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Flotter über Schotter

Heute habe ich halbwegs spontan mal ein neues Fahrrad ausprobiert – ein Gravelbike.

Ich stöbere hin- und wieder durch Youtube, Blogs und Fachmagazine um zu schauen, ob es nicht eine sinnvolle, stromlose Ergänzung zu meinem tollen Ampler Curt („Neuzugang im Fuhrpark: Ampler Curt„) gibt. Dabei habe ich das geniale und kultige Brompton Falterad („In Motorradklamotten auf dem Klapprad„) und tolle Fitnessräder ausprobiert („Vier flotte Fahrräder fix gefahren„) und bin sogar vor Liegerädern nicht zurückgeschreckt („Warum nicht mal ein Dreirad?„). Nur eine Fahrradkategorie hatte ich bisher eher gemieden: Gravelbikes – wörtlich Schotterräder. Warum?

Gravelbikes – die Klischeefahrräder

Diese Fahrradkategorie ist wohl der Gewinner der Coronapandemie. Für mich war das gleichzeitig etwas abschreckend: Überall im Berliner Umland machten plötzlich MAMILS die Waldwege mit diesen Rädern unsicher: Und ich möchte nicht zu diesen mittelalten Männern in engen Lycra Klamotten auf teuren Rädern gehören, die sich unbedingt beweisen müssen, dass sie körperlich noch gut in Form sind und das ganze Zeug aus Statusgründen kaufen.

Vom Alter her passe ich natürlich dazu. Aber körperlich bin ich ’ne Nulpe (war es auch immer) und muss und kann mir daher gar nichts beweisen. Zudem: Mit Anfang 20 hatte ich mal ein Rennrad und die Sitzhaltung fand ich schon damals recht unbequem. Mit Mitte 50 wird das sicherlich nicht besser.

Andererseits:
Gravelbikes sind recht beliebt bei Menschen, die gerne auch mal längere Strecken fahren oder Radwandern (warum muss man das jetzt eigentlich „Bikepacking“ nennen?). Das hat sicherlich Gründe.

Was spricht für Gravelbikes?

Cube Nuroad C:62 Pro

Gravelbikes sind je nach Auslegung irgendwas zwischen Tourenfahrrad, Mountainbike und Rennrad. Das bedeutet, einerseits dass sie sich in jeder einzelnen Disziplin nicht gegen die Spezialisten durchsetzen (langsamer als Rennräder, weniger Geländegängig als Mountainbikes, weniger Gepäck als Tourenräder), aber sie sind ein ziemlich guter Kompromiss: Recht flott auf der Strasse, gut genug für Feld- und Waldwege und man kann mit Gepäck unterwegs sein. Schutzbleche, Ständer, Gepäckträger und Licht lassen sich nachrüsten.
Gute Allrounder also.

Und die Sitzposition?

Ich hatte mehrfach gelesen und gehört, dass die Geometrie und die Sitzposition wesentlich komfortabler als bei Rennrädern sein soll. Zudem sei der Dropbar Lenker auf längeren Fahrten besser, weil man die Griff- und Sitzposition wechseln kann. Da dachte ich mir: Also gut, fahr doch so ein Ding einfach mal.

Und wo finde ich so etwas?

Gesagt und – gar nicht so leicht getan. Weil sich diese Räder wie geschnitten Brot verkaufen. Also recherchieren, wo ein Rad vorrätig ist, das so ungefähr in die Richtung (und Preiskategorie) geht, die einem liegen würde. Und dann muss noch die Rahmengröße stimmen.

Gute Bremsen: Hydraulische Shimano GRX Scheibenbremsen.

Ich war bei Nanobike in der Karl-Marx-Allee. Das ist immerhin der Cube Flagship Store in Berlin. Und selbst die hatten nur ein einziges Gravelbike in meiner Größe vorrätig: Das Modell Nuroad C:62 Pro – also eine Variante mit Carbonrahmen und einer 1×11 Shimano GRX Ausstattung für ca. €2200,-. Ziemlich teuer für ein Fahrrad, aber ziemlich günstig für ein Sportrad mit Carbonrahmen.

Und wie fährt sich das Ding nun?

Wirklich gut und angenehm. Das Rad wiegt mit nur 9,4 kg sehr wenig und rollt trotz seiner immerhin 4cm breiten, profilierten Schwalbe G-One Reifen sehr leicht. Selbst ich komme zügig auf 30 km/h. Schaltung und Scheibenbremsen von Shimano sind wie erwartet klasse.

Meine Bedenken wegen der Sitzposition waren auch größtenteils unbegründet. Zwar sitzt man stärker vorne übergebeugt, als auf einem City- oder Tourenrad, aber auch nicht mehr, als auf meinem Rad mit geradem Lenker. Die Handhaltung auf den Bremshebelhörnchen (oder wie heissen die Dinger?) scheint mit entspannter, als bei geradem Lenker und man hat immer noch die Alternative, aufrechter zu sitzen, falls man nicht dauernd bremsbereit sein muss.

Das zunächst ungewohnte Schalten mit dem Bremshebel klappt nach zwei Minuten ganz intuitiv. Dank der breiten Reifen und dem Carbonrahmen ist das Rad zwar straff aber nicht bretthart. Die 1×11 Schaltung reicht für mich sowohl von der Übersetzungsbandbreite, als auch von der Abstufung locker aus.

Reicht dicke: Shimano GRX RD-RX812 Schaltwerk mit 11-42 Kassette

Natürlich kann ich nach einer kurzen Probefahrt nicht beurteilen, wie man sich nach einem kompletten Tag auf dem Rad fühlt, aber der erste Eindruck ist sehr gut.

Fazit

Es hat gute Gründe, weshalb diese Fahrradgattung so beliebt ist. Ich habe tatsächlich kurz gezuckt, ob ich das Rad gleich mitnehme. Andererseits möchte ich eigentlich keinen Carbonrahmen, weil die Dinger doch recht empfindlich sein sollen. Und so schick die komplett innenverlegten Züge und Bremsleitungen sind: Wehe man muss das mal reparieren. Aber einer etwas schlichteren Alu-Variante für ein paar hunderter weniger wäre ich nicht abgeneigt.

Vier flotte Fahrräder fix gefahren

Im Dezember 2021 hatte ich mir ein E-Bike gekauft: Das wirklich tolle und schicke Ampler Curt (siehe „Neuzugang im Fuhrpark: Ampler Curt“ .
Ein E-Bike deshalb, weil ich als Asthmatiker auf normalen Fahrrädern an manchen Tagen ernsthaft Probleme bekomme, wenn es mal ein bischen bergan geht oder der Wind von vorne kommt. Es nicht immer so, aber wenn, dann ist das wirklich extrem unangenehm. Im Endeffekt hat das dazu geführt, dass ich eigentlich so gut wie nie das Fahrrad genommen habe. Das E-Bike hat mir die Angst genommen, irgendwo mit einem Asthmaanfall liegen zu bleiben.

Seitdem bin ich mit dem Rad regelmäßig ins Büro gefahren und wenn ich mal nach Mitte, Friedrichshain, oder Kreuzberg muss, ist es häufig das Verkehrsmittel der Wahl. So weit so schön.

Das E-Bike speichert die Fahrstecken und seit einiger Zeit fahre ich auch mit Tachometer. Nach mehreren hundert Kilometern sind mir beim Betrachten der Daten nun zwei Dinge aufgefallen:

  • 30% der Strecken bin ich komplett stromlos gefahren.
  • 70% der Strecken hatte ich zwar die Unterstützung eingeschaltet, aber die Hälfte davon fahre ich zwischen 25km/h und 30km/h – auf kurzen Abschnitten auch schon mal (ganz kurz) bis 38km/h. Also ebenfalls stromlos.

Das ist deutlich weniger Unterstützung und sehr viel schneller, als ich ursprünglich erwartet hatte.

Der Grund dafür ist, dass das Curt leicht ist (15kg für ein E-Bike ist super), mit sehr hochwertigen Komponenten ausgestattet ist und dehalb sehr leicht rollt. Mir ist im Berufsverkehr folgendes aufgefallen:
Wo ich einmal trete und dann die nächsten 50-80m rolle, treten andere mit billigeren Rädern die ganze Zeit und sind dennoch langsamer. Da kam mir folgende Frage in den Sinn:

„Wenn ich den Elektroantrieb eigentlich nur dafür verwende, an der Ampel schneller loszufahren, warum schleppe ich dann die Kilos für Motor und Akku mit? Tut es nicht auch ein vergleichbares Bio-Bike, das dafür nochmal ein paar Kilo leichter ist?“

Gut, probiere ich also entsprechende Räder aus. Aber wie nennt man eigentlich die Art Fahrrad?
Sportliche Geometrie, aber ohne Rennlenker, leicht, so wenig dran wie möglich, aber STVZO konform (wenn man Schutzbleche, Klingel und Licht nachrüstet)?
Nach etwas Recherche kam ich auf den Begriff „Fitnessbike“ oder „Citybike“. Hmm, na gut – ist ja nur ein Label.

Ich konnte vier Räder ausprobiert: Drei von Cube und eines von Rose. Zwei hatten Kettenschaltungen (Fitnessbike) und zwei Nabenschaltungen und Zahnriemen statt Kette (Citybike).

Cube SL Road Race

Eckdaten: 10,6 kg für € 1199,-.

Cube SL Road Race

Das Cube SL Road Race in schickem Petrolblau hat einen sauber verarbeiteten Alurahmen mit einer Carbongabel. Es ist mit der 11-fach Kettenschaltung Shimano GRX RD-RX810 ausgestattet. Die weiteren Komponenten (Kassette, Tretlager, Kubelgarnitur) sind ebenfalls von Shimano und von entsprechender Wertigkeit. Die Reifen (Schwalbe G-One Allround, Kevlar, 40-622) rollen trotz ihrer Breite und des Noppenprofils verblüffend leicht und leise. Das Rad fuhr sich sehr angenehm, wendig, leicht und flott.

Für den Preis von €1199,- wäre das Teil ein echtes Schnäppchen – wenn es auch gute Bremsen hätte. Hat es aber leider nicht. Dabei sehen die hydraulischen Scheibenbremsen von Tektro auf dem Papier und in echt gut aus, aber die Bremsleistung ist leider ungenügend – auch wenn ich berücksichtige, dass das neue Rad noch nicht eingefahren war. Schade.

Rose Multistreet 2

Eckdaten: 9,6 kg für € 1549,-.

Rose Multistreet 2

Der Aluminiumrahmen des Rose Multistreet ist in dezentem mattschwarz lackiert, aber die knallrot lackierten Innenseiten von Gabel und Hinterbau machen es aus einigen Blickwinkeln zu einem Hingucker. Mit 9,6 kg ist es das leichteste Rad im Vergleich. Das Rad ist mit der 22 Gang Kettenschaltung Shimano GRX 400, entsprechenden Komponenten und hydraulischen Shimano BL-MT200 Scheibenbremsen ausgestattet. Nicht absolute Oberklasse, aber gut. Die Reifen sind Schwalbe G-One Allround Performance, Classic Skin 700x38C.

Vom Fahrgefühl lag dieses Rad am dichtesten am Curt. Wendig, sportlich, flott. Die Carbongabel zeigte sich beim scharfen Bremsen flexibler, als die vom Curt. Das Gewicht ist ein Traum. Dieses Rad aus dem Keller zu holen stellt niemanden vor ein Problem.

Als einzigen möglichen Negativpunkt sehe ich, dass Rose-Räder eben nur von Rose verkauft werden. Es gibt nur 13 Stores in Deutschland, in denen man das Rad warten lassen kann.

Cube Hyde Race

Eckdaten: 11,8 kg für € 1199,-.

Cube Hyde Race

Die auffällige Lackierung des Cube Hyde Race ändert je nach Blickwinkel und Lichteinfall die Farbe – von metallic Rosa über Silber bis metallic Mint. Rahmen und Gabel sind aus Aluminium, In der Hinterradnabe ist eine 8 Gang Shimano Alfine SG-S700 verbaut, die Kraft wird per Gates CDX Zahnriemen übertragen, gebremst wird mit hydraulischen Shimano BR-MT200 Scheibenbremsen. Bereift ist das Rad mit Schwalbe G-One Allround, Kevlar, 40-622.

Mit knapp unter 12 kg ist das Rad noch einigermaßen leicht, aber im Vergleich doch spürbar schwerer, als z.B. das Rose. Da ich, wie ich eingangs geschrieben habe, Wert auf Effizienz lege, war ich gespannt, ob sich die Kombination aus breiten Reifen, Nabenschaltung und Karbonriemenantrieb auf die Leichtgängigkeit auswirkt.

Zu meiner Verblüffung muss ich sagen, dass sich das Rad richtig gut fährt. Es rollt leicht, die Spreizung der Gänge ist für die Stadt mit leichten Hügeln absolut ausreichend. Auf der Karl Marx Allee war ich im 5. Gang zügig unterwegs. Im Gegensatz zu den Kettenschaltungen kann man auch im Stand schalten. Das ist praktisch, wenn man z.B. beim Heranrollen an die Ampel vergessen haben sollte, runterzuschalten. Es ist auch kaum ein Freilaufgeräusch zu hören. Am besten kann ich das Fahrgefühl mit „geschmeidig“ bezeichnen.

Cube Editor

Eckdaten: 11,5 kg für € 1699,-.

