sein soll. Hinten ein Zentralfederbein, vorne Upside Down Telegabel und immerhin 270mm Scheibenbremsen von Brembo – aaaaber – nur CBS und kein ABS. Das ist schlecht (siehe oben „kleine Stunteinlage“).
Die MCR-S macht den Eindruck eines etwas geschrumpften aktuellen Motorrad im „Streetfighter“-Look. Im Gegesatz dazu sieht die Bonfire des Münchener Herstellers Black Tea Motorcycles aus, wie ein kleines Motorrad von Yamaha oder Honda aus den 70ern, bei dem jemand den Antrieb ausgetauscht hat.
Bonfire von Black Tea Motorcycles mit offenem Akkufach
Die Maschine gibt es in zwei Versionen: als Moped mit einem Akku und max. 45km/h und als A1 Bike mit zwei Akkus. Ich habe das A1 Modell mit 11kW Nennleistung gefahren. Bei den 11kW bleibt es in diesem Fall auch. Also kein „E-Motorrad-Trick“. Das reicht immerhin für klassenübliche 100km/h. Die Bonfire X fährt sich wie eine normale 125er. Beschleunigung ist o.k, aber nicht weltbewegend.
Dafür sitzt man recht kommod und der Verzicht auf den Zulassungtrick und 100km Reichweite spart gegenüber der Ovaobike immerhin €9.000,- Die Bonfire X kostet in der A1 Version nur €6.000,-. Leider ist auch dieses Modell nur mit CBS Bremse erhältlich. Davon abgesehen – ein nettes Retro Bike zum attraktiven Kurs, das super ist für das Pendeln zur Arbeit/Uni/Berufsschule.
Große Motorräder
Nur einer der drei etablierten Hersteller von Elektromotorrädern war anwesend. Harley Davidson und Energica fehlten, aber dafür war Zero Motorcycles aus Kalifornien mit breiter Palette vor Ort. Ich konnte zwei Modelle, die ich interessant finde zur Probe fahren.
Sehr quirlig! Zero FXE Supermoto
Das Modell FXE ist eine Maschine im Supermoto Stil, auf der man sehr aufrecht am breiten Lenker sitzt. Sie ist mit 135kg („vollgetankt“ – hahaha…) superleicht. Es gibt sie in einer 11kW Version für A1 Führerscheininhaber. Ich fuhr die ungedrosselte Version mit 33kW (44PS) Peak- und 15kW (21 PS) Nennleistung, für die man einen Führerschein der Klasse A2 (Ab 18 Jahren, bis max. 48PS) benötigt. Das hört sich zusammen mit der Höchstgeschwindigkeit von 132 km/h erst einmal nicht nach viel an, aber:
Holla – da geht die Luzi ab!
Nicht umsonst sind die sehr ordentlichen Pirelli Diabolo Rosso II Reifen aufgezogen. Ich bin nur im Eco Modus gefahren, war aber trotzdem in nullkommanix aus dem Stand auf … ähm – nun ja – deutlich zu schnell für die Stadt. Das gab mir dann gleich die Gelegenheit, die sehr guten Bremsen zu testen.
Neben der krassen Beschleunigung fand ich aber fast noch besser, wie unglaublich gut sich die Maschine langsam fahren ließ. Und damit meine ich den einstelligen km/h Bereich, den man mit Verbrenner Motorrädern nur mit viel Gewürge und schleifender Kupplung hinbekommt. Das liegt an dem feinfühlig dosierbaren Motorcontroller und an der aufrechten Sitzposition, die einem ein wunderbares Gefühl für die qurlige, wendige Maschine gibt. Der Preis liegt bei ca. €14.000,-
Nachdem ich mit breitem Grinsen im Gesicht zurückkam, meinte der freundliche Zero-Mitarbeiter, dass ich nach dem „kleinen“ Modell jetzt ja mal die „große“ ausprobieren könne.
Gesagt getan: Zero SR/F mit 40kW (54PS) Nennleistung und 82kW (110PS) Peak bei 227kg Gewicht.
Zero SR/F
Mein erster Eindruck: Auch hier sagen die Zahlen nicht viel. Trotz fast 100kg Mehrgewicht gegenüber der FXE, fühlte sich die Maschine nicht sonderlich schwer oder träge an. Mir kam sie sogar leichter als meine GSX-S 750 vor, obwohl das nicht stimmt. Der Schwerpunkt liegt eben sehr tief. Wenn die FXE schon gut abging – auf der SR/F ist kompletter Wahnsinn angesagt, wenn man so richtig am Stromgriff dreht. Ich denke, man ist hier nahe am physikalisch machbaren, was die Reifen noch auf die Strasse bringen können.
Aber auch hier beeindruckt mich neben der schieren Kraft vor allem, wie feinfühlig sich die Maschine fahren lässt. Da merkt man, dass Zero bereits 15 Jahre Erfahrung beim Bau von Elektromotorrädern hat. Kostenpunkt: je nach Ausstattung ab €20.000,- Um es kurz zu machen:
Rein von Fahrgefühl ist das für mich DER Benchmark aller Motorräder, die ich bisher fahren konnte.
Ich habe daraufhin noch etwas am Stand bei Zero rumgehangen und habe festgestellt: JEDE Person gleich welchen Alters oder Geschlechts hatte nach der Probefahrt Probleme den Helm abzunehmen, weil sich das Grinsen von einem Ohr bis zum anderen zog.
Und sonst so?
Es gab noch andere Hersteller mit ausgewachsenen Motorrädern, die ich jedoch nicht mehr gefahren bin. Die RGNT aus Schweden sieht im feinsten Retro-Stil recht edel aus. Als Cruiser im aktuellen Stil kommt die Alrendo daher. Den futuristischen Hingucker liefern Verge aus Finnland, durch das nabenlose Hinterrad mit Felgenmotor.
RGNT im Retro StilAlrendo im aktuellen Cruiser-StilFuturistisch: Verge mit Hinterrad Felgenantrieb
Offroad
Ich bin zudem noch zwei Maschinen ohne Straßenzulassung außer Konkurrenz gefahren. Hinter dem Fabrikgebäude war eine kurze Offroad Passage möglich, auf der man Strom geben konnte.
Schon seit einiger Zeit bietet der schwedische Hersteller Cake das Offroad Modell OR an. Das Design ist wie bei allen Modellen von Cake sehr technisch reduziert und sehr speziell, aber es hat etwas. Wenn die Maschine direkt vor einem steht, merkt man die extrem hohe Material- und Verarbeitungsqualität. Das Fahrzeug hat 11kW und satte 280Nm Drehmoment, wiegt aber nur unglaubliche 69Kg.
Heidewitzka – das war lustig!
Zufriedenes Grinsen nach leichtem Geländeritt auf der Cake
Eine junge Dame hat ein paar Action-Aufnahmen von mir gemacht. Mal schauen wann ich die bekomme. Das Modell gibt es auch unter dem Namen Kalk mit Straßenzulassung. Es kostet zwischen €12.000 und €14.500,-
Im Anschluss konnte ich noch eine Runde auf der sehr minimalistischen Trevor aus Belgien drehen. Nun bin ich ja nicht allzu klein, aber auf dieses Bike musste ich fast raufklettern. Jetzt ahne ich, wie sich kleinere Menschen auf Motorrädern fühlen. Das Fahrzeug ist minimalistisch, roh, und verblüffend laut. Für den Ritt durch leichtes Gelände schien es mir sehr gut geeignet. Ob ich das auch auf der Straße haben möchte, weiss ich nicht so recht. Immerhin ist man gerade dabei, eine Strassenzulassung zu bekommen.
Trevor
Und sonst?
Vor einiger Zeit habe ich auf dem Youtube Kanal vom Londoner Bike Shed Motorcycle Club einen Bericht über einen Prototyp von DaB aus Frankreich gesehen. Und siehe da – DaB war anwesend und hatte zwei Prototypen mitgebracht. Die charmante Mitarbeiterin sagte mir, dass man gerade dabei ist die Serienproduktion vorzubereiten und die Straßenzulassung läuft. Genaueres habe ich nicht erfahren, aber die Maschine im Supermoto Stil finde ich optisch schon mal recht ansprechend.
Prototyp von Dab
Vor einiger Zeit habe ich mehrere Videos über ein Umbaukit für alte 50er Vespa auf E-Antrieb gesehen. Jetzt gibt es das auch für Simson. Bin nicht sicher, ob das genial oder Frevel ist – aber es geht und man kann die alten Schätzchen auch dann weiterfahren, wenn es zu einem Fahrverbot für Zweitakter kommt, wie es in vielen europäischen Städten bereits existiert.
Elektro Umbaukit für Simson S und Schwalbe
Von Videobloggern und Nicht-Videobloggern
Über so ein interessantes Event muss natürlich berichtet werden. Am besten in Ton und Bild. Ich war auch extra mit Helmkamera gekommen, aber leider habe ich scheinbar regelmäßig Start und Stopp der Aufnahme verwechselt. Zu Hause habe ich dann sehr lange Passagen gesehen, in denen ich den Helm durch die Gegend trage oder in irgendeine Ecke gelegt habe. Und jedesmal, wenn es zu einer Probefahrt ging, unterbrach das Video.
Bravo Herr Ollmetzer! Ganz großartig gemacht!
Also habe ich stattdessen diesen langen Artikel geschrieben und Videoaufnahmen den Profis überlassen. Das Ergebnis sind ein paar Sekunden Ruhm im Fernsehen, weil mich der RBB für die Abendschau interviewt hat.
Auch ohne mich wurde überall gefilmt. Neben dem RBB waren auch viele Videoblogger anwesend, die man kennen kann, wenn man sich für die Berliner Elektroszene interessiert.
Ein schöner Überblick über die Veranstaltung kommt von den Scooterhelden. Respekt – das war sehr schnell!
Ich habe den Videoblogger Rad City Berlin gesehen, der regelmässig mit seinen Super73 durch Berlin fährt und darüber berichtet. Da können wir sicherlich einen Bericht erwarten.
Gefilmt haben auch Paddy Lectric und der Zero Pionier mit denen ich mich auch über ihre Erfahrungen, inbesondere zum Thema „Wo und wie lade ich die Maschine“ unterhalten konnte. Von den beiden wird es sicherlich Fahrvideos geben.
Und vermutlich gibt es noch mehr, die ich nicht erkannt habe.
Mein Fazit
Die Veranstaltung war klasse. Genau der richtige Rahmen, um sich einen Überblick über die E-Mobilität auf zwei Rädern oberhalb von Pedelecs zu informieren – und vor allem das Ganze auch selbst zu erfahren. Weil es genau darum geht – eigene Erfahrung. Es nützt nicht viel, irgendwelche technischen Daten zu lesen – man muss diese neue Technik spüren.
Dann wird einem nämlich klar, dass Verbrennungsmotoren ein Auslaufmodell sind. Nach einem ganzen Tag auf meist leise surrenden, wieselflinken Motorrädern und nach Hause dann wieder mit einer schweren Verbrennungskraftmaschine, bei der man laufend alle Gänge rauf und runter schalten muss, während einem bei 30 Grad auch noch die Abwärme des Motors die Beine grillt. Ich mag meine GSX-S 750 wirklich gerne – aber die Zukunft sieht anders aus.
Die Zukunft ist elektrisch – aber ist es die Gegenwart auch schon?
Wenn es nur um die Fahrzeuge ginge – ich hätte die Zero FXE oder die Cake sofort eingepackt und mitgenommen. Aber neben den recht hohen Preisen spricht leider häufig immer noch die Infrastruktur dagegen. Ich könnte zum Beispiel beide Maschinen nicht aufladen. Ich war mir auf dem Event mit allen Gesprächspartnern einig:
Für die große Tour quer durch Europa taugt es noch nicht und für Stadtbewohner ohne Garage und eigener Steckdose gibt es im Moment eigentlich nur zwei reale Szenarien.
Entweder das Fahrzeug hat herausnehmbare Akkus, die in der Wohnung aufgeladen werden. Das macht nur Sinn, wenn das Fahrzeug leicht und relativ langsam ist, weil die Akkus sonst zu schwer sind. Das funktioniert gut für ein Moped, für das man keinen großen Aktionsradius benötigt.
Oder man hat ein Motorrad mit großem und schweren Akku – und das Fahrzeug kann per Typ2 Steckdose wie ein Auto an Wallboxen oder Ladesäulen aufgeladen werden.
Also sollten wir unser Steuergeld nicht in Tankrabatten und €9.000,- Subventionen für überfettete Elektro-SUV stecken, sondern in Ladeinfrastruktur. Der Rest wird folgen. Übrigens: wie viele E-Motorräder könnte man aus dem Material für einen VW ID4 oder Tesla bauen? Darüber sollte man mal nachdenken…
In diesem Jahr findet die 59. Biennale Arte di Venezia statt, nachdem sie letztes Jahr aufgrund von Covid verschoben wurde. Das nahm ich zum Anlass, dieser einzigartigen Stadt wieder einen mehrtägigen Besuch abzustatten.
Anreise
Mein erster Flug nach zweieinhalb Jahren war gleichzeitig mein erster vom BER. Fazit hierzu: Es geht, aber geil ist anders.
Ich brauche länger dorthin, aber immerhin muss ich nur ein Mal umsteigen. Es ist zwar mehr Platz als in Tegel – aber so richtig viel auch wieder nicht, wenn der Reisebetrieb wieder auf Hochtouren läuft. Wieso baut man Terminals immer noch so, dass sofort der Durchgang verstopft, sobald zum Boarding aufgerufen wird?
Der Stil des BER ist irgendwie uninspiriert; Airport-Standardbaukasten 1995. O.K, Geschenkt.
Wirklich stören mich die scheinbaren Kleinigkeiten: Zu wenige und zu kleine Toiletten, der unfassbar öde Logistikhalllen-Charakter des Seitenflügels und wenn man schon gefühlt 5km laufen muss – weshalb funktionieren die Laufbänder dort eigentlich fast zwei Jahre nach der Eröffnung immer noch nicht?
Immerhin: Hin- und Rückflug waren ruhig und pünktlich trotz der Warnstreiks bei Easyjet.
Und damit komme ich zum schönen Teil – Venedig. Ich habe wieder dasselbe kleine Hotel in San Marco gebucht, in dem ich bereits 2017 und 2019 untergekommen war. Es liegt mitten im Getümmel, einer ca. 2m breiten Gasse genau zwischen Rialtobrücke und Markusplatz.
Canal Grande mit etwas weniger Verkehr als in den vergangenen Jahren
Venedig voll / leer
Zwischenzeitlich soll es in Venedig ja bezaubernd ruhig gewesen sein. Leider war davon nicht mehr allzuviel zu spüren. Wäre ich zum ersten Mal dort gewesen, hätte ich die Stadt vermutlich als „voll“ bezeichnen. Aber man merkte schon, dass Besucher aus Russland und USA fehlten. Präsent waren hauptsächlich Westeuropäer, Asiaten und – man glaubt es kaum – Touristen aus Italien selbst. Und vor allem waren keine Kreuzfahrtschiffe dort. Alles in Allem also sehr gut gefüllt, aber noch erträglich. Vor allem am Abend und abseits der Hotspots war es doch spürbar ruhiger als die letzten beiden Male.
Servicezeiten
Nicht ganz so gut: Es gab weniger Touristen, aber dafür auch etwas reduzierten Service. Die Biennale öffnete erst ab 11:00 statt um 10:00, was wirklich etwas spät ist, weil sich so große Mengen vor dem Eingang sammeln, die dann gleichzeitig das Gelände fluten. Im Arsenale ist das problematisch, weil die erste Hälfte der Ausstellung in der 360m langen, schlauchartigen alten Seilerei stattfindet. In den Giardini verläuft sich die Menge hingegen besser. Die Eintrittskarte zu € 25,- gilt für Arsenale und Giardini – und man kann das auf beliebige Tage aufteilen.
Lange Warterschlange um Viertel vor Elf
La Biennale
Der Titel der Biennale 2022 lautet „The Milk of dreams„. Okay, was immer das bedeuten soll. Habe ich mich nicht drum gekümmert. Nicht zuviel denken – am besten direkt rein ins Getümmel.
Ein thematischer Schwerpunkt der Ausstellung sind Frauen.
Hmm, findet Ihr auch, dass dieser Satz irgendwie etwas seltsam klingt?. Genau so seltsam kam für mich ein Teil der Ausstellung rüber. Wenn etwas Holzschnittartig als „Frauenthema“ präsentiert wird (die üblichen Arbeiten mit Textilien, Fruchtbarkeitsthemen etc.), dann hat das zwar sozial seine Berechtigung, aber es interessiert mich als Kunst nicht. Und mal ehrlich – sind Bilder, in denen die Gebärmutter ins Zentrum gestellt wird, nicht genau blöde, wie phallische Werke von Männern?
Wenn hingegen Thema und/oder Werk interessant sind, ist mir das biologische oder gefühlte Geschlecht des Urhebers eigentlich völlig schnuppe. Und da gab es etliche Künstlerinnen, die spannende Sachen gemacht haben. Zum Beispiel Vera Molnár, Marina Apollonio, Ulla Wiggen oder Louise Nevelson.
Bei der Aufzählung wird bereits deutlich, dass auch wieder viele Werke retrospektiv gewürdigt wurden. Es gab auch einen Bereich mit Werken aus den 1920er Jahren zum Thema Mensch/Roboter/Cyborg. Was mich thematisch gleich zu den zeitgenössischen, verstörenden Robotertorsi der südkoreanischen Künstlerin Jeong Geumhyung führt. Das fand ich interessant, weil sie Fragen des (Trans-)Humanismus aus der Zukunft im Jetzt stellt. „Was tun diese Maschinenmenschen dort eigentlich?“
Robotertorsi von Jeong Geumhyung
Überhaupt Korea: Der koreanischen Pavillon in den Giardini ist auch in diesem Jahr ein guter Anlaufpunkt, wenn einen Themen an der Schnittmenge Gesellschaft/ Technik/ Bionik und ähnliches interessiert. Höhepunkt ist hier das Objekt Chroma V von Yunchul Kim, das im Pavillon hängt und bei mir sofort die Assoziation zu einer verknoteten Seeschlange hervorrief. Dieser Eindruck verstärkte sich nach ein paar Minuten massiv, als die Figur anfing „zu atmen“. Hunderte von Stellmotoren verbiegen in einer Wellenbewegung die schillernden bunten „Hautschuppen“ aus mit Polymerflüssigkeit gefüllten Kunststoffolien. Für mich einer der Höhepunkte der Biennale.
Chroma V von Yunchul Kim im Pavillon von Südkorea
Zwischen Höhepunkt und Tiefpunkt liegen zwanzig Meter.
Gleich links neben Südkoreanischen Pavillon befindet sich dagegen für mich einer der absoluten Tiefpunkte:
Der Deutsche Pavillon.
Ich gebe ja zu, daß das monumentale Gebäude über dessen Eingang zudem noch „Germania“ steht, provoziert und zu Assoziationen mit Faschismus einlädt. Und ja – natürlich ist diese Zeit nicht nur für Deutschland, sondern mindestens für ganz Europa, ein derartig traumatischer Einschnitt, dass man ihn niemals relativieren, verdrängen oder vergessen darf.
Ärgernis erster Güte – der deutsche Beitrag
Wenn man aber aus diesem Themenkreis gedanklich gar nicht mehr ausbrechen kann (Thema quasi jeder Biennale seit der Wiedervereinigung), wenn man immer nur nach hinten, aber nicht mehr nach links, rechts, oben, unten oder gar nach vorne gucken kann, um sich wichtigen Fragen der Gegenwart und Zukunft zu stellen, so wird es irgendwann pathologisch (Intrusive Trauma Symptomatik). Man muss sich dem Trauma stellen, aber man muss es auch irgendwann überwinden.
Und das stieß nicht nur mir bitter auf. Laut Süddeutscher Zeitung gab es internationale Kritik „dass die deutsche Kunst den Blick nicht hebt, dass man an der NS-Geschichte klebe wie an einem Unique Selling Point.“
Ups – die monströse Vergangenheit als deutsches „Verkaufsargument“? Böse, böse! Aber vielleicht sogar zutreffend?
Im italienischen Pavillon wird das Verschwinden der Industrie in Norditalien thematisiert
Aber nicht nur das Thema selbst, sondern auch der Umgang nervt kollossal. Maria Eichhorn ließ den Pavillon leer und riss einen Teil davon ab. Es heißt, am liebsten hätte sie das ganze Gebäude verschwinden und irgendwo anders hinstellen lassen, was aber nicht erlaubt wurde.
Beitrag aus Malta: flüssiges Metall tropft von der Decke in Wasserbecken
Ich finde daß, dieser Umgang mit Dingen, die einem extrem unangenehm sind, leider sehr symptomatisch für die Gegenwart ist. Man macht einerseits ein großes Bohei um bestimmte unangenehme Themen und versucht sie gleichzeitig mit Tabus in Verhalten und Kommunikation „in den Griff zu bekommen“ (siehe „N-Wort“, „Z-Wort“ etc.). Am Ende hat man etwas kaputt gemacht aber gar keinen Inhalt mehr.
Für mich ist das Ganze ein Paradebeispiel, wie man Dinge BITTE NICHT MEHR anzugehen hat. Das ist wie das deutsche Abo auf den letzten Platz des Eurovision Song Contest…
Zumal ich gesehen habe, dass Heinz Mack 1970 in genau demselben Gebäude einen sehr gute, modernen Beitrag gezeigt hat, obwohl (oder weil) er ja ja sehr viel direkter von dem Horror des dritten Reiches und dem zweiten Weltkrieg betroffen war, als Frau Eichhorn.
A propos Krieg…
Der russische Pavillion war aus naheliegenden Gründen geschlossen und wurde bewacht, um Anschläge zu verhindern. Der Ukrainische Beitrag befand sich mitten auf dem Gelände zwischen Buchladen, Café und Bühne. Er bestand im Prinzip aus versengten Holzpfeilern, die mit gedruckten Nachrichten beklebt waren.
Um mitzubekommen, dass gerade mitten in Europa ein Krieg tobt, musste man also schon ziemlich genau hinsehen. Das scheint irgendwie kaum jemanden wirklich zu interessieren. Auch wenn man berücksichtigt, dass der Krieg zeitlich erst kurz vor der Eröffnung der Biennale begann – irgendwie ein echt schwaches Bild!
Interessantes außerhalb der Ausstellungsgelände
Die Ausstellungen im Arsenale und in den Giardini hinterliessen also eher einen gemischten Eindruck bei mir. Kommen wir zu Tag 3:
Wie schon 2019 (siehe Artikel „Venedig 2019“ ) fand ich sehr spannende Beiträge außerhalb der Biennale in interessanten Gebäuden. Und für mich als abgebrochener Stadtplaner und architekturinteressierter Mensch, gibt dieser Einblick in die architektonische Vergangenheit dieser Stadt so viel zusätzliche Freude.
Heinz Mack hatte ich ja eben bereits in meiner Kritik zum deutschen Beitrag genannt. Passenderweise fand in den Räumen des Museo Archeologico Nazionale di Venezia direkt in den neuen Prokuratien am Markusplatz eine Mack-Retrospektive statt. Die Kunst ist sehr gut, aber die Räumlichkeiten sind umwerfend und dann stehen dort ja auch noch die normalen Ausstellungsstücke, wie die originale Fra Mauro Weltkarte von 1459, die bereits sehr genaue Angaben zu Orten in Europa, Afrika und Asien zeigt. Teilweise wusste ich gar nicht, wohin ich zuerst sehen sollte: Zur unglaublichen Decke, zur modernen Kunst oder zu den historischen Artefakten.