Cube Editor

Das Cube Editor kommt in einer matt Grünmetallic Lackierung und hervorragend dazu passenden matt Champagnermetallic farbenen Felgen. Das Setup ist ähnlich wie beim Hyde, aber die Komponenten sind ein Stufe hochwertiger. In der Hinterradnabe steckt eine 11 Gang Shimano Alfine SG-S7001 Schaltung, für die Kraftübertragung sorgt hier ebenfalls ein Gates CDX Zahnriemen, gebremst wird mit sehr guten Shimano Deore BR-M6000. Die Bereifung ist hier ebenfalls Schwalbe G-One Allround, Kevlar, 40-622.

Das Editor ist dem Hyde auch vom Fahrgefühl recht ähnlich. Die wichtigsten Unterschiede sind Antrieb und Bremsen. Man bemerkt im direkten Vergleich, dass die Alfine 11 Gang mit 409% gegenüber der Alfine 8 Gang Schaltung mit 309% eine etwas weiter gespreizte Gesamtübersetzung hat. Wichtiger ist, dass die Sprünge zwischen den wichtigen mittleren Gängen kleiner sind. Auf der Karl Marx Alle hatte ich hier den 6. Gang zum zügigen Cruisen gewählt. Außerdem sind die 6000er Bremsen richtig gut.

Ich habe gelesen, dass die Alfine 8 und 11 Gang Schaltungen unterschiedlich aufgebaut sind (8er Kugellager, 11er Nadellager) und auch unterschiedliche Pflege benötigen (9er Fett erneuern, 11er Ölwechsel). Jedenfalls ist es wichtig zu wissen, dass auch Nabenschaltungen nicht völlig ohne Pflege funktionieren.

Fazit

Ich habe die Räder alle kurz hintereinander zur Probe gefahren und konnte sie so gut vergleichen. Alle wiegen wenig, fahren gut und wendig und laufen sehr leichtgängig. Interessant fand ich, daß alle mit Schwalbe G-One bereift sind. Die Unterschiede zwischen Kettenschaltung und hochwertiger Getriebenabe mit Zahnriemen sind bei normaler Alltagsfahrerei längst nicht so groß, wie ich dachte. Am wichtigsten ist wohl, das sich die Kettenschaltungen etwas knackiger und trockener anfühlen und nur während der Fahrt geschaltet werden können. Die Nabenschaltungen sind leise, geschmeidig und lassen sich im Stand schalten. Die Bremsen sind beim Cube Editor am besten, beim Cube Hyde Race und dem Rose Multistreet 2 gut und beim Cube SL Road Race leider nicht gut.

Alle vier Räder kann man mit Schutzblechen, Ständer und Gepäckträger nachrüsten. Das bringt zwar etwas zusätzliches Gewicht, aber man liegt immer noch spürbar unterhalb eines normalen Trekkingrades. Als Lichtanlage wird für alle vier Räder eine Batterieanlage empfohlen.

Mir hat vom Fahrgefühl das Rose Multistreet 2 am besten gefallen, weil es sehr leicht und knackig fährt.

Das Cube Editor ist geschmeidig, hat die besten Bremsen und man braucht keine Angst vor Kettenfett an der Hose zu haben.

Das Cube Hyde Race ist nicht viel schlechter, dafür €500,- günstiger.

Das Cube SL Road Race kommt vom Fahrgefühl sehr nahe an das Rose heran – wenn nur nicht die schlechten Bremsen wären.

Vom letzten Punkt abgesehen sind alle vier Räder gut und würden für mich als stromlose Alternative zu meinem Ampler in Betracht kommen. Sie fahren spürbar leichter als normale Touren- oder Trekkingräder und nehmen so meinem Asthma etwas den Schrecken.

Vintage Computing Festival Berlin 2022

Nachdem das Vintage Computing Festival Berlin im letzten Jahr nach der Corona Zwangspause noch etwas verhalten ausfiel, war dieses Jahr die Beteiligung wieder zahlreicher und das Programm recht spannend. Selbst ich als „Veteran“ (siehe meine Berichte von 2014, 2015, 2016, 2017 und 2019 ) habe noch viel neues gelernt. Das gilt sowohl für die Ausstellungen, als auch für die Vorträge, die dank dem Chaos Computer Club unter https://media.ccc.de/c/vcfb22 abrufbar sind.

In der Ausstellung fand ich z.B. ein Gerät, das ich noch nie live gesehen hatte: Den BBC Micro Master. Schon der normale Acorn BBC Microcomputer von 1981 war seinerzeit in Deutschland kaum zu finden, aber in Großbritannien ist fast jeder damit in der Schule in Kontakt gekommen. Den normalen BBC Micro Model B hatte ich zwar schon ein paar mal gesehen, aber nun stand auch die größere „Lehrerversion“ daneben. Sie zeichnet sich durch größere Tastatur, Modulports und mehr Speicher aus und sie konnte bereits damals mit den Rechnern der Schüler vernetzt werden.

BBC Micros: Master und Model B

Ein weiteres historisches Gerät aus dem Jahr 1982 konnte ich ebenfalls live sehen: Den Grid Compass. Das war der erste Notebook, der seinerzeit sogar im Space Shuttle zum Einsatz kam. Er war zwar bereits mit einem Intel 8086 Prozessor ausgestattet, hatte aber ein eigenes proprietäres Betriebssystem und war mit seinem 320×240 Pixel Elektrolumiszenz-Display und dem 340KB Magnetblasenspeicher technisch durchaus ungewöhnlich.

GRID Compass von 1982

Eine in mehrfacher Hinsicht größere Lücke in meinem Computerwissen sind die Deutschen Computerhersteller der 60er bis 80er Jahre. Sicherlich – daß Siemens Großrechner hergestellt hat und es eine sehr erfolgreiche Firma mit dem Namen Nixdorf gab, war mit bekannt – aber „Computer Technik Müller“ (CTM)?

Das klingt wie der kleine PC Schrauber aus der nächsten Seitenstraße. Doch weit gefehlt. Die Firma war zeitweise nach Umsatz der zweitgrößte Computeranbieter in Deutschland nach Nixdorf und noch deutlich vor IBM oder Digital Equipment!

CTM 70 von 1974
Sieht aus wie ein PC – ist aber keiner. CTM 9016 aus den 80ern

Es gab damals für 15-20 Jahre eine gar nicht mal so kleine Nische im Computerbereich, die von deutschen Computerherstellern gut bedient wurde: Die sogenannte mittlere Datentechnik machte Datenverarbeitung auch für mittelständische Unternehmen bezahlbar, für die die großen Computer unerschwinglich waren. Typische Aufgaben waren Lohn- und Finanzbuchhaltung und Fakturierung. Die Systeme wurden meist als Komplettlösung verkauft. Erst in den 80er Jahren wurde diese Nische durch die standardisierten und immer günstigeren und leistungsfähigeren Personalcomputer besetzt, was zum Ende der Nixdorf/CTM-Ära und in der Konsequenz zum Ende der Computerentwicklung in Deutschland führte.

Ein kleines aber feines Projekt stellte Jürgen Müller vor. Er hat sich mit der Automatic Computing Engine befasst, die Alan Turing in den 1940er Jahren konzipiert hat. Daraus hat er ein sowohl technisch interessantes, als auch optisch schönes Funktionsmodell – den Tiny ACE – gebaut, das kleinere Programme ablaufen lassen kann.

Tiny ACE – mit Ultraschallspeicher, „Lochkartenleser“ und Telefonwählscheibe zum Debugging(!)

Aus heutiger Sicht besonders bemerkenswert ist das Konzept, den Arbeitsspeicher als Ultraschall Verzögerungsleitungen zu bauen. Im Original waren das 1,5m lange Röhren, die mit Quecksilber gefüllt waren. Daraus ergab sich, dass bei der Programmierung nicht direkt auf Speicheradressen zugegriffen werden kann, sondern stattdessen mittels korrektem Timing darauf gewarten werden muss, bis der entsprechende „Speicherplatz“ anliegt. Das macht die Programmierung sehr ungewöhnlich und kompliziert.

Das wirklich verblüffende an dem Tiny ACE ist nun, dass neben konventionellen 74xx Logikbausteinen tatsächlich drei Ultraschall-Umlaufspeicher verwendet werden. Sie basieren auf kleinen Glasplättchen und wurden früher in Fernseher zur Erzeugung des PAL Signals verwendet.

Sonstige Ausstellungsstücke

Es gab so viele interessante Ausstellungsstücke, dass ich hier nur kurz eine unvollständige Auflistung wiedergeben kann. Angefangen beim Game-Room in dem man historische Computer und Telespiele ausprobieren konnte, über diverse Heimcomputer, einen halben Raum voller Apple vom Apple III über Lisa bis zu Macs aus allen Generationen – und sogar die iPods sind mittlerweile bereits retro. Weiterhin gab es eine Original PDP-8 mitsamt Terminal und Telex zu sehen, auf der OS8 lief, zwei Rechner von Telefunken und AEG, die früher bei der Bundeswehr eingesetzt wurden. Ich habe mir an einem VT101 Terminal (ca. 1980) über einen in der TU Berlin selbstentwickelten Computer eine E-Mail geschickt. Ein Projekt ermöglicht es mittels Signalumsetzer alte Modems über das Internet kommunizieren zu lassen und somit Mailbox Systeme stilecht zu betreiben, was mangels analogem Telefonnetz ansonsten nicht mehr möglich ist. Und es gab noch viel mehr, das ich hier nicht mehr erwähnen kann.

Computer der Bundeswehr
Analoge Telefone und DFÜ über Internet

Kurztagung Hard Bit Rock – Computer und Musik

Neben den Ausstellungen und Vorträgen gab es auch in diesem Jahr wieder eine Kurztagung. Dieses Mal ging es um das weite Feld „Computer und Musik“. Diese Kombination ist heutzutage natürlich alles andere als ungewöhnlich. Die meisten Musikproduktionen werden heute zumindest im Computer abgemischt und gemastert und volldigitale Produktionen sind im Zeitalter von Digital Audio Workstations und Plugins normal. Solch ein digitales Studio habe ich auch zu Hause. Dennoch waren die Vorträge und Darbeitungen interessant und zum Teil auch verblüffend.

Zu Beginn gab Rainer Siebert einen umfassenden Überblick über die Entwicklung der digitalen Klagsynthese und überraschte mich mit vielen Details, wie damit, dass PCM (Pulse Code Modulation) bereits 1921 als optomechnisches Verfahren erfunden wurde und das erste 5 Bit Sampling schon 1937 durchgeführt wurde, noch bevor es überhaupt einsatzfähige Digitalrechner gab. Die thematische Tour de force endete mit dem Durchbruch der Digitalsysthesizer der Großserienhersteller Yamaha, Casio und Roland in den 80er Jahren.

Vorführungen Computer und Musik – verblüffend analog

Zwei der praktischen Vorführungen fand ich aufgrund der extrem originellen Setups bemerkenswert. Beide Male kamen Computer bei der Klagerezugung zum Einsatz – aber völlig anders als bei heute üblichen digitalisierten Studios.

Am ersten Tag führte Hainbach im Medientheater vor, wie man mit einem Sinusgenerator, einer analogen Bandmaschine, einem Casiotone und einem HP87 Computer aus dem Jahr 1982 interessante Soundloops erzeugen kann. Was das Setup wirklich speziell macht: Bis auf den kleinen Casiotone war keines dieser Geräte für musikalische Anwendungen vorgesehen. Es handelt sich vielmehr um alte, früher sündhaft teure analoge messtechnische Geräte.

Die Bandmaschine wurde für die analogen Messdatenaufzeichnung z.B. von Schwingungsversuchen im Flugzeugbau verwendet. Daher hat sie im Gegesatz zu normalen Tonbandmaschinen einige Besonderheiten: Einen extrem starken Antriebsmotor um präzise Bandgeschwindigkeit sicherzustellen, keinen Löschkopf, damit wichtige Daten nicht versehentlich gelöscht werden, und die Möglichkeit in verschiedenen Geschwindigkeiten vor- und rückwärts zu laufen. Und sie hat ein Interface über das Steuersignale übertragen werden können.

Hainbach in Aktion mit Sinusgenerator, Messwertrekorder und Laborcomputer

Der Computer ist wiederum kein PC, sondern ein Spezialrechner zur Steuerung von Laborgeräten – in diesem Fall der Bandmaschine. In der Vorführung sorgte ein kleines Basicprogramm dafür, dass das Band mit verschiedenen Geschwindigkeiten zunächst vorwärts, dann rückwärts zum Ausgangspunkt läuft und das ganze stetig wiederholt. Währenddessen wird mit dem Sinusgenerator ein Signal erzeugt und dieses manuell in der Frequenz geändert. Durch die Überlagerung der verschiedenen Frequenzen und der Rhythmik der ständig veränderten Bandlaufs entstanden interessante Klangschleifen.

Als im zweiten Durchlauf anstelle des Sinusgenerators der kleine Casio als Signalquelle verwendet wurde, steigerte das für mich die inhaltliche Qualität nochmals deutlich. Die Veranstaltung ist auf Hainbachs Youtube Kanal zu sehen – inklusive erklärender Zwischenszenen: Endgame Tape Music Techniques: HP’s Computer Controlled Reel-To-Reel.

Am zweiten Tag setzte Andrea Taeggi weitere Akzente, indem er für seine Vorführung keinen Digitalcomputer, sondern einen Analogcomputer von Telefunken aus den 60er Jahren zur Signalerzeugung nutzte. Auch hier basierten die Klänge auf Sinuswellen, die sich gegenseitig beeinflussten und damit sowohl den Klang, als auch die Rythmik ständig änderten.

Das ist nicht völlig ungefährlich, weil der Analogrechner auch mit Frequenzen jenseits des Hörspektrums arbeiten kann. Bei einigen Klängen bebte das Signallabor und ich machte mir Sorgen, ob die Lautsprecher diese Belastung überleben. Spannend fand ich hier, dass auch jenseits der zu erwartenden Sinusbässe recht interessante Klangfarben entstanden, wie z.B. ein Anblasgeräusch. Da ganze Krachen, Stampfen, Klingeln lies mich an einen Tanztheater denken.

Andrea Taeggi performt am Telefunken Analogcomputer

Nach der Livevorführung spielte Taeggi noch einige komplexere Aufnahmen ab, die er mit Hitachi Analogcomputern in den Willem Twee Studios von Hans Kulk aufgenommen hatte.

Die Vorführungen von Hainbach und Andrea Taeggi fand ich sowohl klanglich spannend, als auch dahingehend, den Ansatz „Computer und Musik“ völlig anders zu denken.

Hainbach nutzte den Digitalcomputer nicht zur eigentlichen Erzeugung oder Berechnung des Audiosignals, sondern um indirekt über analog-/machnischen Umweg die Frequenzen des Signals zu beeinflussen.

Taeggi liess das Audiosignal zwar von einem Computer „berechnen“, aber eben nicht von einem heutzutage üblichen Digitalcomputer, sondern von einem alten Analogcomputer, mit dem in den 60er Jahren Diffentialgleichungen gelöst wurden.

Fazit

Schön, dass auch in diesem Jahr wieder das Vintage Computing Festival durchgeführt werden konnte. Obwohl die Vorzeichen nicht so gut waren (Rückkehr aus dem Deutschen Technikmuseum in die Humboldt Universität, Corona Nachwehen, zwei wichtige Menschen aus der Organisation sind nicht mehr in Berlin, …) waren sowohl die Exponate, als auch die Vorträge und Vorführungen sehr interessant. Zudem habe ich Bekannte wiedergetroffen und nett gefachsimpelt.

In Motorradklamotten auf dem Klapprad

Ich bin heute mit einem Klapprad gefahren – in Motorradklamotten!

So, jetzt kurz das schön alberne Bild setzen lassen, an das ihr gerade denkt, und dann erzähle ich, wie es dazu kam.

Kleine Motorradausfahrt am Samstag

Samstag Vormittag, zurück vom Einkauf. Draußen schönstes Motorradwetter. Ich bin dieses Jahr noch nicht viel gefahren und muß zusehen, nicht aus der Übung zu kommen. Also beschloß ich, meinen Mittagssnack im 45 über Null zu mir zu nehmen. Der Bikertreff für beide Sorten – Motorrad- und Fahrradfahrer – am Ende der nördlichen Startbahn des Flughafens BER in Selchow. Das ist so eine Art Biergarten, in dem man prima Planespotting machen kann. Es ist schon etwas Besonderes, wenn Ryanair im Landeanflug knapp über die Klappstühle hinwegfegt.

Okay, das erklärt die Motorradklamotten, aber noch nicht das Klapprad. Schließlich bin ich mit meiner „süßen Suzi“ dorthin gefahren und nicht mit dem Fahrrad.

Seit ewigen Zeiten wollte ich das Faltrad von Brompton ausprobieren. Ich komme gleich darauf, weshalb ich genau das interessant finde. Leider stellte sich das als verblüffend schwierig heraus. Es gibt zwar ein paar kleine Händler in Berlin, die das Brompton führen, aber die sind so gnadenlos überlastet, dass ich nie einen Beratungstermin bekommen konnte, wenn ich gerade Zeit hatte und bei Zweirad Stadler kaufe ich aus Prinzip kein Fahrrad.

Der besondere Fahrradladen

Es blieb noch ein Laden übrig, den ich noch nicht angefragt hatte: „The urban mobility store“ in der Kolonnenstraße in Berlin Schöneberg. Und genau der fiel mir ein, als ich gerade unterwegs war. Ohne große Hoffnung habe ich also einen Schlenker nach Schöneberg gemacht und zunächst dorthin gefahren.

Als ich an dem kleinen, aber feinen Laden angekommen bin, musste ich auch ein paar Minuten draußen warten, weil gerade alle Mitarbeiter zu tun hatten. Durch das Fenster konnte ich bereits sehen, dass sie nur zwei Fahrradmarken im Sortiment haben: Brompton und Moulton. Beides Falträder aus Großbritannien.

Nach kurzer Zeit kam ein Mitarbeiter (der sich später als Inhaber herausstellte) auf mich zu. Ich erzählte, dass ich schon länger ein Auge auf die Brompton Räder geworfen habe, wofür ich mir solch ein Rad vorstellen kann und was ich sonste so fahre. Mir wurde flott erklärt, welche Modellinien es gibt und wofür welche besonders gut geeignet ist. Und schon nach ein paar Minuten fiel dann der Satz, daß ich das Rad unbedingt ausprobieren müsse, getreu dem Motto:

‚You don’t get Brompton until you get a Brompton‘ – man begreift Brompton dann, wenn man sich eins greift.

Sehr gerne – aber ohne Helm, Handschuhe und Lederjacke Immerhin waren 20 Grad und die Sonne schien. Motorradhose und Stiefel konnte ich natürlich nicht ablegen, aber für eine kurze Probefahrt ging es auch so.

Zunächst fuhr ich ein Modell der ‚C‘-Linie mit 6 Gang Schaltung. Als ich wieder zurück kam, kam auch gerade ein anderer Kunde von einer Probefahrt zurück und mir wurde gesagt, ich solle das Modell auch noch einmal zum Vergleich fahren. Ein Modell der ‚P‘-Linie mit 4 Gang Schaltung. Was daran sonst noch anders ist, wollte er mit im Nachgang sagen.

An dieser Stelle muss ich mal kurz erklären, was an diesem Fahrrad das Besondere ist und weshalb ich mich dafür interessiere.

Das besondere Fahrrad

Generell mag ich schlichte, leichte Fahrräder ohne Gedöns, die leicht rollen. Ich habe mir im letzten Jahr das Ampler Curt E-Bike angeschafft, das ganz fantastisch ist. Ich fahre damit regelmäßig ins Büro und bin super zufrieden. Außer, dass ich es nicht gut mitnehmen kann, weil es ein ausgewachsenes 28″ Rad mit großem Diamantrahmen ist. In Bus und Bahn braucht man einen extra Fahrschein und an mein Auto kann ich keinen Fahrradträger anbauen, weil es ein Cabrio ist.

Für dieses Problem wurden in den 70er Jahren Klappräder erfunden. Die Räder waren sehr kompakt und ließen sich durch ein Scharnier am Rahmen relativ einfach zusammenklappen, um sie im Auto Kofferraum zu verstauen. Böse Zungen redeten allerdings von „Knickrädern“, weil sie so schlecht fuhren, dass man sie sich auch gleich knicken konnte.

Ich hatte als Kind auch mal so ein Ding. Selbst vom Sperrmüll gezogen und wieder flott gemacht. Nur war das Teil leider schwer wie Bleibarren, hatte keine Schaltung und lausige Bremsen. Damit zu fahren machte soviel Spaß, wie ein Klavier vor sich her zu schieben, nämlich gar keinen.

Das von dem Briten Andrew Ritchie Ende der 70er Jahre entwickelte Faltrad fährt sich dagegen leicht wie ein normales Fahrrad, gehört aber aufgrund einiger technischer Besonderheiten zusammengefaltet zu den kleinsten Fahrrädern überhaupt. Es ist daher hervorrgend dafür geeignet, in Bus und Bahn als kostenloses Handgepäck mitgenommen zu werden. In den Kofferraum passt es sowieso locker.

Kleiner als so manche Handtasche – allerdings 12 kg schwer


Der Grund für die Kompaktheit liegt in den 16″ kleinen Rädern und dem ungewöhnlichen Faltmechanismus. Das sieht auf den ersten Blick kompliziert aus, aber mit etwas Übung kann man das Fahrrad in weniger als 30 Sekunden zusammen- und gleich wieder auseinanderfalten. Sehr verblüffend, wenn man das zum ersten Mal sieht.

Die Probefahrten

Meine erste Fahrt war mit einem Modell der ‚C‘-Linie. Das ist „die gute Mitte“. Stahlrahmen, mittelhoher Lenker, 6 Gang Schaltung, 12 kg. Nach kurzer Einweisung ging es los – mitten in das Schöneberger Fahrradgetümmel.

Obwohl der Rahmen gefühlt auf Knöchelhöhe ist, sind Lenker, Sitz und Pedale dort, wo man sie erwartet. Die Sitzposition ist tatsächlich wie auf einem normalen Touren- oder Stadtrad. Und es fährt sich auf fast so: Leichtgängig und die Übersetzungen sind für die Stadt mit leichten Hügeln mehr als ausreichend. Ich bin auch in der Motorradhose nicht ins Schwitzen gekommen.

Brompton ‚C‘-Line. Das Stadt-/Tourenrad

Die Schaltung ist jedoch etwas erklärungsbedürftig. Es handelt sich um eine 3 Gang Nabenschaltung (Schalter rechts) in Kombination mit einer 2 Gang Kettenschaltung (Schalter links), deren Gänge mit ‚+‘ und ‚-‚ bezeichnet sind. Anstatt die Gänge 1-6 schaltet man so: 1-, 1+, 2-, 2+,3-, 3+.

Aufgrund der winzigen Räder ist der Geradeauslauf recht nervös, aber daran hat man sich nach ein paar hundert Metern gewöhnt. Ich bin auch über mittelschlimmes Kopfsteinpflaster gefahren und das Rad schlug sich verblüffend gut: Nicht klapperte, nichts hat sich verwunden oder geknirscht und als Highlight ist das Heck sogar leicht gefedert.

Ich kann mir gut vorstellen, auf dem Bromton weiter, als nur Kurzstrecke zu fahren. Vermutlich etwas langsamer, als auf meinem Ampler, aber entspannt.

Die zweite Fahrt habe ich auf einem Modell der ‚P‘-Linie gemacht. Tiefer Lenker, 4 Gang Kettenschaltung (einfach 1-4), nur 10 kg Gewicht. Im Kern das selbe Fahrrad, aber mit sportlicher Sitzposition, es schien noch etwas leichter zu rollen, die Schaltung ist gut abgestuft, aber möglicherweise fehlt ein Gang für richtige Steigungen. Dafür hatte ich das Gefühl etwas zügiger unterwegs zu sein. Die fehlenden zwei Kilo gegenüber der ‚C‘-Linie sind beim Tragen deutlich spürbar.

Brompton ‚P‘-Line. Der flotte Stadtflitzer

Aber wie bei jedem Fahrzeug: Leichtbau kostet Geld. Die Gewichtsersparnis kommt zum guten Teil daher, dass Gabel und Heckrahmen aus Titan hergestellt sind und das macht sich deutlich im Preis bemerkbar. Während der Preis bei der ‚C‘-Line je nach Ausstattung bei ca. €1.800,- liegt, sind es bei der ‚P‘-Line bereis ca. €2.700,-. Wer mag, kann aber natürlich noch deutlich mehr Geld ausgeben. Es gibt noch ein E-Bike von Brompton und ein Modell, dessen Rahmen vollständig aus Titan hergestellt ist und das nur 7,5 kg wiegt.

Mein Fazit

Das Brompton Faltrad ist nicht ohne Grund Kult und seit über 40 Jahren auf dem Markt erfolgreich. Es fährt sehr gut, und lässt sich sensationell klein zusammenfalten. Das ist nicht einfach nur ein interessantes technisches Detail, sondern sorgt dafür, dass es hervorragend als Ergänzung zum ÖPNV genutzt werden kann. Die Räder sind zwar recht filigran, aber haltbar. Mehr als 20 Jahre Nutzung sind eher die Regel, als die Ausnahme.

Es gibt aufgrund der ungewöhnlichen Konstruktion ein paar Besonderheiten, auf die man nicht sofort kommt („Warum hat das Rad keinen Ständer?“, „Warum hat das Rad keinen Gepäckträger“), und auch ein paar Einsatzszenarios, die sich vielleicht erst im Laufe der Zeit erschliessen.

Wer sich in Berlin für das Brompton interessiert, dem kann ich einen Besuch beim „The urban mobility store“ in der Kolonnenstraße in Berlin Schöneberg empfehlen. Die Jungs sind super freundlich, echte Überzeugungstäter und mit dem Herz bei der Sache. Obwohl recht viel in dem kleinen Laden los war, wurde ich ausführlich und ohne Hektik beraten – inklusive kleiner Annekdoten und trotzdem musste niemand lange warten.

Warum nicht mal ein Dreirad?

Ich hatte spontan die Möglichkeit, ein ungewöhnliches Fahrzeug auszuprobieren: Ein Trike – ein Liegerad mit drei Rädern.

Wieso denn sowas?

Auf das Thema Liegerad bin ich vor kurzem aufmerksam geworden, als ich Berichte von der Zweiradmesse Eurobike angesehen habe. Ich mag ja ungewöhnliche Fahrzeugkonzepte und fand das spontan interessant – nicht nur, aber auch auch technisch. Trotz meiner Neugier war ich aber zunächst skeptisch; Weil man tief sitzt, nicht das eigene Gewicht auf die Pedale bringen kann, das doch bestimmt recht wackelig ist und überhaupt sind die Teile trotz des momentanen Fahrradbooms selbst in Berlin noch immer recht selten. Das wird doch bestimmt Gründe haben…

Neugier siegt

Nachdem ich mich ein bischen in die neue Materie eingelesen habe, wollte ich mir ein eigenes Urteil bilden. Und das geht nur, indem man so ein Gefährt einmal selber fährt. Entsprechende Händler gibt es in ganz Deutschland nur eine Handvoll. Aber ich lebe ja in Berlin, wo es für jede schräge Idee oder seltene Nische irgendwo Spezialisten gibt. Und tatsächlich existiert unweit von meinem Büro ein kleiner Spezialladen für Liegeräder: Hofrad.