Lichtstelen von Heinz Mack (Deutscher Biennale Beitrag 1970)Die Kunst! Der Raum!! Die Decke!!!Original Fra Mauro Weltkarte von 1459 (Norden ist hier unten)
In meinem Artikel „Venedig 2019“ hatte ich den Besuch des Palazzo Contarini Polignac aus dem 15. Jahrhundert als unerwartetes Highlight bezeichnet, weil das Gebäude teilweise im Originalzustand ist. In diesem Jahr war es sogar noch besser, weil sich die gezeigte Kunst diesmal besser gegen das fantastische Gebäude behaupten konnte. Die unglaublich detaillierten Papierskulpturen von Chun Kwang Young (schon wieder Korea) sind teilweise raumfüllend. Und diesmal durfte ich sogar fotografieren!
Riesige Papierskulptur im Arbeitszimmer mit MezzaninZwei Papierskulpturen (man beacht die „Tür“ zum Nebenzimmer!)
Genau auf der gegenüberliegenden Seite des Canal Grande befindet sich der Palazzo Cavalli-Franchetti, in dem der portugiesische Beitrag gezeigt wurde. Leider hatte ich nicht die Muße, mir drei Videos über Vampire im Weltall anzusehen, aber das Gebäude aus dem 16. Jahrhundert erschlägt einen mit seiner Pracht schon im Treppenhaus.
Treppenhaus des Palazzo Cavalli-Franchetti
Weiter nördlich, ebenfalls am Canal Grande hatte ich die Gelegenheit eine Ausstellung von Stanley Whitney im Palazzo Tiepolo aus dem 16. Jahrhundert anzusehen.
Stanley Whitney im Palazzo TiepoloNebenzimmer im Palazzo TiepoloDer Raum. Dieser Ausblick!
Mein Fazit
Venedig ist immer eine Reise wert. Es ist anstrengend, wuselig und spannend, lehrreich und intensiv.
Auch bei meinem dritten Besuch habe ich wieder viele interessante Dinge gesehen, die für mich neu waren. Und ich bin mir sicher, dass ich der Stadt und ihrer faszinierenden Geschichte auch bei einem vierten oder fünften Besuch noch für mich unbekannte Facetten abgewinnen kann.
Dirk Ollmetzer | Mittwoch, 1 Juni 2022 | Unterwegs
Das verlängerte Himmelfahrt-Wochenende habe ich genutzt um dem stickigen Berlin zu enfliehen. Es zog mich auf das Land – genauer gesagt ins südliche Niedersachsen.
Als „Basislager“ hatte ich ein kleines Apartement in Northeim angemietet um von dort aus Verwandte und Freunde zu besuchen. Dazu fuhr ich nach Immensen, Sebexen, Lagershausen und Bockenem. Zudem wollte ich endlich die Oldtimer-Ausstellung im PS-Speicher in Einbeck ansehen.
Alles in allem ein straffes Programm für vier Tage. Trotzdem kam keine Hektik auf. Jeder Besuch war schön und die Gespräche sehr nett und interessant.
Northeim
Northeim ist eine Kreisstadt, die im Leinetal knapp 80km südlich von Hannover und 20km nördlich von Göttingen liegt. Die Altstadt mit vielen gut erhaltenen Fachwerkhäusern ist hübsch, teilt aber leider das Schicksal vieler Klein- und Mittelstädte: Ein sehr großer Teil der Läden und Geschäfte steht leer oder weist geringwertige Nutzung auf. Immerhin gibt es noch Verwaltung etwas Gastronomie und sogar ein Kino, aber der Gesamteindruck ist trotz der schönen Gebäude leider recht traurig.
Northeims Fußgängerzone mit extremen Leerstand der LadengeschäfteSchöne Fachwerkhäuser in den Seitenstrassen von Northeims Altstadt
Schön ist hingegen die Lage der Stadt. Bei einem Spaziergang im Wald ging immerhin 200m hinauf auf den Wieter (326m ü. NN), wo ein Aussichtsturm und ein Ausflugsrestaurant stehen. Leider waren beide geschlossen, aber der Ausblick nach Nordwesten über Northeim und das Leinetal bis zum Solling war auch so schön. Der Buchenwald schien mir in recht gutem Zustand zu sein und an vielen Stellen roch es gut nach Waldmeister oder Lauch.
Blick vom Wieter über Northeim und das Leinetal bis zum Solling
Einbeck
Einbeck liegt 15km norwestlich von Northeim. Die beiden Städte haben viel gemeinsam: Beide sind Mittelzentren von jeweils ungefähr 30.000 Einwohnern mit gut erhaltener Altstadt und vielen Fachwerkhäusern. Trotz der räumlichen Nähe und den genannten Gemeinsamkeiten hatte ich den Eindruck, dass Einbeck deutlich lebhafter ist. Es gibt dort viel weniger Leerstand, der Markt war gut besucht, der PS Speicher zog sehr viele Besucher an und ich war sogar in zwei Galerien.
Kunstvoll geschnitzte Fassadenelemente an der Einbecker TouristeninformationEinbecker Altstadt mit weniger Leerstand als NortheimPS Speicher in Einbeck – Geschichte der Motorisierung
Vom PS Speicher hatte ich schon mehrfach gehört und bin nun endlich dazu gekommen, ihn zu besuchen. Es ist eine beeindruckende Sammlung von Fahrzeugen vom späten 19. Jahrhundert bis heute. Nicht nur die Masse und der Zustand der Fahrzeuge ist bemerkenswert, sondern die Präsentation ist sehr gelungen. Auch eine Freundin, die sich eigentlich nicht sehr für Fahrzeuge interessiert hat den Besuch empfohlen.
Die Hauptausstellung ist chronologisch aufgebaut, gibt auch Einblicke in den jeweiligen historischen Kontext. Dazu gibt es weitere Sonderausstellungen von „Kleinstwagen“ bis zur LKW-Sammlung. Auf jeden Fall sollte man genügend Zeit mitbringen, denn selbst für die Hauptausstellung sind 4 Stunden eher knapp bemessen, wenn man die Fahrzeuge nicht nur eines flüchtigen Blickes würdigen möchte. Vermutlich werde ich dazu noch einen eigenen Artikel schreiben. Alleine schon wegen der schönen Fotos… ;-)
Bockenem
Bockenem ist eine Kleinstadt im Landkreis Hildesheim, die mit nur 10.000 Einwohnern deutlich kleiner ist, als Northeim und Einbeck. Das Zentrum besteht ebenfalls überwiegend aus Fachwerkhäusern, die fast alle aus der Zeit nach dem großen Stadtbrand von 1847 stammen. Die Stadt leidet deutlich unter dem demographischen Wandel und der Abwanderung jüngerer Personen. Die Kernstadt hatte im Jahr 2000 noch 5100 Einnwohner und 2015 bereits nur noch 4300. Bilder habe ich nicht, weil ich mich dort auf das Fachwerkhaus konzentriert habe, das mein Cousin seit einigen Jahren erfolgreich restauriert. Unsere Gespräche drehten sich viel um bauliche Details, Finanzierungsfragen und den teils irrwitzigen Kampf mit dem Amt für Denkmalschutz.
Die Dörfer
Bis jetzt habe ich nur von Kleinstädten berichtet, aber ich war auch richtig auf dem Land. Verwandte und Freunde wohnen in den Dörfern Immensen, Sülbeck, Edemissen, Lagershausen, Eboldshausen und Sebexen. Für die ganz große Runde hat die Zeit nicht gereicht. Aber dort, wo ich war hatten wir genügend Zeit um in Ruhe über viele kleine und große Dinge zu reden. Schöne Erinnerungen und auch die weniger angenehmen Seiten, die zum Leben dazugehören. Auch ein kurzer Besuch auf dem Friedhof am Grab meines Großonkels und seiner Frau war dabei.
Immensen bei Einbeck
Abgesehen von Familiengeschichten haben wir uns über Themen wie Landwirtschaft, Umweltschutz, Strukturwandel, Flüchtlinge (nach dem 2. Weltkrieg und heute) unterhalten.
Es ist recht erholsam, solche Themen auch mal mit geerdeten Menschen zu diskutieren, die jenseits der Medienblasen der Großstädte leben. Denn meine Verwandten mögen zwar auf dem Dorf wohnen, aber ganz sicher nicht hinter dem Mond.
Jemandem, der jahrzehntelang in der Landwirtschaft tätig war, muss kein Akademiker (m/w/d) aus der Großstadt die Probleme der industriellen Landwirtschaft erklären. Da bin ich lieber still und höre den Fachleuten zu.
Zwar sah der Buchenwald bei Northeim auf den ersten (Laien)Blick recht gesund aus. Aber die Hügel oberhalb von Sebexen waren weitestgehend kahl, wo früher Fichtenwald stand. Jemand in dem Dorf, der selbst Waldanteile besitzt und sein Haus mit Holz heizt (mit einer rafinierten elektronisch gesteuerten Mischung aus Kaminofen und Warmwasserheizung) ist sich sehr genau über den Klimawandel im klaren. Erst Trockenheit, dann Borkenkäfer und für den Rest hat ein Sturm gesorgt, der in wenigen Minuten den 70 Jahre alten Forst komplett gefällt hat.
Und wenn in einem Dorf von 300 Einwohnern immerhin 30 Geflüchtete Personen aus der Ukraine untergekommen sind, finde ich das schon bemerkenswert. Insbesondere, weil die meisten schon einigermaßen ins Dorfleben integriert sind.
Aber ich glaube, dass ich zu den großen Themen auch noch einen gesonderten Artikel schreiben werde.
Der Ausflug ist hier zu Ende. Es hat mir sehr viel Spass gemacht. Gerne komme ich wieder in diese nette Gegend.
Vom 12. bis 14. Mai 2022 fand in Berlin die Superbooth statt – eine Messe rund um elektronische Musik mit dem Schwerpunkt Modularsythesizer. Elektronische Musik und Berlin passt perfekt zusammen. Von Tangerine Dream bis Techno – der Sound von Berlin ist elektronisch, also passt hier auch gut eine entsprechende Messe hin.
Ich habe die Superbooth zum ersten Mal besucht. Jede Erwartung, die man an eine Musikmesse haben kann, wurde dort auf den Kopf gestellt. Das vermeintliche Nischenthema „analoge Modularsythesizer“ klingt irgendwie sehr technisch und trocken. Und Messen machen in der Regel auch keinen Spaß. Meist große Hallen mit viel Gedränge und schlechter Luft, geschäftiges Abklappern von potentiellen Geschäftspartnern, langweilige Stände, Prospekte sammeln, Verkaufsgespräche, Visitenkarten austauschen und so weiter. Am Ende zählt, wie viel Kontakte und Abschlüsse man gemacht hat.
Superbooth 2022 Plakat
Die Superbooth entpuppte sich als genau das Gegenteil: Ein total entspanntes Happening von Leuten, die elektronische Musik und die Instrumente lieben. Nebenbei wurde sicherlich auch das eine oder andere Geschäft angebahnt, aber das Ganze hat sich mehr nach Festival oder nerdigem Hackercamp (siehe Chaos Communication Camp 2015) angefühlt, als nach Verkaufsmesse. Und das ist auch die Absicht des Veranstalters.
Die Anti-Messe
Die Geschichte fängt vor 20 Jahren mit einem Gemeinschaftsstand auf der großen Frankfurter Musikmesse statt, auf dem sich mehrere Kleinsthersteller zusammengetan haben (daher der Name „Superbooth“). Analoge Modularsysnthesizer waren damals völliges Nischenthema und daher monetarisch für so eine Riesenveranstaltung eher uninteressant. Im Laufe der Jahre wuchs wohl die Unzufriedenheit mit der Frankfurter Musikmesse und 2015 entschied sich Andreas Schneider, aus dem Gemeinschaftsstand eine eigene Veranstaltung zu machen. Und dort sollte so einiges anders werden.
Der besondere Ort
Das fängt schon mit der Wahl des Veranstaltungsortes an. Keine Messehalle, keine angesagte Location in einem trendigen Szenebezirk in der Innenstadt, sondern das FEZ in der Wuhlheide. Für Nicht-Berliner: Die Wuhlheide ist ein städtisches Waldgebiet, das in Oberschöneweide zwischen den Stadtteilen Karlshorst und Köpenick liegt. Darin befindet sich neben einer Freilichtbühne und einer Parkeisenbahn (ehemals Pioniereisenbahn) das Freizeit- und Erholungszentrum (FEZ – ehemals Pionierpalast „Ernst Thälmann“). Man fährt also aus der Stadt heraus und läuft dann erst mal einen knappen Kilometer durch den Wald, bis man am FEZ ankommt. Das fühlt sich schon mal sehr anders an, als zu einem Messegelände zu fahren und hat bereits Einfluss auf die Stimmung.