Die Inhaber sind sehr rührig und fahren selbst mit Liegerädern auf große Tour (z.B. durch Südamerika). Ich habe, nachdem ich meine Neugier und fachliche Unkenntnis gestanden habe, ein ziemlich langes und umfassendes und ehrliches Beratungsgespräch bekommen, bevor wir dann zum Punkt kamen „Wenn Du noch nie ein Liegerad ausprobiert hast, suchen wir Dir jetzt eines raus und dann fährst Du mal eine Runde durch den Kiez“.

Obwohl das Geschäft recht klein ist, haben sie doch eine verblüffende Zahl recht unterschiedlicher Modelle von verschiedenen Herstellern dort. Von extrem flach und sportlich über Reiserad bis zu Modellen, die eher an Krankenfahrstühle erinnern, mit und ohne Strom, mit zwei und mit drei Rädern usw.. Was davon taugt denn für einen ersten Eindruck?

Das Scorpion fs 26 vor dem Laden – gleich geht es los

Bei normalen Fahrrädern mag ich es möglichst puristisch, leicht, ungefedert und schnell. Davon sollte es sich deutlich abgrenzen, also drei anstelle von zwei Rädern. Ich habe mich für ein Modell der Mitte entschieden. Nicht zu sehr Reha, nicht zu sportlich, geeignet für lange Touren. Da man bei Kopfsteinpflaster nicht wie bei normalen Rädern einfach mal aus dem Sattel steigen kann, gerne auch eines mit Federung. Erst mal ohne Motor, weil ich einen Eindruck bekommen wollte, wie schwer sich so ein Gerät bewegen lässt. Es wurde dann ein Scorpion fs 26 mit 26″ Hinterrad, Vollfederung, Pinion Getriebeschaltung und hydraulischen Scheibenbremsen von Shimano vom deutschen Hersteller HP Velotechnik.

Als das Rad fertig auf meine Beinlänge eingestellt vor der Tür stand, gab es erst einmal eine Einweisung. Zum Beispiel braucht das Trike natürlich keinen Ständer, aber dafür eine Feststellbremse, damit es nicht einfach wegrollt. Und dann die Frage, wie man sich eigentlich draufsetzt. Eigentlich ganz einfach: Die Beine zwischen Pedale und Vorderachse stellen und hinsetzen, wie auf einen kleinen Stuhl. Aufstehen geht auch gut, obwohl der Sitz nur 38cm über der Fahrbahn ist.

Ungewohnte Perspektive (nein, ich bin nicht auf dem Fußweg gefahren)

Los geht’s…


Gleich nach den ersten Metern ging es vom Bürgersteig runter auf die Fahrbahn – und die besteht wie bei sehr vielen Nebenstrassen in Berlin aus Kopfsteinpflaster. Natürlich ist das Liegerad keine Sänfte, aber die Federung machte ihre Sache gut und ich wurde nicht durchgeschüttelt. Die Sitzposition ist natürlich erst einmal ungewohnt, aber bequem. Anstatt einer Lenkstange direkt vor sich hat man links und rechts einen Steuerknüppel in der Hand. Die Lenkung der beiden Vorderräder ist sehr leichtgängig und direkt. Am besten fasst man nicht zu fest zu, weil man sonst schnell Zickzack fährt. Mit lockerem Griff geht es stabil geradeaus.

Nach hundert Metern kam ich dann zu einer Querstrasse und hier machte sich die niedrige Sitzposition negativ bemerkbar – ich konnte nicht über die parkenden Autos schauen, sondern musste recht weit vor fahren, um den Querverkehr einzusehen. Das war aber kein großes Problem und so konnte ich nacht rechts abbiegen und auf glattem Asphalt ein gutes Stück geradeaus fahren. Dabei habe ich dann auch ein paar Gänge raufschalten können und war zügig unterwegs. Nicht so schnell, wie auf meinem Ampler Curt, aber doch flott. Das hohe Gewicht des Rades und der höhere Rollwiderstand wegen der drei Räder machten sich kaum bemerkbar. Am Anfang war meine Haltung etwas verkrampft und so bekam ich nicht die volle Kraft auf die Pedale. Als ich es mir in dem Sitz so richtig bequem gemacht hatte, ging es aber sehr gut. Genial fand ich die beiden Rückspiegel. So konnte ich gut beobachten, was ich schon vorher von Trikefahrern gehört und gelesen hatte: Aufgrund der Breite nehmen Autofahrer die Trikes ernster als normale Radfahrer und überholen nur, wenn wirklich genug Platz ist.

Nachdem es geradeaus auf Asphalt ganz gut ging, war es Zeit für die nächste Herausforderung. Ich bog an der nächsten Ampel rechts ab. dort erwarteten mich ein schmaler Radweg aus Ziegeln und eine Brücke über die Eisenbahn – eine Strecke, die 200m bergan ging. Also zwei Gänge zurückschalten und schon ging es über die Brücke, ohne dass es sehr viel Anstrengung gekostet hätte. Der Radweg war kaum breiter, als das Trike, aber weil man die breiteste Stelle des Fahrzeugs im Blick hat und die Lenkung sehr präzise ist, war das kein Problem. Die Abfahrt auf der anderen Seite war angenehm und an der nächsten Ampel zeigte sich, dass die hydraulischen Scheibenbremsen ordentlich zubeißen können. Unten habe ich gewendet, um die Brücke gleich nochmal in die entgegengesetzte Richtung zu befahren und oben ein kleines Fotoshooting zu machen, bevor ich das Trike zurückgebracht habe.

Das Scorpion fs 26 von vorne
…und von hinten

Fazit

Was war denn nun mein Eindruck nach der Probefahrt und dem langem Gespräch mit der Inhaberin von Hofrad?

Auf jeden Fall fährt so ein Trike erst mal ziemlich deutlich anders, als ein normales Fahrrad. Meine Bedenken haben sich nicht bestätigt: Die Sitzposition ist sehr lässig, das Rad hat aufgrund des tiefen Schwerpunktes eine super Strassenlage und es ist auch nicht anstrengender, als ein normales Fahrrad. Nach kurzer Eingewöhnung macht es richtig Spass und ich fand es auch irgendwie lustig. Das Ganze hat mich ein bischen daran erinnert, wie ich als Kind mit meinem Kettcar durch die Gegend gefahren bin. :-D

Kommen wir zum letzten Punkt meiner Bedenken – wieso fahren selbst in Berlin nur sehr wenige mit Liegerädern?

Ich denke das hat vor allem drei Gründe:

  • In dem wuseligen Stadtverkehr hat man auf einem normalen Fahrrad mehr Überblick, weil man höher sitzt.
  • Man benötigt mit einem Trike ziemlich viel Stellfläche (wie mit einem Lastenrad), während man ein Fahrrad schnell mal irgendwo anschließen kann. Man kann das Rad zwar zusammenklappen, aber das dauert etwas und ist eher dafür gedacht, dass man das Rad im Auto verstauen kann.
  • Last but not least – der Preis. Der ist nämlich recht heftig. Deutlich zu hoch für „finde ich lustig“. So ein Rad muss man wirklich haben wollen und dann auch wissen warum.

Liegeräder sind ein völliges Nischenprodukt und es gibt nur eine Handvoll Hersteller – fast alle in Europa. Die Räder werden in extrem kleiner Stückzahl gebaut – meist nur auf Auftrag. Der Vorteil ist, dass man sich die Räder daher so zusammenstellen kann, wie man möchte. Federung, Bremsen, Schaltung, eBike oder nicht, Licht, Schutzbleche, Gepäckträger und Sitze nach Wahl. Daher ist die preisliche Spannbreite auch groß. Als Faustregel kann man im Moment sagen: Irgendwo zwischen €5.000 und €10.000,-. Die Konfiguration, die ich gefahren bin kostet ca. €7.500,-

Also als Stadtrad ist das eher nichts. Als Sportrad auch nicht – zum schnell fahren gibt es deutlich besseres, wenn auch nicht unbedingt billiger. Wer kauft diese Räder also und vor allem weshalb?

Liegeräder werden vor allem für lange Radtouren gekauft, weil sie auch auf Langstrecke sehr bequem sind und sich mit sehr viel Gepäck beladen lassen. Viele fahren auch mit größeren Anhängern – im Extremfall sogar mit Fahrradwohnwagen(!). Und es gibt natürlich auch Menschen, die Trikes aufgrund körperlicher Einschränken wie z.B. gestörter Gleichgewichtssinn, Knie OP, Hüftprobleme o.ä. fahren.

Momentan habe ich keine Verwendung für so ein Fahrzeug. Wenn ich aber häufiger große Fahrradtouren unternehmen würde, wäre das eine überlegenswerte Ergänzung zu meinem E-Bike. Spass macht es allemal.

Viele Zweiräder mit Stromantrieb

Vom Freitag, den 24. bis Sonntag, den 26. Juli fand in Berlin das Reload Electric Motorcycle Festival statt. Austragungsort war das Craftwerk in Berlin Lichtenberg; Eine Motorrad Selbthilfewerkstatt, ein Platz, an dem man seine zweiräderigen Schätzchen lagern kann, ein Coworkingspace und ein Treffpunkt von motorradinteressierten Menschen an dem man sich einfach mal auf einen leckeren Kaffe zum klönen treffen kann.

Reload – Industriehof am Craftwerk mit Ausstellerzelten und Besuchern

Dieser Ort ist nicht einfach irgendein Motorradclub von lauter bierbäuchigen alten Männer auf lauten Harleys. Die Mitglieder und Besucher sind wesentlich gemischter.

Zum einen sind hier verblüffend viele Frauen aktiv, die an ihren Maschinen schrauben. Das kommt sicher auch daher, dass u.a. Cäthe Pfläging vom Frauenmotorradclub The Curves zu den Betreibern zählt.

Zum Anderen handelt es sich bei aller Liebe zu alten Fahrzeugen nicht um eine Gruppe verbohrter Petrolheads.
Das absehbare Ende des Benzinzeitalters und die Verkehrswende sind regelmäßig Thema in Gesprächen und die ersten Erfahrungen mit Stromantrieb haben hier auch bereits einige hinter sich (z.B. mit einem Umbau einer alten 50er Vespa auf Elektroantrieb oder indem trotz Skepsis, einfach mal ein E-Motorrad ausprobiert wird).

Hinter den Ständen der Aussteller: Eine Auswahl and Custombikes

Da ist es nur folgerichtig, hier das Reload Festival abzuhalten, bei dem es ausschließlich um elektrisch angetriebene Zweiräder ging – vom stylischen Pedelec bis zum Hochleistungsmotorrad. Die Gelegenheit, möglichst viele unterschiedliche elektrische Zweiräder auszuprobieren, konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Also warf ich mich trotz der schwülen Wärme in meine Kombi und fuhr mit meiner (benzingetriebenen) Suzuki zum Craftwerk. Der Tag verging zwischen BenzinStromgesprächen und diversen Probefahrten wie im Flug.

Kleine Stunteinlage

A propos Flug: Einen Abflug habe ich mir leider auch geleistet. Ich fuhr nach einer Probefahrt langsam auf den Hof (ca. 12 km/h), als mich jemand mit einem anderen Fahrzeug zu einer Vollbremsung zwang.

Split auf Pflaster, blockiertes Vorderrad – zack lag ich mit der Maschine auf dem Boden.

Ich wusste ja, daß der Untergrund etwas rutschig ist und hatte daher voll in die Hinterradbremse gelangt. Leider hatte das Fahrzeug statt ABS nur eine CBS Bremse, die auf Vorder- und Hinterrad gleichzeitig wirkt. Normalerweise wäre ich einfach mit blockiertem Hinterrad etwas gerutscht, aber nicht gestürzt.
Das CBS bremst aber leider das Vorderrad mit und das rollte gerade über Split.

Shit!

Daher mein Rat, an alle, die sich ein Leichtkraftrad (125er) kaufen möchten:

Kauft NIEMALS eine Maschine ohne ABS! Die angebliche Alternative CBS ist das Schlimmste, was man überhaupt bauen kann!

Dank voller Schutzkleidung kam ich ohne Schramme davon und die Maschine hat auch keinen Schaden genommen. Aber so ein Stunt genau zwischen allen Besuchern hätte nicht sein müssen.

Ich schreibe aus Fairness nicht, welcher Hersteller das war. Ironischerweise hatten wir nämlich vor der Fahrt ein Gespräch über das fehlende ABS und mir wurde gesagt: „würden wir gerne einbauen, aber Bosch verkauft nicht an Kleinserienhersteller“.

Tja… :-(

Von diesem kleinen Zwischenfall abgesehen, war der Tag großartig. Ich beschreibe im Folgenden nicht chronologisch, sondern von klein nach groß.

E-Bikes / Pedelecs

Es waren zwei Hersteller von E-Bikes/Pedelecs auf der Reload: Urban Drivestyle aus Berlin und Super73 aus Kalifornien. Beide bauen E-Bikes mit fetten Rädern, die nach irgendwas zwischen 70er Jahre Bonanzarad und „Möchtegern-Motorrad“ aussehen.

Verschiedene Modelle von Urban Drivestyle

Je nach persönlichem Stilempfinden irgendwo zwischen total witzig bis völlig unmöglich. Als normales Fahrrad wären sie wegen des hohen Gewichts und der Körperhaltung extrem schwer zu fahren. Man bekommt aufgrund der Sitzposition nämlich kaum Kraft auf die Pedale. Dieser Style funktioniert nur, wenn der Motor kräftig mitschiebt.
Neugierig war ich aber natürlich schon. Also machte ich mich zum Horst und fuhr zwei Modelle von Super73 in voller Motorradmontur zur Probe:

Eines aus der Z-Serie (Starrahmen, 30Kg „leicht“, ca. €2.700,-) und eines aus der R-Serie (Vollfederung, 36kg, ca. €4.600,-). Beide mit kräftigem Motor in der Hinterradnabe und Kettenschaltung, damit man kein Problem mit der Trittfrequenz bekommt.

Eine kleine Auswahl bei Super73

Mein Fazit: Das ist das genaue Gegenteil von meinem E-Bike ( „Neuzugang im Fuhrpark: Ampler Curt“ ). Ein extrem lässiger Cruiser zum entspannten Dahingleiten. Witzig sind die Dinger schon, aber meins ist das nicht. Man kann das tatsächlich fahren, aber nur mit Strom, sonst tritt man sich halb tot. Auch das weniger schwere Modell möchte ich nicht in den Keller tragen müssen. Müsste man aber auch nicht, weil der Akku bei allen Modellen entnehmbar ist.

Bei solch speziellen Gefährten ist aber auch klar, dass sich eine blühende customizing Szene gebildet hat. Beide Hersteller haben daher auch teil sehr lustige Umbauten gezeigt – zum Beispiel ein Super73 mit Surfbrett und eingebautem Sound-System.

Mopeds

Mit elektrischen Mopeds (also die Klasse bis 45km/h, die man mit dem Autoführerschein fahren darf), habe ich ja bereits etwas Erfahrung. Ich hatte ein Jahr lang eine Super Soco („Weg vom Benzin (Teil 3) – Ich fange jetzt mal klein an„) und bin im letzten Jahr eine Sur-Ron Firefly zur Probe gefahren („Der Ritt auf dem Glühwürmchen„).
Eigentlich hatte ich nicht so viel Lust, solche Modelle zu fahren, aber die Brekr Model B (B für Bromfiets – also Moped) aus den Niederlanden sah so ganz nett anders aus, also gab ich ihr eine Chance.

Schickes, flottes Strom Moped

Das kleine, leichte Maschinchen (79kg incl. Akku) fuhr sehr munter. Mir wurde gesagt, dass bei der Abstimmung alles was in der EU erlaubt ist, bis zum Maximum ausgereizt wurde (Der Nabenmotor leistet 4kW Peak, bei 2,5kW Nennleistung).
Das war zu merken. Sie fuhr deutlich spritziger, als die Super Soco und dürfte mit ihrem 2kW/h Akku nach meiner Schätzung realistische 50-60km weit kommen. Ein Zweitakku ist auch möglich.

Interessant: Trotz Nabenmotor war ein deutliches Fahrgeräusch zu vernehmen – bis ungefähr 45km/h laut Tacho. Bei Höchstgeschwindigkeit war sie dann völlig lautlos. Der Preis ist mit €4.750,- nicht gerade ein Schnäppchen, aber die Maschine wird in den Niederlanden per Hand gebaut und ist wirklich toll abgestimmt. Wenn Moped – dann so.

Kleine Motorräder

Mit „klein“ meine ich eigentlich, dass sie mit dem „kleinen“ A1 Führerschein ab 16 Jahren gefahren werden dürfen.
Die drei Modelle des taiwanesischen Herstellers Ovaobike sind alle A1 Modelle. Und sie sind alle klein – und damit meine ich diesmal die Größe. Sie sehen aus, wie normale, moderne Motorräder, aber in 2/3 Größe. Niedlich und irgendwie zwischen „richtigem Motorrad“ und Honda Monkey. Aber ich konnte mit meinen 1,85 gut sitzen. Klein bedeutet übrigens nicht unbedingt leicht: 184 kg!

Die MCR-S von Ovaobike

Ich habe das Spitzenmodell MCR-S ausprobiert, das mit 10,5kW Nennleistung und 22kW Spitzenleistung die A1-Klasse maximal ausnutzt. Es gibt da nämlich eine kleine Gesetzeslücke.

Die Klasse A1 bedeutet max. 125ccm Hubraum (hat ein Elektromotor nicht) und max. 11kW Nennleistung. Verbrenner haben eben diese 11kW (15PS) und fertig. Einige E-Motorräder haben 11kW (Dauer)Nennleistung – aber eine deutlich höhere kurzfristige Peakleistung, z.B. zum Überholen.

Mir ist das egal, weil ich die „offene“ Klasse A habe und jede beliebige Waffe auf 2 Rädern fahren darf, aber für Anfänger ist das ein netter Trick legal schneller zu fahren. Allerdings dürften 16 Jährige i.d.R. nicht über das notwendige Budget von ca. €15.000,- verfügen.

Dafür bekommt man neben der Leistung, 2 Batterien mit zusammen 9,6kW/h Leistung, was in der Stadt angeblich für max. 210km gut sein soll. Hinten ein Zentralfederbein, vorne Upside Down Telegabel und immerhin 270mm Scheibenbremsen von Brembo – aaaaber – nur CBS und kein ABS. Das ist schlecht (siehe oben „kleine Stunteinlage“).

Die MCR-S macht den Eindruck eines etwas geschrumpften aktuellen Motorrad im „Streetfighter“-Look. Im Gegesatz dazu sieht die Bonfire des Münchener Herstellers Black Tea Motorcycles aus, wie ein kleines Motorrad von Yamaha oder Honda aus den 70ern, bei dem jemand den Antrieb ausgetauscht hat.

Bonfire von Black Tea Motorcycles mit offenem Akkufach

Die Maschine gibt es in zwei Versionen: als Moped mit einem Akku und max. 45km/h und als A1 Bike mit zwei Akkus.
Ich habe das A1 Modell mit 11kW Nennleistung gefahren. Bei den 11kW bleibt es in diesem Fall auch. Also kein „E-Motorrad-Trick“. Das reicht immerhin für klassenübliche 100km/h. Die Bonfire X fährt sich wie eine normale 125er. Beschleunigung ist o.k, aber nicht weltbewegend.

Dafür sitzt man recht kommod und der Verzicht auf den Zulassungtrick und 100km Reichweite spart gegenüber der Ovaobike immerhin €9.000,- Die Bonfire X kostet in der A1 Version nur €6.000,-. Leider ist auch dieses Modell nur mit CBS Bremse erhältlich. Davon abgesehen – ein nettes Retro Bike zum attraktiven Kurs, das super ist für das Pendeln zur Arbeit/Uni/Berufsschule.

Große Motorräder

Nur einer der drei etablierten Hersteller von Elektromotorrädern war anwesend. Harley Davidson und Energica fehlten, aber dafür war Zero Motorcycles aus Kalifornien mit breiter Palette vor Ort. Ich konnte zwei Modelle, die ich interessant finde zur Probe fahren.

Sehr quirlig! Zero FXE Supermoto

Das Modell FXE ist eine Maschine im Supermoto Stil, auf der man sehr aufrecht am breiten Lenker sitzt. Sie ist mit 135kg („vollgetankt“ – hahaha…) superleicht. Es gibt sie in einer 11kW Version für A1 Führerscheininhaber. Ich fuhr die ungedrosselte Version mit 33kW (44PS) Peak- und 15kW (21 PS) Nennleistung, für die man einen Führerschein der Klasse A2 (Ab 18 Jahren, bis max. 48PS) benötigt. Das hört sich zusammen mit der Höchstgeschwindigkeit von 132 km/h erst einmal nicht nach viel an, aber:

Holla – da geht die Luzi ab!

Nicht umsonst sind die sehr ordentlichen Pirelli Diabolo Rosso II Reifen aufgezogen. Ich bin nur im Eco Modus gefahren, war aber trotzdem in nullkommanix aus dem Stand auf … ähm – nun ja – deutlich zu schnell für die Stadt. Das gab mir dann gleich die Gelegenheit, die sehr guten Bremsen zu testen.

Neben der krassen Beschleunigung fand ich aber fast noch besser, wie unglaublich gut sich die Maschine langsam fahren ließ. Und damit meine ich den einstelligen km/h Bereich, den man mit Verbrenner Motorrädern nur mit viel Gewürge und schleifender Kupplung hinbekommt. Das liegt an dem feinfühlig dosierbaren Motorcontroller und an der aufrechten Sitzposition, die einem ein wunderbares Gefühl für die qurlige, wendige Maschine gibt.
Der Preis liegt bei ca. €14.000,-

Nachdem ich mit breitem Grinsen im Gesicht zurückkam, meinte der freundliche Zero-Mitarbeiter, dass ich nach dem „kleinen“ Modell jetzt ja mal die „große“ ausprobieren könne.

Gesagt getan: Zero SR/F mit 40kW (54PS) Nennleistung und 82kW (110PS) Peak bei 227kg Gewicht.

Zero SR/F

Mein erster Eindruck: Auch hier sagen die Zahlen nicht viel. Trotz fast 100kg Mehrgewicht gegenüber der FXE, fühlte sich die Maschine nicht sonderlich schwer oder träge an. Mir kam sie sogar leichter als meine GSX-S 750 vor, obwohl das nicht stimmt. Der Schwerpunkt liegt eben sehr tief.
Wenn die FXE schon gut abging – auf der SR/F ist kompletter Wahnsinn angesagt, wenn man so richtig am Stromgriff dreht. Ich denke, man ist hier nahe am physikalisch machbaren, was die Reifen noch auf die Strasse bringen können.

Aber auch hier beeindruckt mich neben der schieren Kraft vor allem, wie feinfühlig sich die Maschine fahren lässt. Da merkt man, dass Zero bereits 15 Jahre Erfahrung beim Bau von Elektromotorrädern hat. Kostenpunkt: je nach Ausstattung ab €20.000,- Um es kurz zu machen:

Rein von Fahrgefühl ist das für mich DER Benchmark aller Motorräder, die ich bisher fahren konnte.

Ich habe daraufhin noch etwas am Stand bei Zero rumgehangen und habe festgestellt: JEDE Person gleich welchen Alters oder Geschlechts hatte nach der Probefahrt Probleme den Helm abzunehmen, weil sich das Grinsen von einem Ohr bis zum anderen zog.

Und sonst so?

Es gab noch andere Hersteller mit ausgewachsenen Motorrädern, die ich jedoch nicht mehr gefahren bin. Die RGNT aus Schweden sieht im feinsten Retro-Stil recht edel aus. Als Cruiser im aktuellen Stil kommt die Alrendo daher. Den futuristischen Hingucker liefern Verge aus Finnland, durch das nabenlose Hinterrad mit Felgenmotor.

RGNT im Retro Stil
Alrendo im aktuellen Cruiser-Stil
Futuristisch: Verge mit Hinterrad Felgenantrieb

Offroad

Ich bin zudem noch zwei Maschinen ohne Straßenzulassung außer Konkurrenz gefahren. Hinter dem Fabrikgebäude war eine kurze Offroad Passage möglich, auf der man Strom geben konnte.

Schon seit einiger Zeit bietet der schwedische Hersteller Cake das Offroad Modell OR an. Das Design ist wie bei allen Modellen von Cake sehr technisch reduziert und sehr speziell, aber es hat etwas. Wenn die Maschine direkt vor einem steht, merkt man die extrem hohe Material- und Verarbeitungsqualität. Das Fahrzeug hat 11kW und satte 280Nm Drehmoment, wiegt aber nur unglaubliche 69Kg.

Heidewitzka – das war lustig!

Zufriedenes Grinsen nach leichtem Geländeritt auf der Cake

Eine junge Dame hat ein paar Action-Aufnahmen von mir gemacht. Mal schauen wann ich die bekomme. Das Modell gibt es auch unter dem Namen Kalk mit Straßenzulassung. Es kostet zwischen €12.000 und €14.500,-

Im Anschluss konnte ich noch eine Runde auf der sehr minimalistischen Trevor aus Belgien drehen. Nun bin ich ja nicht allzu klein, aber auf dieses Bike musste ich fast raufklettern. Jetzt ahne ich, wie sich kleinere Menschen auf Motorrädern fühlen. Das Fahrzeug ist minimalistisch, roh, und verblüffend laut. Für den Ritt durch leichtes Gelände schien es mir sehr gut geeignet. Ob ich das auch auf der Straße haben möchte, weiss ich nicht so recht. Immerhin ist man gerade dabei, eine Strassenzulassung zu bekommen.

Trevor

Und sonst?

Vor einiger Zeit habe ich auf dem Youtube Kanal vom Londoner Bike Shed Motorcycle Club einen Bericht über einen Prototyp von DaB aus Frankreich gesehen. Und siehe da – DaB war anwesend und hatte zwei Prototypen mitgebracht. Die charmante Mitarbeiterin sagte mir, dass man gerade dabei ist die Serienproduktion vorzubereiten und die Straßenzulassung läuft. Genaueres habe ich nicht erfahren, aber die Maschine im Supermoto Stil finde ich optisch schon mal recht ansprechend.

Prototyp von Dab

Vor einiger Zeit habe ich mehrere Videos über ein Umbaukit für alte 50er Vespa auf E-Antrieb gesehen. Jetzt gibt es das auch für Simson. Bin nicht sicher, ob das genial oder Frevel ist – aber es geht und man kann die alten Schätzchen auch dann weiterfahren, wenn es zu einem Fahrverbot für Zweitakter kommt, wie es in vielen europäischen Städten bereits existiert.