Von der S-Bahn zur Messe erst einmal 800m durch den WaldFEZ Foyer und zwei Stockwerke mit Ausstellerräumen
Das FEZ ist ein recht großes Gebäude aus den späten 70er Jahren. Und hier fühlt sich alles auch noch einigermaßen konventionell an: Foyer, Auditorium für Vorträge und viele Räume für Aussteller. Hier ist aber nur ein Teil unterbracht. Ein anderer Teil der Aussteller ist in Hütten oder Zelten untergebracht, die auf dem Gelände verstreut liegen. Es gibt also keine Messestände im engeren Sinn. Das Ganze wird ergänzt um Bühnen für Auftritte an einem kleinen See oder in einem Zirkuszelt.
Ausstellerzelte, locker im Wald verstreut
Der Umgang mit Menschen
In diesem Jahr schnitt Andreas Schneider auch noch den letzten Zopf konventioneller Messen ab: Den Fachbesuchertag.
Auf großen Messen ist es üblich, Pressevertretern und einigen ausgewählten Personen bereits vor der offiziellen Eröffnung Zutritt zu geben. Schneider wischte das weg mit dem Argument: „Jeder, der zu dieser Veranstaltung kommt, ist Fachbesucher“ und machte keinen Unterschied zwischen Presse, Händler, Musiker oder auch „nur“ Musikinteressierten.
Das Ergebnis ist ein bunter Haufen Menschen, der sich einfach für dasselbe interessiert. Man bewegt sich sich in einer entspannten Umgebung, läuft mal hier und mal dort hin und tauscht sich mit Gleichgesinnten aus.
Und das wirkt! Man kommt sehr locker mit wirklich jedem ins Gespräch. Keine Person wird erst mal darauf abgecheckt, wie wichtig sie vermeintlich ist. Alle sind auf Augenhöhe. Jeder ist neugierig und jeder erzählt auch gerne was sie/er macht. Man wird nicht schräg angesehen, wenn man sich als Neuling in dem Bereich outet, sondern es wird erklärt und Mut zugesprochen („Be patient. We’ve all been there. Start small and practice. The more you do, the more you understand. The more you understand, the better you will know, what you really need.“).
Die Großen
Falls das jetzt eher nach Jahreshauptversammlung der Kaninchenzüchtervereins Wuhletal anhört – lasst Euch nicht täuschen.
Das Publikum ist genau so international, wie die Aussteller und es lassen sich auch bekannte Personen blicken. Im letzten Jahr mischte sich z.B. Jean Michel Jarre unter die Besucher und ich habe ein Podiumsgespräch mit Dave Smith, Markus Ryle und Tom Oberheim anlässlich der Vorstellung des neuen Oberheim OB-X8 gehört. Die drei haben etliche der besten Analogsynthesizer der 70er und 80er Jahre entwickelt und sind absolute Koryphäen! Tom Oberheim war leider nur per Video zugeschaltet. Schade, aber verständlich. Er ist immerhin mitten in seine 80er Jahren. Immerhin sind die anderen beiden extra aus den USA gekommen um das neue Instrument zu präsentieren, das sicher eines der Highlights der Messe war.
OB-X8, Dave Smith, Tom Oberheim (Video) und Marcus Ryle (v.l.n.r.)
Viele schöne, kleine Juwelen
Es waren viele der größeren, bekannten Hersteller vertreten: Korg, Yamaha, Moog, Sequential, Novation, Nord, Rhodes usw. Was die Superbooth aber so besonders macht, ist die unglaubliche Menge kleiner und kleinster Hersteller von Klangmodulen. Deren Exponate zeichnen sich meist durch Originalität, Verspieltheit und Detailliebe aus. Man merkt, dass das nicht einfach hart kalkulierte Industrieprodukte sind, sondern Kleinserien in die viel Liebe und Herzblut geflossen sind. Oftmals sind die Anbieter selbst Musiker, die einfach das entwickelt haben, was sie selbst haben wollten und nirgends kaufen konnten.
Aus der riesigen Menge, stelle ich mal exemplarisch drei Module für Eurorack Synthesizer vor, die ich sehr interessant fand.
Der liebevolle 80er Jahre Look bei XOR stimmt auf das Produkt einNerdSeq – wie ein Soundtracker auf den alten Heimcomputern der 80er und 90er.
Spannend fand ich den NerdSEQ von XOR-Electronics. Ein Mehrspur-Sequencer, der nach dem Prinzip der Soundtracker funktioniert, mit denen in den 80er und 90er Jahren Musikstücke auf Heimcomputern erstellt wurden. Um den Nerdfaktor zu erhöhen, kann man das Gerät per Joypad bedienen und eine Ausgabe per Videosignal an einen Röhrenmonitor(!) ist auch möglich.
LPZW zeigte ein Drummodul, das wie ein TR606 von Roland klingt
Bei LPZW.Modules fand ich den 6m0d6, ein Modul, das im Prinzip eine Roland TR-606 Drummachine ist. Der Sound ist knackig und die Vorführung zeigte, wie sich durch ein simples LFO Signal, lebendigere Hi-Hats oder Toms erzeugen lassen.
Der Arbhar von Instruo – ein kompakter Granularsynthesizer
Instruo aus Glasgow hatten zwei Racks dabei, die optisch zu den schönsten der gesamten Messe gehört haben. Die Kombination aus dunklem Holz, mattschwarzen Oberflächen und goldener Beschriftung hatte besten Steampunk-Appeal. Und die Demonstration des Granularsynthesizers arbhar zeigte, dass sich mächtige Soundmöglichkeiten und einfache Bedienung nicht ausschließen müssen.
Bei den kleinen Anbietern habe ich stets gefragt, woher sie sind. Mein Eindruck ist, dass „Eurorack“ nicht nur ein technischer Standard ist, denn die meisten kamen aus Osteuropa, Spanien, United Kingdom oder Deutschland. Asiatische Anbieter habe ich in diesem Segment gar nicht gesehen und Amerikaner waren auch rar. Ich habe zum Beispiel Intellijel aus Kanada vermisst, die wirklich erstklassige Module und Racks herstellen. Aber egal, mit wem man sprach: jeder, wirklich JEDER hat Schwierigkeiten, die benötigten elektronischen Bauteile in genügender Stückzahl zu bekommen.
Und sonst?
Tonnenweise Zeug, Zubehör, Cases, Software. Wenn ich von Modularsynthesizer rede, sind hier meist die kleinen Eurorack-Module gemeint. Es gab aber auch immerhin zwei Anbieter, die Module im größeren Moog-Format anboten und im Bungalowdorf war auch noch Buchla zu finden.
Selten: Module im Moog Format 5HE mit 6,5mm Klinkenstecker
Ich hatte noch gute Gespräche bei Bitwig, deren Workstation Software der Kern meines kleinen Heimstudios ist und gleich daneben stand noch der Colani-Truck, den Arturia zur Präsentation ihrer Produkte nutzte. Als ich erzählte, wie zufrieden ich mit meinem Keylab-88 Masterkeyboard und den tollen Software Synthesizern der V-Lab Collection bin, habe ich gleich ein T-Shirt dafür bekommen. Ungewöhnlich für Merchandising: Die Textilie hat eine sehr gute Qualität – und der Firmenname fehlt (!). Es gibt nur einen Mini-Aufdruck „_The sound explorers“.
Insider – Merchandising. Okay, warum nicht?
Zeltstadt mit dem Truck von Arturia
Livemusik
Zur Messe gehörte auch ein Programm von Live Performances. Leider traten viele Acts, die mich interessiert hätten bereits an den Vortagen auf, wie z.B. Julia Bondar. Aber das hält einen ja nicht davon ab, mal hier oder dort reinzuhören.
Schneider TM live im ZirkuszeltPublikum vor der StrandbühneLivemusik im Bungalowdorf
Manches war akustisch etwas anstrengend, aber im Großen und Ganzen, konnte man meist gut zu den Acts entspannt abhängen und z.B. mit einem Bierchen in der Hand den Sonnenuntergang genießen.
Fazit
Tja, mein Fazit steht ja schon in der Überschrift: „die wahrscheinlich lässigste Musikmesse der Welt“ :-D Hat mir sehr gut gefallen und ich werde auch nächstes Jahr gerne wiederkommen. Ich überlege, dann evtl. sogar zwei Tage einzuplanen, denn ich habe so einige Dinge nicht mehr geschafft. Den neuen Oberheim hätte ich gerne ausprobiert, Moog habe ich aus Zeitgründen nicht geschafft und bei Rhodes hätte ich auch gerne das neue E-Piano ausprobiert.
Im Nachgang fiel mir auch auf, dass so ungefähr alle Fachmagazine und Blogs anwesend waren und berichtet haben. Dabei fand ich ganz interessant, dass jeder irgendwie einen eigenen Schwerpunkt hatte und andere Dinge berichtete, als die anderen Publikationen. Aber es waren sich alle einig, dass die Superbooth entspannt, familiär und einfach toll war. In seiner Nische ist diese Veranstaltung mittlerweile eine der großen und renommierten.
Dirk Ollmetzer | Dienstag, 10 Mai 2022 | Unterwegs
Letzten Sonntag am Muttertag war es so weit: Der 27. Motorradgottesdienst in Friedrichswalde zog wieder hunderte motorradbegeisteter Menschen in das beschauliche Dörfchen Friedrichswalde im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin, ca. 70km nördlich von Berlin.
Unter anderem auch mich ;-) .
Nachdem die Veranstaltung coronabedingt in den letzten beiden Jahren ausfiel (siehe Motorradgottesdienst Friedrichswalde 2021) war die Vorfreude groß, als klar wurde, dass in diesem Jahr wieder eine echtes Treffen mit vielen gleichgesinnten Menschen stattfinden kann.
Petrus half nach Kräften – das Wetter hätte nicht besser sein können. Strahlender Sonnenschein und Temperaturen zwischen 15 und 20 Grad sind perfekt für eine kleine Motorradtour durch Wälder, vorbei an Seen und knallgelben Rapsfeldern.
Ein Traum: Sonne, Büsche, Bäume, Raps und kaum Verkehr (Foto von der Helmkamera)
Und so war für mich bereits die Hinfahrt ein Fest. Am Motorradfahren liebe ich das Unmittelbare. Genau das, was einem zu Beginn auf zwei Rädern Angst macht, nämlich keinen Stahlkäfig um sich herum zu haben, der einen von der Umwelt abschirmt, ist an solchen Tagen einfach großartig.
Man rast nicht mit Termindruck über die Autobahn, sondern kreuzt locker und lässig über die kleineren Kreisstraßen. Der Fahrtwind ist nicht mehr kalt, man hat den Rundum-Blick in die Landschaft und die Gerüche der blühenden Pflanzen macht einen fast schon ein wenig high. Genial!
Die hübsche Dorfstraße wird von hunderten Motorrädern gesäumt
Je näher ich Friedrichwalde kam, um so höher wurde die Dichte an Motorrädern jeder Coleur auf der Fahrbahn. Im Ort angekommen habe ich meine Suzi bei den anderen Bikes, die malerisch am Rand der Dorfstrasse standen, eingefädelt und weiter ging es dann zu Fuß in Richtung Ortsmitte zur Kirche.
Die Kirche in der Dorfmitte
Dort war es schon sehr belebt. Die vielen Menschen standen in Gruppen beisammen oder saßen auf den Bänken, die vor der Kirche aufgestellt waren, klönten miteinander, aßen und tranken und ließen es sich gut gehen. Ein richtiges hübsches kleines Dorffest mit Bratwurst, Getränken und Kuchen – und mit der Besonderheit, dass mindestens zwei Drittel Motorradkleidung trugen. Es zwar angenehm warm, aber nicht so warm, dass man es in der Kluft nicht mehr aushielt. Perfekt!
Rund um die Kirche findet das Fest statt
Wenn man schon mal da ist, schaut man natürlich, wer noch so gekommen ist (mein Kollege, der eigentlich mitkommen wollte war leider doch verhindert) und vor allem mit was für Fahrzeugen.
Und auch dieses Mal glich kaum eine Maschine der anderen. Egal ob alt oder neu, Supersportler, Naked, Chopper, Cruiser, Gespann – alles war zu finden. Auch die Simson-Fraktion war wieder gut und zahlreich vertreten. Ich zeige einfach mal zwei Bilder von historischen Maschinen.
Alt, Originalzustand und selten: Viertakter mit Beiwagen von SimsonViele Schmuckstücke waren dabei – unter anderem top restaurierte Oldtimer
Der Gottesdienst begann um 14:00 und wurde bereits eine halbe Stunde vorher eingeläutet. Die Kirche füllte sich bald und ich nahm wieder auf dem Balkon Platz. Die musikalische Untermalung aus Rock und Blues kam auch in diesem Jahr wieder von FatHat.
Die Band. Rock und Blues mit Message
In seiner Predigt sprach Pfarrer Ralf Schwieger auch diesmal vordergründig von der Freiheit, Motorradfahren zu können und zu dürfen. Natürlich ist das aber auch als Metapher für Lebensfreude, jahrzehntelange Freundschaft und Toleranz in schwierigen Zeiten zu verstehen, gerade wenn nicht weit entfernt ein Krieg tobt.
Ich könnte mir vorstellen, dass es in diesem Jahr besonders herausfordernd war, passende Metaphern zu finden und den richtigen Ton zu treffen. Und so ging es bei der Andacht nicht nur um die Verstorbenen und Kranken, um Freunde und Familie, sondern ebenso um die Opfer des Krieges.
Die Gemeinde bei der Andacht
Nach dem Gottesdienst war noch eine halbe Stunde Zeit bis zum Start der gemeinsamen Ausfahrt. Damit mein Flüssigkeitspegel in der trockenen Wärme stimmt und der Kreislauf stabil bleibt, holte ich mir noch ein Wasser vom Getränkestand, als ich plötzlich meinen Namen hörte. Ich dachte noch „Nanu, wer kennt mich hier?“ und als ich mich umdrehte, begrüßte mich Pfarrer Ralf Schwieger. Ich muss zugeben, dass mich das etwas verblüfft hat. Ich habe selbst leichte Schwierigkeiten, mir Namen von Menschen zu merken, mit denen ich nicht ständig zu tun habe. Er kennt wer weiß wie viele Menschen und erinnert sich an meinen Namen, obwohl wir uns nur einmal unterhalten hatten – vor genau einem Jahr bei einer Bratwurst auf Gut Gollin.
Ich versprach ihm, auch in diesem Jahr wieder einen Artikel zu schreiben. Viel Zeit blieb nicht, denn nun ging es zurück zu den Motorrädern zur gemeinsamen Ausfahrt.
Motorradstaffel der Johanniter
Die Ausfahrt wurde von Polizei und der Motorradstaffel der Johanniter begleitet. Gefahren wurde im geschlossenem Verband (Kolonne). Die Tour führte zunächst nach Osten in Richtung Angermünde, knickte vorher nach Süden ab, weiter vorbei an Kloster Chorin und über Britz und Golzow wieder zurück nach Friedrichswalde.
Ich verabschiedete mich kurz nach Chorin aus dem Verband und machte mich über Eberswalde, Biesenthal und Bernau auf den Rückweg nach Berlin.
Wuselig – sammeln zur gemeinsamen Ausfahrt
Toleranz und Rücksicht
Die jährlich Ausfahrt von ein paar hundert Motorrädern ist in der Region ein Ereignis. Überall stehen Schaulustige und ganze Familien an den Straßenrändern, filmen, fotografieren und winken. Einige haben es sich mit Campingstühlen und -Tischen gemütlich gemacht. Ich habe nur zwei Menschen wahrgenommen, die den Konvoi nicht lustig fanden. Ansonsten nur freundliche Gesichter. Das war mir auch bereits 2019 aufgefallen.
Das finde ich toll in einer Zeit, in der viele Menschen immer weniger Toleranz für Dinge aufbringen, die nicht ihrem Weltbild entsprechen.
Auf der anderen Seite bedeutet das für mich natürlich auch eine Verpflichtung.
Wenn ich mit dem Motorrad diese wunderschöne Landschaft besuche, fahre ich gesittet, bemühe mich, Krach zu vermeiden und den Menschen nicht auf die Nerven zu fallen. Und ich denke, dass ich damit nicht alleine bin. Ich habe an diesem Tag extrem viele Motorradfahrer (m/w/d) gesehen, und mir ist dabei niemand durch schnelles Fahren, extreme Lautstärke oder sonstiges Rumgeprolle aufgefallen.
Geht doch!
Fazit
Auch in diesem Jahr war der Motorradgottesdienst wieder sehr gelungen. Eine wirklich schöne Veranstaltung. Mein Dank geht an Pfarrer Schwieger und seine Frau, den vielen Helfern, der Motorradstaffel der Johanniter, der Polizei, und den Anwohnern.
Die Eine oder der Andere weiß, dass ich hin und wieder an etwas Musik bastele. Immer wenn ich einen Schwung Songs fertig habe, erkläre ich das zu einem „Album“, gebe dem Ganzen Namen und Cover und veröffentliche es hier auf meinem Blog. Und weil es jetzt wieder so weit ist, gebe ich mir selbst augenzwinkernd auch gleich noch ein „Interview“ dazu.
Hallo Dirk, Wir sitzen hier heute zusammen, um über Dein neues virtuelles Album „Der Schritt zurück“ zu sprechen. Es ist das mittlerweile 7. Album von Dir seit 2009.
Es ist für mich tatsächlich ein sehr besonderes Album, darum freue ich mich, dass wir heute darüber sprechen. Ich bin ja kein ausgebildeter Musiker, sondern Softwareentwickler. Und bei diesem Album habe ich in mehrfacher Hinsicht echten Fortschritt erzielt.
„Der Schritt zurück“ Frontcover
Worin siehst Du die Weiterentwicklung?
Nun, zunächst sicherlich handwerklich. Als ich um 2005 meine ersten Songs aufgenommen habe, fehlte mir noch fast jedes Wissen im musikalischen Bereich. Ich habe weder Akkorde, noch Rythmik, Songstruktur, Arrangement oder Sounddesign verstanden. Es war alles trial and error.
Meine Songs waren damals zu 90% Schrott und 10% bestenfalls originelle Klangskizzen. Über die Jahre wurde das langsam besser und ab 2009 habe ich diese Klangfragmente gesammelt. Die ersten beiden Alben „Raw Fragments“ und „Furthermore“ zähle ich zu dieser Phase.
Du meintest Fortschritt in mehrfacher Hinsicht. Was ist Dir noch wichtig?
Normalerweise benötige ich mindestens 12 Monate um genügend brauchbare Songs zusammenzutragen. Diesmal war ich durchgehend inspiriert und habe die 11 Songs in nur knapp vier Monaten geschrieben und aufgenommen.
Neu für mich ist, dass ein gemeinsames Konzept hinter allen 11 Songs steht. Ich habe deshalb zielgrichtet gearbeitet und es gab auch weniger Ausschuss als sonst.
Welches Konzept hattest Du im Kopf und wie kamst Du darauf?
Eigentlich sind es sogar zwei Konzepte: Ein inhaltliches und ein technisches.
Vielleicht magst Du erst etwas zum technischen Konzept sagen?
Gerne. Das war auch tatsächlich der Ausgangspunkt. Mich faszinieren die Sythesizer der 80er Jahre. In diesem Jahrzehnt ist musikalisch und soundtechnisch so unfassbar viel passiert. Und es ist natürlich die Musik meiner Teenager Zeit die mich emotional berührt.
Diese mittlerweile klassischen Synthesizer haben jeweils einen eigenen, speziellen Charakter und sind daher bei Sammlern und Musikern immer noch heiss begehrt. Das bedeutet irre teure Gebrauchtpreise – falls man überhaupt jemanden findet, der ein Gerät verkauft.
Wobei – teuer waren sie damals ja auch. Ich hatte damals um 1985 einen Roland Jupiter 8 in einem Laden in Hannover gesehen, aber durfte ihn nicht anfassen, weil er sagenhafte 15.000 DM kostete. Die weniger teueren Geräte, wie den legendären Yamaha DX-7 durfte man für eine halbe Stunde ausprobieren, wenn man keinen „echten“ Kunden nervte.
Zum Vergelich: Für 15.000 DM hat man damals einen neuen Mittelklassewagen bekommen. Und dann gab es ja noch die absoluten High-End-Geräte wie Fairlight und Synclavier die mit 100.000 DM – 250.000 DM so viel kosteten, wie Einfamilienhäuser.
Und heute, nach 40 Jahren Computerrevolution besitze ich fast alle dieser Traumgeräte. Natürlich nicht im Original, sondern als Softwareemulation auf meinem Mac.
Auf Youtube habe einige Musiker eine sogenannte „One Sythesizer Challenge“ gemacht. Es geht dabei darum, einen kompletten Song ausschließlich mit einem einzigen klassischen oder sehr spziell klingenden Synthezizer aufzunehmen. Kein weiteres Instrument ist erlaubt. Die Herausforderung liegt natürlich in der klanglichen Beschränkung. Da ich die meisten meiner Traumgeräte mittlerweise besitze – wenn auch nur als Software – habe ich mir gedacht:
„Klingt lustig. Das probiere ich auch“.
Gleich der erste Versuch mit einem vergleichsweise unscheinbaren und günstigen Casio CZ-101 fand ich derart überzeugend, dass ich nach und nach mit fast allen meiner Software Syntheziser Songs produziert habe.
Gab es dabei Problem oder Überraschungen?
Probleme nicht, aber Überraschungen durchaus. Die erste war, dass der einfache und günstige Casio super zum Songwriting taugt. Dagegen bin ich mit einem Gerät, von dem ich mir recht viel versprochen hatte – dem komplexen und seinerzeit recht teuren Oberheim Matrix 12 nicht gut zurecht gekommen. Es hat mich nicht genügend inspiriert. Ganz allgemein heben mich die Geräte häufig auch nicht in die stilistische Richtung gezogen, die naheliegend ist. Der Yamaha DX-7 ist berühmt für seine Glocken, Glass, E-Piano Sounds, wie sie in 100 Schnulzen und Baladen verwendet wurde, z.B. bei Whitney Houstens „The greatest love of all“. Mich hat das Herumspielen mit den Presets aber zu dem extrem düsteren Stück „Zwischen Elend und Sorge“ inspiriert. Das war unerwartet.
Welche Instrumente hast Du letztlich genutzt?
Insgesamt 10 Instrument in 11 Songs. Der MiniMoog war so großartig, dass er gleich in zwei Songs verwendet wird. Casio CZ-101 und Yamaha DX-7 hatte ich bereits genannt, der ARP 2600, Roland Juno 60, Oberheim OB-Xa, Emulator II, NED Synclavier und Fairlight CMI. Und es hat sich ein Software Synth eingeschlichen, den es niemals als Hardware gegeben hat: Der FM-4 aus Bitwig Studio. Das ist auch die Audio Workstation, die ich zur Produktion verwendet habe. Die anderen Softwareinstrumente sind von Arturia.
Welches inhaltliche Konzept hast Du umsetzt?
Es stellte sich schnell heraus, dass sich die einzelnen Songs vom Klangcharakter sehr gut ergänzen. Ich hatte ursprünglich erwartet, klangliche Solitäre zu schaffen, da die verwendeten Instrumente doch recht unterschiedlich klingen. Stattdessen gab es plötzlich eine gemeinsame Linie. Was lag näher, als daraus auch eine inhaltlich Linie zu machen?