Elektro Umbaukit für Simson S und Schwalbe

Von Videobloggern und Nicht-Videobloggern

Über so ein interessantes Event muss natürlich berichtet werden. Am besten in Ton und Bild. Ich war auch extra mit Helmkamera gekommen, aber leider habe ich scheinbar regelmäßig Start und Stopp der Aufnahme verwechselt. Zu Hause habe ich dann sehr lange Passagen gesehen, in denen ich den Helm durch die Gegend trage oder in irgendeine Ecke gelegt habe. Und jedesmal, wenn es zu einer Probefahrt ging, unterbrach das Video.

Bravo Herr Ollmetzer! Ganz großartig gemacht!

Also habe ich stattdessen diesen langen Artikel geschrieben und Videoaufnahmen den Profis überlassen. Das Ergebnis sind ein paar Sekunden Ruhm im Fernsehen, weil mich der RBB für die Abendschau interviewt hat.

Auch ohne mich wurde überall gefilmt. Neben dem RBB waren auch viele Videoblogger anwesend, die man kennen kann, wenn man sich für die Berliner Elektroszene interessiert.

Ein schöner Überblick über die Veranstaltung kommt von den Scooterhelden. Respekt – das war sehr schnell!

Ich habe den Videoblogger Rad City Berlin gesehen, der regelmässig mit seinen Super73 durch Berlin fährt und darüber berichtet. Da können wir sicherlich einen Bericht erwarten.

Gefilmt haben auch Paddy Lectric und der Zero Pionier mit denen ich mich auch über ihre Erfahrungen, inbesondere zum Thema „Wo und wie lade ich die Maschine“ unterhalten konnte. Von den beiden wird es sicherlich Fahrvideos geben.

Und vermutlich gibt es noch mehr, die ich nicht erkannt habe.

Mein Fazit

Die Veranstaltung war klasse. Genau der richtige Rahmen, um sich einen Überblick über die E-Mobilität auf zwei Rädern oberhalb von Pedelecs zu informieren – und vor allem das Ganze auch selbst zu erfahren. Weil es genau darum geht – eigene Erfahrung. Es nützt nicht viel, irgendwelche technischen Daten zu lesen – man muss diese neue Technik spüren.

Dann wird einem nämlich klar, dass Verbrennungsmotoren ein Auslaufmodell sind. Nach einem ganzen Tag auf meist leise surrenden, wieselflinken Motorrädern und nach Hause dann wieder mit einer schweren Verbrennungskraftmaschine, bei der man laufend alle Gänge rauf und runter schalten muss, während einem bei 30 Grad auch noch die Abwärme des Motors die Beine grillt. Ich mag meine GSX-S 750 wirklich gerne – aber die Zukunft sieht anders aus.

Die Zukunft ist elektrisch – aber ist es die Gegenwart auch schon?

Wenn es nur um die Fahrzeuge ginge – ich hätte die Zero FXE oder die Cake sofort eingepackt und mitgenommen. Aber neben den recht hohen Preisen spricht leider häufig immer noch die Infrastruktur dagegen. Ich könnte zum Beispiel beide Maschinen nicht aufladen. Ich war mir auf dem Event mit allen Gesprächspartnern einig:

Für die große Tour quer durch Europa taugt es noch nicht und für Stadtbewohner ohne Garage und eigener Steckdose gibt es im Moment eigentlich nur zwei reale Szenarien.

Entweder das Fahrzeug hat herausnehmbare Akkus, die in der Wohnung aufgeladen werden. Das macht nur Sinn, wenn das Fahrzeug leicht und relativ langsam ist, weil die Akkus sonst zu schwer sind. Das funktioniert gut für ein Moped, für das man keinen großen Aktionsradius benötigt.

Oder man hat ein Motorrad mit großem und schweren Akku – und das Fahrzeug kann per Typ2 Steckdose wie ein Auto an Wallboxen oder Ladesäulen aufgeladen werden.

Also sollten wir unser Steuergeld nicht in Tankrabatten und €9.000,- Subventionen für überfettete Elektro-SUV stecken, sondern in Ladeinfrastruktur. Der Rest wird folgen. Übrigens: wie viele E-Motorräder könnte man aus dem Material für einen VW ID4 oder Tesla bauen? Darüber sollte man mal nachdenken…

Die wahrscheinlich lässigste Musikmesse der Welt

Vom 12. bis 14. Mai 2022 fand in Berlin die Superbooth statt – eine Messe rund um elektronische Musik mit dem Schwerpunkt Modularsythesizer. Elektronische Musik und Berlin passt perfekt zusammen. Von Tangerine Dream bis Techno – der Sound von Berlin ist elektronisch, also passt hier auch gut eine entsprechende Messe hin.

Ich habe die Superbooth zum ersten Mal besucht. Jede Erwartung, die man an eine Musikmesse haben kann, wurde dort auf den Kopf gestellt. Das vermeintliche Nischenthema „analoge Modularsythesizer“ klingt irgendwie sehr technisch und trocken. Und Messen machen in der Regel auch keinen Spaß. Meist große Hallen mit viel Gedränge und schlechter Luft, geschäftiges Abklappern von potentiellen Geschäftspartnern, langweilige Stände, Prospekte sammeln, Verkaufsgespräche, Visitenkarten austauschen und so weiter. Am Ende zählt, wie viel Kontakte und Abschlüsse man gemacht hat.

Superbooth 2022 Plakat

Die Superbooth entpuppte sich als genau das Gegenteil: Ein total entspanntes Happening von Leuten, die elektronische Musik und die Instrumente lieben. Nebenbei wurde sicherlich auch das eine oder andere Geschäft angebahnt, aber das Ganze hat sich mehr nach Festival oder nerdigem Hackercamp (siehe Chaos Communication Camp 2015) angefühlt, als nach Verkaufsmesse. Und das ist auch die Absicht des Veranstalters.

Die Anti-Messe

Die Geschichte fängt vor 20 Jahren mit einem Gemeinschaftsstand auf der großen Frankfurter Musikmesse statt, auf dem sich mehrere Kleinsthersteller zusammengetan haben (daher der Name „Superbooth“). Analoge Modularsysnthesizer waren damals völliges Nischenthema und daher monetarisch für so eine Riesenveranstaltung eher uninteressant. Im Laufe der Jahre wuchs wohl die Unzufriedenheit mit der Frankfurter Musikmesse und 2015 entschied sich Andreas Schneider, aus dem Gemeinschaftsstand eine eigene Veranstaltung zu machen. Und dort sollte so einiges anders werden.

Der besondere Ort

Das fängt schon mit der Wahl des Veranstaltungsortes an. Keine Messehalle, keine angesagte Location in einem trendigen Szenebezirk in der Innenstadt, sondern das FEZ in der Wuhlheide. Für Nicht-Berliner: Die Wuhlheide ist ein städtisches Waldgebiet, das in Oberschöneweide zwischen den Stadtteilen Karlshorst und Köpenick liegt. Darin befindet sich neben einer Freilichtbühne und einer Parkeisenbahn (ehemals Pioniereisenbahn) das Freizeit- und Erholungszentrum (FEZ – ehemals Pionierpalast „Ernst Thälmann“). Man fährt also aus der Stadt heraus und läuft dann erst mal einen knappen Kilometer durch den Wald, bis man am FEZ ankommt. Das fühlt sich schon mal sehr anders an, als zu einem Messegelände zu fahren und hat bereits Einfluss auf die Stimmung.

Von der S-Bahn zur Messe erst einmal 800m durch den Wald

FEZ Foyer und zwei Stockwerke mit Ausstellerräumen

Das FEZ ist ein recht großes Gebäude aus den späten 70er Jahren. Und hier fühlt sich alles auch noch einigermaßen konventionell an: Foyer, Auditorium für Vorträge und viele Räume für Aussteller. Hier ist aber nur ein Teil unterbracht. Ein anderer Teil der Aussteller ist in Hütten oder Zelten untergebracht, die auf dem Gelände verstreut liegen. Es gibt also keine Messestände im engeren Sinn. Das Ganze wird ergänzt um Bühnen für Auftritte an einem kleinen See oder in einem Zirkuszelt.

Ausstellerzelte, locker im Wald verstreut

Der Umgang mit Menschen

In diesem Jahr schnitt Andreas Schneider auch noch den letzten Zopf konventioneller Messen ab: Den Fachbesuchertag.

Auf großen Messen ist es üblich, Pressevertretern und einigen ausgewählten Personen bereits vor der offiziellen Eröffnung Zutritt zu geben. Schneider wischte das weg mit dem Argument: „Jeder, der zu dieser Veranstaltung kommt, ist Fachbesucher“ und machte keinen Unterschied zwischen Presse, Händler, Musiker oder auch „nur“ Musikinteressierten.

Das Ergebnis ist ein bunter Haufen Menschen, der sich einfach für dasselbe interessiert. Man bewegt sich sich in einer entspannten Umgebung, läuft mal hier und mal dort hin und tauscht sich mit Gleichgesinnten aus.

Und das wirkt! Man kommt sehr locker mit wirklich jedem ins Gespräch. Keine Person wird erst mal darauf abgecheckt, wie wichtig sie vermeintlich ist. Alle sind auf Augenhöhe. Jeder ist neugierig und jeder erzählt auch gerne was sie/er macht. Man wird nicht schräg angesehen, wenn man sich als Neuling in dem Bereich outet, sondern es wird erklärt und Mut zugesprochen („Be patient. We’ve all been there. Start small and practice. The more you do, the more you understand. The more you understand, the better you will know, what you really need.“).

Die Großen

Falls das jetzt eher nach Jahreshauptversammlung der Kaninchenzüchtervereins Wuhletal anhört – lasst Euch nicht täuschen.

Das Publikum ist genau so international, wie die Aussteller und es lassen sich auch bekannte Personen blicken. Im letzten Jahr mischte sich z.B. Jean Michel Jarre unter die Besucher und ich habe ein Podiumsgespräch mit Dave Smith, Markus Ryle und Tom Oberheim anlässlich der Vorstellung des neuen Oberheim OB-X8 gehört. Die drei haben etliche der besten Analogsynthesizer der 70er und 80er Jahre entwickelt und sind absolute Koryphäen! Tom Oberheim war leider nur per Video zugeschaltet. Schade, aber verständlich. Er ist immerhin mitten in seine 80er Jahren. Immerhin sind die anderen beiden extra aus den USA gekommen um das neue Instrument zu präsentieren, das sicher eines der Highlights der Messe war.

OB-X8, Dave Smith, Tom Oberheim (Video) und Marcus Ryle (v.l.n.r.)

Viele schöne, kleine Juwelen

Es waren viele der größeren, bekannten Hersteller vertreten: Korg, Yamaha, Moog, Sequential, Novation, Nord, Rhodes usw.
Was die Superbooth aber so besonders macht, ist die unglaubliche Menge kleiner und kleinster Hersteller von Klangmodulen. Deren Exponate zeichnen sich meist durch Originalität, Verspieltheit und Detailliebe aus. Man merkt, dass das nicht einfach hart kalkulierte Industrieprodukte sind, sondern Kleinserien in die viel Liebe und Herzblut geflossen sind. Oftmals sind die Anbieter selbst Musiker, die einfach das entwickelt haben, was sie selbst haben wollten und nirgends kaufen konnten.

Aus der riesigen Menge, stelle ich mal exemplarisch drei Module für Eurorack Synthesizer vor, die ich sehr interessant fand.

Der liebevolle 80er Jahre Look bei XOR stimmt auf das Produkt ein
NerdSeq – wie ein Soundtracker auf den alten Heimcomputern der 80er und 90er.

Spannend fand ich den NerdSEQ von XOR-Electronics. Ein Mehrspur-Sequencer, der nach dem Prinzip der Soundtracker funktioniert, mit denen in den 80er und 90er Jahren Musikstücke auf Heimcomputern erstellt wurden. Um den Nerdfaktor zu erhöhen, kann man das Gerät per Joypad bedienen und eine Ausgabe per Videosignal an einen Röhrenmonitor(!) ist auch möglich.

LPZW zeigte ein Drummodul, das wie ein TR606 von Roland klingt

Bei LPZW.Modules fand ich den 6m0d6, ein Modul, das im Prinzip eine Roland TR-606 Drummachine ist. Der Sound ist knackig und die Vorführung zeigte, wie sich durch ein simples LFO Signal, lebendigere Hi-Hats oder Toms erzeugen lassen.

Der Arbhar von Instruo – ein kompakter Granularsynthesizer

Instruo aus Glasgow hatten zwei Racks dabei, die optisch zu den schönsten der gesamten Messe gehört haben. Die Kombination aus dunklem Holz, mattschwarzen Oberflächen und goldener Beschriftung hatte besten Steampunk-Appeal. Und die Demonstration des Granularsynthesizers arbhar zeigte, dass sich mächtige Soundmöglichkeiten und einfache Bedienung nicht ausschließen müssen.

Bei den kleinen Anbietern habe ich stets gefragt, woher sie sind. Mein Eindruck ist, dass „Eurorack“ nicht nur ein technischer Standard ist, denn die meisten kamen aus Osteuropa, Spanien, United Kingdom oder Deutschland. Asiatische Anbieter habe ich in diesem Segment gar nicht gesehen und Amerikaner waren auch rar. Ich habe zum Beispiel Intellijel aus Kanada vermisst, die wirklich erstklassige Module und Racks herstellen. Aber egal, mit wem man sprach: jeder, wirklich JEDER hat Schwierigkeiten, die benötigten elektronischen Bauteile in genügender Stückzahl zu bekommen.