Beim Mastern und finalisieren der Musikdateien fühlte ich mich wie auf einem mentalen Road Trip. Reines Kopfkino. Der Protagonist startet in einem Ibiza-Style Club bei lauschiger Cocktail-am-Pool-bei-Sonnenuntergang, aber irgendwas irritiert ihn. Er erkennt, dass ihn das Clubleben nicht erfüllt und macht sich auf den Weg zurück nach Deutschland. Aus der Jet-Set Umgebung verschlägt es ihn in die Berge. Er erreicht abgelegene Gegenden, in denen er keinen Party-Glitzer, sondern Armut findet, was ihn sehr unangenehm berührt. Als er jedoch nachts durch den Wald geht fühlt er die Magie von Elementargeistern und verliert sich zunächst. Zurück im Dorf bedankt er sich bei dem Bewohner, der ihn auf den Pfad geführt hat. Der Trip ist zu Ende.
Im allgemeinen, gebe ich meinen Songs englische Titel. Man könnte meinen, dass das bei instrumentaltiteln eigentlich egal ist, aber hier hat es einfach nicht gepasst. Ich hatte ein romantisierte Mitteleuropäische Gebirgslandschaft, wie den Harz vor Augen und das funktioniert einfach nicht auf englisch.
Mystische Begegnung : Waldsee im Nebel
Ist das Thema nicht ein bischen kitschig und platt?
Ja, sicher. Aber kein „Plüsch-um-den-Telefonhörer-Kitsch“. Dass wir alle den mentalen Kontakt zur Natur verloren haben, ist eine Binsenweisheit, die uns die Jugendlichen ja richtigerweise seit einiger Zeit ordentlich um die Ohren hauen. Leider haben aber auch die, die die Kritik am lautesten und heftigsten formulieren diesen Kontakt ebenfalls nicht. Können sie ja nicht, da sie ebenfalls Teil des Systems sind. Aber diese Diskussion sprengt den Rahmen dieses Interviews bei weitem, fürchte ich.
Sicher. Also zurück zu Deiner Musik. Ab wann und wo wird Deine Musik verfügbar sein?
Meine Musik steht unter der Creative Commons Lizenz cc-by-nc-nd. Das bedeutet, dass die Musik privat gehört und kopiert werden darf, solange der Copyright Inhaber korrekt und vollständig genannt wird. Eine Bearbeitung und kommerzielle Nutzung ist nicht gestattet.
Abschliessende Frage: Hast Du schon weitere musikalische Projekte?
Ich habe bereits einige interessante Songfragmente vorbereitet, die auch wieder inhaltlich untereinander Bezug haben, aber das ist ein Prozess, den ich vielleicht nicht beende, weil er aus politischem Ärger heraus entstanden ist. Und das trägt möglicherweise nicht langfristig.
Vielleicht ist es interessanter, dass ich mir gerade einen Modularsynthesizer zugelegt habe. Echte Hardware nach den ganzen Softwareemulationen.
Ich finde das Konzept super spannend. Ich liebe einfach diese technische Haptik, hundert Schalter und Drehregler, blinkende LED, ein Wald aus Kabeln. Aber es ist natürlich auch enorm herausfordernd, weil es kein fertiges Instrument ist.
Du musst Dir zu Beginn ein technisches Konzept überlegen, wie Dein Sound entstehen soll und baust Dir Das Instrument dazu durch die Verkabelung erst zusammen. Es ist wahnsinnig herausfordernd, aus den Maschinen etwas besseres, als schrillen, pulsierenden Lärm herauszuholen. Mal schauen, was der Sommer so bringt.
Im letzten Jahr habe ich einige interessante Zweiräder ausprobiert – einige noch mit Verbrennungsmotor (Vogue 500, Triumph Trident 660) aber auch einige mit Elektroantrieb. Darunter das geniale Elektro-Off-Road Moped Sur-Ron Firefly („Der Ritt auf dem Glühwürmchen„), einige Edel-E-Bikes von Schindelhauer („Fahrrad – das erste mal…„) und mehrere mittelpreisige E-Bikes von Cube und Ampler (siehe zum Ampler Curt: „Noch ein tolles, leichtes Strom-Fahrrad„).
Nach einigem Überlegen habe ich mich dafür entschieden, meinen Fuhrpark um ein E-Bike zu erweitern. Ein zweites Motorrad brauche ich nicht – meine Suzuki ist mir lieb und genügt voll und ganz. Die Sur-Ron hat mich ganz begeistert und bietet viel Fahrspass für relativ viel Geld. Aber für das elektrische Fahrrad finde ich auch mal Mitfahrer, was letztlich den Ausschlag gegeben hat.
Anfang Dezember habe ich das Ampler Curt bestellt. In der Variante mit Kettenschaltung.
Ein neues Fahrrad im Dezember?
Ja. Das hat sich als goldrichtig erwiesen. Das Rad war sofort verfügbar (Lieferung innerhalb 14 Tagen aus Estland) und ich habe einen paar Hundert Euro weniger bezahlt, als die damaligen €2.900,- Listenpreis. Leider hat es am Tag, bevor ich das Bike aus dem neuen Ampler Showroom in Kreuzberg abgeholt habe geschneit. Also gleich bei der Jungfernfahrt das schicke Gerät ordentlich eingesaut. Nun gut – nur die Harten kommen in den Garten.
Nagelneue Schönheit: Übergabe im Ampler Store in Berlin Kreuzberg
Erste Eindrücke
So richtig viel bin ich seit Mitte Dezember dank Schmuddelwetter und Homeoffice noch nicht gefahren. Ein paar kurze Fahrten zwischen 5 und 20 km habe ich trotzdem schon gemacht und konnte so erste Eindrücke sammeln.
Verarbeitung
Bei der Übergabe war ich wieder von dem geringen Gewicht von unter 15kg und dem Styling hingerissen: Schick, mattschwarz, minimalistisch. Die Verarbeitung ist sehr gut. Der Aluminiumrahmen hat sehr saubere Schweissnähte, die Lackierung ist einwandfrei. Die Kabel und Bremsleitungen liegen zwar nicht komplett im Rahmen, aber sie stören nirgends. Nichts sitzt schief oder locker und selbst auf fiesem Kopfsteinpflaster klappert nichts. Die 11 Gang Kettenschaltung (Shimano Deore) und die hydraulischen Scheibenbremsen (Shimano 6000) waren einwandfrei eingestellt und der Akku komplett geladen. Los geht’s…
Rahmen, Sitzposition, Komfort
Die Rahmengeometrie bringt einen ein eine recht sportliche, vorn übergebeugte Sitzposition. Der kurze Radstand, der steile Lenkkopfwinkel und der extrem kurze Nachlauf der geraden Carbongabel sorgen für extreme Wendigkeit. Fast schon ein bischen zu viel des Guten. Als ich im Verkehr das erste Mal nach links über die Schulter geschaut habe, hat es mir fast das Vorderrad verrissen. Das Rad verlangt nach Konzentration. Komfort sollte man nicht erwarten, zumal das Rad mit 32mm schmalen Continental Grand Prix 4-Season Reifen ausgeliefert wird, die zwischen 5 und 7 Bar gefahren werden sollten. Das Ding ist bockhart.
Die Schaltung ist dafür exakt und knackig und die hydraulischen Scheibenbremsen ziehen verdammt gut. Davon konnte und musste ich mich nach den ersten 50m Fahrtstrecke bei einer Notbremsung unfreiwillig überzeugen.
Und auch ohne Motorunterstützung ist es immer noch ein leicht laufendes Rad, mit dem man auch spielend leicht deutlich schneller als die 25 km/h fahren kann, bis zu denen die Motorunterstützung zulässig ist. Die lockere, unangestrengte Sonntagsnachmittagsfahrt neulich bin ich stromlos gefahren und war immer noch deutlich schneller, als 60% der anderen Radler. Schön zu wissen, zumal man so keine Angst davor haben muss, irgendwo mit leerem Akku „liegen zu bleiben“. Trotzdem ist die Frage, wie es sich mit Strom fährt natürlich wichtig.
Wie ist das E in E-Bike ?
Bei manchen anderen Pedelecs fühlt es sich an, als ob man gegen eine unsichtbare Wand fährt, sobald der Motor oberhalb von 25 km/h abschaltet. Beim Curt wird die Motorunterstützung wird per Drehmomentsensor im Tretlager gesteuert. Je stärker man tritt, desto mehr hilft der Motor. Das fühlt sich sehr natürlich an. Beim Ampelstart kommt man extrem gut weg und je schneller man fährt, desto mehr lässt die Unterstützung nach. Das ist super, weil man kein plötzliches Abschalten der Unterstützung oberhalb von 25 km/h spürt.
Und genau diese Charakteristik hat mich bei der ersten Fahrt etwas in die Irre geführt. Als ich zu Hause angekommen bin, war ich doch etwas aus der Puste und leicht verschwitzt. Wie kann das bei einem E-Bike sein?
Ich hatte einen GPS Tracker bei der Fahrt mitlaufen lassen und als ich mir das Fahrprofil angesehen habe, fiel mir auf, dass ich die längeren Strecken meist mit 30 km/h oder sogar darüber gefahren bin – also ohne Motorunterstützung. Daher!
Bei späteren Fahrten ins Büro und zurück, bin ich bewußt etwas langsamer gefahren, habe so die kleinen Steigungen nicht mehr gespürt und bin völlig entspannt angekommen. Bei einem guten Durchschnitt von 17 km/h trotz vieler roter Ampeln. So soll es sein.
Das Curt in freier Wildbahn
Reichweite und Akku
Ampler gibt für die Reichweite eine Spanne zwischen 45 km und 100 km an. Im Schnitt sollten ca. 70 km drin sein. Solche Angaben hängen natürlich von der Temperatur, vom Gewicht des Fahrers, dem Geländeprofil, der Fahrweise und dem Unterstützungsgrad ab. Für mich (90 kg) und das Einsatzgebiet Berliner Innenstadt (überwiegend eben, mit einigen leichten Steigungen, ständigen Ampelstopps) scheint das bei 0-9 Grad Temperatur ziemlich gut hinzukommen, wie ein Blick auf die App (dazu später noch ein paar Worte) zeigt:
70 km Reichweite sind realistisch
Ausstattung
Es ist alles dran was man braucht – und nicht ein Teil mehr. Von der kleinen Klingel über die gute Beleuchtung bis hin zu dezenten Schutzblechen ist alles Notwendige an Bord. Ich habe noch Speichenreflektoren, einen Ständer und ein Abus Faltschloss angebracht. Einen Gepäckträger werde ich erst dann montieren, wenn ich ihn wirklich brauche. Immerhin – die Ösen sind am Rahmen vorhanden. Für der Alltag genügt erst mal mein Rucksack.
Ergänzt: Ständer, Speichenreflektoren und Faltschloss
Smartphone Anbindung
Kurz gesagt: nix mit Smartbike – und das ist gut so. Das Ampler Curt ist so minimalistisch, dass sogar auf ein Display verzichtet wurde. Es gibt zum Ein- Aus- und Umschalten nur einen beleuchteten Knopf unten am Sattelrohr über den man auch die Unterstützungsstufe wählen, das Licht ein- und ausschalten und den ungefähren Akkustand ablesen kann.
Immerhin gibt es eine App, die man per Bluetooth mit dem Fahrrad verbinden kann, falls man solche Dinge wir genauen Akkustand, gefahrene Kilometer etc. erfahren möchte. Über die App kann auch ein Firmware Update gemacht werden.
Ampler App ohne Verbindung – die letzten übertragenen Daten anzuzeigen wäre sinnvoller.
Sehr gut finde ich, dass die App ohne Cloudanbindung funktioniert. Weniger schön ist, dass die Verbindung häufig nicht richtig klappt. Und sobald die Verbindung zum Rad unterbrochen ist, vergisst die App alle Werte. Wenn man also das Rad im Keller stehen hat und oben in der Wohnung mal kurz nachschauen möchte, wie der Akkustand war, sieht man leider nur den Startbildschirm. Ein „einfrieren und ausgrauen“ der letzten übertragenen Werte wäre gut.
Zusammenfassung
Richtig schickes, leichtes Bike. Eher flott als gemütlich. Ziemlich gut geeignet für die täglichen Fahrten in der Stadt, zur Arbeit und so weiter.