Und sonst?

Tonnenweise Zeug, Zubehör, Cases, Software. Wenn ich von Modularsynthesizer rede, sind hier meist die kleinen Eurorack-Module gemeint. Es gab aber auch immerhin zwei Anbieter, die Module im größeren Moog-Format anboten und im Bungalowdorf war auch noch Buchla zu finden.

Selten: Module im Moog Format 5HE mit 6,5mm Klinkenstecker


Ich hatte noch gute Gespräche bei Bitwig, deren Workstation Software der Kern meines kleinen Heimstudios ist und gleich daneben stand noch der Colani-Truck, den Arturia zur Präsentation ihrer Produkte nutzte. Als ich erzählte, wie zufrieden ich mit meinem Keylab-88 Masterkeyboard und den tollen Software Synthesizern der V-Lab Collection bin, habe ich gleich ein T-Shirt dafür bekommen. Ungewöhnlich für Merchandising: Die Textilie hat eine sehr gute Qualität – und der Firmenname fehlt (!). Es gibt nur einen Mini-Aufdruck „_The sound explorers“.

Insider – Merchandising. Okay, warum nicht?

Zeltstadt mit dem Truck von Arturia

Livemusik

Zur Messe gehörte auch ein Programm von Live Performances. Leider traten viele Acts, die mich interessiert hätten bereits an den Vortagen auf, wie z.B. Julia Bondar. Aber das hält einen ja nicht davon ab, mal hier oder dort reinzuhören.

Schneider TM live im Zirkuszelt
Publikum vor der Strandbühne
Livemusik im Bungalowdorf

Manches war akustisch etwas anstrengend, aber im Großen und Ganzen, konnte man meist gut zu den Acts entspannt abhängen und z.B. mit einem Bierchen in der Hand den Sonnenuntergang genießen.

Fazit

Tja, mein Fazit steht ja schon in der Überschrift: „die wahrscheinlich lässigste Musikmesse der Welt“ :-D
Hat mir sehr gut gefallen und ich werde auch nächstes Jahr gerne wiederkommen. Ich überlege, dann evtl. sogar zwei Tage einzuplanen, denn ich habe so einige Dinge nicht mehr geschafft. Den neuen Oberheim hätte ich gerne ausprobiert, Moog habe ich aus Zeitgründen nicht geschafft und bei Rhodes hätte ich auch gerne das neue E-Piano ausprobiert.

Im Nachgang fiel mir auch auf, dass so ungefähr alle Fachmagazine und Blogs anwesend waren und berichtet haben. Dabei fand ich ganz interessant, dass jeder irgendwie einen eigenen Schwerpunkt hatte und andere Dinge berichtete, als die anderen Publikationen. Aber es waren sich alle einig, dass die Superbooth entspannt, familiär und einfach toll war. In seiner Nische ist diese Veranstaltung mittlerweile eine der großen und renommierten.

Neuzugang im Fuhrpark: Ampler Curt

Im letzten Jahr habe ich einige interessante Zweiräder ausprobiert – einige noch mit Verbrennungsmotor (Vogue 500, Triumph Trident 660) aber auch einige mit Elektroantrieb. Darunter das geniale Elektro-Off-Road Moped Sur-Ron Firefly („Der Ritt auf dem Glühwürmchen„), einige Edel-E-Bikes von Schindelhauer („Fahrrad – das erste mal…„) und mehrere mittelpreisige E-Bikes von Cube und Ampler (siehe zum Ampler Curt: „Noch ein tolles, leichtes Strom-Fahrrad„).

Nach einigem Überlegen habe ich mich dafür entschieden, meinen Fuhrpark um ein E-Bike zu erweitern. Ein zweites Motorrad brauche ich nicht – meine Suzuki ist mir lieb und genügt voll und ganz. Die Sur-Ron hat mich ganz begeistert und bietet viel Fahrspass für relativ viel Geld. Aber für das elektrische Fahrrad finde ich auch mal Mitfahrer, was letztlich den Ausschlag gegeben hat.

Anfang Dezember habe ich das Ampler Curt bestellt. In der Variante mit Kettenschaltung.

Ein neues Fahrrad im Dezember?

Ja. Das hat sich als goldrichtig erwiesen. Das Rad war sofort verfügbar (Lieferung innerhalb 14 Tagen aus Estland) und ich habe einen paar Hundert Euro weniger bezahlt, als die damaligen €2.900,- Listenpreis. Leider hat es am Tag, bevor ich das Bike aus dem neuen Ampler Showroom in Kreuzberg abgeholt habe geschneit. Also gleich bei der Jungfernfahrt das schicke Gerät ordentlich eingesaut. Nun gut – nur die Harten kommen in den Garten.

Nagelneue Schönheit: Übergabe im Ampler Store in Berlin Kreuzberg

Erste Eindrücke

So richtig viel bin ich seit Mitte Dezember dank Schmuddelwetter und Homeoffice noch nicht gefahren. Ein paar kurze Fahrten zwischen 5 und 20 km habe ich trotzdem schon gemacht und konnte so erste Eindrücke sammeln.

Verarbeitung

Bei der Übergabe war ich wieder von dem geringen Gewicht von unter 15kg und dem Styling hingerissen: Schick, mattschwarz, minimalistisch. Die Verarbeitung ist sehr gut. Der Aluminiumrahmen hat sehr saubere Schweissnähte, die Lackierung ist einwandfrei. Die Kabel und Bremsleitungen liegen zwar nicht komplett im Rahmen, aber sie stören nirgends. Nichts sitzt schief oder locker und selbst auf fiesem Kopfsteinpflaster klappert nichts. Die 11 Gang Kettenschaltung (Shimano Deore) und die hydraulischen Scheibenbremsen (Shimano 6000) waren einwandfrei eingestellt und der Akku komplett geladen. Los geht’s…

Rahmen, Sitzposition, Komfort

Die Rahmengeometrie bringt einen ein eine recht sportliche, vorn übergebeugte Sitzposition. Der kurze Radstand, der steile Lenkkopfwinkel und der extrem kurze Nachlauf der geraden Carbongabel sorgen für extreme Wendigkeit. Fast schon ein bischen zu viel des Guten. Als ich im Verkehr das erste Mal nach links über die Schulter geschaut habe, hat es mir fast das Vorderrad verrissen. Das Rad verlangt nach Konzentration. Komfort sollte man nicht erwarten, zumal das Rad mit 32mm schmalen Continental Grand Prix 4-Season Reifen ausgeliefert wird, die zwischen 5 und 7 Bar gefahren werden sollten. Das Ding ist bockhart.

Die Schaltung ist dafür exakt und knackig und die hydraulischen Scheibenbremsen ziehen verdammt gut. Davon konnte und musste ich mich nach den ersten 50m Fahrtstrecke bei einer Notbremsung unfreiwillig überzeugen.

Und auch ohne Motorunterstützung ist es immer noch ein leicht laufendes Rad, mit dem man auch spielend leicht deutlich schneller als die 25 km/h fahren kann, bis zu denen die Motorunterstützung zulässig ist. Die lockere, unangestrengte Sonntagsnachmittagsfahrt neulich bin ich stromlos gefahren und war immer noch deutlich schneller, als 60% der anderen Radler. Schön zu wissen, zumal man so keine Angst davor haben muss, irgendwo mit leerem Akku „liegen zu bleiben“. Trotzdem ist die Frage, wie es sich mit Strom fährt natürlich wichtig.

Wie ist das E in E-Bike ?

Bei manchen anderen Pedelecs fühlt es sich an, als ob man gegen eine unsichtbare Wand fährt, sobald der Motor oberhalb von 25 km/h abschaltet. Beim Curt wird die Motorunterstützung wird per Drehmomentsensor im Tretlager gesteuert. Je stärker man tritt, desto mehr hilft der Motor. Das fühlt sich sehr natürlich an. Beim Ampelstart kommt man extrem gut weg und je schneller man fährt, desto mehr lässt die Unterstützung nach. Das ist super, weil man kein plötzliches Abschalten der Unterstützung oberhalb von 25 km/h spürt.

Und genau diese Charakteristik hat mich bei der ersten Fahrt etwas in die Irre geführt. Als ich zu Hause angekommen bin, war ich doch etwas aus der Puste und leicht verschwitzt. Wie kann das bei einem E-Bike sein?

Ich hatte einen GPS Tracker bei der Fahrt mitlaufen lassen und als ich mir das Fahrprofil angesehen habe, fiel mir auf, dass ich die längeren Strecken meist mit 30 km/h oder sogar darüber gefahren bin – also ohne Motorunterstützung. Daher!

Bei späteren Fahrten ins Büro und zurück, bin ich bewußt etwas langsamer gefahren, habe so die kleinen Steigungen nicht mehr gespürt und bin völlig entspannt angekommen. Bei einem guten Durchschnitt von 17 km/h trotz vieler roter Ampeln. So soll es sein.

Das Curt in freier Wildbahn

Reichweite und Akku

Ampler gibt für die Reichweite eine Spanne zwischen 45 km und 100 km an. Im Schnitt sollten ca. 70 km drin sein. Solche Angaben hängen natürlich von der Temperatur, vom Gewicht des Fahrers, dem Geländeprofil, der Fahrweise und dem Unterstützungsgrad ab. Für mich (90 kg) und das Einsatzgebiet Berliner Innenstadt (überwiegend eben, mit einigen leichten Steigungen, ständigen Ampelstopps) scheint das bei 0-9 Grad Temperatur ziemlich gut hinzukommen, wie ein Blick auf die App (dazu später noch ein paar Worte) zeigt:

70 km Reichweite sind realistisch

Ausstattung

Es ist alles dran was man braucht – und nicht ein Teil mehr. Von der kleinen Klingel über die gute Beleuchtung bis hin zu dezenten Schutzblechen ist alles Notwendige an Bord. Ich habe noch Speichenreflektoren, einen Ständer und ein Abus Faltschloss angebracht. Einen Gepäckträger werde ich erst dann montieren, wenn ich ihn wirklich brauche. Immerhin – die Ösen sind am Rahmen vorhanden. Für der Alltag genügt erst mal mein Rucksack.

Ergänzt: Ständer, Speichenreflektoren und Faltschloss

Smartphone Anbindung

Kurz gesagt: nix mit Smartbike – und das ist gut so. Das Ampler Curt ist so minimalistisch, dass sogar auf ein Display verzichtet wurde. Es gibt zum Ein- Aus- und Umschalten nur einen beleuchteten Knopf unten am Sattelrohr über den man auch die Unterstützungsstufe wählen, das Licht ein- und ausschalten und den ungefähren Akkustand ablesen kann.

Immerhin gibt es eine App, die man per Bluetooth mit dem Fahrrad verbinden kann, falls man solche Dinge wir genauen Akkustand, gefahrene Kilometer etc. erfahren möchte. Über die App kann auch ein Firmware Update gemacht werden.

Ampler App ohne Verbindung – die letzten übertragenen Daten anzuzeigen wäre sinnvoller.

Sehr gut finde ich, dass die App ohne Cloudanbindung funktioniert. Weniger schön ist, dass die Verbindung häufig nicht richtig klappt. Und sobald die Verbindung zum Rad unterbrochen ist, vergisst die App alle Werte. Wenn man also das Rad im Keller stehen hat und oben in der Wohnung mal kurz nachschauen möchte, wie der Akkustand war, sieht man leider nur den Startbildschirm.
Ein „einfrieren und ausgrauen“ der letzten übertragenen Werte wäre gut.

Zusammenfassung

Richtig schickes, leichtes Bike. Eher flott als gemütlich. Ziemlich gut geeignet für die täglichen Fahrten in der Stadt, zur Arbeit und so weiter.

Vielleicht nicht so toll für ausgedehnte Ausflüge, viel Gepäck und steile Berge. Da wären dann eher die schweren, gemütlichen Räder á la Cube Kathmandu mit Bosch Mittelmotor und gigantischem 750Wh Akku vermutlich besser geeignet.

Aber so etwas will ich ja nicht. Von daher: Alles richtig gemacht :-)

Der Ritt auf dem Glühwürmchen

Heute habe ich eine Probefahrt mit der Sur-Ron Firefly gemacht – einem elektrisch angetriebenen Zweirad. Mein Fazit in vier Worten: Es war echt lustig.

Doch bevor ich mich in Details verliere, ein kurzer Rückblick. Dass die Zukunft der Verkehrsmittel elektrisch ist, war mir bereits seit langem klar. Ich habe bereits 2007 orakelt, dass den deutschen Autoherstellern sehr schwere Zeiten bevorstehen (Artikel „Passt bloß auf…„).

Nun haben zwar sowohl mein Auto, als auch mein Motorrad noch Verbrennungsmotoren (die sind beide noch zu neu um sie zu ersetzen), aber immerhin habe ich vor fast vier Jahren meine ersten Gehversuche (oder Rollversuche?) in der E-Mobilität gemacht. Ich hatte mir seinerzeit ein elektrisches Moped gekauft – die Super Soco TS1200 (siehe „Weg vom Benzin (Teil 3) – Ich fange jetzt mal klein an„).

Zunächst war ich ganz begeistert darüber, völlig lautlos durch die Stadt zu gleiten, aber nach und nach setzte die Ernüchterung ein. Die Reichweite war mit 40km nur halb so weit wie versprochen und auch der Durchzug war zwar gegenüber einer 50ccm Vespa ganz ordentlich, aber die elektrischen Leihroller von Emmy und Coup ließen mich damals an der Ampel sehr deutlich zurück. Flott war anders.