Vielleicht nicht so toll für ausgedehnte Ausflüge, viel Gepäck und steile Berge. Da wären dann eher die schweren, gemütlichen Räder á la Cube Kathmandu mit Bosch Mittelmotor und gigantischem 750Wh Akku vermutlich besser geeignet.
Aber so etwas will ich ja nicht. Von daher: Alles richtig gemacht :-)
Dirk Ollmetzer | Samstag, 8 Januar 2022 | Uncategorized
Mal ein todernstes Thema zum Jahresanfang. Sorry.
Gerade habe ich in einer Spiegel Kolumne gelesen, dass in Deutschland alle zweieinhalb Wochen eine Frau von ihrem Partner oder Expartner getötet wird.
In Deutschland!
Ich hätte nicht gedacht, dass diese Tat bei uns so häufig ist. In dem Artikel wird gefordert, dass man das Problem erst einmal richtig benennen muss und aufhören soll, das ganze als „Familientragödie“, „Ehrenmord“ oder ähnliches zu verharmlosen.
Stimmt. Das ist absolut richtig, auch wenn ich das Wort „Femzid“ ebenfalls für ungeeignet halte. Ich habe aber gerade auch kein besseres parat, also lassen wir es dabei.
Weiterhin wird gefordert, dass es sowohl legislative, juristische, als auch konkrete Maßnahmen geben muss und als Beispiel wird Spanien hervorgehoben. Auch das ist richtig.
Ich möchte jetzt nicht den Artikel wiedergeben. Den könnt Ihr bei Spiegel selber lesen.
Mir geht es eher um die grundlegende Ursachen. Ich finde es nämlich befremdlich, wie erschreckend viele Menschen Beziehungen verstehen. Wie viel Besitz- und Anspruchshaltung häufig darin liegt.
Und ich denke, genau da müssen wir als Gesellschaft mal rangehen.
Besitz- und Anspruchsdenken
Es ist unfassbar toll, wenn ein Mensch bereit ist, das Leben mit einem anderen zu teilen, etwas für den anderen zu tun, auch wenn man selber vielleicht gerade andere Dinge im Kopf hat. Sich gegenseitig unterstützen und als Team, die Alltäglichkeiten und die Dramen des Lebens zu meistern.
Wow – das klingt groß und ich meine das auch so. Aber so wünschenswert das auch ist – man hat eben leider keinen Anspruch darauf.
Ich mache keinen Hehl daraus, dass mich das heutzutage so angesagte massive verändern an der Sprache ziemlich ankotzt. Aber Ausdrücke wie „meine Frau“ oder „mein Mann“ habe ich schon immer „irgendwie als falsch“ empfunden. Ich kann mit Fug und Recht von „meinem Auto“ reden, weil es mir gehört. Bei Menschen geht mir so etwas nicht leicht über die Lippen.
Ebenso irritiert mich ein Brauch, der sich in den letzten 20 Jahren verbreitet hat: Die Vorhängeschlösser mit Herzchen und Initialen oder Namen, die man häufig an Brückengeländern findet. Das ist wohl irgendwie romantisch gemeint, aber für mich ist das total gruselig.
„Andreas und Iris gehören einander“. Sie haben sich hier (symbolisch) zusammen an die Brücke gekettet und den Schlüssel weggeworfen. Falls sie sich wieder trennen wollen, geht das leider nur mit Gewalt (in Form eines Bolzenschneiders).
BOAH – NEE DANKE!
Es wundert mich, dass daraus noch niemand einen Horrorfilm gemacht hat.
Aber selbst, wenn man verstanden hat, dass einem die andere Person nicht gehört, mach einen das leider noch nicht frei von Anspruchsdenken. Nun kann man sich ja viele Dinge von seinem Partner wünschen, aber man hat eben keinen absoluten Anspruch darauf.
Nein, „Deine Frau“ gehört Dir nicht. Sie muss Dir nicht für Sex zur Verfügung stehen, nur weil Du gerade spitz bist. Sie muss nicht den Haushalt machen, sie muss sich nicht schick aufbretzeln und sie muss nicht bei Dir bleiben, wenn sie es nicht möchte.
Nein, „Dein Mann“ gehört Dir nicht. Er muss nicht bis zum Herzinfarkt ackern, damit Du im Einfamilienhaus wohnen kannst. Und auch er hat das Recht, keinen Bock auf Sex zu haben, er muss nicht das Auto reparieren und er muss nicht bei Dir bleiben, wenn er das nicht möchte.
Ich habe absichtlich die alten Rollenklischees bedient. Denkt Euch gerne neue dazu. Es ist mir wichtig, dass das Problem des Besitzdenkens sowohl bei Männern, als auch bei Frauen besteht, auch wenn sich das sehr unterschiedlich manifestiert.
Einige Männer neigen dazu, ihre vermeintlichen Ansprüche mit physischer Gewalt durchzusetzen und einige Frauen neigen zu Psychospielchen und emotionalen Erpressungen.
Um nicht missverstanden zu werden – ich relativiere ausdrücklich nicht physische Gewalt. Mir geht es um die Ursachen. Und die liegt eben häufig im Besitz- und Anspruchsdenken.
Anspruchshaltung – in alle Richtungen
Der Auslöser solcher Gewalttaten liegt häufig in dem Selbstbild dieser Männer, dass sie „die Kontrolle“ behalten müssen (ja, „müssen“ – nicht „wollen“). Weil ein „echter Kerl“ alles unter Kontrolle haben muss: Dinge, Zustände und andere Menschen.
Es sind eben nicht nur die Ansprüche an andere. Es geht nicht nur darum, dass „sie“ nicht selbstbestimmt handeln darf. Es geht genauso an die Ansprüche, sondern auch an sich selbst und dass man es nicht erträgt – nicht akzeptieren will – dass man diesen Ansprüchen nicht genügt. Dass man nach diesen Maßstäben versagt.
Warum sind die Kerle so?
Ich habe natürlich keine wirkliche Antwort darauf. Zumal ich glaube keine Männer zu kennen, die irgendwie gewalttätig sind.
Aber ich habe eine Anekdote:
Als ich in den 70er Jahren Kind war, gab es den Begriff „Mobbing“ noch nicht. Wenn man als Junge – sagen wir mal Michael* – zum x-ten Mal von anderen Jungs drangsaliert oder sogar verprügelt wurde, hielten sich die Erwachsenen in der Regel raus. Es hieß dann „Hat dich Sven* schon wieder geärgert?“
Geärgert!
Nicht etwa aufgelauert, den Ranzen geklaut und weggeworfen, mich mit seinem Kumpels durch die Straßen gejagt, sondern „geärgert“.
Und wenn so etwas häufiger vorkam, wurden nicht etwa Sven und seine Kumpels zur Rechenschaft gezogen, sondern Michael hörte Sätze wie „Warum wehrst Du Dich nicht endlich?“ oder „Du musst den Sven dann eben mal so richtig hauen“. Und das war es dann.
Was wurde den Jungs also beigebracht?
Sven hat gelernt, dass er gut damit durchkommt, sich mit Gewalt auf Kosten anderer durchzusetzen. Mit 16 hat er nach dem Sport unter der Dusche den anderen erklärt, „wie man die Mädels rumkriegt“
Michael hat gelernt, dass ihm niemand hilft, sondern er als Opfer auch noch mitschuldig wird, wenn er nicht mit Gewalt antwortet.
Michael und Sven sind heute Mitte 50. Und die Mädels, die Sven damals „rumgekriegt“ hat auch.
Und ich hoffe für uns alle, für die Frauen und auch für die Männer, dass die Jungs heute nicht mehr so Scheisse erzogen werden.
*) Natürlich hieß der Junge nicht Sven und Michael auch nicht Michael und es ist nicht genau so passiert, aber Ihr versteht hoffentlich, was ich meine.
Mitte Dezember 2021. Draußen ist es kalt und ungemütlich und Corona nervt schon wieder so richtig.
Was hilft?
Zum Beispiel Kerzen auf den Tisch, in eine Decke kuscheln und bei Kaffee und Lebkuchen an etwas schönes zurückdenken. An meine erste kleine, aber feine Motorradreise, die ich im Sommer gemacht habe. Nichts großes, sondern ein verlängertes Wochenende in Niedersachsen. Ich habe eine gute Freundin besucht und bin mit ihr zusammen einen Tag durch das Leinetal kreuz und quer gefahren. Und ich habe nach sehr langer Zeit liebe Verwandschaft wiedergetroffen.
Weshalb das Leinetal?
Weil es dort im Harzvorland schön ist.
Und weil nicht so fürchterlich weit weg ist.
Und weil ich die Landschaft früher, als ich dort als Teenager gewohnt hatte, nicht gewürdigt habe.
Und weil ich als Kind häufig auf den Bauernhöfen meiner Verwandten war und gerne daran zurückdenke.
Und weil es dort kleine, wenig befahrene kurvige Straßen gibt, die mit dem Motorrad Spaß machen.
Und weil eine gute Freundin von mir noch immer dort wohnt und auch Motorrad fährt und die Idee einer gemeinsamen Tour toll fand.
Landschaft bei Elze
Vorbereitung
Ich fahre ja noch nicht so lange Motorrad und habe noch nie eine längere Tour gemacht. Also haben mich einige Dinge beschäftigt bevor es losging: Wie viel Gepäck kann ich eigentlich mitnehmen (nicht viel) und wie befestige ich das sicher an der Maschine? Welche Klamotten sind für so etwas richtig? Wie stecke ich das Fahren körperlich weg und wird mir so etwas überhaupt Spaß machen?
Zum Gepäck: Ich habe mich für zwei Teile von SW Motech entschieden. Das Rearbag wird auf den Soziussitz gelegt und mit vier Riemen an Soziusfußrasten und Kennzeichenhalter festgezurrt. Der Tankrucksack wird sehr einfach und schnell an einem Kunststoffring am Tankstutzen befestigt. Wenn man bei einer Rast, seine Wertsachen nicht unbeaufsichtigt lassen will, kann man ihn problemlos mitnehmen. Ohne Gepäck bleibt nur der relativ dezente Ring auf dem Tank zurück und nichts stört die Optik.
Für ein verlängertes Wochenende reicht der Stauraum knapp aus. Auf das vollgepackte Bike würdevoll aufzusteigen war aber schon eine kleine Herausforderung… ;-)
Zwischenstop in Laatzen bei Hannover
Zur Kleidung: Das Wochenende war als wechselhaft vorausgesagt, mit Temperaturen zwischen 15 und 28 Grad, Regen und Sonne. Etwas überspitzt gesagt also irgendwie alles außer Tropenhitze und Schneetrieben. Mach da mal was draus. Ich habe mich für eine wasserabweisende Textilkombi entschieden in der Hoffnung, dass es nicht zu heiß wird. Das hat sich als richtig herausgestellt, auch wenn es hier oder da mal recht warm war, wenn ich nicht gefahren bin. Um den Regen bin ich stets herumgekommen.
Zum Thema Kondition: Motorrad zu fahren ist körperlich anstrengender, als Auto zu fahren. Ich bin ehrlich gesagt körperlich nicht gerade richtig fit und hatte schon etwas Bedenken, aber alles ging gut. Ja der Hintern brummt schon nach 100km und auf der Autobahn drückt bei 130km/h den Helm ordentlich auf die Stirn. Dann fährt man eben etwas langsamer und macht eine Pause mehr. Während des Fahrens habe ich nicht bemerkt, aber am Sonntag war ich doch froh nach zwei Tagen im Sattel einfach nur etwas abzuhängen, bevor ich mich am Montag auf den Rückweg gemacht habe. Meine Freundin fährt in der Regel auch nur kürzere Strecken und war nach einem Tag auf ihrem Chopper auch recht geplättet.
Zum Thema Spass: Ja, war geil!
Genau die richtige Dosis für den Anfang. Und mal abgesehen von dem eher langweiligen Autobahnanteil bei An- und Abreise war die eigentliche Tour am Samstag toll.