In der Zwischenzeit habe ich auch das eine oder andere Pedelec ausprobiert und fand sie gar nicht mal so schlecht. Der Vorteil dieser Geräte ist, dass es sich rechtlich gesehen um Fahrräder handelt und man damit nahezu überall fahren darf (Radwege, Feld- und Waldwege etc.). Der Nachteil ist, dass es sich rechtlich um Fahrräder handelt und man damit relativ langsam unterwegs ist.

Und heute habe ich eben auch noch die Firefly („Glühwürmchen“) von Sur-Ron ausprobiert.
Was ist das denn nun für ein Gerät?

Sur-Ron Firefly in blau

Technisch gesehen ist das eine Mischung aus Downhill-Fully-Mountainbike und einem kleinen Crossmotorrad – aber mit elektrischem Antrieb. Das Ding gibt es in einer offenen Version ohne Straßenzulassung für den Geländesport. Es gibt etliche Videos auf Youtube, die zeigen, dass dieses filigrane Gerät auf engen Geländestrecken ziemlich gut mit „richtigen“ Crossmotorrädern mithalten kann. Kein Wunder bei nur knapp 60Kg Gesamtgwicht inkl. Akku und fast 80Km/h Höchstgeschwindigkeit.

Ich bin die Version mit Straßenzulassung gefahren. Das Fahrzeug haben mir die Scooterhelden in Berlin Schöneberg zur Verfügung gestellt, die auf elektrische Kleinfahrzeuge spezialisiert sind. Es ist als L1e-B (“Zweirädriges Kleinkraftrad” – entspricht 50 cm³-Benzinmotorrad) klassifiziert. Das bedeutet nur 45Km/h Höchstgeschwindigkeit, aber dafür benötigt man nur ein Versicherungskennzeichen und man darf sie ab 16 Jahren mit Führerschein AM oder dem normalen Autoführerschein fahren.

Also eigentlich dasselbe, wie damals meine Super Soco – bloß sehr viel lustiger!

Das fängt schon mal mit dem Aussehen an. Ich finde die filigrane Maschine richtig schick und die schrillen Rahmenfarben (Blau, Gelb, Lindgrün, Orange) fetzig. Trotz meiner ca. 190cm Größe finde ich gut Platz auf dem kleinen Glühwürmchen. Da das gute Stück lange Federwege hat, geht es bei meinen 95Kg etwas in die Knie, aber es bleibt noch ordentlich Federweg übrig. Auf Kopfsteinpflaster hat man seine Ruhe. Das Fahrwerk ist übrigens einstellbar!

Einfaches Cockpit, einstellbare Federgabel, „Zünd“schlüssel

Die Bedienung ist sehr simpel. Einschalten mit einem Schlüssel, Blinker am linken Griff, rechts per Drehgriff „Strom“ geben, ordentliche Rückspiegel – alles wie beim Motorrad. Es fehlen aber die Fußhebel, weil es keine Schaltung gibt und der Hebel am Lenker die Hinterradbremse anstelle der Kupplung ist. Wer schon mal Moped oder Motorrad gefahren ist, kommt sofort klar. Das Sitzgefühl ist dennoch insgesamt deutlich mehr Fahrrad, als Motorrad.

Das ändert sich in dem Augenblick, in dem man mal richtig am Kabel zieht. Die Beschleunigung bis 35Km/h ist wirklich krass und mir ist sogar zweimal kurz das Vorderrad abgehoben. Und es geht munter weiter, bis bei 51Km/h laut Tacho abgeriegelt wird. Das werden real ca. 47Km/h sein – also die Toleranzgrenze ausgeschöpft.

Jawoll – so macht Moped fahren Spaß!

Im normalen Berliner Stadtverkehr sollte das auf alle Fälle reichen. Erst recht, seit hier eine Straße nach der anderen auf 30Km/h begrenzt wird. Und das Ding ist wendig wie ein Fahrrad.

Woher kommt der Unterschied der spritzigen Firefly zur eher betulichen Soco? Die technischen Daten sind fast identisch. Beide haben einen 60V Akku (Super Soco 28Ah, Sur-Ron 32 Ah) und ca. 2 KW Leistung (Super Soco 2,4 kW max., Sur-Ron 2,05 kW Dauerleistung).

Ich denke neben dem um 20Kg geringeren Fahrzeuggewicht ist es das Getriebe. Die Soco hat einen Nabenmotor von Bosch im Hinterrad. Daher kein Getriebe, keine Untersetzung, keine Pflege und kein Geräusch. Die Soco fährt völlig lautlos.

Primärantrieb per Zahnriemen, Sekundärantrieb per Kette. Einstellbares Zentralfederbein an Umlenkhebeln


Bei der Firefly wird das Hinterrad per Kette angetrieben und zwischen Kettenritzel und Elektromotor sitzt nochmals eine Untersetzung per Zahnriemen. Das sorgt vermutlich für das sportliche Temperament der Firefly. Allerdings muss man den Antriebsstrang natürlich auch pflegen und die Maschine ist zwar nicht laut, aber doch deutlich hörbar. Letzteres sehe ich allerdings eher als Sicherheitsfeature gegenüber Fußgängern und Radfahrern.

Bleibt die Frage der Reichweite. Sur-Ron sagt bis zu 69Km. Die Aussage der Scooterhelden war „realistisch zwischen 40 und 50Km je nach Fahrweise“. Das glaube ich mal.

Schwachpunkte

Ihr merkt schon, dass mir die Firefly ziemlich Spass gemacht hat und ein tolles Fahrzeug für die Stadt ist. Bleibt die Frage nach den Schwachpunkten. Mir fallen drei ein.

  • Konstantfahrruckeln. Wenn man auf – sagen wir mal – 35Km/h beschleunigt hat und die Geschwindigkeit halten will, ruckelt es im Antrieb. Das kann auf Dauer nervig sein.
  • Diebstahlgefährdung. Dadurch, dass die Maschine so leicht ist, kann man sie in nullkommanix wegtragen. Man müsste sie also ständig wie ein Fahrrad irgendwo anschließen.
  • Der Preis. Knapp €5.000,- ist für ein 45Km/h Moped echt viel Geld. Normale 50er kosten knapp die Hälfte. Man bekommt für tausend Euro weniger einen 125ccm Roller, der 100km/h schnell ist und weiter kommt – allerdings einen Benzinmotor hat. Andererseits habe ich in diesem Jahr auch E-Bikes (Pedelecs) in derselben Preisregion gefahren. Ist also alles relativ. Trotz hohem Spaßfaktor ist die Firefly jedenfalls kein Spontankauf.

Meine Zweitmütze – HJC i90 Klapphelm

Bereits seit einiger Zeit habe ich mit dem Gedanken gespielt, mir eine „Zweitmütze“ zuzulegen. Und jetzt habe ich es getan. Nach viel Fachlektüre, Tests und Abwägen habe ich mir an diesem Wochenende einen HJC i90 gekauft.

Weshalb einen zweiten Helm?

Man sagt, dass man Helme aus Sicherheitsgründen nicht länger als 5 Jahre nutzen sollte. Wetter und UV Strahlung machen den Kunststoff langsam spröde. Das Innenfutter weitet sich langsam und der Schweiß setzt der Schaumstoffinnenschale zu. Meinen Shoei GT Air habe ich mir vor ca. 3 1/2 Jahren gekauft, als ich mit dem Motorradführerschein angefangen habe. Da er von Verarbeitung und Material (Kein Spritzguss, sondern Faserverbundwerkstoff) deutlich besser als der Durchschnitt ist, kann ich ihn sicherlich noch locker 2 Jahre nutzen.

Aber ein paar Dinge stören mich insbesondere bei einfachen Stadtfahrten, z.B. morgens ins Büro. Die Belüftung im Stand ist nicht gut. Bei kälteren Temperaturen beschlägt das Visier trotz Atemabweiser und Pinlock Innenvisier sehr schnell. Der Helm ist mattschwarz, und dadurch nicht gerade auffällig (potentielles Sicherheitsrisiko) und am letzten Punkt, der mich nervt bin ich selber schuld: Ich habe ein Sena 10C Evo eingebaut (siehe „Der elektrische Helm„) – eine Mischung aus Gegensprechanlage, Handyverbindung, um sich z.B. Routen von Google Maps ansagen zu lassen und einer Kamera.
Das Ding ist eigentlich ganz cool. Aber im Alltags- und Berufsverkehr habe ich keine Mitfahrer zum Unterhalten, den Weg kenne ich auswendig und ich filme nur Fahrten, die irgendwie besonders sind. Also ist das Gerät meist schlicht überflüssig, hängt aber seitlich etwas klobig am Helm mit Kabeln, die unter dem Innenfutter zu Lautsprechern und Mikrofon verlaufen und die Halterung habe ich fest angeschraubt. Das Teil mal eben abnehmen ist nicht.

Im Vergleich: Bessere Sichtbarkeit in der Dämmerung

Und weshalb genau diesen?

Ich habe schon seit längerem recherchiert und mir gedacht, dass ein Klapphelm eigentlich ganz praktisch ist. Den Helm jedes mal abfummeln wenn man sich unterwegs mal schnell die Nase putzen muss oder zum Bezahlen in die Tanke geht, ist nervig. Passform ist natürlich Top-Priorität, Pinlock und Sonnenblende ist ein Muss, der Helm muss trotz Klappmechanismus stabil sein und er sollte optisch besser erkennbar sein und falls möglich farblich zu meiner Maschine passen (weiß/rot/schwarz).

Nach meiner Recherche hatte ich folgende Kandidaten auf meiner Liste: Shoei Neotec II, Shuberth C3, Shuberth C4 und X-lite X-1005 Ultra Carbon. Also am Samstag auf zu Tante Louise und die Mützen dort mal aufsetzen.

Ich fing mit dem Shoei an. Der Helm macht einen sehr hochwertigen Eindruck und die Passform ist klasse. Ich fühle mich gleich wie zu Hause. Alles super – bis auf den Preis. Ich gebe für hochwertige Qualität gern ein paar Euro mehr aus. Allerdings kosteten die Dekors, die mir zusagten alle deutlich über €700,- !

Puh…

Der X-lite war dagegen mit €500,- trotz Karbonschale schon fast preisgünstig. Allerdings saß der nicht so richtig gut auf meinem Kopf und die Sonnenblende kam mit etwas schepperig vor. Den Schuberth habe ich auf- und sofort wieder abgesetzt. Der Verkäufer meinte nur trocken „Hätte mich gewundert. Wem Shoei passt, der kann in der Regel keinen Schuberth tragen und umgekehrt.“

Na super – und jetzt?

Also haben wir zusammen die Regale gescannt. Billiganbieter möchte ich nicht, Darth-Vader Look oder Dekors, die 18 jährige krass finden bitte auch nicht. Dann habe ich den HJC aufgesetzt und – sitzt gut!

Bei dem niedrigen Preis von nur €234,- wurde ich zunächst etwas misstrauisch. Also lieber noch mal genauer hinsehen. Aber ich finde keine sichtbaren Macken. HJC ist bei weitem kein No-Name, die Verarbeitung machte einen guten Eindruck und was geil ist – das Dekor passt zu meiner Maschine „wie Arsch auf Eimer“. Die einzige Erklärung für den günstigen Kurs ist, dass die Schale aus Polycarbonat-Spritzguss ist.
O.K., kann ich mit leben.

Passt: Dekor von Helm und Bike

Also einpacken und mitnehmen. Inklusive dem Versprechen „wenn der Helm nach einer Probefahrt doch drückt oder ernste Macken hat, kannst Du ihn zurückgeben“.

Der Praxistest – mein erster Eindruck

Sonntag habe ich also den i90 aufgesetzt (Sturmhaube drunter – damit ich ihn nicht gleich vollschwitze und ggf. als neuwertig zurückgeben kann), mich auf die GSX geschwungen und habe eine Runde gedreht. 1 1/2 Stunden langsam (30er Zonen) und zügiger (Ausfallstrassen) durch die Stadt, ein bisschen über die Autobahn (mal kurz bis 140 Km/h), Zwischenstopp an der Spinnerbrücke und am (Ex-)Flughafen Tegel und dann wieder nach Hause.

Nach der ersten, erfolgreichen Fahrt – darf bleiben

Der i90 sitzt straff, verursacht aber nirgendwo unangenehme Druckstellen (hängt natürlich von der Kopfform ab). Die Ausdünstungen von dem neuen Kunststoff halten sich sehr im verträglichen Rahmen. Die Rastung vom Visier ist recht leichtgängig. Nach den ersten paar hundert Metern kam mir der Helm ziemlich laut vor – und das bei 50 Km/h, aber auf der Autobahn wurde es nicht wesentlich schlimmer. Die Belüftung ist im Gesicht schon deutlich spürbar – auch bei geschlossenem Lufteinlass. Dafür hatte ich keine Problem mit beschlagendem Visier an den Ampeln. Und das mit dem Klappmechanismus ist schon genial, weil man nicht für jeden Furz Zwischenhalt gleich den Helm abnehmen muss und dann nicht weiß, wohin damit.

Besichtigung des Luftfrachtbereiches in Tegel.
Alter Flughafen, alter Mann, neuer Helm

Ich werde den Helm behalten. Für die Stadt und kurze Trips ist er auf jeden Fall gut. Auf längeren Strecken werde ich vermutlich weiterhin den leiseren Shoei aufsetzen – und dann auch filmen. Also eine gute Ergänzung für einen schmalen Taler.

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