Wir sind überwiegend über kleine, wenig befahrene Nebenstraßen durch Dörfer und Kleinstädte gefahren. Schön gemütlich durch die grüne Landschaft gebummelt (meist zwischen 60 und 80 km/h), vorbei an Feldern, Wälder auf den Hügeln im Blick. Und im Gegensatz zu Brandenburg gibt es dort sogar schöne Kurven. Und auch das eine oder andere architektonische Highlight: Die Fagus Werke in Alfeld und die Eisenbahn Hochbrücke bei Greene lagen auf dem Weg, in Einbeck haben wir im historischen Stadtkern zwischen den Fachwerkbauten Eis gegessen.
Markt in der Einbecker Altstadt
Emotional – Ein Trip in die Vergangenheit und liebe Menschen
Die jüngste Tochter meiner Freundin ist Anfang 20 und hat uns abends gefragt, weshalb „Leute in einem bestimmten Alter dazu neigen, einen Sentimental Journey zu machen“. Als Antwort bekam sie von ihrer Mutter „weil irgendwann immer mehr Menschen, die einem etwas bedeuten sterben. Und dann möchte man diejenigen, die noch leben noch einmal sehen, weil man merkt wie wichtig sie einem sind.“
BÄM – auf den Punkt!
Blick zurück in die 70er Jahre: Ich war als Kind häufig auf den Bauernhöfen meiner Verwandten. Das Land und die Felder und die Tiere waren das völlige Kontrastprogramm zu meinem Leben in der Innenstadt von Hannover. Ich habe dort gespielt und abends geholfen, die Kühe von der Weide zurück in den Stall zu holen. Ich habe gesehen (und gerochen), wie man Schweine (ordentlich) hält. Ich habe gelernt, wie Silage gemacht wird, was eine Egge ist und habe mit dem Traktor Heu gewendet.
Es ist mir so wichtig, die Dinge erlebt zu haben. Gerade wenn man später durch die Welt gejettet ist um an Millionenschweren IT Projekte zu arbeiten, hilft es einem, halbwegs geerdet zu bleiben.
Ich wollte mir die Orte meiner Jugend noch einmal ansehen. Aber dann dachte ich mir, dass ich nicht einfach dort hin fahren kann, ohne dass dort jemand Bescheid weiß. Wie sieht das aus, wenn plötzlich zwei Motorradfahrer ankommen, vor dem Hof halten und dann vielleicht sogar fotografieren?
Landstraße bei Eboldshausen. Ich habe ein Foto von genau dieser Stelle aus dem Frühjahr 1968, auf dem mich mein Vater als Baby bei einem Spaziergang getragen hat.
Also habe ich meiner Patentante einen Brief geschrieben und uns angekündigt. So richtig mit Füller auf Papier! Das hat mich etwas Mut gekostet. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass wir sehr(!) lange keinen Kontakt mehr hatten. Aber meine Bedenken waren unbegründet. Die Freude war groß und mir wurde gesagt „Biker sind uns immer willkommen“. Es stellte sich nämlich heraus, dass meine Patentante und ihr Mann beide begeisterte Motorradfahrer waren und aus gesundheitlichen Gründen damit aufhören mussten.
Wir wurden also mit offenen Armen empfangen und hatten einen sehr schönen Nachmittag, mit grillen, klönen und ich habe mich gefragt, weshalb ich mich nicht schon viel früher gemeldet habe. Aber besser spät, als nie.
Und was ist mit der Umwelt?
Die Frage nach der Klimabilanz darf heute natürlich nicht fehlen. Am Besten wäre es natürlich, wenn man gar keinen Urlaub machen würde. Also für die Umwelt. Für mich aber nicht. Diese kleine Reise war mir 1000 mal wichtiger, als alle blöden Businesstrips der letzten 10 Jahre zusammen. Und mit dem Motorrad ist es sogar halbwegs harmlos. Klar – ich habe Benzin verbraucht – aber relativ wenig. Nicht nur im Vergleich zu einem Flug ans Mittelmeer, sondern auch im Vergleich zum Auto. Mit meinem Auto hätte ich auf der Tour ungefähr 70 Liter benötigt. Das Motorrad kam mit knapp 40 Liter aus. Wäre ich weniger Autobahn gefahren, hätte es auch nochmals deutlich weniger sein können. Das merke ich mir für das nächste Mal, zumal Autobahn auf zwei Rädern keinen Spaß macht. Die Ökobilanz dieses Kurzurlaubs halte ich also für vertretbar, zumal ja auch die Eisenbahn noch längst nicht Klimaneutral fährt und mit ihr hätte ich die Fahrt so gar nicht machen können.
Heute habe ich eine Probefahrt mit der Sur-Ron Firefly gemacht – einem elektrisch angetriebenen Zweirad. Mein Fazit in vier Worten: Es war echt lustig.
Doch bevor ich mich in Details verliere, ein kurzer Rückblick. Dass die Zukunft der Verkehrsmittel elektrisch ist, war mir bereits seit langem klar. Ich habe bereits 2007 orakelt, dass den deutschen Autoherstellern sehr schwere Zeiten bevorstehen (Artikel „Passt bloß auf…„).
Nun haben zwar sowohl mein Auto, als auch mein Motorrad noch Verbrennungsmotoren (die sind beide noch zu neu um sie zu ersetzen), aber immerhin habe ich vor fast vier Jahren meine ersten Gehversuche (oder Rollversuche?) in der E-Mobilität gemacht. Ich hatte mir seinerzeit ein elektrisches Moped gekauft – die Super Soco TS1200 (siehe „Weg vom Benzin (Teil 3) – Ich fange jetzt mal klein an„).
Zunächst war ich ganz begeistert darüber, völlig lautlos durch die Stadt zu gleiten, aber nach und nach setzte die Ernüchterung ein. Die Reichweite war mit 40km nur halb so weit wie versprochen und auch der Durchzug war zwar gegenüber einer 50ccm Vespa ganz ordentlich, aber die elektrischen Leihroller von Emmy und Coup ließen mich damals an der Ampel sehr deutlich zurück. Flott war anders.
In der Zwischenzeit habe ich auch das eine oder andere Pedelec ausprobiert und fand sie gar nicht mal so schlecht. Der Vorteil dieser Geräte ist, dass es sich rechtlich gesehen um Fahrräder handelt und man damit nahezu überall fahren darf (Radwege, Feld- und Waldwege etc.). Der Nachteil ist, dass es sich rechtlich um Fahrräder handelt und man damit relativ langsam unterwegs ist.
Und heute habe ich eben auch noch die Firefly („Glühwürmchen“) von Sur-Ron ausprobiert. Was ist das denn nun für ein Gerät?
Sur-Ron Firefly in blau
Technisch gesehen ist das eine Mischung aus Downhill-Fully-Mountainbike und einem kleinen Crossmotorrad – aber mit elektrischem Antrieb. Das Ding gibt es in einer offenen Version ohne Straßenzulassung für den Geländesport. Es gibt etliche Videos auf Youtube, die zeigen, dass dieses filigrane Gerät auf engen Geländestrecken ziemlich gut mit „richtigen“ Crossmotorrädern mithalten kann. Kein Wunder bei nur knapp 60Kg Gesamtgwicht inkl. Akku und fast 80Km/h Höchstgeschwindigkeit.
Ich bin die Version mit Straßenzulassung gefahren. Das Fahrzeug haben mir die Scooterhelden in Berlin Schöneberg zur Verfügung gestellt, die auf elektrische Kleinfahrzeuge spezialisiert sind. Es ist als L1e-B (“Zweirädriges Kleinkraftrad” – entspricht 50 cm³-Benzinmotorrad) klassifiziert. Das bedeutet nur 45Km/h Höchstgeschwindigkeit, aber dafür benötigt man nur ein Versicherungskennzeichen und man darf sie ab 16 Jahren mit Führerschein AM oder dem normalen Autoführerschein fahren.
Also eigentlich dasselbe, wie damals meine Super Soco – bloß sehr viel lustiger!
Das fängt schon mal mit dem Aussehen an. Ich finde die filigrane Maschine richtig schick und die schrillen Rahmenfarben (Blau, Gelb, Lindgrün, Orange) fetzig. Trotz meiner ca. 190cm Größe finde ich gut Platz auf dem kleinen Glühwürmchen. Da das gute Stück lange Federwege hat, geht es bei meinen 95Kg etwas in die Knie, aber es bleibt noch ordentlich Federweg übrig. Auf Kopfsteinpflaster hat man seine Ruhe. Das Fahrwerk ist übrigens einstellbar!
Die Bedienung ist sehr simpel. Einschalten mit einem Schlüssel, Blinker am linken Griff, rechts per Drehgriff „Strom“ geben, ordentliche Rückspiegel – alles wie beim Motorrad. Es fehlen aber die Fußhebel, weil es keine Schaltung gibt und der Hebel am Lenker die Hinterradbremse anstelle der Kupplung ist. Wer schon mal Moped oder Motorrad gefahren ist, kommt sofort klar. Das Sitzgefühl ist dennoch insgesamt deutlich mehr Fahrrad, als Motorrad.
Das ändert sich in dem Augenblick, in dem man mal richtig am Kabel zieht. Die Beschleunigung bis 35Km/h ist wirklich krass und mir ist sogar zweimal kurz das Vorderrad abgehoben. Und es geht munter weiter, bis bei 51Km/h laut Tacho abgeriegelt wird. Das werden real ca. 47Km/h sein – also die Toleranzgrenze ausgeschöpft.
Jawoll – so macht Moped fahren Spaß!
Im normalen Berliner Stadtverkehr sollte das auf alle Fälle reichen. Erst recht, seit hier eine Straße nach der anderen auf 30Km/h begrenzt wird. Und das Ding ist wendig wie ein Fahrrad.
Woher kommt der Unterschied der spritzigen Firefly zur eher betulichen Soco? Die technischen Daten sind fast identisch. Beide haben einen 60V Akku (Super Soco 28Ah, Sur-Ron 32 Ah) und ca. 2 KW Leistung (Super Soco 2,4 kW max., Sur-Ron 2,05 kW Dauerleistung).
Ich denke neben dem um 20Kg geringeren Fahrzeuggewicht ist es das Getriebe. Die Soco hat einen Nabenmotor von Bosch im Hinterrad. Daher kein Getriebe, keine Untersetzung, keine Pflege und kein Geräusch. Die Soco fährt völlig lautlos.
Primärantrieb per Zahnriemen, Sekundärantrieb per Kette. Einstellbares Zentralfederbein an Umlenkhebeln
Bei der Firefly wird das Hinterrad per Kette angetrieben und zwischen Kettenritzel und Elektromotor sitzt nochmals eine Untersetzung per Zahnriemen. Das sorgt vermutlich für das sportliche Temperament der Firefly. Allerdings muss man den Antriebsstrang natürlich auch pflegen und die Maschine ist zwar nicht laut, aber doch deutlich hörbar. Letzteres sehe ich allerdings eher als Sicherheitsfeature gegenüber Fußgängern und Radfahrern.
Bleibt die Frage der Reichweite. Sur-Ron sagt bis zu 69Km. Die Aussage der Scooterhelden war „realistisch zwischen 40 und 50Km je nach Fahrweise“. Das glaube ich mal.
Schwachpunkte
Ihr merkt schon, dass mir die Firefly ziemlich Spass gemacht hat und ein tolles Fahrzeug für die Stadt ist. Bleibt die Frage nach den Schwachpunkten. Mir fallen drei ein.
Konstantfahrruckeln. Wenn man auf – sagen wir mal – 35Km/h beschleunigt hat und die Geschwindigkeit halten will, ruckelt es im Antrieb. Das kann auf Dauer nervig sein.
Diebstahlgefährdung. Dadurch, dass die Maschine so leicht ist, kann man sie in nullkommanix wegtragen. Man müsste sie also ständig wie ein Fahrrad irgendwo anschließen.
Der Preis. Knapp €5.000,- ist für ein 45Km/h Moped echt viel Geld. Normale 50er kosten knapp die Hälfte. Man bekommt für tausend Euro weniger einen 125ccm Roller, der 100km/h schnell ist und weiter kommt – allerdings einen Benzinmotor hat. Andererseits habe ich in diesem Jahr auch E-Bikes (Pedelecs) in derselben Preisregion gefahren. Ist also alles relativ. Trotz hohem Spaßfaktor ist die Firefly jedenfalls kein Spontankauf.